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Verfasst: 13.06.2008 18:01
von Fondsfan
Wenn ich mich recht erinnere, hat tibesti irgendwann
doch seinen Glauben an den TGF verloren - vielleicht
sagt er auch dazu mal etwas.

Verfasst: 18.06.2008 09:32
von tibesti
Hallo
an Fondsfan: stimmt, den TGF hab ich bereits Anfang 2005 nach 18 Jahren Haltedauer komplett verkauft; auch wenn der Fonds von einem wiedererstarkenden Dollar durchaus wieder profitieren könnte, wird er wohl jetzt immer ein Underperformer bleiben, weil das Fondsmanagement nicht mehr erstklasig ist und der Fonds viel zu gross geworden ist. Aber in der Vergangenheit hat das lange Festhalten am TGF immerhin die Basis für das gelegt, was wir uns heute leisten können......


Ansonsten:
Heimaturlaub nähert sich dem Ene entgegen, am 27./28.7. starten wir von Hamburg mit der Grande Francia von Grimaldi wieder Richtung Buenos Aires/Argentinien. Voraussichtliche Ankunft in Südamerika voraussichtlich nach 33 Tage um den 30.7.08.

Verfasst: 08.08.2008 17:12
von tibesti
Hallo aus Zarate/Argentinien/Rio Rio Parana von der unendliche Seereise.

32 Tage sollte sie dauern - unsere Seereise, nun sind es schon 40 und wir haben endlich Argentinien erreicht und die letzten 2 Tage stehen an, so dass wir eine Rekordzeit fuer diese Strecke hinkriegen werden, d.h. 42 Tage und genau 6 Wochen. Da das Schiff ohnehin schon mit 6 taegiger Verspaetung in Hamburg statt am 20.6. erst am 30.6. losfuhr, sind wir nun schon knapp 3 Wochen hinter dem Zeitplan. Unser einziger Mitreisdender, ein 34-jaehriger Schweizer mit einem Toyota-Landcruiser kriegt schon die Krise, weil seine Reisebegleiterin in Buenos Aires schon seit geraumer Zeit auf seine Ankunft schmachtet und er kommt und kommt nicht..... Ursache fuer alles waren ungewowehnliche Verzoegerungen in den Haefen, mal waren es Frachtprobleme wie in Tilbury-England (2 Tage statt 1 Tag), dann ein Streik der Hafenarbeiter in Le Havre (2 Tage statt 1 Tag), dann Probleme in Casablanca (3 Tage statt 1 Tag) und so weiter und so fort.... Und schliesslich trugen auch wir beide selbst tatkraeftig zu dieser Rekorddauer bei.........Die Reisekosten fuer diese Fahrt reduzieren sich natuelich dadaurch enorm, 10 Tage laenger Vollpension an Bord sind nicht zu verachten und unser Koch ist einsame Spitze, so dass wir von Tag zu Tag rolliger werden...... Der ueberraschende Aufenthalt von 2 Tagen in Tilbury an der Themse ermoeglichte uns gleich 2 schoene Ausfluege nach London, wobei wir am 1. Tag fast den letzten Zug (30km) zurueck verpasst haetten. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir noch nichts von dem verlaengerten Aufenthalt, das Schiff sollte nachts um 23 Uhr ablegen. Und wir schlenderten gemuetlich in der Stadt rum, um dann schliesslich den letzten Zug ab Fenchurch Street per U-Bahn zu erreichen. Dann mussten wir schockiert feststellen, dass ein U-Bahn-Einzelfahrschein in Lodon auch auf Kurzstrecken 4 Pfund, also 5 Euro kostet und soviel Geld (8 Pfund zusammen) hatten wir in Pfund natuerlich nicht mehr. Also war Sport angesagt- 3 Kilometer-Citymarathon zum Bahnhof, den wir ausgepowert knapp 10 MInuten vor Abfahrt erreichten. Naechstes Malheur dann in Antwerpen. Am ersten Tag im Hafen erfahren wir, dass wir voellig ueberraschend noch einen weiteren Tag bleiben, da die Computeranlage des Schiffes von Technikern upgedated werden soll- na gut, denken wir, koennen wir halt nochmal mit dem Bus in die 20 Kilometer entfernte Stadty fahren. Wir fragen morgens beim Fruehstueck den Koch, wann wir abfahren: Next morning, lautet die Antwort, wir fragen den Posten an der Schiffsrampe: next morning. Abends um 5 kommen wir wieder zurueck und muessen erfahren, dass unser Kapitaen beim Mittagessen einen Wutausbruch bekommen hat, denn die Techniker waren ueberraschend schon mittags fertig und aus LeHavre, dem naechsten Hafen, kam die Nachricht, am naechsten Tag ist Streik der Hafenarbeiter, am besten sofort losfahren. Doch die beiden Passagiere sind nicht da. Als erstes wurde der Koch einen Kopf kuerzer gemacht, dann wurde hektisch hin-und hertelefoniert und uberlegt, was zu tun sei. Schliesslich entschloss sich Grimaldi NICHT zum Abfahren, weil sie uns sonst per Flugzeug dem Schiff haetten hinterherschicken muessen und wir schliesslich an der Situation schuldlos waren. Trotzdem hatten wir Glueck, denn normalerweise wird bei solchen Situationen keine Ruecksicht genommen und die Entscheidung haette auch ganz gut anders ausfallen koennen. Ansonsten gibt es nicht viel zu berichten- eine Frachtschiffreise ist halt sehr tranquillo, faulenzen, lesen, essen, in der Sonne sitzen, sofern sie scheint und es nicht zu windig ist unsd schwupps- haste nicht gesehen, ist schon wieder ein Tag rum. Wir haben nur einen Mitpassagier, einen 34jaehrigen Schweizer, so dass man mal wieder das Gefuehl hat, das Schiff ganz allein fuer sich zu haben. Diesmal sind wir auch einmal in den Genuss einer mehrstuendigen Besichtigungstour durch das ganze Schiff bekommen, von der Ankerstation ueber den Maschinenraum, das offene Containerdeck und die tiefsten Laderaeume - sehr beeindruckend das Ganze und auch sehr informativ. Jetzt stehen die letzten 4 Tage der Fahrt an und dann ist nach 42 Tagen auch diese sehr lange Passage schon wieder Vegangenheit und wir denken beide: Bestimmt nicht das letzte Mal, denn Frachtschiffreisen ist einfach nur klasse!

Anbei der Link zu den Fotos. Angesichts der Tatsache, dass dies bereits die 3.Tour mit Grimaldi ist, umfasst die Fotoserie nicht mehr das volle Programm dessen, was alles an Bord zu sehen ist, das gabs ja schon zur Genuege zu besichtigen- vielmehr soll ein kleines Strimmungsbild der diesjaehrigen Tour anhand einiger asusgewaehlter Fotos vermittelt werden.

FOTOS

Verfasst: 08.08.2008 22:44
von Fondsfan
Mich haben die Fotos begeistert.

Kompliment.

Verfasst: 11.08.2008 21:11
von maximale
Verfolge auch den thread u. immer wieder gerne :wink:

Verfasst: 17.09.2008 20:38
von tibesti
Hallo aus Suedamerika:

Die ersten 6 Wochen sind bald rum mit folgenden Stationen:
a) mit der Faehre ueber den Rio de las Plata nach Uruguay
b) entspannte Tage an der urug. Kueste mit dem Highlight der Walbeobachtung in der Bucht von Punta del Este just an meinem Geburtstag
c) Quer durch Uruguay auf Nebenstrassen und wieder zurueck nach Montevideo wegen einer technischen Panne
d) Wieder durch Uruguay und Argentinien nach Paraguay
e) fahrt durch Paraguay Sueden und den leeren Chaco mit Besuch der Monnonitenkolonie Filadefia und einigen historischen Punkten des Chaco-Krieges von 1932-35
f) Auf der noerdlichen Chaco-Piste auf abenteuerlicher Fahrt quer durch den Busch nach Bolivien Richtung Anden
g) In Bolivien aufgrund buergerkriegsaehnlicher Zustande gescheitert: alle Strassen im Tiefland sind seit 20 Tagen durch Strassenblockaden gesperrt, es gab Tote durch Schiessereien- wir muessen den ganzen Weg zurueck (ueber 1000 km) und einen Riesenbogen ueber Argentinien machen. Doch das tolle Erlebnis des Chaco entschaedigt fuer dieses Fiasko. Nach der Chaco-Piste sieht unser Fahrzeug allerdings leider nicht mehr sehr ansehnlich aus; die viel zu schmale Buschpiste hat dem Fahrzeuglack extrem zugesesetzt und leider hat auch gleich einer unserer neuen Reifen Schaden genommen


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Die Reiseroute:

Reiseroute

Die Bilder:

Hinweis : Zur optimalen Darstellung ist wewgen der Breitwandfotos eine hohe Bildschirmaufloesung sinnvoll:

Fotos


Die Musik zu den Bildern: LOS ALFONSINOS Musik aus dem paraguayanischen Chaco:

Lied1
Lied2
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Der nachfolgende Bericht stammt von Silvia, das Bearbeiten der Fotos und gleichzeitige Schreiben wird mir auf Dauer etwas laestig viel Arbeit....


Nach der Ankunft in Buenos Aires klappte das Organisieren der notwendigen Dinge fuer den Reisestart sehr viel schneller und problemloser als wir uns das vorgestellt hatten und so waren wir auch nach 3 Tagen so weit, per Faehre wieder ueber den rio de la Plata nach Uruguay ueberzusetzen.Kaum in Uruguay trat wieder das Problem mit der rechten hinteren Bremse auf: Tippt man auf die Bremse, gibt es eine Vollbremsung und manchmal sogar einen richtigen schwarzen Abriebstreifen auf der Strasse. Das hatte ja im Fruehjahr angefangen, doch jetzt war es in argentinien nicht aufgetreten und wir hatten gehofft, es haette sich von selbst repariert... Nun ja - Wuschdenken: Also ,ab nach Montevideo in die - gute- Mercedes-Werkstatt. Und da hatten wir dann besonderes gGueck, denn es gibt dort einen neuen Leiter der Werkstatt und das ist ein in Ecuador geborener Deutscher, der auch in Hamburg studiert hat und damit unsere Probleme verstand und sie dem Werkstattmeister auf Spanisch erklaeren konnte. Nach einem Tag Aufenthalt ging es weiter - mal wieder - in unsere "2. Heimat" hier in Suedamerika: Piriapolis und Punta del Este zum x.ten Mal - aber immer noch schoen. Diesmal sogar sehr interessant, denn in der Bucht von Punta del Este tummelten sich unzaehlige turtelnde Wale ganz nahe an der Kueste, bis zu 20m Entfernung vom Strand!!!
Das war toll, auch wenn man die Kamera immer dahin hielt, wo sie dann NICHT auftauchten, aber es ist faszinierend, diese riesigen Tiere ( vermutlich Glattwale oder Grauwale, jedenfalls mit Muschelbewuchs an Kopf und Seiten )doch von so kleiner entfernung bei ihrem Liebesspiel zu beobachten!!!

Und nach einer Woche Walebeobachten, im Yachthafen herum zuspazieren und in der Sonne zu sitzen, die dortigen Seeloewen ( quasi Haustiere des Yachthafens, 2 ganz alte massige Tiere und dann noch 2 weitere Generationen, also je etwas kleiner und auch verspielter...) beim "sich-fuettern -lassen" durch die Fischer, die den fangfrischen Fisch an Ort und Stelle gleich filetieren und die Reste und auch mal einen ganzen Fisch den Seeloewen entweder ins Hafenbecken oder sogar direkt in die Schnautze werfen, Freunde treffen ( 2 schweizer, die sich in Piriapolis ein haus gekauft haben) fuhren wir dann los, quer beet durch Uruguay, um den noerdlichsten Grenzuebergang nach Argentinien zu benutzen.

Wir waren 400km von der Kueste entfernt, da bemerkten wir an einem Donnerstag abend, dass unsere Hinterachse nicht mehr da war, wo sie hingehoerte - vermutlich durch das viele Pistenfahren und damit Geruettel waren die Bolzen gebrochen, die die Blattfedern mit dem Rahmen oder der Achse verbinden und durch die Volbremsungen hinten rechts hatte sich alles verschoben. Fazit: 400km wieder zurueck an die Kueste und nach Montevideo zu Mercedes.... Wir meldeten uns fuer Montag bei Mercedes an und bekamen am Samstag die mail. dass am Montag der nationalfeiertag von Urtuguay ist, wir sollten halt Dienstag kommen... Okay - nicht nur ein Wochenende, sondern halt noch einen Tag laenger an der Kueste... Zum glueck war recht schoenes sonniges Wetter, wenn auch frisch - aber das stoert nicht bei den Strandspaziergaengen ( wenn man etwas zuegiger geht...)
in den Tagen entdeckte ich ein Hobby vieler Uruguayaner: Sie kamen mit ihrem PKW an den Strand gefahren, parkten da, blieben aber im Auto sitzen, tranken ihren Mate, assen Sandwiches oder Kuchen , lasen Zeitung, strickten...Aber : Ausgestiegen sind die wenigsten!!
Dann also Mercedes zum 2. Mal und leider dauerte es sogar 2 Tage bis alles repariert war, so dass wir jetzt doch "Montevideo satt" angeschaut haben...
Doch auch das war irgendwann vorbei und nun ging es wirklich nach Argentinien: Vom Rio Uruguay fuhren wir durch die flache, z.t. amphibische Landschaft des "Zweistromlandes" Entre Rios und Corrientes an den Rio Parana und sahen in den Suempfen von Ibera viele Sumpfschweine und Voegel, mehrer Guerteltiere ,einen Kaiman und einen schwarzen Affen - und da es genau dort dann ploetzlich Sommer mit 30 Grad wurde, sahen und fuehlten wir auch einige fliegende und saugende Tierchen....
In Posadas ueberquerten wir dann die Grenze nach Paraguay. Als wir gleich einkaufen gingen - man weiss immer nicht, ob die Zollkontrollen bezueglich der verbotenenen Mitnahme von Lebensmittel von einem Land in das naechste streng oder lasch gehandhabt werden, so dass man das Einkaufen verschiebt - entdeckten, wir, dass Paraguay selbst nach dem schon als guenstig empfundenen ( auch wenn der Peso starker geworden und die Inflation in Argentinien happig ist...) Argentinien noch billiger ist. Nicht aber der Treibstoff, der kostet mit ca 80 Eurocents fuer das hiesige Lohnniveau eigentlich ungeheuer viel.
In Argentinien wird er ja subventioniert - dafuer aber auch rationiert, manchmal bekamen wir nur fuer 50 Pesos Diesel, das waren dann 25 Lier - damit kommt ein LKW nicht sonderlich weit, sprich:Jede Tankstelle wurde angefahren und Diesel gesammelt...
Im Sueden Paraguays liegen einige ehemalige Jessuiten-Reduktionen, in denen die Jessuiten die eingeborenen Guarani-Indios ansiedelten und in quasi "Wehrsiedlungen" vor Sklavenhaendlern schuetzten. Dafuer wurden sie zivilisiert, sprich bekehrt und angezogen und diszipliniert und gelehrt, ordentlichen Ackerbau zu betreiben, Handwerke zu lernen, europaeische Musikinstrumente zu spielen und zu bauen und eben auch Kirchen im sogenannten "Guarani-Barock" unter der jessuitischen Anleitung aufzubauen.
Die Jesuitenstadt in suedamerika wurde dann irgendwann von der Staatsgewalt zerstoert, damit verfielen auch die Redduktionen und der Urwald ueberwucherte die Gebaeude wieder - bis, ja bis sie wieder entdeckt, zum Teil restauriert und dem Touristen zugaenglich gemacht wurden.
Von der Reduktion Jesus ist nur noch die Ruine der Kirche uebrig, diese aber hatte gewaltige Ausmasse und wirkt allein durch ihre masse beeindruckend.
Die Reduktion von Trinidad gehoert zum UNESCO Welterbe und stellt eine riesige und recht gut erhaltene Siedlung mit zwei Kirchen, den Haeusern von Padres und Indios, den Werkstaetten, den Friedhoefen und den Plaetzen dar. Obwohl Lothar erst gar nicht dahin wollte ( wir hatten letztes Jahr schon eine Reduktion in Brasilien angeschaut und die war furchtbar steril restauriert und einfach nur schaurig ), fand auch er Trinidad beeindruckend und faszinierend.
Wenige Kilometer weiter kamen wir dann in das Staedtchen Hohenau und suchten ein Internetcafe. kaum sassen wir an unseren PCs kam ein junger Mann und fragte "Alles in Ordnung? Ist es euch schnell genug?" Hups! Auch ja: Hohenau! Das klingt aber sehr deutsch, da muessen wohl deutsche Siedler leben. Das kennen wir ja im Prinzip aus Suedbrasilien. Trotzdem ist es immer wieder ein halber Schock, wenn man hier in Lateinamerika ploetzlich deutsch angesprochen wird!!
Dabei hatte ich schon gleich hinter der Grenze von Paraguay gedacht: Meine Guete - sind hier die Haeuser und ihre Vorgaerten und Gaerten so schoen ordentlich und liebevoll zurechtgemacht!! Und alles so sauber und aufgeraeumt!! Das sieht ja aus wie in der Vorzeige-Annonce fuer das deutsche Heim.!!"
Nun, abend bei der Suche nach einem Uebernachtungsplaetzchen lernten wir jedenfalls Ferdinand kennen, der uns anbot, doch auf dem Gelaende ihres alten Gehoefts ruhig und sicher zu uebernachten. Und am naechsten Morgen ergab sich eine interessante Unterhaltung mit seinen Eltern, denn er war beschaeftigt mit der Weizenernte. Vater, 69, erzaehlte, dass sein Grossvater 1924 aus Rusland nach Brasilien und dann nach Paraguay gekommen sei. Die Familie der Mutter stammt aus - Berlin! ja, ja die Welt ist klein.
Jedenfalls erzaehlte er, dass er sich von einem Habenichts zu einem grosen und erfolgreichen (und wohlhabenden...) Landbsitzer ( ca. 485 ha Grundbesitz ) hoch gearbeitet haette. Er haette immer neue Sachen ausprobiert - Bienenzucht, Schweinmast, als Holzfaeller gearbeitet etc.- und sich nach und nach eben das Land zusammen gekauft, das jetzt der Sohn bearbeite, waehrend er sich nur noch um die Kaninchen, die Huehner ,die 4000 Fische in seinen Teichen und die Einzaeunung seinen Landes mit Maschendraht ( Oh GOTT: ist das die Zukunft: nicht mehr nur 4 bis 5 Draehte am Zaum, sondern bald ueberall , recht und links der Strasse MASCHENDAHTZAUN!!!!!! NEIN, bitte nicht!!!) kuemmere.
Das gesamte Gebiet hier im Sueden sei entweder von Deutschen in den ersten Jahrzehntes des 20.Jh. besiedelt wurden oder von Japanern ( das hatte ich auch noch nie gehoert, dass die japaner hier als Kolonisten aufgetreten sind!), inzwischen waeren aber auch einige aus der Ukraine und aus Polen hier. Und da es immer deutsche Schulen gegeben haette, wuerden auch alle untereinander noch - ziemlich reines - Deutsch sprechen ( plus Spanisch, plus Guarani, was hier 2. offizielle Staatssprache ist ). Jetzt waeren allerdings doch einige der Schulen geschlossen worden und die restlichen waeren recht teuer - aber sie wuerden z.B. ihre Enkel auf die deutsche Schule der Menoniten in Asuncion schicken - zwar sehr teuer , aber Bildung waere halt das Wichtigste, wwas man den Kindern mitgeben koennte. als wir dann aber fragten, was koennte denn jemand mit Abitur oder sogar Hochschulabschluss in Paraguay fuer eine Stellung bekommen - ja da wurde das Dilemma des Landes sichtbar: Es ist noch immer ein fast reines Agrarland,d.h. gute Stellen ausserhalb der Landwirtschaft sind rar und viele, die irgendwas studiert haben, landen dann hoechsten im Supermarkt oder in dem Vertrieb der duengemittel und Pestizide...
Gefragt nach der - ganz offensichtlich - verbreiteten Armut oder zumindestens des niedrigen Lebensniveaus des Grosteils der Bevoelkerung, kam dann die selbstbewusste, aber wohl nicht ganz akzeptable Antwort - das waeren nur die, die nicht arbeiten wollten!! ( In der Landwirtschaft...als Saisonarbeiter oder fuer die deutschen und japanischen und ukrainischen und polnischen Grundbesitzer...)
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Filidelfia,Mennonitenkolonie Fernheim,Paraguay

Nicht ganz geplant, sind wir nun wieder in Filadelfia. Denn eigentlich wollten wir bereits in Bolivien sein, bzw. waren wir ja auch - 120km weit drin, bis wir an die erste Strassenblockade kamen und erfuhren, dass tatsaechlich und immer noch das gesamte bolivianische Tiefland durch bloceos fuer den Verkehr abgeschnitten ist. Nichts geht nach Norden, nach Sueden oder nach Westen ins Gebirge hoch - nur nach Osten, wo wir herkamen... Und so blieb uns nichts anderes uebrig, als die ganzen ca. 270km Piste durch den einsamsten und wildesten Chaco zurueckzufahren. Und so sind wir wieder in deutschsprachigen Gefilden....
Damit haben wir mehr Paraguay als je gedacht und das ist eine Gelegenheit, mal ein bisschen Wissenswertes ueber dieses uns eher total unbekannte Land zu erzaehlen!

Was weiss der normale Mitteleuropaer denn von Paraguay - vielleicht, dass es neben Bolivien das einzige Binnenland hier ist und vielleicht sagt einem noch der Begriff 'Stroessner-Diktatur' noch etwas.
Der Name schon hat verschiedene Uebersetzungstheorien hervorgerufen, am poetischsten 'Gebiet mit einem dem Meer gleichenden, grossen und tosenden Fluss, ueber dessen Wasser die Sonne leuchtet', oder kuerzer ' Land des rauschenden Flusses'. Jeweils gemeint ist der Paraguay, der sich dann mit dem Rio Parana vereint und schliesslich mit dem Uruguay den Rio de la Plata bildet. Dieser Strom teilt das Land in zwei unterschiedliche Gebiete, den huegeligen und vglweise dicht besiedelten, landwirtschaftlich intensiv mit Getreide - und Soja- und Zitrusfruechtenanbau genutzten Osten und den menschenleeren Chaco ( geolog.die Geosynklinale der Anden : Bei Tiefbohrungen im Zentrum des Chaco , also bei Filadelfia , wurde bei 3800m noch nicht das Grundkristallin erreicht, d.h. die Geosynklinale ist aeusserst tief abgesunken. In dieses Becken wurde dann der Abtragungsschutt von Anden und auch des brasilianischen Schildes ueber geologische Zeitraeume transportiert und abgelagert.In der Letzten Eiszeit wurden dann die Schmelzwaesser der vergletscherten Anden in Urstomtaelern nach Osten gefuehrt, wobei sich diese Fluesse rueckschreitend selbst das Bett auffuellten und damit hin und her pendelten und so letztendlich eine Aufschuettungsebene bildeten, die sich von dem Andenfuss mit 640m auf 60m am Paraguay langsam absenkt. Wobei die sandigen Boeden die besseren im Chaco bilden, bei genuegend Feuchtigkeit, rentabler Anbau moeglich waere.. ), was Jagdfeld in der Indiosprache bedeutet. Und bis weit in das 20.jh lebten auch fast nur Indios in diesem Trockengebiet mit Dornbueschen und den huebschenToborochi-Baeumen und Palmen. Erst um 1924 kamen die ersten europaeischen Siedler hierher, die deutschstaemmigen und -sprechenden Mennoniten, die entweder ueber Kanada oder China oder direkt aus Russland flohen oder ausreisen durften- dank Hindenburg !
Die machen seitdem sehr erfolgreich das Land urbar und sind inzwischen eine wichtige Wirtschaftsmacht in Paraguay. Doch kaum waren die hier angekommen, wurden sie vom Chaco-Krieg 1932-1935 ueberrrolt,dabei sind sie doch gerade deshalb immer auf der Flucht, weil sie Staat und Militaerdienst ablehnen... aber laut Aussagen eines hier kennengelernten Mennoniten wurden sie auch tatsaechlich von den kriegsfuehrenden Parteien m.o.w. verschont, es waere halt immer mal ein Comandante in die Siedlungen gekommen und haette den Bewohnern erklaert, sie seien jetzt Bolivianer, beim naechsten mal halt wieder Paraguayaner... Dabei fand z.B. die Entscheidungsschlacht ganz in der Naehe der Mennonitenkolonie Neuland statt, beim Fortin Boqueon, dessen Besichtigung einen sehr beklommenen Eindruck bei uns hinterlies - auch wenn wir spasseshalber uns selbst in die Schuetzengraeben legten oder das MG-Nest im Toborochi ausprobierten...

Das Schlimme an diesem Krieg war aber, dass es ein Stellvertreterkrieg war!
Eigentlich ging es naemlich um die Einflusspshaere, um Macht und Bohrmoeglichkeiten von Standard Oil of New Jerey oder von der Royal Dutch Shell Company!
Vertreter von Standard Oil hatten im Tiefland von Bolivien die - inzwischen von Morales verstaatlichten -Erdoellager entdeckt. Da Bolivien durch den Salpeterkrieg mit Chile seinen Pazifikzugang verloren hatte, wollte man eine Pipeline durch den Chaco bauen und die paraguayanischen Haefen am Fluss zum Verschiffen benutzen. Im paraguayanischen Chaco aber suchte Shell nach Oel... Die zwei Konzeren schuerten den Konflikt,Standard Oil griff direkt mit Finanzspritzen in die Aufruestung Bolivien ein. Dummmerweise waren die Grenzen in dem menschenleeren Gebiet vorher nicht konkretisiert worden und so kaempftenu.a. bedauernswerte Hochlandindios aus Bolivien -das zahlenmaessig und militaerisch total ueberlegen war , nun in der fremden Umgebung des Chacos, der trockenen, gruen-grauen Hoelle!!
Da ,wo das Ueberleben eh schon aeusserst schwierig ist, weil es kaum Oberflaechen- und meist nur salziges Grundwasser gibt, wo es statt Nahrungspflanzen nur Dornbuesche gibt, beschoss man sich bis zur letzten Patrone und kaempfte dann mit Messer und Machete weiter . fern von Nachschub und Medikamenten. Ende des traurigen Liedes war, dass Paraguay jenen Teil des Chaco behalten konnte, der ihm eh schon gehoert hatte und 130000 Tote, davon 80000 Bolivianer. Und es gibt weder eine Pipeline durch den Chaco, noch hat man in Paraguay Oel gefunden..

Noch viel katastrophaler war jedoch der Krieg Paraguays gegen die sog. 'tripple-allianca', in den ein etwas zu voreiliger Diktator das Land 1863 fuehrte, als er auf die falsche Seite im uruguayanischen Buergerkrieg setzte und Brasilien und Argentinien den Krieg erklaerte. Und dann gewann die anderes Seite in Uruguay- und Paraguay hatte drei Laender gegen sich, von denen Brasilen und Argentinien dieses Land sowie so schon lange ein Dorn im Auge war... Dementsprechend hatten sie in einem Geheimvertrag 1865 das Gebiet von Paraguay schon unter sich aufgeteilt. Der Krieg dauerte bis 1870, bis zum Tode des Diktators, der hatte eine Kapitulation abgelehnt und sein Volk gezwungen, bis zum "Letzten Mann" zu kaempfen. doch irgendwann waren keine Maenner mehr da und da klebte man Frauen und Kindern falsche Baerte an und lies diese Menschen als Soldaten kaempfen!!!! Bilanz des krieges: Vor dem Krieg hatte Paraguay 1.337.000 Einwohner - danach nur noch 213.000 (!!!!!), davon ca. 28.000 Maenner ( Alte und Invalide): Lediglich 176 der Bevoelkerung hatte ueberlebt. Die Haelfte des Landes wurde von Argentinien und Brasilien okkupiert, der eigentlich Sieger aber war das englische Kapital, das in allen anderen Teilen des "Cono Sur" laengst Fuss gefasst hatte, aber durch die Autonomiepolitik der Diktatoren Paraguays hier nicht zum Zuge gekommen war. doch jetzt!!Reperationskosten und der Wiederaufbau erforderte riesige Kredite, finanziert durch Verkauf des Staatslandes (vorher hatte der erste Diktator Francia alle spanischen Grossgrundbesitzer enteigenet, genau wie die Kirchenbesitztuemer, das Land wurde an die Bauern verpachtet ), die Privatisierung der Transportmittel und Banken. Am Ende des 19.Jh. befand sich der Boden Paraguays in den Haenden weniger auslaendischer Agrakonzerne, von denen dann z.B. die mennonitischen und anderen Einwanderer das Land kauften. Dieser erste Diktator (1814 ernannt und zwar als "Diktator auf Lebenszeit" ) Dr. Francia war irgendwie der erste Sozialist auf der Regierungssesseln der Welt: Sein Ziel war die Entkolonialisierung des Landes und die Entmachtung der spanischen Oberschicht, die der Kirche und eine Isolationspolitik, die Paraguay wirtschaftlich und politisch abschottete und autark machte. Er erliess ein Gesetz, das bei Androhung einer 10jaehrigen Verbannung den Spaniern verbot, innerhalb der weissen Oberschicht zu heiraten = nur Ehen mit Mulatten, Schwarzen oder Indios waren genehmigt: Folge ist eine interessante rassische Mischung der "latino=paraguayaner", wie z.B. die Mennoniten die nicht weisse und nicht indianische Bevoelkerung des Landes nennen.Galeano ( "Die offenen Adern Lateinamerikas" , ein linkes Standardwerk ) sieht die Regierung Dr. Francias uneingeschraenkt positiv, denn es gab keine Oberschicht, keine Grossgrundbesitzer, die Grundversorgung der Menschen war gesichert = politische Freiheit und Oppositionsrecht existierten allerdings nicht.Dr. Francias Nachfolger, natuerlich auch mit der Bezeichnung und Allmacht eines Diktators, ein gewisser Lopez, verfolgte eine aehnlich Politik, oeffnete Paraguay allerdings dem Weltmarkt, lies eine der ersten Eisenbahnen Lateinamerikas bauen, moderne Werften und Eisengiessereien = und zwar ohne fremdes kapital, alles nur finanziert durch den eigenen Export. Damit hatte Paraguay vor dem Tripple=Allianca=Krieg keine Auslandsschulden, 98Prozent des Landes waren Staatsbesitz. Damit war damals das Land ein Paradebeispiel fuer eine gelungene Entkolonialisierung. Paraguay war nicht nur eine Grossmacht, sondern auch flaechenmaessig sehr viel groesser als heute, denn leider stuerzte sich eben der Sohn des Diktators Lopez in den Krieg mit Brasilien und Argentinien. So sind die noerdlichsten Bundeslaender Argentiniens, Formosa und Chaco, jene Gebiete, die Paraguay hier verlor und auch Teile der drei suedlichsten Bundesstaaten Brasiliens waren vorher Paraguay. Reicht es euch mit Infos ueber ein heute unbedeutendes Land? Na gut, Schluss damit. Inzwischen sind wir in Asuncion, der Hauptstadt, relativ klein mit ca. 600000 E., und mit Vierteln, die eher an Entwicklungslaender erinnern und dann Viertel, wo die Reichen leben und die leben hier anscheinend ganz gewaltig gut...Wir haben auf der Suche nach einem Cybercafe ( und auch beim ersten Besuch auf dem Weg in den Chaco auf der Suche nach Strassenkarten ) mehrere Einkaufscentren durcheilt und ich muss sagen: So schicke, exclusive und architektonisch anspruchsvolle Malls hat Berlin nicht...Generell die Unterschiede zwischen Arm und Reich... Immer wieder hier in Lateinamerika unglaublich fuer uns:Noch in Filadelfia haben wir ein deutsches Paar kennengelernt, die 1982 ausgewandert sind und sich noch 180km weiter nordwaerts von Filadelfia wirklich mitten in der Chacowildnis eine Estancia, heute mit 22 000ha aufgebaut haben. Das war bestimmt ein hartes und entbehrungsreiches Unterfangen, alleine was Gertrud ueber die Notwendigkeiten zur Haltbarmachung der Nahrungsmittel ohne Kuehlschrank und Strom bei wochenlangen 40=45 Grad Hitze erzaehlte, erschien mir kaum nachvollziehbar. doch heute, haben sie es "geschafft´", man fragt ja nicht, aber Milionaere sind die bestimmt: Ein grosses modernes Estanciagebaeude dort oben, ein Haus in Filadelfia, wo sie zum Einkaufen hin fahren und eine Wohnung in Asuncion, wenn sie mal auf Grossstadt wert legen...Von Bernhard hab en wir dann auch kaum glaubhafte Andeutungen ueber den Einfluss der Amerikaner unter der Stroessnerdiktator hier in Paraguay gehoert. So gibt es mitten im Busch, in Mariscal ,das ist naoh mal 80km weiter nach NW als Filadelfia, eine Boing=taugliche Landebahn, auf der die grossen Flieger landeten, irgendwelche z.B. irgendwelche Faesser ausluden, die im Chaco verschwanden, und wieder starteten. Es soll dort auch das Ausweichzentrum der US=Regierung im Falle eines Atomkrieges geben, riesige unterirdische Anlagen. Und nur wegen dieser Aktivitaeten wurde a) eine Telefonleitung von Asuncion bis Mariscal gelegt ( Vorher musste Bernhard zum Telefonieren tatsaechlich jeweils nach Asuncion fahren, heute hat er natuerlich ein Satellitentelefon, ueber das er morgens als erstes deutsche Zeitungen liest...Koennt ihr euch das vorstellen? Eine Minute Satellitentelefon vielleicht 2 euro? Und er liest jeden Morgen die wichtigsten Zeitungen , ich sag ja:Milionaer...) und b) die Strasse asphaltiert.Von diesem geheimen US=Zentrum im Chaco sollen auch die ganzen Geheimdienstaktivitaeten in Suedamerika gelenkt und gestartet worden sein.Nun, wer weiss ,was davon Wahrheit und was "Verschwoerungstheorie " ist...Jedenfalls waren die Gespraeche mit Bernhard und Gertrud sehr informativ und interessant,v.a. wenn selbst man doch eher ein Schreibtischhengst und Beamter ist, der gerne im supermarkt das`abgepackte und filetierte Fleisch kauft.... Wir werden jetzt von Asuncion aus wieder nach Argentinien ausreisen und im argentinischen Teil des Chaco wieder nach NW aufbrechen, um beim zweiten Anlauf hofentlich nicht wieder an den Anden abzuprallen....

Verfasst: 17.09.2008 23:21
von potter
danke für die tollen Bilder!!!!
bist gut positioniert derzeit :wink:

Verfasst: 18.09.2008 17:27
von Fondsfan
Danke ich lerne jedes Mal Südamerika von weiteren
neuen Seiten kennen.

Verfasst: 09.10.2008 21:02
von tibesti
9.10.2008 San Salvador de Jujuy(Nordwestargentinien)

Hallo liebe Mitleser

Diesmal geht es fast ohne Worte ab, denn die Fotos sagen mehr als alle Worte.

Nach dem Fiasko mit den bolivianischen Strassenblockaden mussten wir in Folge den ganzen Weg durch Paraguay zurueck, da es keine weiteren Grenzuebergaenge nach Sueden gibt. Ueber Asuncion, die Hauptstadt Paraguays gings dann wieder nach Argentinien und dort erneut Richtung Westen und Anden. Die Fahrt durchs eingezaeunte Buschland auf argentinischer Seite war langweilig und nach einer einwoechigen ereignislosen Fahrt auf endlos langen, schnurgeraden und leeren Strassen hatt ich dann die erste ernste Reise- und Sinnkrise nach langer Zeit mal wieder....,..(So ist das halt, wenn man staendig das Abenteuer sucht, dann kann ich immer nur schwer einen Gang zurueckschalten und die Chacopiste bot phasenweise schon alles was das Junkieherz fuers Extreme verlangt..)

Doch die Krise hat sich zum Glueck schnell wieder gelegt mit dem Aufbruch zur grossen Anden-Rundfahrt durchs nordwestliche Argentinien. Die Rundfahrt war ein 17 taegiger ca. 1800 km langer sehr staubiger und anstrengender Trip ueberwiegend auf menschenlleren Pisten durch eine grandiose Andenlandschaft. Wegen der Hoehe wars zudem koerperlich ebenfalls nicht ohne, fast 10 Tage waren wir staendig auf Hoehen von 4000 m und darueber, d.h. 10 Grad + am Tag, 0 Grad bei Sonnenuntergang und -10 Grad frueh morgens kurz vor Sonnenaufgang.

Das wars auch schon: Jetzt lass ich die Fotos sprechen.

(Wegen der vielen Panoramafotos ist ein grosser Monitor mir hoher Aufloesung zur optimalen Darstellung von Vorteil....)

Reisekarte:
Reisekarte1
Reisekarte2


Fotos:
Fotos

Verfasst: 09.10.2008 21:34
von Fondsfan
Diese Bilder sind einfach phantastisch - wer die
nicht in Ruhe betrachtet, versäumt vieles.

Verfasst: 10.10.2008 12:48
von Muskalowski
Muß er nicht zu Haus mal nachsehen was seine Aktien machen ,wenn nicht dann ist er zurück zu Natur angekommen :wink:

Verfasst: 10.10.2008 17:17
von tibesti
Muskalowski hat geschrieben:Muß er nicht zu Haus mal nachsehen was seine Aktien machen ,wenn nicht dann ist er zurück zu Natur angekommen :wink:
Danke der Nachfrage. Mein Aktienrisiko betraegt gegenwaertig 9%, Jahresperformance ist -4%

Verfasst: 11.10.2008 23:50
von tibesti
Nachtrag zu den Fotos (von Silvia)

NOA" -Was verbirgt sich hinter diesem raetselhaften Kuerzel ??Auf der einen Seite nicht viel:es bedeutet einfach "Nordwesten Argentiniens",aber auf der anderen Seite....!!!NUn,die Werbung sagt, dassdort "Argentinien mit dem Himmel spricht". Geht es um die blosse Entfernung zum "Gespraechspartner",dann hat hier die Kommunikationsverbindung die besten Vorraussetzungen,istmandochzeitweise umndie 5000mhoch, geht es um die "psychische- emotionale" Kommunikation -dann gibtes kaum Regionen,woich mehr Beduerfnis habe,dem Himmel zu danken, dass ich hiersein kann/darf!!!! Ein bisschen Geographie:Mit Chile und Bolivien teilt sichder NOA jenen Hochgebirgssockel aus abflusslosen intramontanen Becken / Bolsones ,die durch Gebirgsschwellen voneinander getrennt und von Hochgebirgsgipfeln, z.T Vulkanen ueberragt werden. Eigentlichspricht man nur in Bolivien vom "Altiplano", hier nennt man die Region einfach "Puna" - aber das ist ein vegetationsgeographischer Begriff , der eine trockene Grasflur der Hoehenzone beschreibt.Und diese Hochgebirgslandschaft ist tatsaechlich eine extreme Trockenzone,in der mindestens 11 Monate kein Tropfen Regen faellt, abgesehen von den hoechsten Berggipfeln, wo sich die Scheneewolken mal entladen, und von denen dann einsame Baechleindie Hochtaeler durchfliessen und den Vicuñas , Lamas,Schafen,Ziegen, Eseln und den in unwirtlichen Lebensbedingungen ausharrenden Menschen das notwendige Wasser liefern(und natuerlich auch die Erosion ermoeglichen).Im Verbindung mit der starken Sonneneinstrahlung und der abrupten naechtlichen Abkuehlung ( Temperaturschwankungen von 20-50 Grad!!) hatdie chemische Aktion von Bodensalzen in den Millionen jahren des Quartaers das Gestein der Anden zertruemmert. Der Schutt - Kies, Sand, Staub und Salz - hat die Becken tief aufgefuellt - die ziemlich schraegen Gebirgsafussflaechen, an deren tiefsten Stellen dann die Salare den Endpunkt der Erosion und Verwitterung darstellen, werden von einem staendig blasenden Wind glattgefegt. Der Wind/Sturm bewirkt leiderauch ,dass die eiugentlichen Temperaturen von 4-14 Grad Tagsueber zu eisigen "gefuehlten Temperaturen" mutieren - die aber mit Wollpulli, Skihose und Dauenenjacke tags und nachts im Daunenschlafsack akzeptabel sind - halt der Tribut an eine grossartige Landschaft...Nach dem Glauben der Indios hat die Erdmutter, Pachamama,diese Landschaft so bunt und unglaublich farbig gemacht - nach unserem Verstaendnis war es halt die Geologie, Tektonik und Vulkanismus. Jedenfalls sind die Anden die "Alchemiekueche" des Kontinents! Berge und natuerlich auch ihr Schutt sind angereichert mit Buntmetallen, Antimon, Magnesium, Quecksilber, Borax, Lithiuum und Kaolin pigmentierendie Bergflanken der Schluchten zu vielfarbigen Felsgebilden!!!


Die Landwirtschaft der Puna-Indios ist dementsprechend KARG -ausser Lamas, Schafen, Ziegen und Eseln bietet die duenne und duerre Grasvegetation( dieaber sehr schoen golden im Sonnenlicht anzusehen ist ...) keinem Tier Ueberlebenschancen ( natuerlich den wilden Vicuñas, Fuechsen und verschiedenen Nagetieren schon). Es ist sowieso rätselhaft, wie, warum und von was selbst in den hoechsten Regionen dann irgendwelche Bauern leben – ihre Steinhäuser meist im Windschatten von kleinen Schichtstufen oder Felsansammlungen geduckt – aber fast alle mit Solarpaneelen!! Also, der Fortschritt und offensichtlich auch das Geld-Vermögen der Bauern reichen doch dazu, dass die Moderne in der hintersten und höchsten Puna Einzug gehalten hat!! Aber die vielfaeltigen Mineralien und Erze im Boden erlauben die Existenz von recht vielen Minen - und v.a. ihnen ist ein recht gutes Pistennetz im NOA zu verdanken,auf dem LKWs die Lebensmittel, technischen Gase, Maschienen etc. hin und die Ressourcen weg transportieren und die uns erlauben, diese Gegend recht gruendlichzu bewundern. Erstaunlich fand ich, dass viele der Minen ueber eigene Gaspipelines verfuegen, die ihnen die Energie liefern, d.h. der einsame,unwegsame Nordwesten ist durch eine unterirdische Infrastruktur der wirtschaftlichen Nutzung gut erschlossen.Siedlungszentren sind die wenigen Quer- und Längstäler, die den Gebirgssockel durchziehen. Zuerst lebten hier verschiedene kleine Indiovölker von Kollektivlandwirtschaft mit Mais und Andenkamelen, bevor 1580 die Inkas ihr Einfluss- und Siedlungsgebiet hierher ausweiteten ( zeitweise soll dies bis Mendoza und Cordoba gereicht haben ) – zum Glück kamen sie nicht mehr dazu die Berghänge zu Terrassen umzuformen, die einem in Peru überall begegnen. Denn schon 50 Jahre spaeter waren die Spanier da. Diese kamen aus dem Norden, aus Peru. Die spanische Krone hatte damals die Verordnung herausgegeben, dass alle Produkte der Kolonien NUR über peruanische Häfen verschifft werden dürften, auch jene, die aus dem Gebiet des Rio de la Plata stammen, was ja sozusagen schraeg über dem Atlantik Spanien gegenüber liegt...

Nun mussten aber alle Waren den Weg durch den NW des heutigen Argentiniens, durch Bolivien nach Peru nehmen und man findet dementsprechend nicht nur die - damals wie heute- größeren Orte wie Salta, Tucuman und Jujuy an den Talausgängen der Anden sondern auch viele kleine „Raststationen“, heute meist an den alten Adobe- oder Steinkirchen der Dörfer in den Tälern erkennbar, die von den Bemühungen der mitreisenden Missionaren künden.

Diese etwas sonderbare Handelspolitik endete mit dem Ausrufen des Vizekönigtums Rio de la Plata mit der Hauptstadt Buenois Aires 1776 und seit damals ging es mit dem NW bergab: Nun plötzlich marginales Randgebiet wurde diese karge Landschaft zu einem der armen Gebiete Argentiniens und damit zu einem Abwanderungsgebiet.

Die Bevölkerung hier im NW weist eine interessante Zusammensetzung auf, so sollen in der Provinz Jujuy von den 611 000E. 40 000 reinrassige Indios und 300 000 Mestizen sein. Und obwohl jedes Jahr viele Puenos ihrer Heimat Adieu sagen und nach Buenos Aires wandern soll die Gesamteinwohnerzahl nicht abnehmen, denn es würden immer Bolivianer migrieren, für die – selbst die armen Provinzen Argentiniens noch – das gelobte Land darstellen!! Kein Wunder, dass man manchmal nach dem Weg gefragt hat - und man wird nicht verstanden, denn der Betreffende spricht nur Quetschua oder Aimara...


Wir haben im Tal des Rio Calchiqui die Ruinen des Indiostammes der Quilmes besichtigt. Diese sollen nach langem Widerstand gegen die eingedrungenen Spanier durch diese ausgehungert ( man trieb die Pferde in die Maisfelder der Indios ) und dann gezwungen worden sein, ZU FUSS nach Buenos Aires zu laufen, wo sie im – heutigen Vortort – Quilmes angesiedelt wurden und dort angeblich das eigene Aussterben beschlossen haben. Aber – das berühmteste Bier Argentiniens wurde nach ihnen benannt und in wird Quilmes produziert.


Ansonsten faellt in Argentinien sowieso auf, dass MAN/MANN doch ein wenig auf die indianische Vergangenheit blickt - nirgends gibt es mehr langhaarige Maenner als hier -oder sollten die hier in der Hippiezeit steckengeblieben sein? Jedenfalls sieht es meist sehr gut aus - die haben soooo schwarze dicke Haare und oft sehr interessante Gesichtszuege,da kommt man ja fast ins Schwaermen....


Lothar hat ja unsere Reiseroute der letzten Wochen schon zusammengefasst, hier nur noch mal kurz einige Einzelheiten:
Von Salta fuhren wir durch eines der wenigen Quertäler der Anden nach Norden, bogen dort auf die „Wirbelsäule“ Argentiniens ein – die Ruta 40, die von der bolivianischen Grenze bis nach Feuerland die westlichste Strassen-/Pistenverbindung des Landes darstellt, immer entlang der Anden und damit entlang der Grenze zu Chile. Diese verfolgten wir von der Abra el Acay –4985m – das gesamte Tal des Rio Calchaqui hinunter. Eine wunderbare, sehr abwechslungsreiche Strecke – von den engen, wildromantischen Anfängen im Hochgebirge, über langsam breiter werdende Talbereiche mit den ersten Gehöften, dann die in diesen breiteren Talboden eingeschnittene Canons und durch Farb- und Formorgien von Sandsteinschichtrippen bis hinunter in eins der berühmtesten Weinanbaugebiete Argentiniens, wo neben vielen Bodegas und Weingütern mit hochherrschaftlichen Weinguthäusern auch wieder mehr Tourismus mit entsprechender Infrastruktur zu finden sind. In Cafayate blieben wir einige Tage auf einem Campingplatz – was wir je normaler weise nicht machen – um uns den Staub aus Kleidern, Haaren und LKW zu waschen, uns aufzuwärmen , denn in den tieferen Tälern um 1300 bis 1500m Höhe ist es schön warm, es gibt Palmen, die Bäume und Büsche blühen ( es ist Frühling hier), man kann wieder in den Kneipen sitzen und ein Bierchen trinken ( DAS kann man mangels Kneipe auf der Puna nicht und man sollte es nicht wegen der unabsehbaren Auswirkungen des Alkohols auf den Organismus in der Höhe...).

Schließlich bogen wir jedoch wieder nach Norden ab und fuhren eine wahrhaft einsame Punastrecke über Antafagosto de la Sierra – DER Zentrale Ort ( Schulzentrum, Krankenhaus, Tankstelle, einige Läden ) in einem Gebiet so groß wie die Schweiz!!!!

Wir kreuzten die 2 Verbindungsstrassen von NW Argentinien nach Chile über die Andenpässe und machten noch einen Schlenker durch den wirklich nordwestlichsten Teil von Nordwest Argentinien, bevor wir wieder mehr nach Süden, hierher nach Jujuy fuhren, wo wir erneut auf einem Camping die Wärme, das zur Verfügung stehende Wasser in „Sanitarios“ und Pool genießen .

Nach einigen Tagen des Ausspannen, einkaufens und Aufwärmens werden wir dann erneut nach Norden, diesmal wirklich Bolivien aufbrechen ( sofern uns nicht wieder irgendwelche Straßensperren aufhalten...) und die Region um den Salar de Uyuni erkunden.

ABER- um ehrlich zu sein: Ich brauchte auch einfach einige Tage, in denen KEINE neuen schönen Erlebnisse, Landschaftseindrücke über meine Sehnerven in mein Gehirn eindringen – ich habe in den letzten Wochen sooo viel Tolles gesehen, dass mein Gehirn quasi voll ist und ich das alles erst mal verdauen und einordnen muss, bevor ich Neues aufnehmen kann.

Verfasst: 11.11.2008 23:39
von tibesti
Arica/Pazifik/Nordchile

Waehrend wir uns aktuell etwas am brandungsumtosten Strand der nordchilenischen Wuestenstadt Arica von dem strapazioesen Trip durch Suedwestbolivien und Nordchile erholen, ist es mir endlich gelungen, nach Wochen abendfuellender Beschaeftigung ein Lieblingsprojekt von mir abzuschliessen: ein kleines Lesebuch ueber den paraguayischen Chaco zusammen zu stellen, fuer mich eine der spannendsten Regionen in Suedamerika.
Unser vor 2 Monaten an den bolivianischen Strassenblockaden fehlgeschlagener Versuch , den paraguaischenChaco Richtung Bolivien zu durchqueren, hatte auch ein Gutes: Wir durchquerten nochmals das mennonitische Siedlungsgebiet Filadelfia/Loma Plata im Chaco und ich hatte die Gelegenheit, mich in einer hervorragend ausgestatteten Buecherei mit umfangreicher deutschsprachiger Literatur ueber den Chaco und seine mennonitische Besiedlung einzudecken. Die weit ueber tausendseitige Lektuere fuehrte dann zu der Idee, die wirklich spannende Besiedlungsgeschichte des Chaco von ueber 1000 Seiten auf 50 zu komprimieren und in kompakter Form zusammenzufassen. Hier ist nun das Ergebnis. Um es klar vorweg zu sagen: Dies ist keine ! wissenschaftlich angehauchte Abhandlung. Es handelt sich vielmehr um eine lose, moeglichst abwechslungsreiche Zusammenstellung von Fakten, Fotos und Abbildungen, gewuerzt und aufgelockert durch ein paar Erzaehlungen.

Das Ergebnis ist ein Word-Dokument von 50 Seiten Umfang (5,2 MB)
Titel: DER PARAGUAYISCHE CHACO UND DIE GESCHICHTE SEINER BESIEDLUNG DURCH DEUTSCHSTAEMMIGE MENNONITEN.

Es sollte nur herunterladen, wer Lesengeduld hat und tatsaechlich an interessanten Informationen ueber diese ungewoehnlichen Landschaft und seine Geschichte interesiert ist, die er vielleicht so noch nicht gehoert hat

Zu Inhalt:
1. und 2. Der Chaco als Naturraum: Geographie, Geologie, Klima
3. Die indianische Besiedlung des Chaco
4. Der Chaco zur Zeit der spanischen Konquista
5. Der Chaco wird "entdeckt": Missionare unf Forscher auf dem Vormarsch
6. Der Chaco nach der Unabhaengigkeit Paraguays
a) Der Ausverkauf von Land und Boden
b) Der Chacokrieg 1932-1935
c) Staatlich gefoerderte Kolonisationsversuche (die fast alle scheitern)

7. Die Besiedlung des zentralen Chaco durch deutschstaemmige Mennoniten im 20. Jahrhundert
8. Die heutigen mennonitischen Gruppierungen in Paraguay

Hier der Link zum Runterladen:

Chaco-Geschichte
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Verfasst: 12.11.2008 00:34
von tibesti
Arica/Chile

Ein wirklich anstrengender Trip liegt hinter uns, der uns vom noerdlichen Argentinien durch das Andenhochland Suedwestboliviens und die Anden Nordchiles schliesslich durch die Kuestenkueste Atacama bis zum Pazifik gefuehrt hat. Dabei kamen wir zum Teil durch Regionen, die wir vor 2 Jahren bereits zum ersten Mal besucht haben, wie die bolivianische Stadt Ujuni und den auch beim 2. Besuch atemberaubend schoenen Salzsee Salar de Ujuni.

Die von uns gewaehlte Route fuehrte zum Teil durch sehr einsame Gegenden; staendig waren wir auf grossen Hoehen zwischen 3600 und 4900 m unterwegs; die Pisten waren atemberaubend schlecht und zwangen vielfach zum stundenlangen Schrittempo. Zweimal fuhren wir in eine Sackgasse und mussten nach bis zu 50 Kilometern wieder umkehren, weil die Piste nicht lkw-tauglich war; ein falsch gewaehlter nicht geoeffneter Grenzuebergang nach Chile zwang uns ebenfalls zur Umkehr und bescherte uns gleich eine zweimale Durchquerung des Salars Ujuni (145 Kilometer breit ist er).


Und schliesslich erwischte es uns nach ueber 100.000 Kilometern in Suedamerika pannenmaeessig zum ersten Mal so richtig. Nachdem wir uns irgendwo (vermutlich in Argentinien) total verschmutzten und verschlammten Diesel eingefangen hatten, war dann im bolivianischen Hochland mitten in der Pampa Schluss mit Lustig. Tanks verdreckt, Leitungen zu, Filter dicht. Ein Filterwechsel brachte uns 100 Kilometer weiter, dann war wieder Schluss. In Ujuni dann eine Grossaktion zur Tankreinigung: 150l Diesel muessen abgelassen werden, dann bau ich die Tanks aus, fahr sie mit dem Taxi zur Autowascjhanlage und lass sie innen ausspritzen, um sie anschliessend wieder einzubauen. Nach stundenlanger Schufterei bis ich unter Einsatz einer Taschenlampe spaetabends fertig und seh aus wie.... Immerhin kommen wir damit 1000 Kilometer weiter bis an den Pazifik, dann beginnt das Ganze Spiel von vorn. Diesmal gehen wir in Iquique zu Mercedes, da das Fahrzeug so nett ist, erst in dieser Stadt wieder schlapp zu machen. Die Jungs bei Mercedes stellen sie so daemlich an wie nur irgend moeglich, so dass wir geschlagene 4 Tage in der werkstatt zubringen und uns die chilenische Arbeitsmoral und -organisation schier zur Verzweiflung treibt. Zweimal denken wir, jetzt klappts endlich, beim ersten Mal kommen wir 200 m weit, beim zweiten Mal ist mitten in der City im Berufsverkehr Schluss. So hauefig wie in den 2 Wochen hab ich in meinem ganzen Leben noch kein LKW-Fueherhaus umgekippt und die Kraftstoffanlage mit der Handpumpe wieder (kurzfristig) gangbar gemacht.
Immerhin konnten wir auf dem Mercedes-Gelaende uebernachten und nachdem ich meinem Unmut mal so richtig Luft gemacht hatte, mussten wir auch nur die Arbeitskosten eines Tages bezahlen.

So ist das! Irgendwann erwischts halt jeden, das gehoert dazu. Bewusst wurde uns jedoch auch mal wieder, wie riskant extreme Alleinfahrten sein koennen, denn im Ernstfall, wenn in der Pampa gar nix mehr geht, kanns dann schnell recht ungemuetlich werden. Doch etwas Adrenalin gehoert schliesslich dazu. Und die Touren der letzten 2 Jahre waren zum Teil schon recht ausgefallen, dafuer hat unser LKW bisher excellent durchgehalten.

Reiseroute1

Reiseroute2

Fotos

Verfasst: 20.12.2008 17:20
von tibesti
Caceres, Mato Grosso, Brasil

Seit ueber 10 Tagen fuehren wir ein Truckerleben! Wir haben die Anden verlassen und steuern durch die riesigen Weiten des brasilianischen Tieflandes. Unser Ziel: die Nordostbrasilianische Kueste! Es ist Regenzeit und das schraenkt die duerftige Auswahl an vorhandenen Strassenverbindungen nochmals drastisch ein. Da unbefestigte Pisten jetzt ein schwer kalkulierbares Risiko bedeuten, was das Vorwaertskommen betrifft, bleibt uns nur die einzige asfaltierte Ueberlandverbindung, die Brasiiens Osten mit den leeren Raum des Amazonastieflandes im Westen verbindet. Assis-Brasil (Grenzort)-Brasilieia-Rio Branco-Porto Velho-Caceres-Cuiaba-Goiana heissen die Stationen, die uns zunaechst in einem weit suedlich ausholenden Bogen um das Amazonastiefland herumfuehren. Das allein sind an die 3.500 km und das Reiseziel ist dann immer noch lange nicht in Sicht. Denn nun biegt man nach Norden ab und hat nochmals 2.500 km vor sich, ehe endliche die Atlantikkueste bei Sao Luis erreicht ist.

Reiseroute

Und so tuckern wir dahin, Kilometer fuer Kilometer durch eine weitgehend ereignislose flache bis flachwellige Landschaft. Nach maximal 300 km am Tag steuern wir bei einem der wenigen Provinzorte entlang der Strecke dann meist eine Truckertankstelle zum Uebernachten an und erkunden abends das brasilianische Nachtleben in der Provinz, was da bedeutet: in einer Strassenbar bei einigen Flaschen Bier sitzen und bei schwuelen Temperaturen um die knapp 30 Grad dem brasiianischen Lebensgefuehl nachspueren.

Und das heisst bei Brasilianern stets: bitte keine Scheu an den Tag legen, sondern immer eine gehoerige Spur Neugier an den Tag legen. Da muss man dann schon mal fuer ein nettes Foto aus dem Auto steigen oder wird auch sonst mal schnell unverhofft zwecks eines Schnappschusses angesprochen. Anschliessend geht der Daumen hoch, alles todo bem!

Foto1
Foto2


Und um die Weihnachtszeit herum stellt sich natuerlich auch wieder die spannende Frage: Wie halten es die Brasilianer mit der Weihnachtsstimmung ? Aber hallo, kann man da nur sagen!! Egal ob im abgelegenen Porto Velho, der Hauptstadt des Amanzonas-Bundesstaates Rondonia oder im beschaulichen Caceres, einer Kleinstadt in Mato Grosso, die Illumination der brasilianischen Orte muss keine Vergleiche mit deutschen Staedten fuerchten, auch wenn sich die richtigen Kaeltegefuehle von Frost und Schneefall bei Temperaturen um oder ueber 30 Grad nicht so recht einstellen wollen.

Foto3
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Bleibt noch eine kleines Resumee der letzten Wochen festzuhalten. Mit Vollendung der letzten Reiseetappe, die uns von der chilenischen Atacamawueste und der Pazifikkueste wieder nach Bolivien und anschliessend nach Suedperu fuehrte, haben wir unsere 3-monatige Route durch die Anden Nordargentiniens, Boliviens, Chiles und Suedperus abgeschlossen. Als Highligths der letzten Etappe koennen festgehalten weren:

der Besuch der verlassenen Geisterstadt Humberstone, einem Zeitzeugnis aus der Zeit des weltweiten Salpeterbooms des ausgehenden letzten Jahrhunderts. Auf dem Hoehepunkt dieses Booms lebten zehntausende Mineiros in dieser in sich abgeschlossenen Stadt, die sogar ein eigenes Theater besass und wo den Arbeitern das verdiente Geld in den Geschaeften der Salpetergesellschaft gleich wieder aus der Tasche gezogen wurde - denn die Entlohnung der Minenarbeiter erfolgte nicht in Geld, sondern in Bezugscheinen, die nur in den Laeden der Gesellschaft eingeloest werden konnten.

die Fahrt durch den Lauca/Sajama-Nationalpark mit seiner Parade zum Teil noch aktiver Vulkane der 6000-Meter-Hoehenklasse, fuer uns einer der Top-Hoehepunkte in den Anden

der Besuch des Titicacasees mit seinem beeindruckenden Panaroma der bolivianischen Koenigskordillere

der Besuch der suedperuanischen Stadt Ariquipa und des in der Naehe gelegenen Colca-Canyons, eines der tiefsten Schluchtensysteme der Erde.
Immerhin 10 Tage stehen wir auf dem Hof eines Hotels in Arequipa und geniessen vor allem die hervorragenden sanitaeren Anlagen auf Weltniveau mit heissen Duschen......Also, was macht man so 10 Tage an diesem Ort...? Um ehrlich zu sein, eigentlich standen wir die meiste Zeit unter der Dusche!!!

der Besuch der Puente del Inca- einer der letzten noch erhaltenen Haengebruecken aus der Inkazeit, die den Rio Apurimac, einen Quellfluss des Amazonas, in einer beeindruckenden Schlucht ueberquert.

die erneute Fahrt (nach 2007, diesmal in Gegenrichtung) von Cuzco nach Puerto Maldonado- der Ostabfall der Anden ist jedesmal ein Hoehepunkt einer Andenfahrt.

Nun ist dieses Reisekapitel fuer diesen Reiseabschnitt erst mal abgeschlossern und mit dem jetzigen Wechsel von Landschaft und Kultur halten wir uns an unsere bewaehrte Regel:Abwechslung tut gut!!

Was noch zu sagen bleibt, ist der Hinweis auf die Fotos. Bittschoen:

FOTO-SHOW
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Verfasst: 21.12.2008 22:52
von Fondsfan
Frohe Weihnachten Euch beiden da unten
in Südamerika !

Verfasst: 11.01.2009 23:50
von tibesti
Fondsfan hat geschrieben:Frohe Weihnachten Euch beiden da unten
in Südamerika !
an Fondsfan:
Danke für die Grüsse

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Fehlstart ins neue Jahr

800 Tage in Südamerika und 110.000 km über Stock und Stein geht alles gut. Doch zwei Tag vor dem Start ins Neue Jahr hat uns die statististische Panen-Wahrscheinlichkeit eingeholt. Wir haben unsere erste schwerwiegende technische Panne am Fahrzeug, die sich ohne den Import von Ersatzteilen aus Deutschland nicht beheben lässt. Bei einem kurzen Stop am Strassenrand fällt mein Blick aufs Vorderrad und ich muss feststellen, dass das Endstück der Antriebswelle der Allradvorderachse auf der Fahrerseite, welche mit einer grossen Mutter aussen am Vorderrad befestigt ist, abgebrochen ist.
Dabei haben wir noch Glück im Unglück: Zum einen können wir noch 800 km weiterfahren und erreichen so nach 3 Wochen und knapp 6000 km Fahrt quer durch Brasilien unser Ziel Sao Luis an der nördlichen Atlantikküste, wo wir umgehend eine Mercedes-Vertretung aufsuchen. Zum anderen kennen wir hier vom letzten Aufenthalt vor einem Jahr ja ein deutsch-brasilianisches Ehepaar, von denen wir eingeladen wurden und so haben wir eine wirklich äußerst wertvolle Dolmetscherhilfe zur Erläuterung und Besprechung der komplexen Problematik in der Mercedes Werkstatt. Denn Englisch spricht hier niemand. Schnell stellt sich heraus: Der Bruch der Welle an dieser ungewöhnlichen Stelle hat seine Ursache in einem übermäßigen Radlagerspiel des Vorderrades. Dadurch entstand bei der Fahrt durch die häufigen extremen Schlaglöcher eine enorme Hebelwirkung, der die Welle nicht standhielt. Mein kompetenter Kontaktmann von Mercedes in Deutschland konnte den Schaden gar nicht glauben, denn ein Bruch an dieser Stelle ist bei ihnen, solange dieses Fahrzeug existiert, noch nie vorgekommen.

Doch das ist jetzt nebensächlich. Im Mittelpunkt steht die Frage der Reparatur. Da die benötigte neue Antriebswelle in Brasilien nicht existiert und ein Import über Mercedes Deutschland zeitaufwendig und teuer ist, hilft uns zum ersten Mal die Mitgliedschaft im ADAC. Doch der ADAC schickt Ersatzteile nur an internationale Frachtflughäfen, wo man die Ware dann persönlich beim Zoll auslösen muss, und Sao Luis hat, obwohl Millionenstadt, keinen solchen Flughafen. Um nicht mehrere Tage tausende von Kilometern im Bus zurückzulegen, um die Welle irgendwo abzuholen und persönlich nach Sao Luis zu schaffen, beschließen wir, das Fahrzeug soweit wieder instand setzen zu lassen, dass wir auch mit gebrochener Welle (ohne den Einsatz des Allradantriebs) weiterfahren können. Die neue Welle lassen wir uns vom ADAC ins 4000 km entfernte Sao Paulo schicken, wo wir sie bei unserer Fahrt Richtung Süden dann abholen und die Komplettreparatur dann in einer Werkstatt unseres Vertrauens im Süden ausführen lassen.
Soweit der Idealplan. Das Ganze ist eine aufwendige Organisiererei mit viel Herumtelefonieren nach Deutschland.

In der Zwischenzeit wohnen wir seit 10 Tagen als Gäste bei unseren Bekannten in einem Apartmenthaus in Strandnähe und erleben das brasilianische Alltagsleben mal nicht aus der Perspektive des durchreisenden Touristen, sondern der eines Dauer-Residents. Und der Blick „hinter“ die Kulissen zeigt doch viele Risse in der perfekten Hochglanzfassade, die der normale Strandurlauber in der Regel durch seine rosarote Brille wahrnimmt.

Das betrifft viele Kleinigkeiten, die sich zu einem erstaunlichen Sammelsurium von Kuriositäten formieren. Angefangen vom Umgang der Brasilianer mit Geld, dem Verhältnis der Geschlechter zueinander, dem affektierten Gehabe frustrierter Mittelstandsfamilien, dem Umgang mit dem Müllproblem und und und.... Vieles was wir sehen und erzahlt bekommen, ist erstaunlich. Hier nur ein paar weinige Beispiele aus einer breiten Palette von Erlebnissen:


Da fliegt etwa mit lautem Scheppern aus irgendeinem Stockwerk eine volle Mülltüte auf das unbebautende Nachbargrundstueck, weil jemand zu faul ist, seinen Müll herunterzutragen und im Mülleiner zu entsorgen.
Da kracht an unserem Bett eine mit Nägeln befestigte Unterlage für den Lattenrost ab...eine Minutenangelegenheit, sie wieder anzunageln. Und wir wollen kaum glauben, was unsere Gastgeber uns erzählen: Die Mehrheit aller Brasilianer wäre jetzt nicht in Lage und auch nicht willens, diese Reparatur vorzunehmen, weil die meisten in ihrem Haushalt weder Zange noch Hammer besäßen und sich außerdem viel zu schade für eine solche „Handarbeit“ seien. Statt dessen würden sie jetzt alle einen „Handwerker/Arbeiter“ anrufen, der die Arbeit ausführen müsse. Wir erfahren, dass Status und schöner äußerer Schein wichtige Elemente der brasilianischen Mittelstandsexistenz sind. Wer seinen Lebensunterhalt verdient, indem er sich die Hände schmutzig machen muss, ist wenig angesehen. Wer dagegen in schicken Klamotten und dem nagelneuen blitzsauberen Pkw auftaucht, ist „wer“, auch wenn das alles auf Pump gekauft ist und in der Haushaltskasse wegen hoher Verschuldung tiefste Ebbe herrscht. Beim Einkaufen im großen Supermarkt erläutert uns unser Gastgeber, dass man beim Bezahlen an einer der vielen Kassen sich am besten eine Kasse aussucht, wo möglichst gerade keine dieser typischen mittelalten Frauen aus der Mittelschicht anstehen, denn das könne dann schon mal ewig dauern. Der Grund: In den meisten brasilianischen Supermärkten werden die Waren nach dem Einscannen von einer zusätzlichen Hilfskraft in unzählig viele Plastiktüten eingepackt und dann wieder im Einkaufswagen gestapelt, der anschließend vom Supermarktpersonal bis zum Pkw geschoben wird. Herrscht an den Kassen Hochbetrieb, kann es dann schon mal vorkommen, dass an der Kasse gerade kein Einpacker sofort zur Verfügung steht. Für eine typische Mittelstandsbrasilianerin sei es in dieser Situation unter ihrer Würde, auch nur den kleinen Finger zu rühren und etwa selbst beim Einpacken Hand anzulegen. Gott bewahre! Dazu gibt es schließlich das Dienstpersonal! Dieses Phänomen können wir an den Kassen der Supermärkte häufig selbst beobachten und parallel dazu lesen wir:
„Für mittelständische Familien gilt es als selbstverständlich, einen dienstbaren Geist im Haus zu haben, der putzt und wäscht. Man ist bestrebt, für „niedere“ Arbeiten schnellstens Personal einzustellen. So haben wir das Phänomen zu verzeichnen, dass bereits Familien aus dem Mittelstand ohne Hausangestellte buchstäblich verhungern würden, weil weder Frau noch Mann gelernt haben, Reis und Bohnen zu kochen oder ein Schnitzel in die Pfanne zu werfen. Wer als Frau mit 25 noch keinen Mann gefunden hat, gilt als alte Jungfer. Die Hochzeit ist die letzte große Show der Brasilianerin, danach verfällt sie rasch in die Rolle der Gebärerin und frustrierten Dame des Hauses, die wenn sie Geld hat, die Dienstboten herumscheucht und meist keine Ahnung von Hauswirtschaft hat....“

Und dabei ist bei allem Statusgehabe häufig alles nur Blendung und schöner Schein: Denn die Brasilianer und das liebe Geld – das wäre ein Thema für tiefenpschologische Doktorarbeiten.
Während viele Brasilianer überhaupt kein Geld besitzen und stets am Rande des absoluten Existenzminimums herumkrebsen, lebt ein Großteil der Brasilianer aus dem Mittelstand ständig auf Pump. „Die Sprache verrät schon einiges: Bargeld heißt „dinero vivo- lebendes Geld.“ Daraus darf man ja wohl schließen, dass Schecks, Wechsel, Guthaben, „totes Geld“ sind. Mit anderen Worten: Nur das Geld, das man in der Hand hat, ist „richtiges Geld“. Alles andere steht auf dem Papier und verflüchtigt sich ins Abstrakte“. Das mag ein Grund unter mehreren sein, dass Brasilianer mit ihrem Geld nie auskommen. Geld, was man hat, will ausgegeben werden, etwas sparen für Notfälle oder für besondere Gelegenheiten- für einen normalen Brasilianer unmöglich: „Jose hat ein paar Schuhe gekauft, nur 8 Reals hätten sie gekostet, erzählt er freudestrahlend. Nur 8 Reals- und sonst nichts? Naja, 8 Reals als Anzahlung, der Rest in 6 Monatsraten von ebenfalls je 8 Reals. Doch bezahlt hat Jose heute nur 8 Reals, darauf kommt es an. Was die Zukunft bringt, weiß ja keiner. Die 6 Monatsraten- das ist ja eine Ewigkeit und mit der kann man nicht rechnen. „Während die Deutschen glauben sich durch Sparen und Häuslebauen abzusichern, herrscht in Brasilien die gegenteilige Ansicht vor: Geld ist flüchtig, am besten gibt man es gleich aus.“
Und das Geld ausgeben wird den Brasilianern auch leicht gemacht. Ratenzahlung selbst bei kleinsten Beträgen oder Bezahlen mit vordatierten Schecks ist allgemeine Praxis. Im Supermarkt an der Kasse werden wir selbst bei Summen von ca. 20 Euro immer gefragt, in wie vielen Raten wir zu zahlen gedenken. So ist der Durchschnittsbrasilianer stets hochverschuldet und hangelt sich von einem Zahlungstermin zum nächsten. Bezahlt wird dabei stets auf den letzten Drücker und in der Regel immer durch Bareinzahlung am Bankschalter. Auch andere regelmäßige Zahlungsverpflichtungen wie Steuern, Miete, Telefon und sonstige Gebühren werden praktisch immer bar via Bankschalter beglichen. Dies führt an bestimmten allgemeinen Zahlungsterminen wie etwa dem 31. oder 1. eines Monats zu langen Warteschlangen an den Bankschaltern, die bis auf die Straße herausreichen.

Unser Gastgeber wohnt in einem sogenannten „Condominium“, das ist eine abgeschlossene, bewachte Wohnablage mit ca. 8 stöckigen Wohnblöcken. Obwohl die Anlage erst ca. 15 Jahre alt ist, wirkt sie von außen schon etwas heruntergekommen, weil Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten in den letzten Jahren nur selten vorgenommen wurden. Der Grund: Die meisten Mieter bzw. Wohnungseigentümer sind ihren Zahlungsverpflichtungen, was die laufenden Nebenkosten und Rücklagen angeht, einfach nicht nachgekommen, also Ebbe in der Kasse der Verwaltung der Wohnanlage. Erst ein jüngst verabschiedetes neues Gesetz hat endlich ein wirksames Druckmittel geschaffen, säumige Zahler zur Begleichung ihrer Schulden zu zwingen. Wer jetzt seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt, landet mit seinen persönlichen Daten auf öffentlich zugänglichen schwarzen Listen mit enormen Konsequenzen: Auf einmal ist der Autokauf auf Kredit nicht mehr möglich, wird Ratenzahlung in Geschäften verweigert. Für den normalen Brasilianer, der stets verschuldet ist, also der absolute Supergau. Und siehe da: Auf einmal werden, natürlich stets auf den letzten Drücker, die offenen Zahlungsverpflichtungen beglichen.

Solche Geschichten könnte ich noch seitenweise fortsetzen, was den Rahmen eines kurzen Reiseberichtes aber bei weitem sprengen würde. Für alle Machos unter den männlichen Mitlesern vielleicht nur noch der Hinweis: Wer strikt gegen die Neuverteilung der Rollen zwischen den Geschlechtern in bezug auf die häusliche Arbeit ist, der sollte sofort nach Brasilien auswandern. Denn: „Das Männer sogar Knöpfe annähen und Hemden bügeln können, wird in Brasilien meist ungläubig zur Kenntnis genommen. Wer so etwas macht, muß schwul sein, glauben selbst die Frauen, die allerdings häufig selbst nicht nähen und bügeln können, sondern es von Dienstpersonal machen lassen“. Na dann.....

So beende ich diesen Reisebericht mit einem kurzen Rückblick auf unsere Transbrasilien-Durchquerung. Unser „Truckerleben“ quer durch Brasilien dauerte fast auf den Tag 3 Wochen und 6000 km. Die Höhepunkte lassen sich dabei an wenigen Fingern aufzählen.
Im Bundesstaat Mato Grosso erreichen wir auf dem Höhenzug der Chapata Guimares zum zweiten Mal nach 2006 den meßtechnischen geografischen Mittelpunkt Südamerikas und geniessen den herrlichen Ausblick auf die tief unter uns liegende Ebene des Pantanal.
Am 24.12. verbringen wir den Weihnachtsabend passend zum Anlass in den menschenleeren romantischen Gassen des wirklich sehenswerten Städtchens Goias Velho im Bundesstaat Goiana, zu Recht von der Unesco zum Kulturerbe der Menschheit erklärt.
Bei der Fahrt durch den Amazonas-Bundesstaat Tocantins wagen wir trotz der Gefahr von Regenfällen endlich mal wieder längere Fahrten abseits der asphaltierten monotonen Hauptstrassen und werden dafür teilweise auch mit recht ursprünglichen Naturlandschaften belohnt. In so manchen abseits gelegenen kleinen Ortschaften werden wir bestaunt wie das 6. Weltwunder, ausländische Touristen mit eigenem Fahrzeug haben sich hier offenbar noch nicht hinverirrt und abseits der Hauptstrassen übernachten wir statt an Tankstellen endlich mal wieder in freier Natur und geniessen die nächtliche Geräuschkulisse (aufgenommen mit dem Mikrofon der Digitalkamera, also mittelmässige Qualität):

nächtliche-Geräuschkulisse-im-Busch

Bleibt zum Schluß noch der Verweis auf die Fotoshow. Zu fotogafieren gibt es aus Sicht der Naturfotogafie in Brasilien erfahrungsgemäss wenig. Wald und Busch sind grün und flach und bieten nur wenige fotografische Ansatzpunkte, Ist man aufgrund der Regenzeit zudem auf die wenigen großen Hauptverkehrsdurchgangsstraßen angewiesen, fährt man stunden- und tagelang durch eine monotone gleichförmige Wald/Buschlandschaft oder rechts und links erstrecken sich endlos die eingezäunten Weideflächen großer Fazendas . Und mit der Kamera bewaffnet durch einen Ort zu laufen, um interessante Menschen zu fotografieren, wird mir zunehmend lästig. Nicht alles und jedes muß immer abgelichtet werden und die brasilianische Stimmung einer Ortschaft in der Provinz lässt sich auf diese Weise sowieso nicht einfangen.

Ein „bisschen“ Stimmung aus Provinz-Brasilien lässt sich am ehesten noch über die Musik vermitteln. Vor allem an den Wochenenden sieht man dieses Bild immer wieder: Vor einer der vielen Straßenbars steht der PKW mit dem geöffneten Kofferraum und nicht nur die Gäste der Bar, sondern auch die Anwohner der umliegenden Wohnhäuser werden- unfreiwillig- mit einer überlauten Musikparty beglückt (Unser Gastgeber hat uns erzählt, dass es in Sao Luis tatsächlich inzwischen etliche Bars gibt, wo diese Art der „Beschallung“ per Verbotsschild untersagt ist!).

Also machen wir doch mal vor nächsten Straßenbar erst mal den Kofferraum auf und schauen, was musikalisch gerade angesagt ist: eine Mischung von Sertanejo(bras. Country), Samba, Forro.

Kofferraum-auf
Straßenbar


Musikstück1
Musikstück2
Musikstück3


Und während ihr hier die Fotos betrachten könnt,

Fotos

üb ich mich derweil weiter in der korrekten Aussprachen des brasilianischen Portugiesisch mit seinen vielen Nasal- und „sch“-Lauten.

Preciso ir a um dentista hoje mesmo: Estou com dor de dente. O senhor pode extrair esse dente? Perdi uma obturação. Poderia fazer-me uma obturação nova?
(wer weiß, wozu die Kenntnis dieser Redewendungen noch gut sein kann…
Ich muß heute noch zum Zahnarzt. Ich habe Zahnschmerzen. Können Sie diesen Zahn herausziehen? Ich habe ein Plombe verloren. Könnten Sie eine neue Plombe machen?)

Beim-Zahnarzt

Beim Kaffetrinken haben wir heute herzlich gelacht, als wir hörten, wie die Brasilianer versuchen, das Allheilmittel für Erkältungen auszusprechen: Wick Vaporub, sie sagennämlich: Wikivaporupi

Ate Logo

Lothar

Verfasst: 12.01.2009 00:23
von oegeat
schöne bilder - danke :wink:

Verfasst: 23.01.2009 20:26
von tibesti
Joao Pessoa/Paraiba/Brasil

aus aktuellem Anlass:

Nachdem wir nach einen 15-tägigem Aufenthalt in der nordbrasilianischen Millionenstadt Sao Luis unseren LKW nach einer Notreparatur in der hiesigen Mercedes-Vertretung wieder fahrbereit in Empfang nehmen konnten und uns mit einem Gruppenfoto von dem dortigen superhilfsbereiten Mercedes-Team verabschiedeten,

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haben wir unsere Reise mit Kurs Südost fortgesetzt und inzwischen nach weiteren 1800 km zum 2.Mal den östlichsten Punkt des südamerikanischen Kontinents bei Joao Pessoa erreicht.
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Statt der direkten Küstenroute wählten wir eine Route, die uns mal wieder auf kleinen Nebenstraßen durch das Gebiet des trockenen und dürregeplagten Sertao führte, wo ein Großteil der Menschen ein Leben in ziemlicher Armut und hartem Existenzkampf führen muß.

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Überbordender westlicher Wohlstand hier wie am tollen Strand von Joao Pessoa, der Hauptstadt des Bundesstaates Paraiba- und krasse Armut dort, nämlich im Hinterland von Joao Pessoa - es braucht in Brasilien stets nur wenige Kilometer, um mit den schärfsten sozialen Gegensätzen konfrontiert zu werden, die es (bis jetzt) in unserem wohlbehüteten Europa so nicht gibt.

Ein Beispiel für diese schreiende soziale Ungerechtigkeit, die einem in Brasilien auf Schritt und Tritt begegnet und einen nicht selten sprachlos macht, liefert heute der Spiegel in einem Interview mit Pater Tiago über die Situation der Arbeiten auf den riesigen Zuckerrohrplantagen des Landes, ein Thema, was letztlich auch für uns in Europa von Bedeutung ist.


Ethanolsprit aus Brasilien - Blut im Tank


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Unsere Reiseroute:
Reiseroute

Verfasst: 28.02.2009 20:49
von tibesti
Canaveiras/Bahia

Zum 2. Mal haben wir jetzt den brasilianischen Nordosten durchquert und mit der Durchquerung der brasilianischen Bundesstaaten Alagoas und Sergipe bis auf den noerdlichsten Bundesstaat Amapá nun alle brasilianischen Bundesstaaten und Regionen kennengelernt.

Was waren die erwaehnenswerten Highlights ?

a) Die brasilianische Kueste in Verbindung mit einigen sehr urspruenglichen kleinen Fischerorten macht ganz ganz klar suechtig. Wunderschoene, kilometerlange Sandstraende, eine relaxt-entspannte Atmosphaere in den kleinen Kuestenorten mit ihrer ueberwiegend armen afro-brasilianischen Boelkerung, wo teilweise die Zeit still zu stehen scheint. Gerade abends spuert man diese “menschliche Waerme”, von der man haeufig spricht, wenn man von Brasilien redet. Da sitzt der halbe Ort abends vor ihren kleinen Haeusern und ratscht mit den Nachbarn. Brasilianer sind gesellige Menschen, die den Kontakt zu ihren Mitmenschen suchen; bei mir kommt bei einer solchen Atmosphaere immer so etwas wie Wehmut auf, wenn ich diese Menschen in ihrem taeglichen Miteinander beobachte und dann an den Umgang untereinander in Europa denke. Die Mehrheit der Leute hier ist arm und scheinbar trotzdem zufrieden, Werte, die uns laengst verlorengegangen sind, spielen hier noch eine Rolle: Was schert diese Menschen hier wohl die gegenwaertige weltweite Wirtschaftskrise, denke ich manchmal und weiss die Antwort sofort – nada, nichts!!!

Sauwohl hab ich mich hier in diesen Orten gefuehlt, fast "schwebend wie auf einer Wolke des Wohlbefindens - da passte alles: der Strand, die exotisch afro-brasilianische Atmospaere, die Freundlichkeit der Menschen.

Zu dieser heiter-entspannten Relaxtheit passt ganz hervorragend folgende Musik :

Tony-Moreno1

Tony-Moreno2
b) Auf unserer Fahrt Richtung Sueden passieren wir nacheinander die Bundesstaaten Pasraiba, Pernambuco, Alagoas und Sergipe. Dabei durchqueren wir die Region, die in der Kolonialzeit den Reichtum der Kolonie erwirtschaftete: Die Gegend der Zuckerbarone, fuer deren Plantagen damals auch die unzaehligen Sklaven aus Afrika - die einheimischen Indios starben bei der harten Arbeit wie die Fliegen - importiert wurden. Dementsprechend sind die genannten Bundesstaaten des Nordostens auch heute noch jene mit dem groessten Anteil an schwarzer Bevoelkerung.
Was damals durch Sklaven erarbeitet wurde und den Reichtum der wenigen Latifundistas/Grossgrundbesitzer erwirtschaftete, die Zuckerproduktion auf der Basis von Rohrzucker ( wobei diese Pflanze angeblich urspruenglich aus Indien stammt! Aber wer hat schon mal von Zuckerplantagen und -baronen im britischen indischen Kolonialreich gehoert!? ), nahm dann einen rasanten Niedergang. Waehrend Zucker ja vor einigen Hundert Jahren noch ein Luxusprodukt darstellte, erlaubte die Zuckerproduktion aus unserer Zuckerruebe ja dann die heutige Allgegenwaertigkeit von - viel zuviel - Zucker in allen Lebensmitteln und Lebensbereichen.
Fuer Brasilien wurden daraufhin andere "Kolonialwaren" wichtiger, u.a. der Kaffee ( im letzten Jahrhundert dann insbesondere die Bodenschaetze wie Eisenerz), der aber in anderen Regionen angebaut wurde und wird und damit eine raeumlicher Verschiebung der entscheidenden Wirtschafts- und Machtregion in Brasilien bewirkte: Der Aufstieg des Suedostens begann, also jener Region ,die auch heute noch der wirtschaftliche Mittelpunkt des Landes ist - Rio und Sao Paulo,
Der Nordosten wurde zum Randgebiet, gekennzeichnet durch Armut der breiten Bevoelkerung und daraus resultierend der Landflucht in andere Regionen.

Tja - und heute!?
Da scheint sich ja tatsaechlich zumindestens die Region wiederzubeleben:
Der aktuelle Aufstieg des Zuckers zum wichtigen Bio-Treibstoff. Brasilien ist mit der EU der groesste Zuckerproduzent der Welt, doch schon vor 30 Jahren begann hier in Brasilien die Nutzung des Zuckerrohrs als Rohstoff zur Ethanolproduktion : in immer mehr Autos wurden Alkohol-Verbrennungsmotoren eingebaut! Damals dachte man bei uns beim Stichwort "Zucker" erst mal nur an Bonbons, eventuell schon an das metabolische Syndrom...
Die Zeiten haben sich aber schon wieder geaendert - und das finde ich so bemerkenswert: Hunderte von Jahren spaeter findet sich hier in Brasilien der gleiche Prozess wider, den man von damals schon kennt: Totale Ausbeutung der marginalen, und mal wieder v.a. dunkelhaeutigen Bevoelkerung - nun nicht mehr als "richtige/offizielle" Sklaven , sondern als Lohn- oder Saisonarbeiter auf den riesigen Zuckerrohrplantagen - aber viel anders scheint ihre Situation heute auch nicht zu sein!! Mehr oder weniger ungebildet wie die breite Masse in Brasilien leider ist, haben sie wohl auch nicht die Kenntnis ueber die - eigentlich ganz guten - Gesetze und Bestimmungen des Arbeitsrechts hier.
Statt dessen sind die landlosen Arbeiter vermutlich noch froh,dass sie einen ziemlich garantierten Job als Rohrschneider oder was es denn doch noch fuer Jobs gibt, bekommen - schliesslich gibt es -ausser in den groesseren Orten - im Nordosten ja keinerlei anderer Arbeitsplaetze als jene in der Landwirtschaft. Der Vorteil der Zuckerrohr-Industrie ist , dass die Pflanze einen ziemlich von den Jahreszeiten unabhaengigen Zyklus hier im NO zu haben scheint, denn wir haben sowohl gerade abgeerntete als auch frisch angepflanzte als auch Felder mit Cana in den verschiedendsten Wachstumsstadien gesehen, d.h. es gibt fast das ganze Jahr Arbeit fuer die Lohn- oder Saisonarbeiter,was ja bei anderen Feldfruechten nicht unbedingt der Fall ist.
Aber die Arbeits- und Lebensbedingungen sind wohl tatdsaechlich oft katastrophal:
Erst mal hat das Zuckerrohr ab einer gewissen Reife/Groesse einen unangenehmen und ueber der ganzen Landschaft liegenden Eigengeruch, die Zuckerraffinerien oder Ethonalfsabriken kommen mit ihren Abgasdueften dazu.
Dann ist es heiss und es hat -zur Zeit zumindestens- eine ziemlich hohe Luftfeuchtigkeit, die den Schweiss auf der Haut stehen laesst und darauf kann der Staub dann so richtig schoen festkleben...
In dem Gewirr der ausgewachsenen Zuckerrohre lebt vermutllich neben Schlangen auch etliches Ungeziefer, das vermutlich auch teilweise unangenehme Beis- oder Stichverletzungen hervorrufen duerfte... ( die Schlangen sollen durch das naechtliche Abbrennen der Felder direkt vor dem Schlagen der Rohre vertrieben werden - dann klebt neben dem Staub halt auch noch Asche auf der schwirtzenden Haut....)
Zudem sind die Arbeiter wohl tatsaechlich nur mangelhaft mit Arbeitsklamotten versorgt- wir sahen welche mit einheitlichen Hosen ,Jacken und Kopfbedeckungen ,aber eben auch andere in kurzen Hosen und geloecherten T-Shirts und eben dem obligatorischen brasilianischen Schuhwerk , die Hawaianas oder Flip-Flop´s oder auf gut deutsch die Badelatschen - und das ist absolut nicht das Beste fuer die scharfkantigen Blaetter der Cana!!!
Wir sind in Alagoas mal in die Daemmerung hinein auf den Wegen durch die riesigen Zuckerfelder geirrt ( falsche Abfahrt genommen...). Dann sahen wir endlich in der Ferne Lichter und dachten: "Ha,da ist ein Dorf, da kommen wir bestimmt wieder auf eine richtige Piste oder sogar auf die Asfaltstrasse". Nein, es war ein "Schlafdorf" fuer die Zuckerarbeiter, einige kleine Huettchen und eine grosse Halle ( Ausdehnung wie eine Schulsporthalle,aber nicht so hoch) mit weitgeoeffnetengrossen Toren,so dass wir die 4-stoeckigen Bettengestelle sehen konnten, die in langen Reihen eng aneinanderstehend die Halle ausfuellten.Ich koennte darin ( heiss, keine groessere Luftbewegung, duenne Matraze, hundert Mann um mich herum... ) wohl keine Minute schlafen - aber ich denke, die Arbeiter sind nach einen12 Stunden (oder mehr)- Tag muede genug...

Und die profitorientierten Grossgrundbesitzer oder modernen Zuckerbarone scheinen auch mit ziemlich rabiaten Mitteln das Land von Kleinbauern "aufzukaufen",die der raeumlichen Abrundung ihrer Besitztuemer im Wege stehen... ( Das Gleiche passiert allerdings auch in den Gebieten mit anderen weltmarktorientierten Anbauprodukten, v.a. Soja !! ) Auch hier duerfte die mangelnde Bildung und Kenntnis juristischer Gepflogenheiten den Betroffenen die Verteidigung ihrer Besitzrechte erschweren.

Wir haben von anderen Touristen ( Deutscher mit brasilianischer Ehefrau) z.B. die Story gehoert, die sie selbst wahrend eines Hotalaufenthaltes in Alagoas miterlebt haben:
Eine Bedienstete des Hotels hat wohl beim abendlichen Abraeumen der Tische eine Scheibe Brot genommen und selbst gegessen, was der italienische Besitzer gesehen hatte und sie daraufhin entliess ( Angeblich mit den Worten;" Was die Gaeste nicht essen sondern uebriglassen, das bekommt zuallererst mein Hund und nicht meine Angestellten!). Der Deutsche hat wiederum das mitbekommen und - da er Sozialarbeiter von Beruf war - hat sich eingemischt, indem er der Bediensteten riet, zum Arbeitsgericht zu gehen. Worauf diese aber entgegnete, das koenne sie sich nicht leisten, denn bevor ein Anwalt fuer sie taetig werden wuerde, muesste mann erst sehr viel Geld an ihn bezahlen... Darauf hin hat der Deutsche dem Italiener gedroht, wenn er die Frau nicht wieder einstellen wuerde, dann wuerde er ihn anzeigen und die Kosten fuer einen eventuellen Prozess uebernehmen.

Wenn man das alles im Hinterkopf hat, dann faehrt man mit kritisch zusammen gekniffenen Augen durch die direkt hinter der Traumkueste gelegenen Landstriche, die vom Cana-Anbau gekennzeichnet sind: Fast endlose Felder in den verschiedene Stadien des Wachstums, mal hellgruen und frisch, dann gruen-gelb-braun und dann verbrannt und schliesslich auch kahl weil die neue Pfanzung vorbereitet wird Wobei auch hier zumindestens etwas Positives nicht verschwiegen werden soll: Zuckerrohr scheint nicht die Angewohnheit zu haben, dem Grossgrundbesitzer wegzulaufen oder von Fremden, die den Privatbesitz betreten, abgeschnitten zu werden - es ist nicht eingezaeunt!!!!!! Was ja in Brasilien eine Besonderheit ist... Und: fuer die Ernte-LKWs, die ueberall die Rohre aufladen muessen , gibt es viele befahrbare Pisten durch die Gegend, die auch wir benutzen koennen...D.H hier kommt man tatsaechlich mal in die Landschaft hinein.

Schoener allerdings finden wir die Kakao-Plantagen, die man in der Gegend suedlich von Salvador entlang der Kueste findet: Kakaobaeume brauchen Schatten und daher wurde hier der urspruengliche Wald der "Mata Atlantica"nicht gerodet, sondern nur das Unterholz entfernt und stattdessen dort die Kakaobaeume angepflanzt. D.H nicht nur eine recht Umweltschonende/-erhaltende Monokultur, sondern auch noch eine, die huebsch aussieht und viel Schatten spendet. Allerdings sieht man auch hier die kleinen Haeuser der Plantagenarbeiter auf den Fazenden ,jedoch sehen die ungewoehnlich gepflegt und auch gross aus. Aber entlang der Strassen stehen hier recht viele der aermlichen Plastikplanen -Behausungen der Saisonarbeiter, also auch Kakaoanbau scheint nicht gerade unseren Vorstellungen von gerechten Arbeitsbedingungen zu entsprechen...

c) die alten Kolonialstaedte Bahias mit ihren typischen - aus architektonischer Sicht "ueppigen" Haeuserfassaden und Kirchen, weshalb dieser Baustil auch "baraock" genannt wird. Die schoensten Beispiele dieser romantisch verschlafenen Staedtchen findet man in Bahia.

d) Schliesslich sind wir zum 3.mal in Canaveiras - und dies nun schon seit 3 Wochen, dem Ort, der seit einem Jahr durch die Auswandererserie von Vox aus seinem Dornroeschenschlaf geweckt wurde und - aus unserer Sicht leider - in den Blickpunkt des Publikumsinteresses geriet. Was hat sich innerhalb des letzten Jahres nicht alles veaendert!!
Letztes Jahr hatten wir ja doch ernsthaft den Gedanken im Kopf hin und her geschoben, ob wir uns nicht ein Grunsdstueck unter Palmen kaufen oder nicht sogar den von der VOX-Serie "Die Auswanderer" - Kathrin und Tommy als liebenswertes aber voellig chaotisches Auswandererpaearchen - ausgeloesten Tourismus-Boom der Stadt als Anbieter von Bed and Breakfast oder so etwas ausnutzen sollten...
Haben wir aber damals nicht, d.h. wir haben uns kein Grundstueck oder potentielle Pousada gekauft und wir glauben inzwischen, dass das so besser war:

Canavieiras..- .immer noch eine Traumkueste mit Kokospalmen und Sonnen- oder Vollmondaufgang ueber dem Atlantik sowie ein kleines Staedtchen mit vielen alten Villen aus der damaligen Kakaoboom-Zeit, teilweise liebevoll restauruiert, ueberwiegend aber zerbroeckelnd.
Aaaaber...der Vox-Rummel um die Auswanderer hat zur absoluten Hype gefuehrt: die Folge: explodierende Grundstueck- und Immobilienpreise, vor 2 Jahren (vor dem ersten Bericht auf VOX ) 8 Reals (2,5 Euro) pro qm, letztes Jahr 15-18, jetzt 30+x; die Strandlinie ist praktisch nehezu ausverkauft, was hier stattfindet, ist der Beginn des Mallorca-Immobilienbooms vor langer Zeit. Es kommen Leute, die waren noch nie in Brasilien, haben einmal die Sendung im Fernsehen gesehen, und wollen quasi blind kaufen. Der Himmel, das Paradies liegt in Canaveiras.

Canaveiras ist ein kleines Staedtchen mit 30.000 Einwohnern und einer ueberwiegend armen Bevoelkerung. Der Ort liegt ca. 1 Kilometer vom Meer entfernt und wird von einem Fluss, der sich vor der Muendung teilt, vom Meer getrennt. Das Highlight ist der Kokospalmengesaemte Strand auf einer 16 Kilmter langen, nur wenige hundert Meter breiten Insel, die vom Festland und dem Ort durch den parallel zum Meer verlaufenden Fluss getrennt ist.
Auf der Insel und - zum kleineren Teil auf im Ort selbst - leben inzwischen laut Aussagen einiger Leute weit mehr als 200 Europaer, davon zum grossen Teil Deutsche. D.h. die "europaeische" Besitznahme erfolgt seit einem Jahr "explosiosartig".
Der Ort ist inzwischen zweigeteilt: die Strandgrundstuecke in erster Reihe gehoeren ueberwiegend den Europaern, die schoen restaurierte kleine Hafenmeile am Fluss im Ort (500m im Landesinneren), gehoert mi Restaurants und Bars....ebenfalls den Europaern, der Rest der 30.000 Einwohner-Stadt lebt sein eher aermliches Leben wie gewohnt abseits dieser Zonen und profitiert vom Boom nur indirekt durch (niedrig bezahlte ) Arbeitsplaetze als Hausmaedchen, Restaurant/Barbedienung,Hauswaechter und und....(meist zum Mindestlohn von 450 Reals+ 150 Euro im Monat).Und profitieren tun natuerlich die Handwerksbetriebe, Baufirmen und Baustoff-Geschaefte (z.b. 1 Sack Zement von 15 auf 23 Reals in einem Jahr). Last not Least auch die 3 Immoblienmakler vor Ort.

Die Kauefer der ersten Stunden ( manche sind schon vor 15 Jahren hier aufgetaucht )machen zum Teil Kasse, verkaufen ihre Strandhaeuser teuer und kaufen sich grosse Farmen im Hinterland und wer neu kommt, hat zum Teil viel Geld wie . etwa der Architekt um die 40, der -nicht mehr arbeitend- seinen Wohnsitz auf Mallorca rechtzeitg im letzten Jahr vor dem Zusammenbruch der Immobilienpreise in Spanien versilbert hat ("!in Mallorca ist es im Winter zu kalt") und hier mal locker 14.000 qm bestes Strandgrundstueck gekauft hat, was er jetzt aufwendig bebaut. Man trifft sich taeglich rundum in den wenigen europaeischen Bars/Restaurants und macht - fast koennte man meinen, Dauerfete bei Genuss enormer Mengen Alkohol zu Preisen, die natuerlich wsesentlich hoeher sind als anderswo. In Gruppen sind die Gespraeche sind grossenteils hohl, albern und bescheuert - man lebt ja schliesslich in der besten aller Welten- im Paradies eben und muss sich und dem Gegenueber offensichtlich dies mit permanenter "Guter Laune" ( allerdings eher jene , die etwas sehr aufgesetzt erscheint...) staendig vor Augen und in die Ohren fuehren.
Schlimm ist dabei, dass 'man sich" halt doch jeden Tag in den einschlaegigen Europaer-Lokalitaeten als Gruppe trifft und in der Gruppe scheint man sich nur auf diese Art und Weise aeussern zu koennen.
Treffen wir mal auf Einzelpersonen oder Paare der Auswanderer - kann man sich dann doch ganz gut mit denen unterhalten oder austauschen - kommen dann aber wieder drei weitere Personen dazu, verfallen die Leute in diese aufgesetzte Verhalten.

Fazit: Wir sind hin- und hergerissen zwischen der traumhaften Lage und dem ganzen restlichen Drumherum. Ich fange an, Antworten auf die vielen grundlegenden Fragen zu finden: Was will ich wirklich? Moechte ich hier spaeter mal sesshaft werden, kann ich mir ein Leben in einer zwar traumhaften Umgebung vorstellen, ohne moeglicherweise wirklich in Brasilien anzukommen ? Gluckt man nicht automatisch im Europaermilieu herum ? Kann ich mit den Europaern vor Ort auf Dauer wirklich klarkommen ? Werd ich letztlich ein "deutscher Tuerke" in Brasilien, der auchg nach 10 Jahren noch nicht richtig brasilianisch spricht, weil das Leben unter Europaern dies nicht unbedingt erfordert. Und in Bezug auf die Grunsstueckspreiseh stellt sich bei dem jetzt erreichten Preisniveau zusaetzlich die - fuer mich als ehemaligen Trader - spannende Frage, ob man trendfolgend noch auf diesen Zug aufspringen soll und ob ein Kauf ein Fehler waere.

So lautet das vorlaeufig eher nuechterne Fazit: Nach wie vor gilt der Fakt, dass wir den wahrhaft optimalen Ort zum dauerhaften Sesshaftwerden, an dem alles auf den ersten Blick passt ( Strand und Meer und Klima und Kultur und Einkaufsmoeglichkeiten ueber den Landsupermarkt hinaus und nette leute...) haben wir noch nicht gefunden.

Doch genug des Jammern und damit keine Missverstaendnisse aufkommen:

Trotz so mancher negativen Ueberraschung hier vor Ort geniessen wir die Zeit in Canaveiras und wissen um das Privileg, hier einfach mal so Urlaub vom Urlaub zu machen(inzwischen schon 3 Wochen).
Und schliesslich ist gerade ja erst das Event zuende gegangen, weswegen wir wieder hierhergekommen sind: der Carneval!

Wie letztes Jahr haben wir wieder jede Minute genossen mit dem Unterschied, dass wir diesmal allerdings naherzu komplett durchgehalten haben: das heisst 5 aufeinanderfolgende turbulente Naechte (von Freitag bis Mittwoch Morgen. Carneval in Canaveiras ist ein typischer Carneval des einfachen Volkes, d.h. wer aufwendig inszenierte Spektakel a la Rio erwartet ist voellig fehl am Platze. Hier feiert das "ordinaere" Volk und man kann dabei sein, ohne (bis zu 1000 Euro teure) Eintrittskarten wie in Rio oder 400 Euro teure T-Shirts wie in Salvador zu kaufen, um an vorderster Front5 dabei zusein. Nein, hier ist das Dabeisein kostenlos und - noch viel wichtiger - trotz reichlichem Alkoholkonsum weitgehend friedlich und sicher (im Gegensatz zur Millionenstadt Salvador, wo es dieses Jahr 29 Tote und ueber 150 Festnahmen wegen Raub/Diebstahl gegeben haben soll.

In diesen 5 Tagen lassen die Brasilianer so alles raus, was sie an positiver Lebensenergie mitbringen. Das bedeutet natuerlich immer und ueberall: Musik, Musik, Musik und zwar im XXl-Format: laut! Das beginnt schon bei mit mittaeglichen privaten Strandparties mit der lauten Musik aus dem Kofferraum und endet mit dem taeglichen Hoehepunkt ab 23 Uhr bis zum fruehen Morgengrauen: Dem Umzug der zwei "Trio-Electricos mit ihren wechselnden Life-Bands an Oberdeck und ihren 300.000 Watt-Lautsprecheranlagen im Unterbau.
Nirgendwo sonst kann man den mentalitaetsbedingten Unterschied zwischen gefuehlsbetonten Brasilianern und kopfgesteuerten Europaern besser beobachten wie an Carneval. Waehrend erstere sich ungezwungen und ausgelassen bis zur letzten Minute verausgaben, finden letztere das Ganze Event entweder einfach nur schrecklich, die Musik zu laut und das Verhalten der Leute zu albern oder sie haben Hemmungen, an dem Geschehen "direkter" teilzunehmen als als blosse Zaungaeste.

Wir fanden es jedenfalls "geil" und haben jede Nacht wirklich genossen, so dass wir schliesslich alle 5 Naechte von 8 bis morgens um halb vier unterwegs waren. Das war dann schliesslich ein kraeftezehrendes Unterfangen, noch dazu, wo die Caipirinha-, Caipiroska- oder Kapeta- Cocktails aus dem Pappbecher nur zwischen 0,70 und einem Euro kosteten (in D waeren es wohl 5-7 Euro). Ohne zu fasten hab ich schliesslich 2,5 Kilo in diesen Tagen abgenommen und bin am letzten Morgen gegen hab vier nur noch mit weichen Knieen zum 1 Kilometer entfernt am Strand geparkten LKW gewankt.

Aber zum Glueck konnten wir uns am naechsten Tag ja mal wieder bei einem wunderschoenen Reitausflug entlang des endlosen Strandes erholen!

So das wars!

Was bleibt ist wie ueblich der Link zur Fotoshow:

Fotoshow


Nach 3 turbulenten Naechten hatte ich schliesslich den glorreichen Einfall, dass meine kleine digitale ZweitFotokamera ja auch eine Filmfunktion hat und dass ich die ja mal durch die Nacht mitschleppewn koennte, ohne dass sie zu hinderlich ist. Herausgekommen ist mein ersten kleiner zusammengeschnittener Film, der zumindest etwas von der Stimmung dieses Carnevals in Canaveiras erahnen laesst.

Das Ganze ist natuerlich nicht unbedingt sehr professionell (obwohl ich mich anschliessend immerhoin 3 Tage herumgequaelt habe, die unterschiedlichen Sequenzen zusammenzufuegen. Die Tonquailtaet ist an einigen Stellen etwas uebersteuert, weil a) die Musik zu laut und b) keine Steuerung der Tonaufnahme moeglich war. Aber ich find trotz aller Maengel, dass man es sich durchaus angucken kann.
Trotz Kompromierung auf ein download-akjzeptables Format sind es allerdings immer noch 65 MB im WMV-Format. Es sollte also nur herunterladen, wer ueber eine schnelle DSL-Verbindung verfuegt.

Hier ist der Link zum Film-Download:

Film
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Verfasst: 01.03.2009 13:49
von k9
Hallo tibesti,

ich erinnere mich noch an deine Reiseberichte aus alten fondscheck-Zeiten.
Schon damals hat das bei mir Sehnsüchte geweckt.
Deine Fotos zeugen von einer Unverfälschtheit und von einer Lebendigkeit,
die hier in unseren Gefilden längst verloren gegangen ist.
Dein Bericht lässt eigene Träume wieder aus der Versenkung erscheinen
und bestärkt in dem Gefühl, dass es etwas geben könnte wofür man die ganze
Plackerei hier gerne in Kauf nimmt.
Ich danke dir dafür.

Gruß k-9

Verfasst: 24.03.2009 13:59
von tibesti
Brasilianische Geschichten:

Wir sind auf der Fahrt in den Süden und erreichen den nördlichen Teil des Bundesstaates Rio de Janeiro.Auf der Suche nach einem Übernachtungsplatz steuern wir den Strand in der Umgebung der kleinen Provinzstadt Quissama an. Doch aus der ruhigen Übernachtung wird zunächst nichts, denn Abends um 9 werden wir von Mitgliedern des hiesigen Offroad-Clubs entdeckt und - wie so häufig in Brasilien und deshalb eben typisch brasilianisch -zum Fotoshooting gebeten. Aus diesem lustigen Abendevent wird schliesslich eine Einladung fuer den folgenden Tag mit Sightseeing der Sehenswuerdigkeiten von Qissama, einer 6-stuendigen Bootstour mit einem kleinen Aussenborder durch die Kanaele der urspruenglichen Sumpf- und Lagunenlandschaft des Kuestenhinterlandes und einem grossen Churrasco-Grill in der Nacht. Die Gastfreundschaft der Brasilianer ist wieder einmal ueberwaeltigend und beschaemend zugleich, man kümmert sich rührend um uns. Soviel ungezwungene Herzlichkeit auf einen Schlag - das haut einen schlicht um.....

Fazit: Es gibt ein Leben jenseits von Materialismus und Egoismus.....Das war mal wieder Brasilien pur: Ich liebe dieses Land und seine Menschen!

Fotoshooting-für-Homepage-des-Offroad-Clubs


Und während der Besichtigungstour durch die Stadt und seine Umgebung erfahren wir noch so nebenbei einige wirklich interessante Aspekte aus der Vergangenheit der Kleinstadt Quissamas (an der wir normalerweise achtlos vorbeigefahren wären, denn sie wird in keinem Reiseführer auch nur mit einer Randnotiz erwähnt): Denn diese Stadt war mal ein Zentrum des Zuckerrohranbaus Brasiliens, hier wurde die erste Zuckerrohrfabrik Brasiliens gebaut und hier stehen einige herrliche erhaltene alte Wohnhäuser der ehemals adligen portugiesischen Zuckerbraone. Eines dieser alten Häuser kann man besichtigen und beim Betrachten der dort ausgestellten historischen Fotos wird uns auf einmal schlagartig klar, was der brasilianische Autor Mario Prata meinte, als er über die Beziehungen Brasiliens zum ehemaligen Mutterland Portugal folgendes schrieb:

"Die Bevölkerung Portugals ist das Produkt von 800 Jahren Inzucht. Das führte zu einer reinen" Rasse ohnegleichen - jeder Portugiese gleicht frappant dem anderen, jeder hat die gleichen Manieren und Marotten. Und das macht genau den Unterschied zu uns Brasilianern aus. Die Portugiesen kennen nur eine Logik, wir haben eine Mischung aus afrikanischer, indianischer, portugisiescher, italienischer, deutscher und was weiss ich für eine Logik. Wir haben mit den Portugiesen nichts gemein...."

800-Jahre-Inzest

Schliesslich bleibt für interessierte Freunde noch der Link zu einem weiteren kleinen Filmchen über die Bootstour und die Reitausflüge in Bahia. Das Ganze wieder mit kleiner Foto-Digitalkamera aufgenommen.

Film:
Film

Verfasst: 02.07.2009 11:59
von tibesti
Hola

Es ist jetzt doch schon eine ganze Weile her, seit ich diesen Thread das letzte Mal aktualisiert habe. Also mal ein kurzes Lebenszeichen. Die letzten Wochen unseres 3. Reisejahres in Südamerika standen unter dem Schwerpunkt der Reparatur unseres Reisefahrzeuges, wo nach 120.000 km Reise durch Südamerika doch so etliche Baustellen zu bearbeiten waren (Blattfedern erneuern, Lenkgetriebe überholen, gebrochene Antriebswelle tauschen und etliches mehr). Es erweist sich nunmehr als echter Vorteil, dass wir inzwischen über ein immer dichter werdenden Netz von guten Kontakten verfügen, was viele Dinge enorm erleichtert. Und im Zusammenhang mit Autoreparaturen ist es ein Segen, dass wir in Südamerika sind und von den niedrigen Löhnen profitieren, denn müssten wir all diese Dinge in Deutschland reparieren lassen, sähen wir ziemlich alt aus. So kostet eine Lkw-Reparaturstunde in Deutschland bei Mercedes ja inzwischen unglaubliche 100 Euro + Steuer, in Südamerika sind wir in Uruguay bei 15 Euro und in Brasilien oder Argentinien bei 25 Euro; geht man nicht zu den offiziellen grossen Firmen, sondern lässt die Arbeiten in irgendeiner freien Werkstatt ausführen, so liegen die Arbeitskosten in der Regel unter 10 Euro die Stunde.

Das Lenkgetriebe z.b. darf in Deutschland aus gesetzlichen Gründen überhaupt nicht mehr repariert weden (angeblich aus Sicherheitsgründen), man muss sich ein von der Firma ZF überholtes Austauschgetriebe besorgen, was für meinen Militärlaster satte 2600 Euro kostet!! Zusammen mit Arbeitskosten fallen für diese Geschichte in D also locker deutlich über 3000 Euro an.
In Brasilien konnten wir das Getriebe direkt bei ZF überholen lassen, was 2 Arbeitstage dauerte und ca. 450 Euro inclusive Arbeit und Ersatzteile kostete. Soviel zum Thema Kostenvergleich.

Nach über 4 Monaten in Brasilien haben wir die Reise- abgesehen von den diversen Werkstattaufenthalten, ruhig ausklingen lassen und unser Fahrzeug wieder in Buenos Aires abgestellt und sind Anfang Mai für 2 Monate nach Deutschland geflogen, um die üblichen Pflichtarbeiten wie Steuererklärung u.a. zu erledigen. Und siehe da, die Zeit vergeht wie im Fluge und der Rückflug nach Südamerika steht kurz bevor. Am 9.7. werden wir ins 4 Reisejahr starten, ohne grosse Pläne. Noch hat Südamerika für uns nichts von seinem Reiz verloren, wir haben immer noch nicht alles gesehen und viele Orte sind uns auch beim 2. oder 3. Besuch noch nicht langweilig geworden. So sind immer mal wiederkehrende Gedanken an weitere Reiseziele noch lange nicht aktuell (so etwa mit dem Schiff nach Mittelamerika übersetzen (es gibt nämlich immer noch keine Landverbindung zwischen Kolumbien und Panama) oder etwa das Auto zurückverschiffen, um anschliessend Richtung Asien aufzubrechen (Seidenstrasse, Mongolei, Himalaya).
Wir sind nach über 30 gemeinsamen Reisejahren an einem Punkt angekommen, wo wir uns nix mehr beweisen müssen; und wie schon auf vielen Reisen zuvor in Afrika, so haben wir schließlich auch in Südamerika wahrlich genug wirklich abgefahrene Touren gemacht.

Natürlich gibt es manchmal auch bei uns ab und an den brühmten kurzen Motivationsdurchhänger, doch dann kneifen wir uns gegenseitig in den Arm und sagen uns: "Eh, das was wir uns jetzt leisten können, ist ein absolutes Privileg und der Traum vieler anderer. Geniess das Leben und sei dankbar dafür..."
Und 3 Jahre in Südamerika färben sowieso unweigerlich auf die eigene Lebenseinstellung ab: Ich sehe vieles lockerer und relaxter als früher und den Brasilianern bin ich dankbar für die vorgelebte Lebensart: Lebe hier und heute, geniess den Tag und denk nicht soviel an die Zukunft. Was soll ich schon gross auf die immer wieder gestellten Fragen antworten wie: "Wie lange wollt ihr das eigentlich noch machen, meint ihr nicht, dass ihr irgendwann keine Lust mehr aufs Reisen habt,?" Ja mei, natürlich ist alles vorstellbar, manches kann sich von heute auf Morgen viel schneller ändern, als ich es mir vorzustellen vermag, aber das kann doch kein Maßstab für unserer jetzigen Handeln sein. Noch haben wir die Lust und das Geld, das zu tun, was wir tun - also tun wir es einfach.
Ach ja, da ich vom Geld rede und dies ein Börsen/Traderforum ist. Trading ist natürlich nicht mehr angesagt, dazu fehlt ganz einfach die konstante Zeit, die notwendig wäre, um wieder das rchtige Gespür für den Markt zu bekommen. Also steckt das liquide Anlagekapital in ausgewählten VermögensverwalterFonds. Nach einem zufriedenstellenden Jahr 2007 hab ich mit etwas Glück das Katastrophenjahr 2008 ohne Verluste überstanden.Der schwarzen Null im Anlagebereich standen natürlich laufende Ausgaben für die Lebenshaltungskosten gegenüber, so dass ich mein heimliches Ziel -Reisen bei gleichzeitigem Kapitalerhalt trotz fortlaufender Ausgaben- leider verfehlt haben. Das Jahr 2009 läßt sich bisher ganz gut an und mit einem Plus von 9% beim investierten Anlagekapital lassen sich die laufenden Ausgaben wieder locker decken.
So bin ich insgesamt nicht unzufrieden, doch insgesamt könnten die Rahmenbedingungen für diese Dauerreise angesichts der unsicheren weltwirtschaftlichen Lage schon besser sein.

Doch zurück zur Reise. Der Start ins nächste Reisejahr beginnt am 9.7.2009.
Die Berichterstattung meinerseits wird deutlich sparsamer werden, denn vieles ist in Form von Fotos und Berichten bereits gezeigt und gesagt worden. Wir haben wie erwähnt noch keine konkreten Pläne, lediglich eine erste Idee. Da die Reiserichtung angesichts des Winters auf der Südhalbkugel erstmal Richtung Norden gerichtet ist, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass wir zunächst Paraguay ansteuern. Von dort haben wir eine Einladung zum Besuch einr Riesen-Viehfarm im hintersten Winkel des paraguayischen Chacos nahe der bolivianischen Grenze, wo ein Deutscher, der seit 1970 in Paraguay lebt, eine sehr grosse Farm mit 25.000 Hektar und 15.000 Rindern betreibt - inmitten von Indianerland, 280 km abseits der Asfaltstrassen. Das klingt so recht nach unserem Geschmack - Erfahrungen abseits des Mainstream-Tourismus zu sammeln.
Schau wir mal.

Zur Einstimmung auf ein neues Jahr Südamerika schließ ich mal wieder mit einem Link auf einen brasilianischen Countrysong- typisch brasilianisch, denn hierzu muss man die Sonne im Herzen tragen:

Cesa-Menotti&Fabiano_Para_de_Chorar

Lothar

Verfasst: 02.07.2009 13:05
von oegeat
Ich sehe vieles lockerer und relaxter als früher und den Brasilianern bin ich dankbar für die vorgelebte Lebensart: Lebe hier und heute, geniess den Tag und denk nicht soviel an die Zukunft.
genau so muss man das sehen ! übertriebene Sorgen sich zu machen bringt nix ... nen schritt zurück gehen Abstand gewinnen und überlegt es locker angehen und wie ist mein Spruch in der Signatur.......

Verfasst: 03.07.2009 08:09
von Fred vom Jupiter
Deine Reiseberichte find ich einfach nur geil und ich hoffe, du lässt uns weiterhin an deinen Erlebnissen teilhaben!

Verfasst: 03.07.2009 11:22
von Sturmspitze
ich kann mich Jupiterfred nur anschliessen .

Der Traum vom Glück wird hier wahrgemacht .

Ich bin ein begeisterter Leser von Tibestis Impressionen und die Bilder

sind eindrucksvoll .

Weiter so!!!!!!!!!!!!

Grüsse

aus Hessen an die Abenteurer

Verfasst: 03.07.2009 15:06
von Fondsfan
@ tibesti

Alles Gute auf der neuen Tour.

Verfasst: 05.07.2009 18:51
von maximale
Gut die Erinnerung, alles leichter zu nehmen, denn vieles was kommt, kommt so oder so.

Für die neue Reise auch von mir alles Gute :wink:

Verfasst: 09.09.2009 22:08
von tibesti
Reisenotizen und Reisetagebuch aus Suedamerika.
Das vierte Reisejahr

Reisekarte

Hier der Text als kompletes Word-Dokument zum Download:

Text-Download

Teil 1

13.7.2009 Buenos-Aires (Karte Nr 1) Seit vier Tagen wieder in Buenos Aires. Auf der Fahrt mit dem Taxi vom Flughafen durch die Außenbezirke der Riesenmetropole braucht es nur wenige Kilometer, um zu spüren: Das ist nicht mehr Deutschland. Denn um rund um den weltstädtisch anmutenden Innenstadtbereich wuchert die Stadt gerade im ärmeren Südwesten wie eine Krake immer weiter in die Pampa hinaus. Hier ist Schluss mit der aufgeräumten Ordnung und übertriebenen klinischen Sauberkeit deutscher Städte. Als wir nach einigen Besorgungen in den Außenbezirken der Stadt beschließen, auf „Entdeckungstour“ zu gehen, indem wir das Zentrum unter Nichtbeachtung von Hinweisschildern einfach per Kompasspfeil ansteuern, erleben wir ein Buenos Aires, dass uns teilweise die Sprache verschlägt. Es dürften Luftlinie vielleicht 25 km bis zum Zentrum sein, als wir von der vierspurigen Schnellstraße in irgendeine beliebige Seitenstraße abbiegen. Von nun an geht es über teilweise schlaglochübersäte Straßen durch eine buntgewürfelte Ansammlung von Vierteln und Häusern, von denen man oft beim besten Willen nicht hätte angeben können, ob sie zu einem Dorf, einer Stadt oder einem Stadtteil gehören. Ziemlich ärmlich aussehende Viertel mit staubigen, nicht asphaltierten Seitenstrassen und einstöckigen, heruntergekommenen Häusern wechseln sich ab mit biedermännisch aufgeräumt wirkenden Wohngegenden. Da wo wir lang kurven, gibt es keine durchgehenden großen Ausfallstraßen mehr, an denen wir uns aufgrund der Richtung der Straße orientieren könnten. Jede größere Straße verliert sich nach kurzer Zeit im Häusergewirr irgendeines neuen Viertels. Auf einmal ist die Straße gesperrt, ein Umleitungsschild weist nach recht. Sprachlos registrieren wir, wie die Gegend immer trostloser und heruntergekommener wird. Rechts und links türmen sich stinkende und qualmende Abfallberge, in denen zerlumpte Gestalten im Müll wühlen. Fassungslos registrieren wir, dass uns die Kompassnadel mitten in ein gigantisches Slumviertel gelotst hat. Der Blick in die staubigen und verdreckten Seitenwege rechts und links offenbart windschiefe notdürftig zusammengeschusterte Bretterhütten bis zum Horizont. Da müssen ja Zehntausende hausen! Uns verschlägt es die Sprache! Obwohl es helllichter Tag ist, ist uns beim Anblick dieses Elends nicht sehr wohl in unserer Haut. Kilometerweit bahnt sich die Straße ihren Weg durch dieses Bretterelend. Dann können wir endlich nach links abbiegen und nur landen wenig später und nur wenige Hundert Meter von dieser Favela entfernt endlich in einem Viertel, in dem alles wieder nach „Heile Welt“ aussieht. Welch ein Kontrast auf engstem Raum und wie viele soziale Lichtjahre von hier zu den pompösen Luxusvillen der Superreichen, die sich am anderen Ende der Stadt Richtung Norden entlang des Rio de la Plata hinter hohen Mauern und in prächtigen Gartenanlagen ausdehnen. Selbst mit Lichtgeschwindigkeit lässt sich eine solche gewaltige soziale Kluft nicht mehr kitten. Wie hält diese argentinische Gesellschaft diesen Spannungsbogen bloß aus?
So kurven wir bestimmt über zwei Stunden durch die Vorstädte, bis wir endlich in einem Bezirk landen, der wieder dem Stadtbild der touristischen Werbeprospekte von Buenos Aires, nämlich dem einer Weltmetropole entspricht. „Buenos Aires ist atemberaubend hässlich“ schrieb einst der Schriftsteller Jorge Luis Borges, worauf ihm der Archiktekt Jose-Maria Pena antwortete: „Fakt ist, das Jorges blind war“. Das sagt wohl mehr als 1000 Worte aus, welch einen atemberaubend vielfältigen Kosmos diese Metropole bildet.Einige nackte Zahlen:
2,8 Millionen Einwohner in der eigentlichen Stadt Buenos Aires, 12 Millionen im Großraum der Hauptstadt, den quadritischen Grundriss der eigentlichen Stadt bilden über 100.000 Straßenblocks, bei einer Gesamtausdehnung von über 70 km endet als längste Straße der Stadt, die Avenida Rivadavia erst nach 35 km bei der Hausnummer 16.000, 18000 Autobusse, 40.000 Taxis, 25000 Rinder werden wöchentlich geschlachtet, um als Asado auf Hunderttausenden von Grills zu landen, die Stadt zählt über 1500 Tennisplätze und mehr als 40.000 Swimmingpools in den Gärten luxuriöser Villen – gleichzeitig lebt jeder zweite!! Einwohner im Großraum der Stadt unterhalb der Armutsgrenze...........

So wie das Stadtbild von Buenos Aires in der Gesamtschau sich vom Bild deutscher Städte krass unterscheidet, so anders ist „irgendwie“ auch das Verhalten der Menschen. Da ist auf der einen Seite die viel größere Ruhe und Gelassenheit der Menschen im Umgang miteinander und beim Bewältigen ihres Alltags, da ist auf der anderen Seite oft ein nicht zu übersehende Nachlässigkeit oder auch Unbeholfenheit beim Erledigen von Arbeiten, was sich an vielen kleinen Beispielen im Alltag immer wieder zeigt. Immer wieder mal kommt es zu kuriosen kleinen Zwischenfällen.
Der Vorfall bei der Fahrradvermietung:: Wir wollen ein Paar Fahrräder mieten, um die Stadt etwas großräumiger als zu Fuß zu erkunden. und halten an einem mobilen Fahrradverleih, der ein paar Bikes von der Ladefläche seines LKW vermietet. Neben Vermietung wirbt der Besitzer mit „Fahrradreparaturen „ und tatsächlich hat er auf der Ladefläche eine komplett ausgerüstete Fahrradwerkstatt. Doch die zu mietenden Fahrräder spotten in technischer Hinsicht jeder Beschreibung: Fahrrad „pur“ könnte man sagen: Ein Rahmen mit 2 Reifen, das ist alles. Das Gangschaltung und Beleuchtung fehlen ist nicht bedeutsam, sehr wohl aber das Fehlen funktionierender Bremsen. Wir probieren ein paar Räder, überall das gleiche Problem. Auf unseren Hinweis, dass die Bremsen defekt sind, zeigt der Vermieter auf die Handbremsbetätigung: Wieso, einfach nur hier drücken....er versteht den Sinn unserer Frage überhaupt nicht. Das ist typisch südamerikanisch. Warum am „Betriebskapital, den Fahrrädern, irgendetwas warten, wenn die Dinger auch ohne die Mühsal von Arbeit Geld einbringen. Wir sind zwar skeptisch, mieten die Dinger aber trotzdem, denn es ist Sonntag, die Straßen sind leer und verkehrsarm. Zum Glück hab ich vor einiger Zeit Guareschis „Don Camillo und Peppone“ gelesen und beherrsche trotz der fehlenden Bremsen zumindest in der Theorie die dort beschriebene „amerikanische Bremstechnik“, „das ist ein besonderer Trick, der darin besteht, dass man vom Sitz rückwärts abspringt und sich rittlings auf das Hinterrad setzt.“.

Der Vorfall an der Gasstation: Wir wollen die Gasflaschen nachfüllen lassen. Mit der Gasstation in Buenos Aires, die wir ansteuern, hatten wir vor einem Jahr bereits eine ungute Erfahrung gemacht, als die Jungs in unsere 11 KG-Flaschen über 20 Kilo knallten, was wir erst Tage später merkten, als wir an den ersten heißen Tagen beim Fahren auf einen intensiven Gasgeruch aufmerksam wurden, da auf einmal Gas aus den Überdruckventilen austrat. Diesmal haben wir uns eine Personenwaage besorgt und wiegen die Flasche: es fehlen 5 Kilo in der 11 Kilo-Flasche; zusammen mit dem Eigengewicht der Flasche von 10 Kilo darf die gefüllte Flasche maximal 21 Kilo wiegen. Wir steuern die Füllstation an und erteilen den Auftrag, die Flasche mit maximal 5 Kilo PropanGas aufzufüllen. Einige Minuten später bekommen wir die Flasche zurück mit der Bemerkung, es wurden 6 ! Kilo reingefüllt..... Egal, die Flasche rauf auf die Waage: 25,8 Kilo, also knapp 5 Kilo zuviel, das kann nicht wahr sein, denk ich mir und gebe die Flasche zurück mit dem Auftrag, das zuviel eingefüllte Gas wieder abzulassen. Brav trottet der Mitarbeiter mit der Flasche von dannen. Als wir sie zurückbekommen, wiegt die Flasche auf einmal nur noch 19,5 Kilo, also 1,5 Kilo zuwenig. Es ist eigentlich nicht zu glauben, was treiben die eigentlich da drin beim Befüllen von Gasflaschen, denk ich mir und erinnere mich zugleich an die häufigen „kleinen“ Nachlässigkeiten in Autowerkstätten verschiedener anderer Länder in Südamerika, die zu schwerwiegenden Schäden hätten führen können, wenn ich sie nicht rechtzeitig bemerkt hätte.

Der Vorfall an der Kasse in einem x-beliebigen Supermarkt: Dass das Anstehen das den Kassen größerer Supermärkte oft ein langwieriges Geduldspiel ist, daran haben wir uns mit den Jahren in Südamerika inzwischen längst gewöhnt. Die Langsamkeit der Kassierer/innen beim Einscannen der Waren ist immer wieder erstaunlich. Für uns ist es jedes mal ein Kulturschock, wenn wir nach einiger Zeit in Südamerika mal wieder in Deutschland an der Kasse einer Lidl oder Aldi-Filiale stehen. Jede südamerikanische Kassiererin würde hier allein beim Zuschauen einen finalen Herzinfarkt bekommen. Die südamerikanische Lebensart lernt man am besten beim Anstehen an den Kassen großer Supermärkte. Wie heißt es so schön in der Fernsehwerbung: „Das dauert, bis dass der Arzt kommt“, doch dabei gilt gleichzeitig: Immer schön locker und relaxt bleiben, keine Ungeduld oder gar Gereiztheit anmerken lassen. Ist man dann endlich beim Bezahlen angelangt, wird beim Einsatz der Kreditkarte meistens ein Identitätsnachweis verlangt; das darf dann durchaus die Kopie des Reisepasses sein.
So ist es auch diesmal, allerdings mit dem Unterschied: die junge Kassererin akzeptiert die Kopie nicht, verlangt ein Original; das liegt im Auto. Also läuft Silvia los, während ich dem hinter mir mit einem sehr voll bepackten Einkaufswagen wartenden Argentinier signalisiere: Das dauert jetzt! Ihn kümmert es nicht. Geduldig steht er hinter uns an, ohne eine Miene zu verziehen. Endlich ist der Reisepass da. Die junge Frau schaut sich das Teil verständnislos an und erklärt uns, dieses Dokument könne sie nicht akzeptieren, sie benötige eine gültige Identitätskarte des Handys. Wir schauen uns an: Wo sind wir denn jetzt hier gelandet, sind wir etwa die ersten Nicht-Argentinier, die hier im Supermarkt einkaufen gehen? Jetzt mischt sich auch der wartende Argentinier in die Diskussion ein: „Ja sehen Sie denn nicht, dass das hier Ausländer sind, die haben so eine Karte gar nicht, das da ist ihr offizieller Reisepass, der sie legitimiert.“ Die Kassiererin ist hilflos. Sie klingelt nach ihrer Vorgesetzten. Wieder vergehen endlose Minuten. Endlich ist die Chefin da, doch statt den Namen im Pass mit dem auf der Kreditkarte zu vergleichen, blättert und blättert sie die Seiten durch. Ja Himmel, Sakr... was sucht die eigentlich. Unglaublich: Sie sucht den offiziellen Einreisestempel der argentinischen Polizei. Erst dann ist sie zufrieden und die Kreditkarte wird akzeptiert. Inzwischen sind bestimmt mehr als 20 Minuten vergangen. Während der Argentinier hinter uns immer noch mit unbewegter Mine geduldig ansteht und wartet, bin ich inzwischen recht gereizt und ungeduldig geworden. Ja, es ist doch ein langer und schwerer Weg, ein echter Südamerikaner zu werden......



15.7.2009 Unterwegs nach Norden. Gerade habe ich ein Seglerbuch zuende gelesen, dass wir in Deutschland von begeisterten Seglern geschenkt bekommen habe. „Vom Alltag in die Südsee“ von Rüdiger Hirsche und Gaby Kinsberger beschreibt den mehrjährigen Ausstieg eines Ehepaares aus dem deutschen Berufsleben und ihre insgesamt sechsjährige Weltumseglung. Die Schilderung ihrer Erlebnisse bei der Rückkehr nach Deutschland nach 6 Jahren zeigt sehr schön das persönliche Spannungsfeld auf, dass sich für jeden ergibt, der sich längere Zeit aus seinem eigenen Kulturkreis verabschiedet. Das Gefühl der Fremdheit im eigenen Land kennen wir ebenso aus eigener Erfahrung wie das Phänomen, dass wir bei Treffen mit Freunden eigentlich immer nur sehr wenig über die eigene Reise erzählen.

„....Ein Film läuft nach 6 Jahren rückwärts. Rüdigers Mutter erwartet uns in ihrem Häuschen. Die kleine Wohnung im Obergeschoss ist termingerecht frei geworden, auf dem Dachboden lagert unsere Habe in Kisten: auspacken, einrichten, einräumen, Telefon anmelden, Strom anmelden, Auto anmelden, anmelden, anmelden, anmelden... Bürokratie gibt es überall auf der Welt, aber der deutsche Amtschimmel hat seine besondere Reize. Rüdiger wird mit einem hochoffiziellen Schreiben aufgefordert, sich beim Amtsarzt vorzustellen, denn wer länger als über die Sommerferien außer Landes war, stellt eine große Gefahr für die Kinder da. Allerdings auch wieder nicht, denn Gabi jedenfalls bleibt unbehelligt. Rüdiger erscheint pünktlich um 9Uhr15 beim Gesundheitsamt: „Haben Sie das Schreiben vom Schulamt mit? Nein? Dann können wir Sie leider nicht untersuchen...“.
Nächste Station Standesamt: „Die Heiratsurkunde aus Fitschi können wir nur anerkennen, wenn sie von einem staatlich vereidigten Übersetzer übersetzt ist“, klärt uns die junge Standesbeamtin auf. Die Worte “Fathers name, mothers name, date of birth“ sind ja auch wirklich schwer zu übersetzen...Das bedeutet Termine, Paperkrieg, Gebühren: „Können wir hier nicht einfach noch einmal heiraten?“ schlagen wir vor. „Damit mache Sie sich strafbar, das ist Bigamie“ werden wir belehrt. Rüdiger ist ratlos: „Ja, sind wir denn jetzt verheiratet oder nicht?“.
So betrachten wir die ersten Wochen alles staunend, mal mit Entzücken, mal mit Skepsis und fühlen uns manchmal wie Touristen im eigenen Land. Alles ist so ungewohnt ordentlich und geregelt. Vorbei sind die Zeiten, als wir weder Uhrzeit noch Datum kannten.
Dass der nächste Tag ein Donnerstag ist, merkt man am Vorabend daran, dass wie von Geisterhand pünktlich um 18 Uhr die Mülltonnen vor den Häusern stehen. Den Samstag erkennt man daran, dass überall die Gehsteige mit Besen und Handfeger bearbeitet werden, so gründlich, dass kein Fussel eine Chance hat.
Natürlich hat es Vorteile, wenn alles zuverlässig funktioniert, Termine und Öffnungszeiten eingehalten werden, die Straßenbahn auf die Minute pünktlich kommt. Aber warum wirken die Menschen dabei so gehetzt und gereizt? Schmerzlich vermissen wir die Heiterkeit und Gelassenheit, mit der man anderswo das Alltagschaos meistert, das Lächeln, mit dem man sich begegnet.
Unsere Wohnung ist klein gemessen an der, die wir vor der Reise lange Jahre bewohnt hatten, jetzt aber staunen wir über den vielen Platz, den wir im Vergleich zum Salon auf dem Boot hier haben. Und Rüdiger wundert sich, dass er ganz in Gedanken mit dem rechten Fuß zu pumpen beginnt und der Wasserhahn nicht wie gewohnt reagiert.
Wie bequem ist das Leben hier zu Hause an Land: Aus den Hähnen fließt unbegrenzt heißes Wasser. Das Wäschewaschen, unterwegs oft ein kräftezehrendes Tagesprogramm, reduziert sich auf einen Knopfdruck. Abends ist die Wohnung hell erleuchtet, im Kühlschrank lagern Köstlichkeiten wie frische Milch, Butter und Joghurt. Insgesamt dauert es nicht allzu lange, bis wir uns auf die neue Situation eingestellt haben. Und es macht Spaß, so schnell wie möglich das nachzuholen, was wir während unserer sechsjährigen Abwesenheit verpasst haben. Rüdiger interessiert sich sehr für das inzwischen zur Normalität gewordene Satellitenfernsehen. Nicht wegen Verona Feldbusch oder den Spice Girls, sondern um die neue Technik auszuprobieren. Ein Sat-Receiver samt Schüssel wird im Baumarkt erstanden, der alte Fernseher vom Dachboden geholt und los kann es gehen, das Zappen über 500 Kanäle. Aber was ist das? Schon am Mittag Talkshows, in denen man sich anpöbelt, Blödel-Nonsens, Mord- und Todschlag auf allen Kanälen. In welchem Film sind wir hier eigentlich gelandet? Nach 3 Tagen ist die Neugier gestillt und der ganze Kram wandert wieder auf den Dachboden. Wirklich begeistert sind wir dagegen vom Internet. Jeden Abend sehen wir in unsere Mailbox, die alle Segler verbindet. Björn und Birgit berichten aus Australien, das sie bereit sind für den Start Richtung Papua-Neuguinea, Sampo war gerade beim Custom Dance in Vanuatu, Susan aus den USA entdeckt den exotischen Kontinent Europa. So vergehen die ersten Tage wie im Fluge und der Ernst der Lage wird uns nur langsam bewusst. Aber dann sind die Schulferien zu Ende, am letzten Abend haben wir beide Lampenfieber wie vor einer Prüfung. Rüdiger kehrt an seine alte Schule zurück und wird nach 6 Jahren seine Kollegen wiedersehen, mit denen er 20 Jahre zusammengearbeitet hat. Wie werden sie ihn aufnehmen, wie werden die Schüler in einer völlig veränderten Welt sein? In der Physiksammlung ist nach 6 Jahren alles beim Alten. Auf dem Schreibtisch harrt unter einer dicken Staubschicht geduldig Rüdigers Bücherstapel, der für die Nachfolger bestimmt war, gänzlich unberührt vom Lauf der Jahre.
Herzliche Begrüßung durch die Kollegen. „Na, seid ihr wieder da? Wie lange warst du weg? Waren doch mindestens 3 Jahre.“ Wie wars denn so? Musst du mir unbedingt mal in Ruhe erzählen, ich muss jetzt aber ganz schnell zum Sekretariat....“

Von nun an gehen die Uhren wieder anders. Der bis auf die Minute durchgeplante Alltag lässt keine Zeit für spontane Begegnungen. Und das subjektive Zeitempfinden lässt die 6 Jahre, die uns wie ein Leben vorkamen, für die Kollegen auf kurze 3 Jahre schrumpfen. Einstein lässt grüßen....

Auch das Wiederseen mit unseren Freunden verläuft erstaunlich normal. Einige haben inzwischen Karriere gemacht. Schicke Kleidung, teure Brillen, Wohneigentum, auf den ersten Blick trennen uns Welten. Gabis Freundin Andrea berichtet vom Gomera-Urlaub. „Da saßen so ein paar Aussteiger am Nebentisch, die wussten nicht mal, was der Nasdaq ist...“ Wir schauen uns an. „Der was bitte?“ Erst da wird Andrea bewusst, dass auch wir nicht so ganz in ihrer Welt leben.
Auffallend ist, wie wenige, meist nur oberflächliche Fragen zu unserer Reise gestellt werden. Und dann ist man sofort wieder bei einem aktuellen Thema des Alltags oder bei der nächsten eigenen Ferienreise. Der wahrscheinlichste Grund ist wohl der: Wer das Seglerleben nicht kennt, kann eben keine anderen Fragen stellen als „Hattet ihr auch mal Sturm?“ oder „Ankert ihr eigentlich nachts auf dem Meer?“. Vielleicht liegt es auch an uns. Vielleicht müssten wir mehr von uns aus erzählen. Aber wir wollen weder angeben noch Neid erregen, auch wenn die Werbung uns täglich versichert, dass der Neid des Nachbarn zum Lebensglück gehört.
So sind wir also wieder Rädchen im Getriebe und funktionieren äußerlich reibungslos. Und trotzdem: Die Reise hat uns innerlich verändert. Die Eindrücke und Erfahrungen setzen ein Fragezeichen hinter vieles, was früher selbstverständlich war. Andere, die mit uns unterwegs waren, bestätigen das. Jedem von ihnen gelingt es erstaunlich gut, wieder einzusteigen, aber das Gefühl der Fremdheit im eigenen Land ist der Peis, den wir alle zahlen müssen........“

19.7.2009 Formosa/Nordargentinien (Karte Nr 2) Seit einer Woche sind wir wieder unterwegs. Auf dem Weg zu unserem ersten Ziel im paraguayischen Chaco haben wir das Grenzgebiet Argentinien/Paraguay erreicht. Die Reise beginnt entspannt und relaxt. Aufgrund unserer schlechten Erfahrungen mit den zahlreichen korrupten Polizeikontrollen in den nördlichen Bundesstaaten Entre Rios und Corrientes , wo diese Kontrollen fast flächendeckend an allen größeren Überland-Kreuzungen stattfinden, wählen wir eine Alternativroute, die uns immer am westlichen Ufer des Rio Parana entlang durch die Bundesstaaten Santa Fe, Formosa und Chaco führt. Eine gute Entscheidung. Keine einzige Polizeikontrolle auf dem langen Weg von 1500 km, die uns mit der gezielten Suche nach irgendwelchen vermeintlichen technischen Mängeln am Fahrzeug belästigt, um danach völlig überzogene Bußgelder zu kassieren. Statt dessen weite Pampa-Landschaft, die mit jedem Kilometer nach Norden allmählich in die Buschlandschaft des Chaco übergeht. Wir wählen kleine Nebenstraßen und auch –pisten, die durch eine weite und immer dünner besiedelte Landschaft führen. Die kleinen Landstädtchen wirken verschlafen und sind zur mittäglichen Siesta, die immerhin bis 16 Uhr oder auch 16 Uhr 30 dauert, völlig ausgestorben. Laut Reiseführer leben hier oben an der Grenze zu Paraguay auf einer Fläche von der halben Größe von Deutschland gerade einmal 1,4 Millionen Menschen; da bleibt viel Luft zum Atmen. In der Weite der Landschaft sind nicht die Menschen das bildprägende Element, sondern die unglaubliche Anzahl der vielen Vögel, die hier noch ein intaktes Lebensumfeld vorfinden. Wir fahren sehr langsam und lassen uns treiben.

Apropos korrupte Polizeikontrollen. Seit ich Wolfgang Fleischhauers auf Tatsachen beruhenden Roman „3 Minuten mit der Wirklichkeit“ gelesen habe, muss ich jetzt beim Reisen in Argentinien immer daran denken, dass nicht nur in Chile unter General Pinochet in den 1970er Jahren, sondern auch in Argentinien zur gleichen Zeit eine der schlimmsten Militärdiktaturen der jüngeren Vergangenheit geherrscht hat. Das Buch bringt es auf den Nenner: Argentinien darf sich rühmen, im Katalog der entsetzlichsten Teufeleien, die das 20. Jahrhundert hervorgebracht hat, ein eigenes Kapitel beigesteuert zu haben: los desaparecidos, die Verschwundenen.

Um die Welt vor einer angeblichen kommunistischen Verschwörung zu schützen, gründeten am Rande der Legalität operierende Geheimdienstbürokraten der verschiedenen lateinamerikanischen Länder mit Militärregierungen in Zusammenarbeit mit dem US-amerikanischen CIA die geheime Operation Condor. In einem Vorort der paraguayischen Hauptstadt Asuncion wurde zu diesem Zweck mit Wissen des damaligen paraguayischen Diktators Stroessner eine Schaltzentrale für die Vorbereitung von Staatsstreichen in Südamerika und auch für Mordkomplotte gegen unliebsame Politiker und Oppositionelle eingerichtet.
Intern wurden die geheim gehaltenen Aktivitäten mit der Ausschaltung von Regimegegnern sowie als Kampf gegen internationale terroristische Elemente begründet. Dabei setzten die Geheimdienste ihre Agenten auf die Spur von Gegnern der Militärregime, linken Politikern, Priestern, Gewerkschaftern, Oppositionellen sowie Vertretern von Menschenrechtsorganisationen. Die Opfer wurden in der Regel ohne Begründung oder gerichtliche Grundlage verhaftet oder verschleppt. Weil sie auf diese Weise oft einfach „verschwanden" und nie mehr auftauchten, entstand in den betroffenen Ländern der Begriff Desaparecidos (span. die Verschwundenen). Die Rolle des US-amerikanischen Geheimdienstes CIA ist bis heute umstritten, aufgetauchte Dokumente belegen jedoch, dass der CIA Informationen sammelte und sie an die lateinamerikanischen Diktaturen weiterleitete, von den Aktivitäten Kenntnis hatte, sie duldete und auch technisch und logistisch unterstützte. Es gab auch Mordkomplotte außerhalb von Lateinamerika. Sogar in Washington, Rom und Madrid wurden Exilpolitiker ermordet und die Attentate linken oder rechten Terroristen in die Schuhe geschoben. Als Paraguays Diktator Stroessner 1989 gestürzt wurde, blieb offenbar keine Zeit mehr, dass Archiv zu vernichten. 1992 wurde es entdeckt und wird seither ausgewertet. Über diese Zeit in Argentinien heißt es:

“Peron kam 1943 durch einen Putsch an die Macht und nutzte die Gewerkschaften, um im Volk Rückhalt zu gewinnen. Er trat als sozialistischer Wohltäter auf, richtete Ferienkolonien für Arbeiter ein, verschenkte Nähmaschinen an Arbeiterfamilien und so weiter. Gleichzeitig baute er einen Polizei- und Spitzelstaat auf und unterdrückte jede Opposition. Er schuf eigentlich schon die Voraussetzungen für die späteren Terrorregime. 1955 wurde er entmachtet und floh nach Spanien ins Exil. In Argentinien löste eine Militärregierung die andere ab, aber keine konnte die inneren Widersprüche des Landes, den krassen Gegensatz zwischen Arm und Reich lösen. Von den westlichen Industriestaaten wurde jede Forderung nach sozialer Gerechtigkeit sofort als kommunistische Unterwanderung gebrandmarkt. Die Amerikaner wollten natürlich kein zweites Vietnam erleben und änderten ihre Strategie. Statt Truppen schickten sie Militärberater und inszenierten Staatsstreiche. Low Intensity Warfare nannte man das. Gezielter Terror gegen alles, was irgendwie nach links aussah.
1973 gewann erneut ein Peronist die mal wieder freien Wahlen in Argentinien und leitete die Rückkehr Perons ein. Peron wurde vom Volk wie ein Heiliger verehrt. Alle identifizierten sich mit ihm, die Linken, die Rechten und natürlich die Armen. Noch bevor er im Land eintraf, kam es am Flughafen zu Schiessereien zwischen den verschiedenen politischen Gruppen mit 200 Toten. Das Flugzeug musste auf einem anderen Flugplatz landen. Peron schlug sich in der Folge auf die Seite des rechten Flügels. Die Linke fühlte sich verraten und antwortete mit Terroranschlägen. Peron ließ seinen Geheimdienst, die berüchtigte Triple A, Allianca Anticomunista Argentina, gewähren. Diese operierte zwar unter staatlichem Schutz, aber letztlich waren ihre Methoden genauso terroristisch wie die der Terroristen, die sie bekämpfen sollten. Plötzlich gingen Todeslisten in der Stadt herum, Verfasser unbekannt. Die Presse druckte das auch noch. Die Betroffenen, meist Gewerkschaftsführer, Journalisten, Professoren und Juristen konnten in der Zeitung lesen, dass sie zum Abschuss freigegeben waren und hatten die Wahl, das Land Hals über Kopf zu verlassen oder entführt und umgebracht zu werden. Doch das war noch nicht der Höhepunkt des Terrors, der kam erst später. Noch herrschte ein unerklärter Bürgerkrieg zwischen staatlichen und oppositionellen Terrorgruppen. Dann starb Peron 1974. Isabelita, seine dritte Frau, politisch völlig unerfahren und hoffnungslos überfordert, trat die Präsidentschaftsnachfolge an. Allmählich macht sich die Krise auch wirtschaftlich bemerkbar. Die Inflation stieg auf 700 Prozent. In Chile, Paraguay, Uruguay und Brasilien war inzwischen das Militär an der Macht. Es war nur eine Frage der Zeit, bis auch Argentinien fallen würde.

Im März 1976 war es soweit. Isabelita wurde verhaftet und abgesetzt und eine neue Militärregierung begann den wirklichen schmutzigen Krieg, den der damaligen Gouverneur von Buenos Aires, General Iberico Saint-Jean, mit den Worten umschrieb:
Zuerst werden wir die Subversiven töten, dann ihre Helfershelfer, dann ihre Sympathisanten; dann kommen die Lauen und am Schluss die Furchtsamen an die Reihe.“

Vor dem Putsch hatte es in Buenos Aires ein Treffen zwischen den Botschaftern einiger westlicher Staaten und den Offizieren, die den Staatsstreich vorbereiteten gegeben. Bei diesem Treffen soll es zu einer Absprache gekommen sein. Die Militärs versprachen, kein Blutvergießen wie in Chile anzurichten. Dafür wurden großzügige Umschuldungsverhandlungen in Aussicht gestellt. Eine so lautende Pressemitteilung wurde zwar dementiert, aber ihr Inhalt bewahrheitete sich bald. Die Militärregierung hatte unter anderem die Aufgabe, von ausländischen Kreditgebern diktierte drastische Wirtschaftsmaßnahmen gegen den Widerstand von Gewerkschaften und breiten Teilen der Bevölkerung durchzusetzen. So etwas geht nicht auf verfassungsmäßigem Weg. Es war offenkundig, dass derartige Einschnitte nur unter Suspendierung demokratischer Rechte und massiver Verletzung von Menschenrechten zu erreichen sein würde. 1982 ist ein Dokument aufgetaucht, aus dem hervorgeht, dass bereits im Jahr 1975 per Abstimmung innerhalb der Streitkräfte das Verschwinden lassen als Haupt-Repressionsmethode beschlossen wurde. In einer beispiellosen, hoch organisierten Gewaltorgie wurden innerhalb von drei Jahren 25.000 bis 30.000 Menschen entführt, gefoltert, ermordet und entweder in Massengräbern verscharrt oder betäubt aus Flugzeugen ins offene Meer geworfen. Auch Jugendliche und Kinder waren darunter. Es wurden Leute ermordet, weil sie eine Brille trugen oder weil sie im Adressbuch einer Person standen, die eine Brille trug; wer einmal verschwand oder verhaftet wurde, tauchte in der Regel nie mehr auf.

Wenn man heute jemanden fragt, was einem beim Datum 1978 einfällt, wird man in neun von 10 Fällen hören: Argentinien wird bei der Fußballweltmeisterschaft im eigenen Land Weltmeister, der parallele Horror im Hintergrund ist vergessen und verdrängt – fast. Die Fotos von Verschwundenen, die auch heute noch im Stadtteil San Telmo immer wieder die Häuserwände zieren, rufen dem Besucher in Erinnerung, dass Argentinien einen traurigen Rekord im Hinblick auf frei herumlaufende Massenmörder und folternde Psychopathen hält. Kaum einer der Handlanger des argentinischen Staatsterrorismus von 1976 bis 1983 ist jemals belangt worden. Eine juristische Handhabe gegen sie gibt es seit Präsident Menems Generalamnestiegesetz nicht mehr. Nur die Mütter, Großmütter und Angehörigen der Verschwundenen, die damals in der Mehrzahl zwischen 20 und 30 Jahre alt waren, demonstrierten bis heute jeden Donnerstagnachmittag auf der Plaza Mayor vor dem Regierungsgebäude vergeblich im Kreis, um Gerechtigkeit für ihre vom Staat verschleppten, gefolterten und ermordeten Kinder und Enkel zu fordern. Der Volksmund nennt sie liebenswürdigerweise las locas, die Verrückten.

Der Dichter Horacio Ferrer hat diesen Verschwundenen mit dem Tangolied Renaceré
ein Denkmal gesetzt:

Wieder geboren in Buenos Aires,
an einem Juninachmittag,
mit dieser gewaltigen Lust zu lieben und zu leben, werde ich unweigerlich wieder geboren,
im Jahr 3001, an irgendeinem Herbstsonntag
an der Plaza San Martin.

Streunende Hunde werden meinen Schatten anbellen,
mit meinem bescheidenen Gepäck kehre ich
aus dem Jenseits zurück.
Und knie nieder an meinem schmutzigen
Und schönen Rio de la Plata
Und kratze mir aus Schlamm und Salz ein
neues unermüdliches Herz zusammen.

Drei Schuhputzer, drei Clowns und
Drei Zauberer werden da sein,
meine ewigen Kumpane, und sie werden rufen:
Nur Mut, Che!
Werde geboren! Los Junge, mach schon, Bruder,
es ist ein hartes Geschäft, aber eine gute Sache,
zu sterben und wiederzukehren.

Renaceré Renaceré Renaceré.....

Ich werde wieder geboren,
und eine gewaltige außerirdische Stimme wird mir
jene uralte und schmerzvolle Kraft
des Glaubens verleihen
um zurückzukehren, zu glauben, zu kämpfen.

Hinter dem Ohr werde ich eine Nelke
Von einem anderen Planeten tragen,
denn selbst wenn niemand jemals wieder geboren
wurde, ich kann es!
Mein Buenos Aires, dreißigstes Jahrhundert,
wirst schon sehen.

Renaceré Renaceré Renaceré.....

Wieder geboren aus den Dingen, die ich so sehr liebte,
und die Hausgeister werden flüstern: er ist zurück....
ich werde die Erinnerung
Deiner schweigenden Augen küssen,
und das halb fertige Gedicht zu Ende schreiben.

Du wirst schon sehen, im Jahr 3001 komme ich wieder, mit den Jungs und Mädchen,
die es niemals gab und geben wird,
und wir werden die Erde segnen,
unsere Erde, und – das schwöre ich Dir –
wir werden in Buenos Aires neu beginnen.

23.7.2009 Filadelfia/Chaco/Paraguay Wir haben heute relativ zügig unser erstes Etappenziel im Chaco erreicht. Wir kennen die gefahrene Anfahrtsstrecke in Paraguay bereits aus den Vorjahren und somit ist der „Entdeckerreiz der ersten Stunde“ einer nüchternen Arbeitssicht gewichen: Wir müssen da halt durch, um gewisse Ausgangspunkte für neue Touren zu erreichen.
Asuncion, die Hauptstadt Paraguays haben wir wie im Vorjahr nur zum Einkaufen angesteuert. Die tagsüber quirlige, abends eher verschlafene Hauptstadt des Landes bietet keine besondere Sehenswürdigkeiten. War sie seit ihrer Gründung im Jahr 1537 lange Zeit die einzige nennenswerte Siedlung der Spanier innerhalb des La-Plata-Gebietes (1542 hatte der Ort 260 Häuser und über 600 Europäer lebten hier), versank sie später in der Bedeutungslosigkeit, als sich die Hoffnung der Spanier nicht erfüllte, von hier aus ins Goldland Peru zu gelangen: Der Chaco erwies sich als lebensfeindliche undurchdringliche Barriere mit feindlich gesinnten Indianern.

1821 war die Stadt eine Kleinstadt mit 7500 Einwohnern, die von dem überall Verschwörungen vermutenden damaligen Diktator Francia komplett umgebaut wurde. Da er befürchtete, dass sich im Grün der Bäume Schlupfwinkel seiner Gegner befinden könnten, ließ er alle Bäume und Gärten roden, weite Teile der Stadt komplett abreißen und mit breiteren Straßen nach traditionellem spanischen Schachbrettgrundriss neu aufbauen. Doch das dauerte und noch 1854 muss die Stadt schlimm ausgesehen haben. So berichtete Francias Nachfolger Carlos Antonio Lopez dem Kongress: „Die Hauptstadt und ihre Vororte bieten ein trauriges Bild. Die Kirchen drohen einzufallen und sind abgestützt. Die Wohnviertel sind vernachlässigt und unsauber. Die von Bautrümmern umgebenen Privathäuser drohen ebenfalls demnächst zusammenzustürzen. Die meisten Strassen sind von Wasserrissen durchzogen, unpassierbar und gleichen in der Regenzeit wilden Gießbächen. Der Fluss zerstört schnell den Stadtteil, der an seinem Ufer liegt.“

Heute bietet Asuncion mit seinen 500.000 Einwohnern als Hauptstadt eines der ärmsten Länder Südamerikas (Bruttonationaleinkommen 2005: 1040 US-Dollar/Jahr) ein krass zweigeteiltes Bild. Große Teile der Stadt wirken recht heruntergekommen und die Elendsviertel sind nicht zu übersehen. Doch gleichzeitig können wir feststellen, dass es sich mit Geld hier wohl sehr angenehm leben lässt. Die noblen Villengegenden sind vom Feinsten und die edlen Geschäfte und rausgeputzten Restaurants lassen erahnen: Hier ist viel Geld zuhause, dass manchmal wohl nicht nur auf legale Weise erworben wurde. Denn die paraguayische Volkswirtschaft ist laut Beobachtern schließlich auch heute noch eine „economia de Contrabando“, eine Schmuggelwirtschaft, die so bedeutend ist, dass sich kaum eine richtige volkswirtschaftliche Gesamtrechnung für den Staat durchführen lässt; und ohne diese blühende Schmuggelwirtschaft wären wohl einige 100.000 Paraguayer mehr ohne Arbeit.

Auf dem Parkplatz der superedlen riesigen Shoppingmall laufen wir an einem geparkten todschicken nagelneuen BMW-Geländewagen vorbei; es muss ein neues Modell sein, denn so ein Auto hab ich von BMW noch nicht gesehen. Während wir mit unserem bepackten Einkaufswagen auf dem Weg zu unserem Auto bewundernd an dieser Prachtkarosse vorbeilaufen, kommt nur wenig später der Besitzer des edlen Teils vorbei, setzt sich rein und steuert Richtung Ausgang direkt an unserem LKW vorbei. Plötzlich stoppt er, steigt aus und beginnt unsere Kiste mit dem Handy von allen Seiten zu filmen. Wie man sieht, ist halt alles eine Frage des Standpunkts.

Bei der Weiterfahrt Richtung Nordwesten passieren wir kurz hinter dem Stadtausgang von Asuncion dann auf einer großen Brücke den Rio Paraguay, der Ost- von Westparaguay trennt. Eine natürliche, klimatische und früher auch kulturelle Grenze. Im Osten fruchtbare Ackerböden, ganzjährig hohe Niederschläge und Siedlungsgebiet der meisten oft europäisch-stämmigen Einwohner, im Westen das Buschland des Gran Chaco, menschenleer, ehemaliges Siedlungsgebiet der Chacoindianer mit nach Westen immer weiter abnehmenden Niederschlägen. Die einzige Strasse, die diese menschenleere Region auf annähernd 1000 Km durchquert, die Transchaco, ist inzwischen komplett asphaltiert. Mit jedem Kilometer wird die Vegetation karger und trockener und die Besiedlung dünner: Obwohl der Chaco etwa 60% der Gesamtfläche Paraguays umfasst und in etwa so groß ist wie die alte Bundesrepublik Deutschland leben hier nicht einmal 100.000 Menschen und – nach 500 km Fahrt – liegt mittendrin das prosperierende Wirtschaftszentrum der Mennonitenkolonien von Filadelfia und Loma Plata, über deren Geschichte ich ja schon ausfüjrlich berichtet habe. . Hier, wo die offizielle Amtsprache neben Spanisch Hochdeutsch ist und im Alltag untereinander plattdeitsch geredet wird, ist der Ausgangspunkt für unsere Erkundung des nördlichen Chaco erreicht.


31.7.2009 Chaco/Paraguay (Karte Nr 3) Zurück in Filadelfia von unserer knapp 600 km langen Rundtour durch den nördlichen Chaco.
Tagebucheintrag von Silvia:
Wenn man eine Reise macht, dann lernt man schon eine Menge interessanter, aber auch sonderbarer Menschen kennen, wobei vielleicht auch ein gewisser Automatismus existiert: Wenn intertessant, dann auch sonderbar?! Wobei es ja "Positiv sonderbar" und "eher negativ sonderbar" gibt...

Der 62-jährige deutsche Haciendero und seine deutlich jüngere deutsche Frau, die wir im paraguayischen Chaco auf ihrer Hacienda besuchen ,gehören in diese Sparte Mensch:
Er lebt seit ca. 35 Jahren dort und hat erst alleine mit dem Geld von Bekannten und Verwandten, dann mit seiner Frau zusammen und in eigener Regie - nach Auszahlung der Darlehen - eine riesige Farm im Norden des Chaocs, ca. 180 km von Filadelfia ( das Zentrum der Mennoniten im Chaco und einzige Stadt im weiten Umkreis, genauer gesagt, ca. 500 km -Umkreis bis Assuncion...) aufgebaut (Karte Nr 3a)
Wir haben mal im Fischer Weltalmanach nachgeschaut: Die Fläche seiner Farm von 25000 ha oder 250 qkm entspricht einem Viertel des Berliner Stadtgebietes und ist ziemlich genau groß wie das Stadtgebiet von Frankfurt/Main! Allein die Zufahrt zu dem Haus von dem Eingangstor ist 12km lang... von dieser Fläche sind ungefähr 20% gerodet, der Rest ist noch urwüchsiger Chacowald, d.h. bestehend aus Bäumen mit extrem hartem
Holz oder Büschen. Rodungen werden hier mit dem Bulldozer durchgeführt, denn die Vegetation ist wirklich sehr hart und kann auch nicht einfach so abgebrannt werden wir im Regenwald, was positiver Weise dazu führt, dass es hier noch recht viel ursprüngliche Vegetation gibt.
Auf der riesigen Farmfläche von 35 km Länge und durchschnittlich 8 km Breite weiden nun mal neben einer Wasserbüffelherde sowie Schafen und Ziegen 3000 Rinder, welche im schlachtfertigen Zustand einen Wert von ca. 1 Million Euro darstellen und dazu dann noch diese riesige Fläche Landbesitz mit einem aktuellen Marktwert von etwa 7 Millionen Euro (nach Aussagen des Besitzers): Die beiden sind nicht gerade arm zu nennen. Eine Stromleitung gibt es in diese einsame Gegend natürlich nicht, die ganze Energie kommt aus dem Dieselgenerator und die Kommunikationsmöglichkeiten nach draußen hängen an einer Internetverbindung via Satellit und der damit verbundenen Telefonmöglichkeit über Skype. Sonst existiert nur noch eine Funktelefonverbindung zu seinem Mechaniker in Filadelfia, den er extra dafür engagiert hat, damit der den ganzen Tag in der Nähe des Funkgerätes bleibt und anfallende Aufträge in Filadelfia zu erledigen oder auch den ADAC-Pannendienst spielt, wenn es auf der Farm Probleme gibt.

Insgesamt betrachtet investiert unser Ganadero (Viehzüchter), wie er sich nennt, wahnsinnig viel Zeit und Lebensenergie im diese Hacienda: Er steht jeden Tag um 4:00 auf, macht erst mal Organisatorisches und Buchhalterisches und liest im Internet via Satellit die neuesten Zeitungsmeldungen, um dann mit aufsteigender Helligkeit mit dem Pickup zu den jeweiligen Brennpunkten seiner Arbeit zu donnern.
Da es in den Gebiet der Farm seit 2 Jahren im Grunde nicht geregnet hat, ist der Boden tiefgründig ausgetrocknet und auch die meisten der Tümpel und Seen und künstlichen Wasserspeicher sind ausgetrocknet. Das bedeutet ,dass er zur Zeit v.a. Wasser aus den wenigen noch vorhandenen Tümpeln pumpt oder aus bis zu 12m tiefen Bohrlöchern unterirdische Wasserspeicher anzapft. Mittels Diesel-Wasserpumpen wird das kostbare Nass dann in riesige erhöht stehende Wasserbehälter gepumpt, um von dort mit dem nötigen Druck auf die Weiden zu den Rindern transportiert zu werden. Gleichzeitig nutzt er die Trockenheit und lässt mit schwerem Gerät große Taramare, das sind ca. 10meter tief in den Lehmboden gegrabene große Gruben bauen, wo der Regen der nächsten ergiebigen Regenzeit das kostbare Nass auffangen und speichern soll, um für zukünftige Dürren optimal gerüstet zu sein.
Dementsprechend hat er eigentlich gar keine Zeit ,sich außer abends mit seinen Gästen zu beschäftigen. Einen Tag braust Lothar mit ihm im Pickup über sein Hoheitsgebiet. Mit Tempo 130 jagt er über die angelegten Buschwege zu Kontrollgängen von Wasserpumpe zu Wasserpumpe, dann hetzt er weiter zu einem Bohrteam, was für ihn nach seinen Anweisungen Testbohrungen nach Grundwasser durchführt, dann wieder kontrolliert er die Bauarbeiten an seinen künstlichen Wasserspeichern oder kontrolliert die Arbeiter, die für ihn gerade die Wand einer neuen großen Lagerhalle maurern. Abends schließlich erzählt er recht spannend von seinem Leben , den Anfängen der Farm mit Hilfe der Mennoniten, ohne deren Unterstützung er das Ganze nicht allein geschafft hätte. So hat er die ersten Jahre die zu verkaufenden Rinder die 180 km nach Filadelfia getrieben, was durchaus - ja nach Wetterverhältnissen 2 Wochen dauern konnte , oder wie sie Vorräte und anderes mit dem Ochsenkarren und später mit dem Traktor von dort holten, was ebenfalls ätzend lange bei Wind und Wetter und Moskitos dauern konnte. Seine Frau hat dann ihre zwei Kinder auf der Farm aufgezogen, zweimal am Tag musste die Milch für diese abgekocht werden, damit sie bei 45 Grad nicht schlecht wird, sie hatten weder Strom noch fließend Wasser und lebten - bis vor 6 Jahren - in einem Rancho, also einem kleinen Holzhaus, unter recht primitiven Bedingungen ( und das bei dem Kapital im Hintergrund... ). Also , alles recht spannend und fuer uns kaum nachvollziehbar.

Andererseits hat er sich in den langen Zeiten auf Ochsenkarren oder Traktor eine Philosophie und Lebensideologie angeeignet, die eben doch recht sonderbar ist, und er stellt sich heute in unseren Augen als ein extremes Alphatier dar, in dem Sinne, dass er kaum ein anderes Lebenskonzept ( Angestellter in einem Großraumbüro zu sein ist in seinen Augen total unmännlich, akademisch zu arbeiten kann er gar nicht als Arbeit akzeptieren und so weiter) als sein eigenes anerkennen will.
Und er hat natürlich zu allem nicht nur eine, sondern DIE einzig richtige Meinung, nämlich seine!. So gab es mal eine Diskussion um die Fahrenden Zimmermanngesellen, die er als bettelnde, arbeitsscheue Burschen identifizierte. Als Lothar ihm dann die Wikipedia-Definition aus dem Laptop vorlas, um ihm einmal die Hintergründe und die lange Tradition dieser Zunft zu verdeutlichen, machte er Wikipedia schlecht, weil da ja " jeder irgendwas reinschreiben könne".
„Wenn diese Schmarotzer, die da ihr Sprüchlein aufsagen, um dann bettelnd und faulenzend über die Runden zu kommen, wirklich was drauf hätten als Zimmerleute, dann hätten sie einen gut bezahlten Job und müssten nicht so rumlungern.“ Und so monokausal ist seine ganze Weltsicht gestrickt (Büromenschen- unfähige, faule Säcke, vor allem als Mann das allerletzte, Studenten, faules arbeitscheues Pack, Professoren, drücken sich durch angebliche Forschungsarbeit vor dem Unterrichten, das Bohrteam, das gerade für ihn nach Wasser bohrt -typisch: Da „kauft“ sich einer ein Geologendiplom und schafft sich schweres Bohrgerät an und tut so, als ob er was von Geologie verstehe.
„Die sollen alle erst mal hier bei mir antanzen und beweisen, dass sie was schaffen können!“.

Na ja - wir hatten da durchaus unsere Schwierigkeiten mit so einer Einstellung, haben uns aber, als Gäste, lieber zurueckgehalten, was Lothar ja durchaus schwer fällt.

Mit der Frau habe ich mich prima verstanden, auch wenn ich nicht nachvollziehen kann, wie sie eigentlich die ganze Zeit - jetzt in dem modernen Haus und mit erwachsenen Kindern, die zur Zeit beide in Deutschland leben - ihr Lebens dort verbringt , ohne extreme Langeweile zu haben. Denn, das fand ich auch sonderbar, sie hat eigentlich kaum eine intensivere Beziehung zu dem Land, zu der Hacienda, ja sie kennt sich noch nicht mal auf ihr aus!!! Und auf den anderen Hacienden in der "Nähe" ( was heißt Nähe, wenn jede Hacienda viele Quadratkilometer groß ist!?) leben keine Frauen, die bleiben in der Stadt und lassen entweder ihre Männer alleine auf der Farm werkeln, oder die Arbeit übernimmt sowieso ein Verwalter... Die Hauptattraktion des Monats ist für sie, wenn sie mit ihrem Mann nach Filadelfia fährt und da an einem "Lesezirkel der Mennonitenfrauen" teilnimmt... Er dagegen fährt sowieso mehrmals im Monat, ja in der Woche nach Filadelfia - er rast die Strecke von ca 200 km für die wir mit dem LKW 6 Stunden brauchten, in 1 1/2 Stunden entlang ~- aber sie findet es zu anstrengend (?) Außerdem ist er so ein typischer Vertreter jener Männer ist, die im LandBESITZ das Größte sehen - je mehr Land, desto besser, auch wenn man es nicht nutzt, sondern nur besitzt!
Damit fühlt und denkt er als Deutscher genauso wie die nationalen Hacienderos, die ja immer noch als Latifundistas die nationalen Oberschichten darstellen. In der Literatur habe ich ueber diese gelesen, dass sie ein eher "paternalistisches" Verhalten gegenüber ihrem Angestellten zeigen, da sie ja keine Sklaven mehr unter sich haben können/ dürfen wie zu früheren Zeiten. Ich konnte mir darunter nie so recht was vorstellen, bis ich eben das lebende Beispiel erleben konnte:
Da seine Farm doch recht weit von den Vergnügungs- und Einkaufmöglichkeiten der nächsten Stadt - im wahren Sinne: JWD - liegt, hat unser Gastgeber Schwierigkeiten, seine Leute für längere Zeit bei der Stange zu halten - sprich, wenn die Männer ( die Ehefrauen weigern sich sowieso , mit ihren Männern in die Pampa zu ziehen und bleiben in Filadelfia ) erst mal wieder genug verdient haben, dann gehen sie. Was Ihn furchtbar nervt!!! Wo er doch ihnen mehr Lohn als gesetzlich vorgeschrieben bezahlt, ihnen nette Unterkünfte sogar mit Strom gebaut hat und einem Teil ihres Lohnes, damit sie ihn nicht sinnlos ausgeben... ,auf ein extra Sparbuch einzahlt, damit sie Kapital bilden können...!!! Und dann verstehen die einfach nicht, was er denn von ihnen will, die müssen doch nur mitdenken und die Arbeit so erledigen, wie er das auch alleine machen würde!!! Undankbares Volk....”

Abgesehen von den Erkenntnissen über das Großgrundbesitzer-Leben und -Denken, haben wir allerdings auf wunderbare Weise auf der Hacienda tatsächlich einen JAGUAR in seiner Umgebung sehen können - es gibt sie also tatsächlich noch, die wilden Tiere!!!
Doch ansonsten sehen wir meist nur viele Vögel, vorwiegend und überall Neuweltgeier, die aber gar keine Verwandten unserer Altweltgeier sind, sondern zu der Familie der Stelzvögel wie die Störche gehören - ich mag sie trotzdem nicht sooo sehr- außer den Geiern aber auch, dummerweise meist fliegend und daher kaum zu fotografieren: Hellrote Araras und sogar Hyazinth-Araras und Riesen- Tukane sind die schönsten von ihnen, Dazu gibt es viele, viele bunte Schmetterlinge, worunter z.B. der Morphofalter mit metallicblauen Flügeln echt eine Augenweidse darstellt!!
Leider macht sich dieses Jahr die beißende und stechende Tierwelt auch recht aufdringlich bemerkbar....

Nach unserem knapp einwöchigen Hacienda-Besuch brechen wir noch ein Stück weiter in den einsamen Norden des Chaco auf, um dem einzigen Bergzug im gesamten Chaco einen Besuch abzustatten: dem Cerro Leon. Der liegt abgelegen im äußersten Nordwesten Paraguays an der Grenze zu Bolivien und ragt bis zu 300 Höhenmeter aus dem flachen Chacotrog ( jahrtausende alte Sedimentablagerstelle für die Anden und den brasilianischen Schild, mit bis zu 3000m maechtigen Sedimentschichten ) auf. Wir klettern auf einer dieser „Berghügel“ und haben endlich mal einen schönen Blick von oben über die insgesamt noch recht unberührte und unzerstörte Landschaft und Vegetation (Karte Nr 3b)

Wenige Tage später treffen wir ein ein deutsches Paar, beide Rentner und mit einem recht betagten kleineren Wohnmobil grad mal wieder ein bisschen unterwegs. Sie haben sich 70km von Filadelfia entfernt in einem kleinen Mennonitendörfchen ein Haus gebaut haben, wo sie ihrem Lebensabend verbringen wollen.

Der Chaco ist wirklich sehr interessant und die Mennoniten und ihre Erfolgsgeschichte der Inwert-Setzung dieser Region ebenfalls; das Wetter ist - sagen wir mal – abwechslungsreich: bei Nordsturm gibt es 45 Grad und Sand in alle Ritzen und das über Tage bis Wochen (bei Nordsturm verübte Gewaltverbrechen werden mildernd beurteilt, da er die Menschen unzurechnungsfähig macht...); wenn es dann regnet, d.h. mindestens 100mm Nierderschlag pro Guss fallen, dann kommen auch die Moskitos schnell heraus und alles versinkt in Schlamm; und jetzt waren es 2 Wochen lang graue kühle 15-18 Grad mit Wolken, die nur das Versprechen auf Niederschläge brachten. ABER: Meinen Lebensabend da zu verbringen finde ich eine äußerst sonderbare und nicht nachvollziehbare Idee! Nun ja - jedem das seine!

31.7.2009 Nachtrag zu den Bemerkungen unseres Haciendero über seine Probleme mit seinen Arbeitskräften. Das scheint ein flächendeckendes Phänomen in ganz Südamerika zu sein. Immer wieder lernen wir nach westlichen Leistungskriterien wirtschaftende Europäer kennen und stets hören wir deren Klagen über die Unzuverlässigkeit mit ihrem Personal. Große Teile der authochtonen Bevölkerung in südamerikanischen Ländern sperren sich offenbar hartnäckig gegen westlich geprägte Lestungsbegriffe und westlich geprägtes Leistungsdenken, wohl weniger in den industriellen Ballungsräumen, vor allem aber in ländlichen Gegenden. Das hat nichts mit Faulheit zu tun, sondern wohl eher mit einer ganz anders gearteten „Kurzfristigkeit“ des Denkens. Man stellt jemanden ein, der arbeitet eine Zeitlang sehr zuverlässig und plötzlich kündigt er, denn er hat genug Geld zusammen, um sich irgendeine Anschaffung zu leisten. Irgendwann ist das Geld wieder alle und er fragt wieder um Arbeit nach. Ob in Uruguay, in Brasilien oder in Paraguay, immer wieder hören wir ähnliche Geschichten, die stets eine Interpretation zulassen: Die Leute leben heute und jetzt und denken nicht groß an die Zukunft; die Blick ist auf die Erfüllung kurzfristiger Wünsche (und sei es auch nur das neueste Handy, auch in Südamerika Statussymbol) gerichtet, was die Zukunft bringt, weiß sowieso niemand. In Filadelfia erzählt uns jemand die Geschichte von einem seiner Arbeiter, dem er auf dessen Bitte beim Bau eines kleinen Häuschens kräftig finanziell unterstützt hat. Dieser zahlt das zinslose Darlehen über seine Arbeitsleistung auch schön brav ab und auf einmal kündigt er, um nur wenige Monate später wieder dazustehen und nach Arbeit zu fragen. Das Häuschen hat er in der Zwischenzeit zu einem Spottpreis verscherbelt, weil er das Geld gut für etwas – kurzfristig – wichtigeres gebrauchen konnte. Jetzt ist er wieder am Ausgangspunkt angelangt, und das Spiel kann von Neuem losgehen. Max Weber beschreibt in seiner 1911 erschienenen wegweisenden Gesellschaftsstudie „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“ , wie aus den religiösen Überzeugungen einer asketisch-calvinistischen protestantischen Ethik heraus unser abendländisch-kapitalistisches Wirtschaftssystem mit allen seinen die Menschen prägenden Merkmalen entstanden ist. In diesem über Jahrhunderte von den Spaniern und Portugiesen streng katholisch geprägten Kontinent Südamerika hat dieser „protestantische Geist“ offenbar in weiten Teilen der Bevölkerung noch nicht Einzug gehalten.

10.8.2009 San Ignacio de Velasco/Bolivianisches Tiefland
Unsere Weiterfahrt führt uns vom paraguayischen Chaco ins Chaco-Tiefland von Bolivien. Am Fuß der Anden steuern wir Richtung Nord. Wir wollen den berühmten ehemaligen Jesuitenmissionen/reduktionen Boliviens einen zweiten Besuch abstatten und gleichzeitig ein paar Lücken von Orten schließen, die wir noch nicht gesehen haben. Auf dem Weg passieren wir diesmal erstmals auch die Region um die inzwischen größte und wichtigste Stadt von ganz Bolivien - Santa Cruz de la Serra, inzwischen eine rasant schnell wachsende Metropole, deren Einwohnerzahl längst die Millionengrenze überschritten hat. Und ich muss sagen: Diese Tieflandregion ist die modernste und wirtschaftlich erfolgreichste Gegend des ganzen Landes und eine Politik, die von der Hochlandhauptstadt Sucre aus im Interesse der Hochland-Indios der Aymara um Präsident Evo Morales gegen die Interessen der hier lebenden Industriellen und Latifunditas gerichtet ist, schadet dem ganzen Land wohl mehr als es potentiell nützen könnte, um die sozialen Unterschiede Boliviens abzubauen: Hier werden mehr oder weniger die gesamten Nahrungsmittel –außer den Kartoffeln und dem Alpacafleisch- des ganzen Landes produziert und hier wird auch das Erdoel und -gas gefördert....( Karte Nr 3c).
Besonders schön und interessant ist die Region um Santa Cruz allerdings nicht, halt Industrielle Landwirtschaft, wie in den meisten Teilen Brasiliens auch. Wir haben einen echten Motivationsdurchhänger, wie er von Zeit zu Zeit immer mal wieder auftritt. Auch ein mehrjährige Traumreise ist nicht immer nur ein Traum, wenn so gar nichts interessantes passieren will. Und so philosophieren wir nach längerer Zeit mal wieder über andere potentielle Reiseziele, falls wir doch feststellen sollten, dass wir den Kontinent Südamerika „ausgereizt“ haben.........

Nach mehreren öden Tagen erreichen wir endlich die Gegend der Jesuitenmissionen in einer Region, die Chiqitania genannt wird, das ehemalige Land der Chiquito-Indianer. Flächenmäßig mal wieder so groß wie Deutschland, ist es eine sehr dünn besiedelte, meist noch unberührte Naturlandschaft. Hier gründeten Jesuiten um 1750 Missionsdörfer, in denen zwischen 2000 und 3000 Indianer unter der Aufsicht von zumeist nur zweier Jesuiten lebten. Mit den Häuptlingen bildeten diese Zwei den Gemeinderat, der begrenzten Selbstverwaltung standen die Jesuiten vor. Die Missionen waren so konzipiert, dass sie autark bestehen konnten mit Land- und Viehwirtschaft als Grundlage sowie handwerklichen Berufen und Werkstätten. Die Indianer siedelten nicht ungern in den Reduktionen, da sie hier vor Sklavenjägern, Ausbeutung, Verschleppung und Knechtschaft sicher waren. Das Vertrauen zu den Jesuiten war groß, denn diese redeten ihre Sprache und respektierten ihre Lebensweise. Talentierten Indianern wurden neue handwerkliche Fähigkeiten beigebracht und viele von ihnen wurden so hervorragende Steinmetze, Schnitzer, Maler, Weber oder Musiker. Dafür mussten sie aber regelmäßige Arbeit nachgehen und vor allem den christlichen Glauben annehmen. Die Jesuiten schlossen die Indianer auch erfolgreich gegen eindringende brasilianische Sklavenjäger zusammen, organisierten den Widerstand, so dass sie in der Chuiqitania-Region letztlich frei leben konnten. Südamerikanische Großgrundbesitzer und Feinde innerhalb der spanischen Krone erreichten jedoch 1767, dass Kaiser Karl III. die Jesuitentätigkeit verbot, die Reduktionen auflösen, die Jesuiten verhaften und aus Südamerika verbannen ließ. Doch im Unterschied zu den Reduktionen auf paraguayischem Gebiet wurden die bolivianischen Reduktionen nicht zerstört. Die Bewohner hielten hier an ihrer neuen christlich-indianischen Lebensweise fest und gaben auch die Dörfer nicht auf. Erst nach der Unabhängigkeitserklärung Boliviens zerbrach das System der Reduktionen endgültig.


Auch bei unserem erneuten Besuch nach 2006 finden wir die erhaltenen architektonischen Zeugnisse dieser Missionen sehr eindrucksvoll: San Ramon, San Xavier, Concepcion, Santa Rosa de la Roca, San Miguel und San Ignacio de Velasco heißen die Orte mit beeindruckenden Kirchendenkmälern aus der Jesuitenzeit des 18. Jahrhunderts, die inzwischen von der Unseco zum Weltkulturerbe erklärt wurden. Besonders Concepcion mit seiner atemberaubend schön restaurierten Kirche, seinen von Arkaden gesäumten Strassen und einer nächtlichen Atmosphäre fast wie in einem afrikanischen Dorf hat es uns wieder angetan. Wir übernachten zwei Tagen mitten im Ort neben der Kirche und spazieren abends durch die dunklen und weit verzweigten staubigen Wege des Ortes: eine sehr exotische Atmosphäre. (Karte Nr 4)
Während unseres Aufenthaltes in Concepcion ist der bolivianische Unabhängigkeitstag. Großes Tam-Tam an der Plaza vor der Kirche. Tribüne mit Ehrengästen, alte Kriegsveteranen mit ihren Orden am Jackett, patriotische Reden (Viva la patria!) , Musik, Militäraufmarsch mit Musikkapelle und schließlich Vorbeimarsch der Delegationen der zahlreichen Umlandgemeinden. Nach zwei Stunden ist alles vorbei und trotz des nationalen Feiertages sind die meisten kleinen Geschäfte und Lädchen wieder geöffnet.

16.8.2009 Chapada do Guimares/Brasilien/Bundesstaat Mato Grosso (Karte Nr 4a) Mal wieder hab ich heute Geburtstag, jetzt sind es schon 55 Jahre und ich stell schmerzlich fest, dass die Zeit unserer großen Reise zugleich in eine Lebensphase fällt, die von deutlichen Zeichen des Älterwerdens geprägt ist. Über 3 Jahre sind wir jetzt schon unterwegs und dass da inzwischen einiges an Zeit abgelaufen ist, ist beim Betrachten der älteren Fotos von 2006 nicht zu übersehen. Da gibt es nur eins: Spiegel weg und keine Fotos mehr machen. Dabei fühl ich mich eigentlich nach wie vor eher wie 20, doch ich mach mir nix vor: eine der vielen jungen, knackigen und durchaus interessiert blickenden Brasilianerinnen wäre inzwischen wohl eher mehr an der Schönheit meines Geldbeutels interessiert als an der Schönheit meiner jugendlichen Frische......
Ohne das wir es vorab geplant hatten, erreichen wir rechtzeitig mit Chapada do Guimares zum dritten Mal jenen kleinen Ort, an dem wir bereits im ersten Reisejahr 2006 meinen Geburtstag verbracht haben: „Same prodecure than last year, miss sophie? Same procedure than every year, James!!“ So verbringen wir den Tag wieder auf jenem Aussichtspunkt, der zugleich den messtechnischen Mittelpunkt Südamerikas bildet: Weit schweift der Blick über die 600 m tiefer gelegene Ebene des Pantanals und ist immer wieder atemberaubend schön. Und wenn gegen Abend der Wind an der Abruchkante nachlässt, stellen sich nach wie vor absolut zuverlässig jene berüchtigten winzig kleinen Beißliegen sein, die einen schnell in die Flucht treiben.


27.8.2009 Itaituba am Rio Tapajos/Brasilien/Bundesstaat (Para Karte Nr 5a) Wir sind zu einer neuen Rundfahrt durch das brasilianischen Amazonas-Tiefland gestartet. Von Cuiaba wollen wir zunächst Richtung Norden und Amazonas fahren (Karte Nr 5), wo man nach 1800 km (1000 km Asphalt. 750 km Piste) auf die Transamazonica trifft, jene berühmte Dschungelpiste, die wir 2007 bereits einmal in voller Länge befahren haben. Dort haben wir vor, den Blinker links zu setzen und noch einmal den zweiten und schönsten Abschnitt dieser Strecke von Itaituba nach Humaita/Porto Velho in Angriff zu nehmen (1050 km Piste). Über diesen Teil der Transamazonica besitzen wir keine aktuellen Informationen, vor 2 Jahren war die Strecke bei Trockenheit problemlos zu befahren, doch das ist 2 Regenzeiten her. Wir treffen in Cuiaba andere Auto-Reisende, die gerüchteweise von einer fast zugewachsenen Piste am Rio Tapajos berichten; wir halten das für Quatsch und können uns das aufgrund unserer eigenen Erfahrung nicht vorstellen.

Von Cuiaba aus starten wir Richtung Nord. Es geht durch den nördlichen Teil des Bundesstaates Mato Grosso. Zunächst liegen 1000 km Asphalt vor uns. Die Fahrt gleicht einer Zustandsbeschreibung der wirtschaftlichen „In-Wertsetzung“ des riesigen brasilianischen Binnenlandes (andere „böse“ Zungen wurden statt dessen den Begriff Umweltzerstörung verwenden). Wir durchqueren den gigantischen „Sojagürtel“ Brasiliens. Wo noch vor wenigen Jahrzehnten menschenleere Savannen und Wälder das Landschaftsbild beherrschten, erstrecken sich heute nahezu auf der kompletten Länge der Route riesige Monokulturen bis zum Horizont: Agro-Industrie in Vollendung. An den Straßenrändern immer wieder Werbetafeln mit Hinweisen auf die Pflanzen, die hier vornehmlich eingesetzt werden: Gen-manipulierte Soja-, Mais-und Reissorten, dazu etwas Baumwolle. Der LKW-Verkehr ist enorm, eine so hohe Dichte haben wir bisher noch nicht erlebt. Bis Tief in die Nacht rollt Truck an Truck an uns vorbei. An den hochgeklappten Zusatzachsen erkennt man, dass die Fahrzeuge leer Richtung Norden fahren, um von dort die Erzeugnisse der Agroindustrie aus den sehr grossen Sammelstellen abzuholen, deren hohe Silos und Lagerhallen wie moderne Kathedralen die wenigen Ortschaften schon von weitem ankünden. Die zwei grösseren Orte an der Strecke wie Sinop (60000 Einwohner) und Lucas do Rio Verde (30000 Einwohner) sind junge Städte, die aber schon längst dem Pionierstadium entwachsen sind: Planmässig angelegt mit einer funkelnagelneuen Architektur sind alte Häuser Fehlanzeige. Es gibt wirklich alles zu kaufen und die vielen schweren Pickup-Geländewagen zeugen vom Wohlstand der Region. Dieser Wohlstand zeit sich auch am Preis der Flasche Bier, die wir abends in einer Straßenbar geniessen. Sie ist so teuer wie in besten Strandlagen an der Küste. In einem Geschäft erzählt uns der deutschsprachige Besitzer, dass all diese Orte nicht älter als 25 Jahre sind und von vielen europäisch-stämmigen Südbrasilianern besiedelt wurden. Dieses Phänomen begegnet uns immer wieder: Die „landwirtschaftliche Erschließung“ des unerschlossenen Amazonastieflandes mit Monokulturanbau wird in großem Maße von wohlhabenden europäisch-stämmigen Südbrasilianern vorangetrieben. Kamen die Vorfahren einst als Hungerschlucker aus den übervölkerten Krisenregionen Europas nach Südbrasilien, um sich dort eine neue Existenz aufbauen, schicken sich die Enkel heute an, die arme und vielfach noch wenig erschlossene Amazonasregion zu erobern, wobei die Natur allerdings zumeist auf der Strecke bleibt.

Nach 4 Tagen haben wir die 1000 km Asphalt bewältigt. Mit dem Wechsel in den nördlich angrenzenden Bundesstaat Para ändert sich nicht nur der Straßenbelag und Ausbauzustand der Straße, auch das Landschaftsbild recht und links der Straße ändert sich. Es folgt der allmähliche Übergang von intensiver agroindustrieller Landwirtschaft zu extensiver Viehwirtschaft. Doch zunächst erwartet uns eine Überraschung. Die Straße wird ganz offensichtich weiter ausgebaut, auf weiteren 80 Kilometern ist man dabei eine neue Trasse zu bauen. Offensichtlich ist der weitere Ausbau dieser Straßenverbindung von Cuiaba nach Santarem am Amazonas (2000 km) Teil des gigantischen Investititionsprogramms, was die Regierung von Präsident Lula zu Beginn seiner 2. Amtszeit aufgelegt hat: Insgesamt 180 Millarden Euro!! sollen in den kommenden Jahren zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums in den Ausbau der Energieversorung, den Wohnungsbau und Verkehrsinfrastrukturprojekte fließen.
Auf einer wirklich schlimmen Behelfspiste quälen wir uns voran. Tiefe Löcher und enorme Staubmehlmassen machen das Fahren zur Qual. Bei Gegenverkehr wird rings um uns alles so von Staub eingenebelt, dass man keine 2 Meter mehr schauen kann. Dann endlich nach 70 Kilometern und mehreren Stunden Quälerei ist der Baustellenbereich passiert. Die nächsten knapp 100 km sind recht ursprünglich, denn links der Piste hat das brasilianische Militär eine riesige Zone Wald für sich requieriert – Sperrgebiet und damit unversehrte Waldzone . Doch dann schlägt das brasilianische Bemühen eine „Kulturlandschaft“ zu schaffen wieder gnadenlos zu: Die nächsten 300 Kilometer sind das Land großer Viehfazenden. Der Wald ist bis zum Horizont gerodet, trostlos ragen ein paar unversehrte und endlos viele abgestorbene ehemalige Urwaldriesen aus den Rodungsflächen, Was anfangs im Bereich der Berge der Serra do Cachimba noch durchaus ihren Reiz hat, denn nur durch die Rodungen sieht man, dass die hügelige Landschaft mit riesigen Granitfelsen übersäht ist, wird mit jedem weiteren Kilometer immer frustrierender. Es ist einfach ein unschöner Anblick und sieht schlicht unästhetisch aus. Mir fällt eine Stelle aus dem Buch Kulturschock Brasilien ein, wo es über den Umgang der Brasilianer mit ihrer Natur heißt:
„Der Raubbau an der Natur, mit der Brasilien ja so reichlich gesegnet ist, hat die Brasilianer bislang wenig belastet. Traditionell galt: Ur-Natur muss weg- sie ist nur lästig, unproduktiv und sogar bedrohlich. Am Busen der Natur zu ruhen, ist geradezu pervers. Wer Umgang mit der Natur pflegt, ist geradezu zu bedauern, in der Sonne zu ackern, das ist Sklavenarbeit. Und wer die Natur liebt, beweist damit, dass er nicht einmal den primitivsten Grad der Zivilisation besitzt. Das „Unverhältnis“ vieler Brasilianer zur ungebändigten Natur drückt sich in Schreckensmärchen über die Gefahren der „Grünen Hölle“ aus. Das sind Geschichten wie aus Grimms Zeiten. Am liebsten würden diese Brasilianer mit der Natur so verfahren, wie man es im Barockzeitalter Europas getan hat – die Bäume auf Bonsai- und Buchsbaumformat zurechtstutzen und im übrigen Wege anlegen. Brasilianer haben also kein romantisches Verhältnis zur Natur wie die Deutschen. Sie sehen in ihr nicht die eigene Seele, sondern den Feind. Wer die Natur schützen will, paktiert mit dem Feind. Wo bitte gibt es denn in Europa noch ein Stück unberührte Natur? Alles Kulturlandschaft! Und die dürfen die Brasilianer nicht anlegen? Will man sie etwa als Affen auf die Bäume zwingen? Im Unterschied zu Europa, wo so gut wie keine Ursprungsvegetation mehr geblieben ist, hat sich in Brasilien jedoch keineswegs überall eine neue Kulturlandschaft gebildet, sondern oft eine Halbwüste. Das liegt unter anderem an der Ausplünderung der ehemaligen Kolonie, den mageren Böden, der nicht angepassten Agrartechnik und der fehlenden bäuerlichen Tradition.

Verfasst: 09.09.2009 22:14
von tibesti
Teil 2

Erst auf den letzten 300 km der Strecke wird die Landschaft dann wirklich schön, die Rodungsflächen gehen zurück und viel ursprünglicher Wald zieht sich rechts und links der Straße hin und vermittelt wenigstens einen Hauch von dem, was man sich unter dem Amazonastiefland vorstellt.

Allerdings haben im Unterschied zu den modernen und wohlhabenden Siedlungen weiter unten im Süden im Sojagürtel die wenigen Orte entlang dieses zweiten Streckenabschnitts wie Novo Progresso das Pionierstadium noch nicht verlassen. Alles wirkt improvisiert, als ob es jederzeit wieder verlassen und aufgegeben werden könnte. Und beim abendlichen Spaziergang durch die staubigen und nur schlecht beleuchteten Nebenstrassen solcher Orte spürt man fast noch den Hauch vergangener Pionierzeiten, wenn man das Leben der Menschen in ihren ärmlichen Holzhäusern beobachtet, wo z.T. mehrere Generationen auf engstem Raum zusammenleben.

Die Piste selbst ist überwiegend mittelmäßig und phasenweise schlecht, im hügeligen Gelände des Berglandes der Serro do Cachimbo sogar anstrengend zu fahren und am dritten Tag auf der Piste (Tag 8 seit Cuiaba) kommt das, was wir am wenigsten wünschen: Wir fahren in ein Regen- und Gewittergebiet hinein. Es ist schon erstaunlich, wie eine halbe Stunde starker Regen aus einer scheinbar wetterfesten Piste eine unschöne Matschstrecke macht. Wir fahren wie auf Schmierseife, können aber immerhin mit Allrad noch fahren. Dann stehen wir an einer der unzähligen steilen Gefällstrecken, wo es oft mit über 10% Gefälle den Hang hinuntergeht. Da auf diesem Schmierfilm runter? Jetzt fehlt uns die Erfahrung, was bei solchem Wetter und diesem Gelände machbar ist und was nicht. Wir beschließen zu warten und fahren rechts an den Pistenrand. Allein dieses Manöver ist schon nicht einfach hinzukriegen. Das Auto hat auf einmal einen eigenen Willen und reagiert auf Lenkbewegungen nur widerwillig mit der gewünschte Richtungsänderung. Nach 2 Stunden Warten und kurz vor Einbruch der Dämmerung wagen wir uns vorsichtig weiter. Das folgende Finden eine Übernachtungsplatzes gestaltet sich ebenfalls sehr schwierig, denn rechts und links der Trasse ist das Terrain aufgeweicht und unbefahrbar. Am späten Abend dann weiterer stundenlanger Regen. Es wird eine unruhige Nacht, wenn einen im Bett die Vorstellung plagt, dass sich die Piste mehr und mehr in Modder auflöst. Doch am nächsten Morgen scheint wieder die Sonne. Auf den nächsten 30 Kilometern rutschen wir noch durch einige reichlich schlammige Streckenabschnitte, dann ist es wieder trocken. Die tropischen Regen der Trockenperiode sind meist lokal begrenzte Ereignisse.
Wie unberechenbar diese Erdstraßen zu befahren sind, zeigt sehr schön folgendes Beispiel. Der Streckenabschnitt von Guaranta do Norte bis Novo Progresso ist ca. 300 km lang. Wir benötigen für die Strecke bei trockenem Wetter 2 Tage, es ist ein harmloses Unterfangen, dazu braucht man kein Allradfahrzeug. Ein mit uns befreundeter brasilianischer Journalist hat vor einem Jahr für das brasilianischer Trucker-Magazin Camhinoneiro einen Dieseltransport nach Novo Progresso begleitet. Der Artikel war für die Sparte „Abenteuer“ konzipiert und fand deshalb extra mitten in der Regenzeit statt, um zu zeigen, wie schwierig die Transportverhältnisse bei starkem Regen sein können. Der Konvoy bestand zu Testzwecken aus drei Tanklastzügen, davon 2 normalen ohne Allrad und mit normalen Straßenreifen und einem mit Allrad und Geländereifen ausgerüstet. Für die dieselbe Strecke, die wir in 2 Tagen bewältigten, benötigte der Transport 6 ! (in Worten sechs) Tage. An einem Tag hingen sie 10 Stunden mit einem Truck seitlich im Schlamm fest, an einem anderen Tag kamen sie nur 30 km weit. Und der Allrad-Truck mit seinen Spezialreifen kam an einer Stelle gerade mal 500m weiter als die beiden anderen, dann hing er an der nächsten Steigung ebenfalls fest......

Insgesamt sind wir 10 Tage auf der 1800 km langen Strecke unterwegs, bis wir auf einer Fähre den breiten Rio Tapajos überqueren: Zum zweiten Mal erreichen wir die ehemalige Goldgräberstadt Itaituba, deren Einwohnerzahl inzwischen auf immerhin 60.000 angewachsen ist.

2.9.2009 Porto Velho am Rio Madeira/Brasilien/Bundesstaat Rondonia Karte Nr. 7)

Es ist doch manchmal schon recht sonderbar, wie Gerüchte entstehen und die Runde machen: Wir treffen andere Autoreisende, die das Gerücht erzählen, dass angeblich ein Teilstück der Transamazonica zwischen Itaituba und Porto Velho inzwischen schon wieder fast zugewachsen sein soll. Da muss man sich schon an den Kopf fassen! Wir sind die Strecke vor 2 Jahren ja schon einmal gefahren und so können wir uns das beim besten Willen nicht vorstellen. Sicher, da ist ein kurzes Teilstück von knapp 100 km, welches den Nationalpark Amazonas durchquert, wo die Piste schmal und sehr schlecht ist und der Wald rechts und links bis ans Fahrzeug heranreicht. Aber zugewachsen, darunter versteh ich nun was ganz anderes. Und im Gegenteil. Waren bei der Fahrt vor 2 Jahren noch ca. 50% der 1000 km langen Strecke recht schlecht und im Falle von Regen als kritisch zu einzustufen, so müssen wir diesmal überrascht feststellen, dass die Brasilianer in nur 2 Jahren die Piste fast auf der gesamten Länge wieder instand gesetzt haben. Und da hier in dieser menschenleeren Gegend praktisch kein Verkehrsaufkommen ist, fährt man großenteils sogar ohne das berüchtigte Wellblech oder Schlaglöcher dahin. Das ist zumindest in fahrtechnischer Hinsicht aktuell wirklich kein Abenteuer mehr und die Statussymbole der selbverliebten Offroad-Fangemeinde wie Seilwinde und grobstollige Geländereifen im XXL-Format können getrost zuhause gelassen werden. Doch auch ohne den fahrtechnischen Kitzel hat die Strecke aufgrund ihrer Einsamkeit und auch Unberührtheit auf großer Länge nach wie vor ihren Reiz, zumal man immer ins Ungewisse fährt, da man brauchbare Aussagen zum Pistenzustand vor Ort kaum bekommt, denn kaum ein Brasilianer fährt die Strecke komplett durch. Und aus Wettersicht ist es für uns diesmal sogar gut, dass die Piste großenteils wetterfest gemacht wurde. Denn im Unterschied zur ersten Befahrung, wo in 10 Tagen kein Tropfen Regen fiel, haben wir diesmal richtig innertropisches Wetter, wie es auch der Theorie entspricht. Am frühen Morgen strahlend blauer Himmel, ab 11 Uhr fangen die ersten Quellwolken an, sich aufzutürmen, am Nachmittag bilden sie sich an vielen Stellen zu verdächtig aussehenden Cumulus-Gewitterwolken aus und am späten Nachmittag kommen dann tropische Regenschauer runter: Immer lokal begrenzt, aber wir diesmal immer mittendrin. So rollen wir eigentlich sehr entspannt dahin und nach 6 Tagen haben wir Strecke geschafft. (Karte Nr 6)


4.9.2009 Porto Velho. Wir sind schon auf dem Weg Richtung Südwesten zur bolivianisch-brasilianischen Grenze, als wir wegen technischer Probleme nach 220 km vorsichtshalber wieder umkehren. An der Lenkradstellung bemerke ich plötzlich, dass mit der Hinterachse offensichtlich etwas nicht stimmt. Und tatsächlich, in der Werkstatt stellen wir fest, dass einer der Bolzen, mit denen die Federpakete zusammengehalten und auf der Hinterachse zentriert werden, auf einer Seite nun schon zum zweiten Mal gebrochen ist; Als Ergebnis hat sich Hinterachse bereits wieder leicht verschoben. Das ist ein eindeutiger Konstruktionsfehler. Das Federpaket besteht auf jeder Seite aus zwei Teilen, die nur von einem einzigen recht dünnen und, aufgrund der Dicke des Federpakets, sehr langen Bolzen zusammengehalten werden. Die Jungs in der Federnwerkstatt sind recht pfiffig, sie kennen solche Probleme. Statt einem langen Bolzen, modifizieren sie die Halterung so, das jetzt zwei getrennte kurze Bolzen zum Einsatz kommen. Außerdem werden die großen Haltebügel mit denen Federn und Achse zusammengehalten werden, erneuert, da sie an den Gewindeenden schon recht ausgeleiert sind. Vier Stunden dauert die Arbeit und wir bezahlen ca. 165 Euro für etliche Neuteile und für die Arbeit. Wir sind zufrieden.


5.9.2009 Guajara-Mirim/Rio Marmore/Grenze Brasilien-Bolivien (Karte Nr 8)
Unser brasilianisches Amazonastiefland-Abenteuer ist abgeschlossen. 330 km südwestlich von Porto Velho überqueren wir in Guajara-Mirim den Rio Marmore. Zum zweiten Mal nach 2006 wollen wir das nördliche bolivianische Tiefland durchqueren. Unser Ziel: Die Anden.

Abgesehen von einer schwerwiegenden technischen Panne am Fahrzeug passiert heute der „größte anzunehmende Unfall (GAU)“: Unsere Kompressorkühlbox gibt ihren Geist auf. Das ist nun wirklich eine üble Angelegenheit, denn so eine Kühlbox fürs Auto kauft man die Südamerika nicht mal eben an der nächsten Straßenecke und in Bolivien bestimmt schon mal gar nicht. Solange wir uns noch im Tiefland aufhalten, wird das ein echter Belastungstest, vor allem bei diesen Temperaturen:: keine kalten Getränke mehr, keine Butter, Wurst und Käse auf Vorrat und die Schokolade wird zur Trinkschokolade. Überhaupt zehrt das Klima allmählich ziemlich an der Substanz. Tagsüber Temperaturen konstant zwischen 35 und 39 Grad bei einer Luftfeuchtigkeit zwischen 60-70 Prozent, Nachts im Fahrzeug selbst bei sperrangelweit geöffneten Fenstern nicht unter 30 Grad, über mehrere Wochen hinweg ist das kein Zuckerschlecken. Obwohl sich die Insektenwelt während der Trockenzeit recht dezent verhält, kann es mitunter blitzschnell gehen. An einer Holzbrücke über einen Bach sitzt links am Ufer in 10m Entfernung ein gigantischer Schmetterlingshaufen auf einem Fleck zusammen. Während ich das Geschehen von der Brücke aus Distanz beobachte, muss Silvia das Geschehen aus unmittelbarer Nähe begutachten. 10m geht sie vielleicht die Böschung hinunter, 3 Minuten dauert das Ganze, doch als sie zurückkommt, hat sie am textilfreien Rücken mehr als zehn große dick geschwollene Beulen von Bissen oder Stichen irgendwelcher Insekten. Gemerkt hat sie nichts davon. Dafür ist sie jetzt um so begeisterter. Irgendwie haben die Brasilianer schon recht, wenn sie die tropische Natur als ihren natürlichen Feind betrachten.................

Die brasilianisch-bolivianische Grenze ist erreicht. Der breite Rio Marmore teilt die beiden Namensschwestern Guajara-Merim und Guajaramerim. Es ist mehr als nur eine Grenze, selbst hier, in diesem abgelegenen Winkel des Amazonastieflandes, ist es auch der Übergang in einen anderen Kulturraum. Auf der brasilianischen Seite ein schmutzig-schmuddeliges Grenzkaff mit einem träge in der Tageshitze vor sich hinbrütenden und sich langsam dahin schleppenden Amazonasleben, wo schon früh am Abend die Bürgersteige hochgeklappt werden, auf der bolivianischen Seite eine quicklebendige Tieflandstadt mit einer Unmenge kleiner und kleinster Läden, Garküchen und Kleinstrestaurant und einem Straßenmarkt, der noch um 10 Uhr abends voll von quirligem Leben ist. Der Grenzübertritt erfolgt auf einer Fähre und gestaltet sich zu einer nervtötenden Angelegenheit. Direkt am Fähranleger ist das Zollgebäude mit einem kleinen Zollhafen (die Region ist übrigens Zollfreihandelszone mit freiem Grenz- und Warenverkehr). Als wir morgens ankommen, hat die Fähre gerade angelegt; wir verpassen sie, da wir erst die Ausreiseformalitäten erledigen müssen. Als alles gegen 11 Uhr erledigt ist, dürfen wir im Zollhafen parken und auf Nachfrage erfahren wir, dass man die bolivianische Fährgesellschaft um 15 Uhr antelefonieren werde, damit sie uns abholt. Wir haben also Zeit und können zuschauen, wie in dem Hafen Unmengen an Waren umgeschlagen werden, indem sie per Hand aus brasilianischen LKW auf kleinste Frachtböötchen mit Außenbordmotor verladen werden. Gegen 16 Uhr stehen wir immer noch rum und nichts passiert. Also erneute Nachfrage; wir treiben jemanden auf, der etwas Englisch spricht und erfahren zu unserer Überraschung, dass man auf der anderen Seite nicht anrufen könne, da es keine funktionierende Telefonverbindung gäbe. Und das Schiff komme ohnehin nie regelmäßig, da es nur wenig Autoverkehr gäbe; manchmal komme es am Morgen vorbei, um mal nachzuschauen, aber ansonsten müsse man sich schon auf die andere Seite bemühen und dafür sorgen, dass man abgeholt werde. Das ist supertoll; 5 Stunden stehen wir vor den Augen der arbeitsunlustigen brasilianischen Zollbeamten rum und keiner klärt uns über die Modalitäten auf. Jedenfalls hetzen wir zu einem der zahlreichen am Ufer liegenden kleinen Schiffstaxis, die ständig zwischen den bedien Ufern hin und her pendeln und lassen uns in 10 Minuten übersetzen. Die Fähre und das Büro der zuständigen Gesellschaft zu finden, ist nicht sehr kompliziert, doch jetzt am späten Freitagnachmittag ist natürlich alles dicht und verrammelt. Wir fragen herum und recht schnell findet sich ein hilfsbereiter Bolivianer, der mit den zuständigen Leuten telefoniert und unser Anliegen erläutert. In unglaublichen 20 Minuten sind die drei Schiffer zur Stelle und lassen sich diesen Extra-Schnell-Service natürlich mit 50 US-Dollar recht teuer bezahlen, denn wir haben zusätzlich noch enormes Glück: Von den Fährleuten erfahren wir, dass der brasilianische Zoll übers Wochenende nicht arbeitet und zusätzlich am folgenden Montag ein brasilianischer Feiertag ist. So sind wir also nur um Haaresbreite einem dreitägigen Zwangsaufenthalt in dem brasilianischen Grenzkaff entgangen.

10.9.2009 Rurrenabaque/Bolivien (Nr 10 in der Karte) Unsere Reise durch das bolivianische und brasilianische Amazonastiefland neigt sich nach 2 Monaten ihrem vorläufigen Ende entgegen. Wir erreichen den Ort Rurrenabaque am Fuß der Anden, wo wir uns ein paar Tage erholen werden. Ist man erst mal von Brasilien wieder nach Bolivien eingereist, wird einem nach nur wenigen Kilometern klar, wie sehr die Brasilianer inzwischen zumindest rechts und links der Verkehrswege mit ihrer Natur aufgeräumt haben. Hier in Bolivien fährt man immer noch durch eine viel naturbelassenere Umgebung. Vorbei an Sumpfen und Lagunen führt die 700 km lange Pistenstrecke durch eine riesige flache Feuchtsavanne, Außer einigen malerischen Indiobehausungen mit ihren palmbedeckten Dächern und den hohen Giebeln ist auch diese Landschaft weitgehend menschenleer, nach den Kleinstädten Guajaramerim und Riberalta kommt auf 500 km keine Ortschaft mehr, die diesen Namen verdient. Der Höhepunkt der Fahrt ist gleich zu Beginn, als wir es uns nicht nehmen lassen, noch einmal das idyllisch und gottverlassen zugleich abseits aller Hauptverkehrswege im Urwald gelegene Dorf Cachuela Esperanza zu besuchen (Nr. 9 in der Karte). Gegründet als Firmenzentrale von dem ehemaligen Kautschukkönig Südamerikas, Nicolas Suarez um 1880 an den Stromschnellen des Rio Beni, baute Suarez es im Lauf der Jahre zu einem bedeutenden Stützpunkt aus mit eigenem Theater, einem Luxushotel mit Haute Cuisine und einem Hospital, in dem die ersten Röntgenapparate in ganz Südamerika eingesetzt wurde und in das die Superreichen aus Rio de Janeiro per Hydroavion zur Behandlung einflogen. So hoch wie es stieg, so tief war der Fall des Ortes nach dem Tod von Suarez 1940. Der Schwiegersohn als Erbe des riesigen Firmenimperiums verprasste das Vermögen in wenigen Jahren, die Revolution von 1952 führt zur Verstaatlichung des übriggebliebenen Firmebesitzes. Heute dämmert der Ort mit wenig mehr als 100 Einwohner im tropischen Dämmerschlaf vor sich hin. Trotz der traumhaften Lage am Rio Beni mit seinen Stromschnellen inmitten eines urwüchsig und intakt gebliebenen tropischen Regenwald, verirrt sich kaum ein Tourist hierher. Auf unsere Frage beim Militärposten im Ort, wann denn die letzten Touristen vor uns hier waren, antwortet der Offizier: „Letzte Woche waren 2 Amerikaner da, danach kann ich mich nicht erinnern, wann hier das letzte Mal Touristen gesichtet wurden. Es muß lange her sein“.
Wir werden doch 2006 beim ersten Besuch wohl nicht die letzten gewesen sein?

Verfasst: 10.09.2009 22:44
von tibesti
aktuell haben wir ein schlechtes Timing:

wir stehen gerade in Rurrenabaque am Fuss der Anden auf 160 m Hoehe ueber N.N. bei unserem Schweizer Bekannten Juerg, haben eine traumhaften Swimmingpol hoch ueber dem Tal fuer uns allein und es regnet den ganzen Tag, auch Eis haben wir kaufen koennen, um unsere defekte Kuelbox wieder kalt zu kriegen und da findet heute ein extremer Temperatursturz von 38 auf 14 Grad statt. Sowas auch......

zumindest war nun heute reichlich Zeit, ein paar Fotos zum Reisetagebuch uebers Internet hochzuladen:

Fotoshow 1

Verfasst: 22.09.2009 22:15
von tibesti
Tagebuch 2009/2010 - 2

22.9.2009 Immer noch in Rurrenabaque/Bolivien am Fuss der Anden. Eigentlich haben wir nur ein paar Tage hier eingeplant, mal schauen, was sich in den 3 Jahren seit unserem letzten Besuch hier im Ort am Ufer des Rio Beni in Sichtweite der ersten Vorandenkette alles veraendert hat. Ausserdem wollen wir dem inzwischen 60-jaehrigen Schweizer Juerg, der seit ueber 20 Jahren in Bolivien lebt und sich am Ortsrand in exponierter Lage einen ganzen Huegel gekauft hat, Hallo sagen. Wir fahren auf den Huegel und erleben eine Ueberraschung: Nachdem ihn vor etwas mehr als einem Jahr seine 35 Jahre juengere bolivianische Freundin wegen eines bolianischen Profifussballers verlassen hat, froent unser Schweizer einer alten neuen Leidenschaft: dem BAUEN. Er, der sein Leben lang als Ingenieur und Entwicklungshelfer Strassen und Bruecken in aller Welt gebaut hat, hat nun einen Teil seines Huegels mit einer traumhaften Freizeitanlage ausgebaut, mit Swimmingpool und diverseven Sportgeraeten. Und so sind wir wir nun schon seit 14 Tagen hier haengegeblieben, relaxen und geniessen den Pool mit seinem traumhaften Ausblick ueber den Ort und das Tal. So lassen sich die taeglichen 35-36 Grad wahrhaftig angenehm ertragen. Und es ist gar nicht so einfach, sich von hier wieder loszueisen, denn dafuer kennen wir Suedamerika inzwischen viel zu gut , um zu wissen, dass es einen solch einmaligen Ort kaum noch einmal gibt, zumal wir bis aufs Wochenende die Anlage zumeist fuer uns ganz allein haben.

Foto1
Foto2

Es ist einsgesamt ein wuerdiger Abschluss unserer letzten Abenteuers im Amazonastiefland und die richtige mentale Vorbereitung auf das naechste klimatische Extrem: die Fahrt in die Anden, wenn in wenigen Tagen die Temperaturturskala statt 35-39 Grad tagsueber und 25 Grad nachts dann nur noch 15-20 Grad tagsueber und 0- -15 Grad nachts in 3500 bis 4000 m Hoehe betragen wird.


Als Abschluss dieses ersten Reiseteils gibt es fuer Interessierte mit schneller Internetverbindung noch ein paar Impressionen unserer 3000 km langen Reise durch das brasilianische Amazonastiefland. Ohne besondere kuenstlerische Ambitionen hab ich die (bescheidene) Filmfunktion der digitalen Fotokamera waehrend der Fahrt im LKW eingesetzt. Herausgekommen ist ein kleines Filmchen, welches trotz seiner mittelmaessigen Bildqualitaet mit dem Blick aus dem fahrenden Auto einen kleinen Eindruck von der Landschaft und der Atmosphaere vermitteln soll, die fuer uns inzwischen schon fast alltaeglich geworden ist.

ein paar Fotos vorab:
Foto3
Foto4
Foto5

Und hier der Film:

Film

Filmformat: wmv, Bildgroesse 640*480, etliche Fotos im Filmanhang, 168 MB !!

Verfasst: 30.10.2009 23:07
von tibesti
30.10.2009 Iquique/Pazifik/Nordchile Reisebericht von Silvia[



Waehrend wir uns seit knapp 2 Woche durch diverse Mercedes-Werkstaetten Nordchiles quaelen (zunaechst mit einem Komplettcheckup des Fahrzeugs, dann leider immer noch auf der Suche nach der Ursaqche eines raetselhaften Problems mit der Bremsanlage unseres LKW, die voellig unberechenbar von Zeit zu Zeit ausfaellt), war in der Zwischenzeit reichlich Werkstatt-Wartezeit, das in der Zwischenzeit Erlebte niederzuschreiben und auch filmisch aufzubereiten.

Der folgende Bericht beschreibt folgende Reiseroute:

Reiseroute
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Vorab fuer Nichtgeographen ein paar "fachliche" Erlaeuterungen zum Reisebericht:

Die Anden sind ein relativ schmales aber langgestrecktes Gebirge, das in den Verschiedenen Regionen mehrere Haupt- Gebirgsstraenge aufweist, in Bolivien sind das die Westkordillere, die auf der Grenze zu Chile liegt (Die Grenze verlaeuft auf der Wasserscheide zwischen Atlantik und Pazifik ) auf dieser Kette sind unzaehlige Vulkane noch draufgesetzt und bilden da die hoechsten Erhebungen insgesamt, so der Sajama als hoechster Berg Boliviens und weiter suedlich der Vulkan Ojos de Agua als hoechster Berg von Chile.Nach Osten zu dann kommt als massives, flaches aber hochgelegenes Hochland der Altiplanos. Noch weiter nach Osten kommen dann die Zentralkordillere und schliesslich - niedriger - die Ostkordillere. wobei aber diese beiden Gebirgsstraenge wiederum aus mehreren Ketten bestehen, die von W nach O hintereinander verlaufen und nach Osten, dem Amazonastiefland immer niedriger werden.

Schaubild-des-Andenprofils

Anmerkung: Das Schaubild ist im Bereich des Ostabfalls der Anden im Bereich der Yungas in Bolivien nicht korrekt, sondern stellt den Abfall im weiter noerdlich gelegenen Peru da, wo die Anden tatsaechlich direkt von 5000 auf 200m abfallen (Bereich der Selvas). Im Bereich der Yungas Boliviens erfolgt der Abfall zum Amazonastiefland durch mehreren parallel verlaufende immer niedriger werdende, tief eingetalte Gebirgsketten, die hier nicht eingezeichnet sind.



Von 160m auf 5200 Hoehenmeter

Da wir versuchen, immer neue Strecken und damit Landschaften zu fahren und zu entdecken, fuhren wir diesmal durch die "YUNGAS", das sind die dem Amazonastiefland zugewandten tief zerschnittenen und dicht bewachsenen feucht-warmen Ost- Abhaenge der Anden.

Und entdeckten eine ganz neue Landschaft!
Die einzelnen Bergketten werden von O nach W immer hoeher, die ersten sind so bei 1600m, dann 2000m, dann geht es weiter: 2600, 3000,3500,4000 und schliesslich der Andenhauptkamm mit im Durchschnitt 4500m hohen Ketten, ueber die sich dann noch stellenweise die schnee- und eisbedeckten "ueber 5000der " erheben.
Diese Ketten stehen jedoch in relativ kleinem horizontalem Abstand zueinander - zwar sind die Anden in Bolivien am breitesten, aber das liegt an der grossen Flaeche des Altiplanos, der sich zwischen Ost- und Westkordillere ausbreitet. Fuer die Ostkordillere ist also die "Erosionsbasis" ( das ist das Hoehenniveau, bis zu dem sich die Fluesse einschneiden wollen, um mit moeglichst wenig Gefaelle dem Meer zu zufliessen) das Amazonastieflandes mit - wie in Rurrenabaque 220 Hoehenmeter - recht nahe - und das fuehrte in den Millionen von Jahren seit Auffaltung der Anden bis heute dazu, dass die Fluesse sich in die Ketten hinab bis auf ein Niveau von 1000-1500m in den mittleren Talbereichen eingeschnitten haben - dementsprechend koennt ihr euch die Tiefe der Taeler , von den Gipfeln bei meist 3000-4000m bis hinab auf 1000m !! - vorstellen.
Vermutlich bedingt durch die eiszeitliche Vergletscherung ( die riesigen Gletscher der Eiszeit hobbelten wegen ihres Gewichtes mit dem im Eis mitgefuehrten Steinen den jeweiligen Untergrund ab, auf Grund des langsamen Fliessens von Eis, entstanden dabei runde Formen ) weisen diese im unteren Teil wirklich total extrem steilwandigen Taeler im oestlichen Teil bei 1800m ( mit steigender Gesamthoehe und mehr nach Westen natuerlich auch ansteigend ) einen "Knick" im Gefaelle auf, d.h. hier wird es ein bisschen weniger steiler und manchmal gibt es sogar "Sonnenterrassen", die man von den Alpen kennt,wo dort dann oft die "Sommerfrische-Orte" liegen.
Auch in den Yungas liegen die meisten Orte in diesem Bereich nicht ganz so grossen Gefaelles, trotzdem bestechen diese Kleinstaedtchen und oft groesseren Doerfer duch eine "Archtitektur der Senkrechten"! Wenn ihr euch den Film herunterladet und anschaut, werdet ihr verstehen, was ich meine: Die einzelnen Haeuser haben meist nur eine "Tiefe" von einem Raum und haengen direkt am Abgrund, oder sogar mit Hilfe von Stuetzen ueber demselben. Die Orte selber bestehen daher aus 2-8 uebereinander gelagerten "Haeuserzeilen-Ebenen", die durch Treppen oder auch mal schmale Wege/Straesschen miteinander verbunden sind.
Neben dieser Haupt-Wohn-Ebene bei ca. 1800m gibt es allerdings auch noch Weiler, die irgendwo ganz oben am Gipfel liegen und zu denen manchmal wirklich nur Fusspfade hin fuehren! Unten im Talniveau liegen nur dann Orte, wenn dort alte Flussterrassen existieren, in die der heutige Fluss sein aktuelles Bett eingegraben hat, und wo man auf den alten Terrassen bei dem warmen Klima von 1000m Hoehe Mangos und andere waermeliebende Pflanzen kultiviert, oder wenn das tiefe Tal hier etwas Platz laesst - fuer die notwendige Bruecke und einige Haeuser.
Das ist sowieso faszinierend: Der Ort A liegt auf 1800m Hoehe auf der einen Talseite, gegenueber auf der anderen Seite, sozusagen in Rufweite ( wir haben auf der einen Talseiter die Blasmusik im Rahmen einer Feier - vermutlich eine Hochzeit - inclusive des Glockengelaeuts auf der anderen Seite gehoert und die Rauchwolken der Boeller einige Zeit vor dem Knallen gesehen ) ), denn die Taeler sind ja auch extrem eng, liegt der Ort B: Um nun aber von A nach B zu gelangen, muss man nicht nur 3600 Hohenmeter ueberwinden, sondern eben auch so lange den ganzen Berghang entlang nach unten oder oben gehen- heute eben fahren - bis man an eine Stelle kommt, wo man den Fluss ueberqueren kann: in Vorspanischer und Vorinka-Zeit wohl bei Furten (in der Trockenzeit!! in der Regenzeit duerften die einzelnen Berghaenge isolierten Inseln geglichen haben), bei den Inkas mit Hilfe der beruehmten Inka-Haenge-Bruecken und heute mit den normalen m.o.w. zuverlaessig aussehenden Bruecken ( Falls ihr euch den Filmteil 1 angeschaut habt - ist euch das Schild vor der einen Brueckenzufahrt, da wo Arbeiter eine neue Bruecke am Bauen waren, aufgefallen? " Riesgo de collapso - Solo 2t y max.5km/h " - aber alle, fahren ueber diese Bruecke, auch wir - aber mit einem sehr mulmigem Gefuehl.... ) Und dann muss man am anderen Berghang wieder so lange entlang wanderen/fahren, bis man zum Dorf B hochkommt. Das heisst, um eine Entfernung von vielleicht 300 m Luftlinie zu ueberwinden muss man u.U. 30km zuruecklegen!!!!!

Vor allem im oestlichen Teil, da wo die meisten Regenwolken vom Amazonastiefland noch hinkommen und daher genug Wasser fuer die Landwirtschaft zur Verfuegung steht, sind diese steilen und tiefen Taeler sehr dicht besiedelt. Die Ortslage von hier ca. 1800m ist auch insofern guenstig, dass die Bewohner dann einen gleich langen Weg hinunter zu ihrem Feldern am Fluss oder zu jenen an den den Hoehen der Bergketten haben. Jede Hoehenstufe bietet ja die Moeglichkeit, anderere Pflanzen anzubauen und damit eine grosse Diversifizierung an Marktprodukten anzubieten. Auffallend war das eine Talsystem , das fast von ganz oben bis unten nur dem Anbau einer Pflanze gewidmet war - dem Kokastrauch, der in speziellen, kleinen Terrassen von ca. 25 cm Hoehe und Breite die ganzen steilen Haenge mit den verschiedensten Gruentoenen ( je nach Groesse / Alter der Pflanzen ) ueberzog: der Anbau und das Koka-kauen und Kokatee sind in Bolivien und Peru nicht verboten (Evo Morales stammt ja aus der Bewegung der Kokabauern ), sondern Koka ist traditionelles Genuss- , ja fast Lebensmittel.Und es soll ja auch eine Menge Vitamine haben ( die dann aber bei der Weiterverarbeitung zu Kokain wohl verlustiggehen....), jedenfalls sieht man in ganz Bolivien die Maenner mit - unschoenen - dicken Backen Autofahren, arbeiten, herumsitzen ... und Kokatee schmeckt echt gut und hilft gegen die Auswirkungen der Hoehe.

Insbesondere in diesem "Koka-Talsystem" fiel uns auf, dass in den Orten ueberall Neubauten errichtet werden, die Bauern scheinen sowohl mit dem legalen Anbau und Verkauf des Kokas ( 100g Blaetter kosteten mich 50 Cents, wenn der Herr des Hauses den ganzen Tag kaut, verbraucht die durchschnittliche bolivianische Familie insgesamt eine ganze Menge Geld fuer Koka....) recht gute Gewinne erzielen zu koennen und wer weiss, ob da vielleicht doch auch noch ein paar illegale Felder fuer die Drogenproduktion existieren?? ).

In diesem tief zertalten Gebiet sieht man dann schon von weitem, naemlich dem letzten Ort auf der jeweiligen "Hauptsiedlungsebene", den naechsten Ort, den wir entsprechend der Karte anzielen - aber bis wir diesen dann erreichen, geht es bergab,bergab, bergab, dann ueberqueren wir Baeche und Fluesse, bevor die Piste wieder einen neuen Berghang entlang nach oben fuehrt und der angezielte Ort langsam aber sicher doch naeher rueckt. Da die befahrenen Pisten - in der Karte uebrigens durchgaengig als "zweispurig" ausgewiesen, schaut euch den Film an!!! Was ist dann eine einspurige Piste??? - langsames Fahren erzwingen und wir auch immer wieder anhalten, um die Landschaft zu bewundern, "erfahren" ( im woertlichen Sinn) wir diese Gegend sehr intensiv und sind wirklich begeistert - auch wenn es langsam vorangeht und das viele Schalten und Kuppeln, genauso wie die noetige Konzentration auf den gewundenen schmalen Pisten natuerlich auch recht anstrengend sind.

Etwas kompliziert ist dann allerdings die abendliche Suche nach einem Plaetzchen, wo wie uebernachten koennen, ohne direkt auf der Piste zu stehen und den Verkehr zu behindern, obwohl dieser im wesentlichen aus den Busen, die tatsaechlich auch kleine und recht abgelegene Taeler bedienen, und einigen wenigen Versorgungs-LKWs besteht. Meist mussten wir uns mit "Auswoelbungen" am Berghang neben der Piste begnuegen oder am Talgrund direkt in der Kurve zur Bruecke ueber den jeweiligen Fluss. Wunderschoen war dann meist der Anblick am naechsten Morgen, wenn sich aus dem Taelern die Nebel- oder Wolkenschwaden hoben, oben drueber die Sonne schon die Berggipfel beleuchtete und eine recht romantische Stimmung hervorzauberte ( an einigen Tagen standen wir allerdings morgens auch IN den Wolken und im Regen und beim Losfahren tasteten wir uns mit Schritt-geschwindigkeit um die Kurven...) .

Auch die Kleinstaedtdchen und Doerfer , an den Haengen klebend, weisen eine ganz spezielle Stimmung auf, die man kaum beschreiben kann. Besonders intensiv fand ich immer jene Orte, in denen gerade Markt war: Da sitzen dann die Indias auf dem Boden , meist um die Plaza herum, oder auch mal ganze Strassen entlang und vor ihnen liegen auf einem der bunten Tuecher die Waren - , Kokablaetter, Tomaten, Zwiebeln. Gurken, Kartoffeln aus der einen Hoehenstufe und bei anderen dann Mangos, Papayas, Bananen aus den Tiefen der Taeler - alles in den fruehesten Morgenstunden herangebracht, herbeigetragen mit der Hoffnung, etwas zu verdienen. Dumm ist halt, dass so viele Indias das Gleiche anbieten... Ich spaziere dann immer herum und kaufe bei jeder etwas anderes, damit der Gerechtigkeit genuege getan wird... Die ortsansaessigen Frauen, also die "Kleinstaedterinnen" bieten Broetchen und Fertigwaren wie Bonbons, farbige Popcornabarten im Plastikbeuteln, Tetrapaks mit Saeften oder auch mal Konserven an, die Maenner, die am Markt zu finden sind, verkaufen dann eher T-Shirts, Socken, Slips, Pullover, Jeans etc. oder Sonnenbrillen, CDs, und DVDs, Streichhoelzer und Batterien und Taschenlampen bis hin zu Kinderwagen oder Dreiraedern und Plastik-Maschienengewehren - Also :Alles ,was die normale Indiofamilie so braucht und will.

Da die die Yungas zerschneidenden Flusssysteme ueberwiegend in SW-NO-Richtung verlaufen, unserer Piste aber in umgekehrter Richtung, arbeiteten wir uns von einem Talsystem ueber die begrenzenden Hoehen in das weiter sued-westlich gelegene und damit auch gleichzeitig in den Bereich der oberen Taeler und der absoluten Hoehe hinauf. Hinter dem recht grossen Bergbauort Quime (v.a. Wolfram )auf 3500m schliesslich fuehrte uns eine enge, wolkenverhangene Schlucht hinauf auf die Passhoehe von 4750m und damit ueber die meisten Wolken hinaus. Von dem Pass schweifte der Blick nach Norden auf die Eisriesen der Cordillera Quimsa Cruz, die sich ueber die schneebedeckten Vulkane bei La Paz – Ilimani und Illampu- zur Cordillera Real am Titicacasee als Kette der richtig hohen Berge hinziehen: Aufgrund der Eiszeit bieten nur die Gipfel ueber 4700m ( die schauten damals ueber die Eismassen heraus und wurden daher nicht abgehobelt und abgerundet ) das fuer uns gewohnte und erwartet Bild der Schroff- und Steilheit eiens Hochgebirges – sonst ist alles abgerundet. Im Westen breitete sich die riesige Ebene des Altiplanos aus – und tatsaechlich entdeckten wir schon von hier aus den hoechsten Berg Bolivien, den Sajama, der direkt an der chilenischen Grenze aufragt – Entfernung vielleicht 200km Luftlinie ?! Der Altiplano machte sich auch gleich mit einem deutlich frischeren Wind bemerkbar – nicht mehr die Luft vom Amazonastiefland, sondern die vom sowieso kalten Pazifik, die dann mit der Hoehe noch mehr abkuehlt und auf dem Altiplano fuer naechtliche Temperaturen von unter Null Grad sorgt.

Jedoch blieben wir gar nicht lange auf dieser Hochebene: Da wir seit Caranavi kaum noch bolivianisches Geld besassen – und die offenbar monopolisiert in den Yungas agierende Prodem-Bank in den Orten dort nur bankeigene Karten akzeptiert, mussten wir nach Oruro, um dort endlich wieder fluessig werden zu koennen. Gleichzeitig war eigentlich auch ein groesserer Einkauf noetig und da Oruro nach La Paz/El Alto und Santa Cruz die 3. groesste bolivianische Stadt ist, erwartete ich, dort zumindestens einen richtigen Supermarkt zu finden.

Ja, ja, die Erwartungen... Nada, NichtsNiente, was nur entfernt an einen supermecado errinnern wuerde!! Da gibt es tatsaechlich eine Grossstadt mit 250 000 Einwohnern – und alle versorgen sich in den Minilaedchen, wo man nicht mal hineintreten kann, sondern in der Tuere, oft noch hinter einem huefthohen Gitter, stehen bleiben und seine Wuensche kundtun muss!!!! Wir konnten es gar nicht glauben und fuhren die Strassen rauf und runter , fanden aber tatsaechlich nichts!!! Erklaert werden kann das wohl nur durch mangelnde Kaufkraft, denn der Bezirk Oruro soll einer der aermsten Boliviens sein.

Ich war insbesondere auf der Suche nach Butter, und so stand ich denn in 27 Laedchen am Gitter und fragte, ob sie denn mantequilla haetten. Entweder wurde gleich der Kopf geschuettelt oder man nickte und gab mir Margarine, die auch im Spanischen "Margarina " heisst. Als ich dann meine:“ No, mantequiIlla de leche“! schauten mich die Verkaeufer/innen voellig verstaendnislos an – Butter aus Milch???? So was soll es geben??? ( Ok. Bei uns gab es ja auch die Unterscheidung zwischen Butter und „Guter Butter“ – aber ich denke, den meisten war bewusst, dass das eine aus Milch, das andere aus Pflanzenfett gemacht wird, oder?)

Also, unser geplanter Einkauf wurde zur Enttaeuschung und bewirkte auch in den naechsten Wochen ein recht eingeschraenkten Speisezettel – aber was bedeutet schon Hunger oder eher Appetit – wenn man durch wunderschoene Landschaften faehrt?!

Wir bogen naemlich wieder in die Cordillere ab, die jetzt hier, oestlich und suedlich von Oruro deutlich breiter ist, d.h. aus mehreren Bergketten hintereinander besteht, als zwischen La Paz und Oruro, wo die Yungas wirklich auf engem Raum vom Andenhauptkamm hinunter ins Tiefland ueberleiten.

Hier ist dann die Region der „Valles“: zitert nach einem Reisefuehrer: „ Taeler“ist eine kulturregionale Bezeichnung der Anden-Zwischentaeler“.Und hier entdeckten wir schon wieder eine voellig neue, unbekannte Landschaft!!

Statt der tief eingeschnittenen ,engen und fruchtbaren Taeler der Yungas ist dies die Region von breiten, flachen Taelern, in denen die hindurchfliessenden Fluesse Landwirtschaft im Talgrund ermoeglichen, die Berghaenge aber ueberwiegend nur durch Weidetiere genutzt werden koennen, Schafe, Kuehe, Esel und Pferde und endlich auch die von mir so gerne gesehenen Kleinkamele der Anden, also Lamas und Alpacas. Auch hier liegen durchaus eine Menge Kleinstaedte und grosse Doerfer und es gibt eine grosse Anzahl von Mineneorten: So z.B. Llallagua, der groesste Minenkomplex Boliviens mit den Minen Cancanari und SiegloXX, der wohl beruehmtesten Zinnmine der Welt. Llallagua hatte in der ersten Haelfte des 20.Jh den gleichen Klang wie Potosi 17.Jh. und ist ein Synonym fuer die bolivianische Geschichte des 20.Jh. Die Protagonisten waren ein Berg voller Zinn, der Unternehmer Simon I.Patino und die bolivianische Arbeiterbewegung.

Hintergrundwissen:

Bolivien war einst der weltgroesste Produzent von Zinn, dem teuersten Halbedelmetall aus dem Weissblech gepresst wird. In den 20er Jahren lag der Exportanteil aus bolivian. Zinnerloesen bei etwa 70%!! Nur ein kleiner Teil floss in die Staatskassen, den groessten Batzen bekam Simon Patino. Sein Unternehmen beschaeftigte Tausende von Arbeitnehmern, die Arbeitsbedingungen waren unmenschlich, die Lebenserwartung der Bergleute lag bei 35 Jahren, sie starben reihenweise an Silikose, Tuberkulose und Unfaellen.

Llallagua wurde zum Geburtsort der Gewerkschaftsbewegung, hier entstand die Arbeiteravangarde von Suedamerika. Immer wieder kam es zu Massakern, wenn der Zinnbaron das Militaer nach Llallagua beorderte, um den Forderungen der Arbeiter nicht nach kommen zu muessen. Doch schliesslich erkaempften sie den 8-Stunden-Tag.

40 000 Mineros waren das entscheidende Potential fuer die Revolution von 1952, auf ihren Druck hin wurden die Minen verstaatlicht. Bis in die 80er Jahre war Llallagua der politische Gradmesser Boliviens und weiterhin der Ort blutiger Auseinandersetzungen zwischen den Militaers und den Arbeitern: Wer in Llallagua das Sagen hatte, regierte im Land. Mit der Aufloesung der staatlichen Minengesellschaft COMIBOL wurden 1985 28 000 Minenarbeiter entlassen, die schlagkraeftigste Gewerkschaft Suedamerikas zerbrach.

Aber noch immer arbeiten die Minen in dieser Region und bieten damit vielen Brot und Arbeit. Tatsaechlich haben wir hier entdeckt, dass das Warenangebot in den Minenorten sehr viel groesser und besser als in all den anderen Kleinstaedtchen und Doerfern ist ( Auch Butter, Gute Butter!! zu bekommen, ist kein Problem...), wir denken, dass gerade unter der Regierung von Evo Morales auch die Löhne und Arbeitsbedingungen fuer die Mineros – Indios vom Stamm der Aymara wie Evo auch – verbessert worden sind.

Es gibt allerdings ein grosses Problem: Noch ist die Verkehrsinfrastruktur in den Yungas und Valles und auch auf dem Altiplano selbst recht mittelmaessig ( s. weiter unten zu den sichtbaren Veraenderungen in Bolivien seit Morales ): Die Minenorte sind nur ueber schmale, kurvige und ueber –zig Paesse fuehrende mehr oder weniger wetterfeste Pisten zu erreichen. Abgesehen davon, dass der Kapitaleinsatz in den Minen eher klein ist und die menschliche Arbeitskraft im Mittelpunkt der Produktion steht, ist der Transport von notwenigen Maschinen zu den Minen und der Abtransport der gefoerderten Produkte recht umstaendlich und zeitaufwendig. Das erschwert die internationale Wettbewerbsfaehigkeit natuerlich!!

Einziger Ausweg: Moeglichst billig zu produzieren, also eben arbeitintensiv bei den normalen eher niedrigen Löhnen und Verzicht von jeglichem „Klimbim“ – und das heisst insbesondere:
Keinerlei umweltschonende Investitionen!!! Weder bezueglich der Abwaesser noch der Abgase, des Staubanfalls, der Entsorgung von alten Maschinen oder Altoel –Absolut Nada!!

Ob die Produktion deswegen noch rentabel ist, wissen wir allerdings nicht, aber die Auswirkungen sind schlimm! Natuerlich ist der Schutz der Umwelt erst dann Thema auch fuer die Menschen, die da leben, wenn deren Grundbeduerfnisse gesichert sind ( in Deutschland ist der Umweltschutz erst seit einigen Jahrzehnten ueberhaupt ein politisches Thema, in meiner Jugend war z.B. die Ruhr eine Kloake ), aber fuer uns ist es einfach nicht nachvollziehbar, dass den Menschen dieser Dreck nicht negativ auffaellt.

Extremes Beispiel: Wir fahren ein langes gewundenes und recht enges Tal hoch, dessen Fluss aber nur in der Regenzeit Wasser zu fuehren scheint und das gesamte Flussbett ist voll mit Plastikabfall: Tueten, Flaschen, kaputte Oelkanister, und was es noch an Plastikprodukten gibt - alles liegt um die Felsen herum gewickelt da, von den Bewohnern des Minenortes am oberen Talende in das Flussbett dort geworfen und mit dem letzten Regen das Tal hinunter geschwemmt und der Dreck von dieser Trockenzeit kommt beim naechsten Regen dazu!!!

Es war einfach entsetzlich!

Abgesehen von den Minenorten gibt es in den Valles aber genug idyllische rein agrarisch gepraegte Staedtchen und Doerfer, um insgesamt einen sehr positiven Eindruck von dieser Landschaft zu erhalten. Und auch kulturgeographisch-ethnische Beobachtungen konnte ich vielerorts gut machen: In der von den Inkas gepraegten ( Vielleicht aber auch schon vor-inkaisch )Anden gibt es das System der Ayllus, das sind Dorf-/Stammesgesellschaften, die die verschiedenen Hoehenstufen der Anden produktionstechnisch so nutzen, dass bestimmte Teile der Gesellschaft in den verschiedenen Hoehenstufen zumindestens saisonal leben und dort die jeweiligen Produkte anbauen und ernten, die dann aber der Gesamtheit eines Ayllus zur Verfuegung stehen: Von den waermeliebenden Fruechten in niedrigen Hoehen ueber die Stufe des Getreide und Gemueseanbaus zu der der Kartoffeln, Gerste, Quinoa etc. bis hinauf in die Almregionen fuer Lamas, Kuehe, Schafe und Esel. In allen Hoehenlagen stehen dann Haeuser, oft sogar eine kleine Kapelle oder Kirche (denn die Indios sind offenbar sehr religioes ), aber diese sind – bis auf den Hauptort – nur von wenigen gerade bewohnt, so denn nicht gerade hier die landwirtschaftlichen Arbeiten zu erledigen sind.

Doch schliesslich kamen wir bei Potosi wieder aus dem eigentlichen Bereich der Valles hinaus. Naechstes Ziel war Uyuni mit dem wunderbaren Salar. Die Strecke von Potosi nach Uyuni waren 2006 gefahren und hatten sie in wunderbarer Errinnerung.

Doch – oh Graus – diese Piste durch herrliche Gebirgslandschaft ist z.Z eine einzige Strassenbaustelle und damit einfach nur HAESSLICH. Ich war richtig frustriert, hatte aber gleichzeitig deswegen ein schlechtes Gewissen. Denn, was uns als Pistenliebhaber, gar nicht lieb und recht ist, ist ein deutliches Zeichen, dass seit Evo Morales Amtsantritt tatsaechlich ein anderer Wind in Bolivien weht:
Ueberall wird maechtig investiert , in die Verkehrsinfrastruktur ( Pisten werden verbessert, ausgebaut , breite Schneisen in der Landschaft zeigen, dass die Pisten zu Asphaltstrassen werden, oder schon asfaltiert sind ), in die Verbreitung von Elektrizitaet in allen Landesteilen, in Schulen ,Krankenhaeuser, Sportstaetten und vieles mehr: Es scheint, als wolle Evo in seiner Amtszeit alles aufholen, was die vorherigen Regierungen in 50 Jahren versaeumt haben oder zumindestens so viele Projekte so weit vorantreiben , dass selbst bei einer Wahlniederlage die naechste Regierung gezwungen ist, diese Projekte fertigzustellen. Dementsprechend steht auch ueberall in den Orten der Wahlspruch „EVO CUMPLE“an den Waenden, wobei „cunplir“ mit „erfuellen ,ausfuehren“ zu uebersetzen ist ( Ich dachte erst ,es hieße „Kumpel Evo“...), also scheint das so viel zu heissen ,wie „Evo – erfuell deine Pflicht, tu, was du versprochen hast!!!“

Zum Glueck ist zur Zeit aber der eigentliche Salar de Uyuni, diese wunderschoene schneeweisse glatte Salzflaeche noch unberuehrt von den in Zukunft vermutlich nicht zu vermeidenden industriellen Veraenderungen: In den Salaren, und v.a. in dem von Uyuni, liegen die weltgroessten Vorraete an Lithium. Und das wird z.B. fuer Elektromotoren – als zukuenftige Alternative zu den Verbrennungsmotoren – in gewaltigen Ausmass benoetigt. Am Suedende des Salars de Uyuni hat Evo auch schon eine Pilotanlage zur Extraktion eingeweiht... Und am chilenischen Salar de Atacama wird bereits Lithium gewonnen – Also : Es ist abzusehen, dass in baldiger Zukunft der schoene Salar in Teilen zur Industrielandschaft mutieren muss!!

Jetzt aber haben wir nach einigen Tagen in Uyuni selbst, noch einmal die Schoenheit des Salars und der Isla Inkahuasi mit den uralten Riesenkakteen auf Korallengestein, das basaltisches Grundmaterial umschliesst, genossen: Dieser Salar und die Isla gehoeren zu jenen Orten auf der Erde, die wir auch beim soundsovielsten Besuch immer wieder wunderschoen finden!!!.

Doch schliesslich verabschiedeten wir uns auch davon und fuhren eine halb neue, halb bekannte Strecke ueber den Altiplano. Es war eine wirklich abenteuerliche 300km lange Fahrt enlang zweier Salzsalare mit mehr als nur einem Hauch von frueher erlebtem Saharafeeling: sandige Pisten, oft nur als duenne Spuren erkennbar, Orientierungsprobleme, Sandstuerme und das Ganze in der grandiosen verkehrslosen Weite des Altiplano. Schliesslich reisten wir an einem bislang von uns noch nicht benutzten Grenzuebergang nach Chile ein: Mercedes in Calama war das naechste Ziel, denn unser treuer LKW hat sich nach den vielen Kilometern auf guten, schlechten und sehr schlechten Pisten ein bisschen Aufmerksamkeit und Ersatzteile verdient!!

Eher durch Zufall entdeckten wir eine ganz neue, in keiner unserer Karten auch nur als projektiert stehende Piste von diesem Grenzuebergang nach Sueden ( d.h. parallel zur Panamericana im chilenischen Laengstals, die wir nur dann fahren, wenn es keine anderer Alternative gibt). Und hier erreichten wir den bislang hoechsten Punkt unserer diesjaehrigen Fahrt: Einen Andenpass mit 5045m Hoehe!!!!! Und wenn man mit Motorkraft schon so hoch hinaus gekommen ist – dann koennen einem ja die Muskeln und das Herz-Kreislauf-System auch noch ein bisschen hoeher tragen...

Genau wissen wir es zwar nicht, aber wir denken, dass wir tatsaechlich – mehr oder weniger keuchend und langsam – bis auf eine Hoehe von 5200m hinaufgewandert sind!!!!

Und damit bin ich am Ende dieses Reiseberichtes – „Von 160 auf 5200m“ angelangt, denn „Von nun an ging´s bergab“, wie schon Hildegard Knef irgendwann mal sang!

Die ersten beiden von 3 Filmen zum Reisebericht sind fertig und Download-bereit, natuerlich wieder nur fuer Leute mit schnellem Internet:

Teil 1 (380 MB Dauer 25 Minuten)
Teil 2 (420 MB Dauer 29 Minuten)

Es sind ein paar spektakulaere Szenen dabei nach dem Motto: "schwitzend immer haarscharf am Abgrund lang..... Damit die Dateien nicht zu riesig werden, muss das Format leider etwas reduziert bleiben (640*480)

Film1

Film2

Verfasst: 20.02.2010 01:01
von tibesti
Hallo aus Bahia/Brasilien.

Kinder, was die Zeit vergeht! Da reist man mal so eben ein bisserl herum und schon rast einem die Zeit nur so davon. So ist inzwischen ja eine ziemlich lange Zeit iohne eine Aktualisierung der Reiseberichterstattung ins Land gegangen, was keinesfall heissen soll, das wir nur tatenlos herumgehangen haetten, ganz im Gegenteil. Ich nenn diese Auszeit einfach mal kreative Pause, man kann auch Schreibfaulheit dazu sagen oder schlicht die Feststellung treffen, dass es nach über 3 Jahren, in Südamerika kaum noch wirklich neue aufregende Dinge zu schreiben gibt, will man sich nicht ständig wiederholen. Der Kilometerstand unseren Reisefahrzeugs zeigt inzwischen für Südamerika stolze 140.000 gefahrene Kilometer an, die Liste der „weißen“ Punkte auf unserer geografischen Reiselandkarte, die von uns „entdeckt“ werden wollen, wird kürzer und kürzer. Während manche Gebiete uns inzwischen fast zur 2. Heimat geworden sind, so intensiv haben wir sie erkundet und uns mit ihnen auch vom Hintergrundwissen in politisch-ökonomischer und kultureller Sicht her beschäftigt, bleiben einige wenige Regionen weiterhin unentdeckt:
Zu den erstgenannten Ländern/Regionen zählen neben Uruguay, dem paraguayische Chaco, Bolivien, Nordchile und Teilen von Peru vor allem das riesige Brasilien, in die andere Kategorie fallen die 3 Guayanas und einige Teile von Chile. Während es bei den 3 Guayanas im nördlichen Südamerika vor allem an der abgelegenen und nur teuer und aufwendig zu erreichenden Lage liegt, die sich nur schwer vernünftig in eine Rundfahrt integrieren lässt, liegt es in den Gebieten des mittleren Chile südlich von der Hauptstadt Santiago eher daran, dass wir diese Region sowohl klimatisch als auch kulturell wenig aufregend und spannend finden.

Die Reiseroute des 4. Reisejahres

Reiseroute


Doch nun zum Reisetagebuch:


Hier bleibt am Anfang zum Abschluss unserer Bolivienreise nur der Hinweis, dass auch der 3. und letzte Teil dieser abenteuerlichen Reise filmisch aufgearbeitet und online abrufbar ist. Diese ganze Filmerei fand ja mit einer stinknormalen Fotokamera statt; wobei der Zweck dieser ganzen Uebung fuer mich persoenlich darin bestand, herauszufinden, ob ich dem mir bis dahin unbekannten Medium Filmerei zukenftig etwas abgewinnen kann. Obwohl die Erfahrung insgesamt durchaus reizvoll war, muss ich im Nachhinein ganz klar sagen, mit etwas Anspruch wird der Aufwand zur Erzielung praesentierbarer Ergebnisse einfach viel zu gross. Selbst mit der MinFilm-Funktion des Fotoapparates entstehen bei bescheidener Qualitaet bereits riesige Datenmengen, bei der Aufarbeitung in Form von Selektion, Schnitt und Vertonung geht anschliessend eine Unmenge an Zeit drauf. So hab ich fuer die Erstellung der 3 Filmchen wochenlang halbe Naechte zugebracht und mich manchmal schon gefragt, wozu der ganze Aufwand eigentlich nuetzlich sein soll. Wir sind schliesslich keine Reisejournalisten und haben auch keinerlei publizistische Ambitionen und gerade als Dauerreisende stellt sich uns bereits in Bezug auf die 1000ende von gemachten Fotos die Frage, wer die eigentlich jemals alle anschauen soll.
Also bleibt das Ganze fuer die Zukunft eine nette Erfahrung, mehr aber auch nicht. Vollstaendigkeitshalber nenn ich hier den Link zum 3. Teil des Bolvienfilms, der aufgrund einer hoeher gewaehlten Aufloesung bei etwas ueber 30 Minuten Laenge auf immerhin 600 MB Datenmenge kommt. Also ganz klar nur was fuer schnelle Internetverbindungen und wirklich Interessierte. Die Anderen ueberspringen diesen Punkt einfach:
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Bolivienfilm-Teil3
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Nordchile

Im Reisetagebuch nimmt nach Abschluss unserer Bolivienreise ein Kapitel einen wesentlichen Raum ein, das sich am besten mit der Überschrift: Das Reparaturfiasko – oder auch Endlose Tage bei Mercedes in Chile betiteln lässt . Da wir zum einen ein immer schlimmer werdendes Problem mit unseren Bremsen haben (sporadischer Komplettausfall) und wir zudem eine weitere lange Liste zu erledigender Reparatur/Servicearbeiten angehäuft haben, beschließen wir, die Gunst unseres geografischen Standorts zu nutzen und nach unserer Ausreise aus Bolivien in Nordchile eine Mercedes-Vertretung anzusteuern, gelten die Chilenen, was Arbeitsqualität und –moral angeht, doch immerhin als die „Deutschen Südamerikas“. Diese Entscheidung entpuppt sich im Nachhinein als schwerwiegender Fehler – und dabei hätten wir ja vorgewarnt sein müssen, denn so dolle waren unsere bisherigen Erfahrungen mit KAUFMANN Chile (eine einzige Familie besitzt hier das Mercedes-Monopol ) 2 Jahre zuvor ja nun wahrhaftig nicht. Annähernd 3 Wochen hängen wir in den nordchilenischen Städten Calama und Iquique in den ortansässigen Werkstätten herum bzw. müssen vorübergehend ins Hotel umziehen. Die örtlichen Mechaniker gleich von 2 Werkstätten sind nicht in der Lage, unser Bremsproblem zu lösen: es fehlt der Vorführeffekt, denn die Bremse fällt ja nicht ständig aus und hier vor Ort natürlich schon mal gar nicht. Und eine Diagnose lediglich aufgrund einen detailgenauen Beschreibung des Problems zu fällen, das ist ganz offensichtlich überhaupt nicht das „Ding“ dieser Leute. Denn dazu muss man ja analytisch, systematisch und logisch denken. So gelingt es mir erst nach mehreren Tagen, einigen Fehldiagnosen und einem mühsamen Telefonat mit einem kompetenten Menschen in Deutschland, die chilenischen Jungs auf die „Spur“ des Problems zu bringen, den Hauptbremszylinder. Dann gibt es natürlich keine Ersatzteile, weder in Chile und überraschenderweise auch nicht auf Lager bei Mercedes in Deutschland. Ein fast baugleicher Hauptbremszylinder des älteren Rundhauber-Modells 911 ist zwar vorrätig und auf Lager, doch bis er dann endlich eingebaut ist, vergehen weitere endlose Tage, weil niemand die Verantwortung für diese Modifikation am Fahrzeug übernehmen. Neben der Bremsgeschichte fallen noch einige andere Arbeiten an, die Folgen haben: Ein Radlager soll nachgestellt werden mit dem Ergebnis, dass mir 2000 km weiter fast das Rad abfällt, weil ein Sicherungsring für die Radlagereinstellmuttern nicht korrekt eingebaut wurde; die Ölwanne muss neu abgedichtet werden- Ergebnis: ein paar Wochen später tropft es aus der neuen Dichtung mehr als jemals zuvor, beim Nachziehen der an die 20 Befestigungsschrauben muss ich feststellen, dass 2 Schrauben komplett fehlen und ich 8 weitere mit der Hand drehen kann, so lose sind sie...Ach ja und schliesslich muss die Zentrierung der Hinterachse überprüft werden: Hierzu müssen die beiden hinteren Blattfedernpakete rechts und links von der Hinterachse gelöst werden. Statt das Fahrzeug am Rahmen aufzubocken, um die Federn komplett zu entlasten/auszuhebeln um sie von der Hinterachse lösen zu können, setzt der ahnungslose Dilettant den Wagenheber unter der Hinterachse an, was natürlich völliger Blödsinn ist – Ich krieg einen Koller und werde beim Werkstattchef vorstellig, woraufhin dieser die Arbeiten schliesslich persönlich überwacht.. Bis das ganze Arbeitsdrama mit den Federn endlich zum Abschluss gebracht ist, gehen Stunden ins Land. Es ist alles zusammen eine schockierend-frustierende Erfahrung, die einen nach Wochen letztlich in einem kaum zu lösenden Konflikt treibt: Jetzt haben wir den Salat, denn die deutlich entspanntere und lockerere Lebensweise der Südamerikaner, die wir im Verhältnis zu uns „verbissenenen“ Europäern ja als so angenehm empfinden, geht leider „seeehr“ stark zu Lasten der Arbeitszuverlässigkeit und –Qualität. Unsere eigenen Erfahrungen im Ernstfall bekommen wir von schon lange in Südamerika lebenden Europäern immer wieder bestätigt. Beides gleichzeitig zu bekommen, die deutsche Gründlichkeit und die südamerikanische Lässigkeit, ist ganz offenbar ein unerfüllbarer Wunschtraum, der einen im Ernstfall in den Wahnsinn treiben kann....

Doch zurück zu erfreulicheren Dingen. Die ungeplante Dauer unseres Werkstattaufenthaltes hat alle möglichen denkbaren Routenvarianten (Ekuador, Kolumbien, Venezuela) aus klimatischen Gründen (einsetzende Regenzeit) erledigt. So konzentrieren wir uns auf die Region Nordchile und südliches Peru, wo wir mit dem Besuch des abgelegenen und nur mühsam zu erreichenden Cotuahasi-Canyons (eine der tiefsten Schluchten dieser Erde) eines der "Highlights“ in Peru anpeilen.
Bei der Fahrt vom bolivianischen Hochland der Anden, dem Altiplano, in Richtung chilenischer Pazifikküste, fällt einem sofort die sonderbare Geographie dieser Region auf, wo die Natur auf der kurzen Distanz von etwa 200 Kilometern einen der extremstem Höhenunterschiede dieser Erde geschaffen hat, wenn man die Tiefen des Meeresbodens mit einbezieht. So sind es von den höchsten Andengipfeln der westlichen Cordillere mit etwa 6500 Metern bis zum tiefsten Punkt des Atacamagrabens am Boden des Pazifik unmittelbar vor der chilenischen Küste mit minus 8000 Metern gute 14 Kilometer (14.000 Meter) Höhendifferenz. Nirgends sonst gibt es auf der Erde so atemberaubende Höhendifferenzen im Vertikalprofil!!!!

Schaut man sich ein Querprofil der nordchilenischen Landschaft an, so lässt sich die Region sehr schön in mehrere geografische Teilzonen untegliedern. Zur optischen Veranschaulichung war ich mal kreativ und hab folgendes Schaubild erstellt:

Bild

Das eigentliche mehr oder minder flache etwa 3500 Meter hohe Hochland der Anden (der Altiplano) wird in Richtung Pazifik von der westlichen Andenkordillere mit einer durchschnittlichen Höhe von 5000 Metern begrenzt. Von dieser westlichsten Andenkette, auf die eine ganze Kette über 6000 m hoher Vulkane quasi aufgesetzt ist, fällt die Region auf ca. 80-100km Breite in Form einer gewaltigen schiefen Ebene zunächst zum grossen chilenischen Längstal mit einer Höhe von 1000 bis 1300 Metern hin ab. Diese "schiefe Ebene" ist direkt an den Anden noch recht steil und mit Felstruemmern uebersaet, wird dann aber zum Chilenischen Laengstal/-graben immer flacher und im Graben selbst ist es eine ziemliche Waagerechte. Von da steigt das Gelaende - wieder als schiefe Flaeche ausgebildet - noch mal zur Kuestenkordillere ( ca. 1500m) hin an bevor es tatsaechlich als steile Wand in den Pazifik stürzt und – für das Auge unsichtbar – unmittelbar vor der Küste im Atacamagraben 8000 Meter Tiefe erreicht.
Klimatisch befinden wir uns hier in einer der extremsten Zonen der Erde: der Atacama-Wüste. An einigen Stellen der Atacama wurde seit Beginn der Klimaaufzeichnungen noch nie Regen verzeichnet, an anderen Stellen fallen kümmerliche 20 mm Regen im Jahr (zum Vergleich Deutschland 750 mm/Jahr). Dementsprechend „abwechslungsreich“ - im ironischen Sinne gemeint – ist die Landschaft: Auf weite Strecken absolut keine noch so kleinste Pflanze - sondern: eine aufgeworfene Oberflaeche versalzener Bodenteile oder einfach nur mehliger Feinstaub. Der hat meist eine eher graue Farbe , was die Trostlosigkeit verstaerkt , und wird durch den Wind, von den die hier arbeitenden Salpeter-Abbau-Maschinen oder sonstigen KFZs, die sich auf Pisten durch diese Landschaft bewegen, in die Luft gewirbelt . Dadurch liegt ueber der ganzen Region oft eine trübe Athmosphäre ,d.h. man kann die in der Ferne sich erhebenden Bergriesen nur schemenhaft erahnen. Wer jemals in der Sahara gewesen ist mit seiner Vielfalt an Farben und Formen, wird in der Atacama bis auf wenige punktuelle Ausnahmen (wie die atemberaubend schöne Umgebung der Wüstenoase Pedro de Atacama) eine schockierende Erfahrung machen. Auf Hunderten von Kilometern fährt man durch eine absolut nichtssagende, trostlose flache und staubige Gegend - sozusagen eine völlig nutzlose langweilige Landschaft. Wenn, ja wenn eben nicht hier die Salpeterlagestaetten und andere enorme Bodenschaetze diese Region wiederum zu einer Schatzkammer gemacht hätten bzw. noch immer machen. Und so ist diese Landschaft auch keineswegs nur leer, sondern immer wieder durchsetzt von den Abbaustätten großer Bergbaugesellschaften.

Hier gibt es einen kurzen Eindruck von der Fahrt durch dieAtacama-Wueste im grossen chilenischen Laengstal (2 MB- 20 sec):
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Atacamawueste
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Hat man Andenabwärts nach endlos staubiger Fahrt (sofern man auf Pisten unterwegs ist ) endlich das große chilenische Längstal erreicht, durch das in Nord-Süd-Richtung auch der große interamerikaischen Highway, die PanAmericana, führt und quert anschliessend die Küstenkordillere auf dem Weg zum Pazifik, kann man ein weiteres interessantes Phänomen beobachten, welches die alten Erkenntnisse aus dem Erdkundeunterricht auf den Kopf stellt:
In dem chilenischen Längsgraben ist es auf einer durchschnittlichen Höhe von etwa 1000 Metern recht heiß, die Sonne brennt durch die trübe Luft und keine Pflanzen - Schatten...- mindern die Aufheizung des Bodens. Nach wochenlangem Aufenthalt in der grossen Höhe der Anden geniest man endlich mal wieder sommerliche Wohlfühltemperaturen. Doch wie gewonnen, so zerronnen.... Der weitere Weg zum Pazifik ist kurz und so wird es, obwohl es weiter abwärts geht in Richtung Pazifik auf einmal von km zu km wieder kuehler: Es geht ganz plötzlich- nach vielleicht einem Kilometer haben wir statt 28 Grad auf einmal nur noch 17 Grad. Man hat eine Stelle passiert, wo die Küstenkordillere sehr niedrig ist und über diesen "Pass" dringt die kalte Luft vom Pazifik nach Osten vor und führt zu dieser drastischen Temperaturabsenkung.
Hat man frueher in der Schule und dann auch durch Erfahrung gelernt ,dass es waermer wird, je tiefer man kommt, findet man hier an der Pazifikkueste das Gegenteil: Je weiter man sich dem Meeresspiegel des Pazifik nähert, umso frischer und kühler wird es und schließlich taucht man durch den Küstennebel hinab in die oft nebel- oder wolkenverhangene Welt jener Städte und kleinen Orte, die sich auf der auf der schmalen Küstenplattform zwischen Meer und Gebirge drängen.
Dieses ganze Temperaturphänomen ist die Folge einer kalten Meeresströmung, des Humboldt-Stroms, der in der Summe seiner Effekte an dieser Stelle dafür verantwortlich ist, dass sich alle Klischeebilder, die man im Kopf mit dem Wort Pazifik verbindet, sehr schnell in Luft auflösen: Statt Sonne und Wärme pur und einem Sandstrand unter Palmen erwartet den Besucher eine teilweise zwar sehr spektakuläre, aber zugleich schroffe und felsige Küstenwüstenlandschaft. Und die kalte Meeresströmung mit seinen kühlen Wassertemperaturen sorgt neben dem häufig sich kaum auflösenden Küstennebel sehr schnell dafür, dass Gedanken an einen schönen Strandurlaub sehr schnell wieder beerdigt werden. Die Gefahr eines Sonnenbrandes ist gering, die einer Erkältung dagegen groß, wenn man nach dem Bad, so man sich dazu ueberwunden hat, keine trockenen Sachen anzieht. Tatsächlich haben wir in Iquique und Arica, wo wir uns jeweils längere Zeit aufhielten, immer viele Chilenen am Strand campen und fischen gesehen- aber nur wenige badend im Wasser ( allerdings verdienen sich auch viele ihr Geld mit den Tauchen nach Seeigeln oder Tang etc., die haben dann aber Neoprenanzuege an - genauso wie die "hartgesottenen " Surfer ). Ja und dann gibt es noch das alles überragende K.O.-Kriterium für einen wunderschönen Strandurlaub: die Chilenen und der Müll, eine untrennbare Symbiose.....Chilenische Wochenend-Camper, die es durchaus zahlreich gibt und die mit ihren Wohnmobilen Marke Eigenbau oder auch mit ihrer Camping-Zeltkultur irgendwie an Filme aus der untergegangenen DDR oder dem Ostblock erinnern, sind gegenüber Abfall und Müll absolut blind, was sie befähigt, am Wochenende zwischen ihrem Abfall der letzten Wochenenden, sowie den angeschwemmten Plastikteilen unbekannter Herkunft , in aller Seelenruhe ihr Zelt und die Grillutensilien aufzubauen und den jetzt wieder anfallenden Abfall neben sich zu werfen. Glaubt man aus der Entfernung einen romantischen Stellplatz direkt am felsigen Ufer mit seiner oft atemberaubenden Brandung entdeckt zu haben, so kann man mit Sicherheit davon ausgehen, dass man in einer großen Müllhalde landet, die viele Besucher vorher hinterlassen haben.

Nach so viel Negativem muß man ausgleichend ja nun wohl auch mal etwas Positives über Land und Leute schreiben. Kommen wir also zu einem gänzlich anderen Thema, was da lautet: chilenische Autofahrer und Fußgänger:
Zu den schlimmsten Vergehen eines Autofahrers in Chile gehören deutlich sichtbar: a) bei einem Stopp-Schild nicht wirklich richtig und für mehrere Sekunden anzuhalten ( egal wie unsinnig das Stoppschild da ist, weil man z.B Kilometer weit sehen kann, ob ein KFZ kommt oder an einem längst stillgelegten Bahnübergang, wo höchstens eine Windboe kommt...) und b) dem Fussgaenger nicht absoluten „Vorgang“ (statt Vorfahrt...) zu geben!!!
Für uns ist es total ungewohnt, dass man in chilenischen Orten quasi blind und rücksichtlos auf eine Strasse treten kann - die PKWs halten, ja sie halten schon an, wenn sie teilweise noch 10m von einem entfernt sind!! Und am Ortseingang findet man auch häufig diesbezügliche Hinweisschilder, nach der Art: XY ist ein Ort, wo wir den Fußgänger respektieren!!
Vielleicht ist es in der Hauptstadt Santiago oder anderen südlichen Großstädten etwas anders, wo das Leben und Arbeiten wohl doch etwas mehr dem europäischen Tempo entspricht ( dann vielleicht sogar bei Kaufmann-Mercedes?! ), aber da waren wir ja noch nicht.
Fuer Chilenen, die an dieses Verhalten der Autofahrer gewöhnt sind, ist es dann allerdings eher lebensgefährlich, ins Nachbarland nach Peru zu reisen . Denn da gelten dem Fussgänger gegenüber ganz anderer Regeln, eher nach dem Motto: "Fussgänger?? Kenn ich nicht, seh ich nicht, respektier ich nicht!" In dieser Hinsicht sind die Peruaner ganz eng mit den Iranern verwandt - auch da gleicht das Überqueren einer Strasse einem gefährlichen Slalomlauf mit abrupten Stopps!! Auf jeden Fall ist diese Rücksichtnahme im Straßenverkehr phänomenal und dem ausländischen Besucher stellt sich automatisch die Frage, wie man es geschafft hat, die Mehrheit der auch hier in der Regel testosterongesteuerten männlichen Verkehrsteilnehmer, dermaßen – im positiven Sinne –umzuerziehen.

Aus touristischer Sicht liegen die Höhepunkte Nordchiles - abgesehen von den Hochlagen der Anden - eindeutig im Küstenbereich, wo der Steilabbruch der Küstenkordillere oft beindruckende Bilder einer schroffen und wilden Küstenlandschaft bietet. Von Süden kommend bietet die schmale Küstenplattform bis zur Hafenstadt Iquique zunächst noch schmalen Raum für einige Ansiedlungen direkt am Meer. Beeindruckend etwa ist der Blick aus fast 1000m Höhe auf die Großstadt Iquique. Eingequetscht zwischen Meer und Steilabfall bietet sich der Stadt nur wenig Platz zur räumlichen Entfaltung. Weiter nördlich verschwindet dann auch diese schmale Küstenplattform und die Kordillere stürzt auf einer Länge von 400 Kilometern unmittelbar ins Meer und verhindert jede Verkehrserschließung. Hier, an dieser wilden und unzugänglichen Küste liegt auf halbem Weg zwischen den Städten Iquique und Arica der kleine ,aber geschichtstraechtige Ort Pisagua, in dem es schon lange vor ihrem großen Showdown zur ersten denkwürdigen Begegnung zweier Personen der chilenischen Zeitgeschichte kam: den späteren Machthabern/Präsidenten General Pinochet und Salvador Allende.
Im 19.Jh war Pisagua ein wichtiger Salpeterhafen und die Gleise der damaligen Eisenbahnstrecke von den Salpertofficinas im chilenischen Längstal zum ehemaligen Hafen begleiten heute die Stichstrasse von der Panamericana an die Küste, die sogar seit einigen Jahren asfaltiert ist.
Diese Strasse fuehrt ueber die Kuestenkordillere und stoesst in ca. 700-800m ueber dem kleinen Ort auf die Kueste: Den sehr steilen, kahlen und glatten Hang hinunter ueberwindet die Strasse in einer in den Berg gefraesten langen Schleife. Dem Reisenden bietet sich von oben ein atemberaubender Blick auf den Ort und die wilde Umgebung.

Aus der glorreichen Salpeterzeit gibt es noch einige alte Gebaeude, die den damaligen Wohlstand symbolisierten: ein putziger Glockenturm etwas ueber dem schmalen Kuestenstreifen, ein grosses Theater und ein inzwischen ziemlich zerfallenes grosses Krankenhaus sowie einige alte Stadtpalaeste. Aber selbst die wenigen renovierten Villen machen heute einen trostlosen Eindruck – die Zeit scheint stillzustehen. Man spürt die Armut der hier lebenden wenigen Menschen auf Schritt und Tritt. Etwa 200 Personen oder 30 Familien versuchen hier, scheinbar vergessen von der restlichen Gesellschaft, ihr Auskommen als Fischer zu finden.
Zwar ist die Frontseite mancher Häuser bunt gestrichen, die Fenstereinfassungen farblich abgesetzt, die Fensterscheiben heil. Doch von der Seite sieht man den Verfall der Holzkonstruktion: Die Farbe ist abgeblaettert, die Bretter morsch oder kaputt oder fehlen ganz, das Dach wuerde einem Regen ( zum Glueck regnet es in der Atacama ja so gut wie nie...) keinen Widerstand entgegensetzen koennen, die Fenster sind zugenagelt. Noch schlimmer sehen einige der grossen Villen aus, denn hier waechst hinter der morschen Fassade das Gebuesch oder- falls die Eingangstuer nicht abgeschlossen,zugenagert ist - liegt der Abfall der letzten Jahrzehnte.
Vermutlich hat dieser kleine Ort absolut kein Geld, um die Relikte der grossen Vergangenheit zu erhalten.
Die Zeugnisse der nicht ganz so lange zurueckliegenden schrecklichen Historie sind dagegen dem Anschein eher mit Absicht geschleift worden, den man sieht nur noch steinerne Mauerreste und Grundplatten: Nach Ende des Salpeterbooms wurde der gesamte Ort in eine Gefangenenkolonie umgewandelt – die abgeschiedene Lage an der unzugaenglichen Kueste und wohl gerade auch dieser steile, glatte ,keinerlei Deckung fuer potentielle Fluechtende bietende Berghang ueber dem Ort praedestinierte Pisagua geradezu dafuer. Zuletzt war Pisagua ein Gefangenenlager fuer politische Gegner unter General Pinochet, wobei es eine besonderer Brisant hatte, dass sich hier Pinochet und Allende schon einmal – lange vor dem „endgültigen Showdown“ am 11.9.1973 – gegenueberstanden:
Als 1946 Praesident Gabriel Gonzales Videla die Kommunisten aus der Regierungskoalition ausschloss und Tausende von Regimegegnern nach Pisagua verschickte, war Pinochet hier Capitain. Zusammen mit einer Delegation des Kongresses reiste Salvador Allende damals nach Norden, um sich einen Ueberblick ueber die Lage der Gefangenen zu machen. Pinochet drohte ihm mit Erschiessung, braeche er die Mission nicht umgehend ab. Allende verliess mit seinen Kollegen das Lager.
An diesen Teil der Geschichte erinnert in Pisagua – neben den erwaehnten Grundmauern des Lagers etwas neben dem eigentlichen Ort –ein Wandgemaelde in der Naehe des Theaters.

Suedperu
Wenn man bei nördlich von Arica die chilenisch-peruanische Grenze überquert, so fällt einem ausser der Quirligkeit der peruanischen Orte und dem drastisch veränderten Fahrstil peruanischer Autofahrer zunächst kaum ein Unterschied im Landschaftsbild auf. Hier wie dort befinden wir uns im Bereich des Wüstengürtels der Atacama-Wüste. Lange war diese Grenzregion zwischen den beiden Staaten umstritten war. So gehörte der gesamte chilenische Norden mit den Städten Arica und Iquique bis hinunter nach Antofagasta (immerhin knapp 1000 Kilometer) zunächst zu Peru und. Bolivien, ehe sich Chile das Gebiet im berühmten Salpeterkrieg gewaltsam aneignete.

Und doch fällt dem geübten Blick des Reisenden sehr schnell ein gewaltiger geografischer Unterschied auf. Während in Chile die gewaltigen uralten Flusstäler stets ausgetrocknet sind und sich die chilenische Wüste -wie bereits erwähnt – durch das Fehlen jeglicher Vegetation – und sei es auch nur in Ansätzen auszeichnet, bringen in Peru die Flüsse dagegen permanent Wasser aus en Anden herab und erlauben dadurch im Bereich der Täler eine intensive Oasen-Landwirtschaft aufgrund ausgekluegelter Bewaesserungssysteme, die vermutlich uralte Wurzeln haben. Warum - mit der politischen Grenze- dieser hydrografische Unterschied auftritt uns nicht ganz klar – vielleicht liegt es an der groesseren Nähe zum Äquator ( generell höhere Niederschläge ) oder an der geringeren Breite der Anden noerdlich des Altiplanos, so dass die Regenwolken von der Amazonasniederung über die Wasserscheide hinaus nach Westen vordringen können –keine Ahnung.
Jedenfalls gibt es in den Taelern der peruanischen Anden wirklich grosse Oasen aufgrund des Flusswassers. Aber auch weit entfernt von diesen Wasseradern stößt man große geplante Bewässerungsprojekte mitten in der nun mal extrem trockenen Atacamawüste – und automatisch fragt man sich, woher denn eigentlich die riesige zusätzliche Wassermenge kommen soll, um den wirtschaftlichen Erfolg derart gewaltige Projekte in der flachen Wüste auf Dauer zu garantieren . Zur Zeit liegen diese zukünftigen Bewässerungsflächen noch öde und leer in der Landschaft – riesige eingezäunte Gebiete, in denen durch weißbemalte Steine Parzellen abgetrennt wurden, auf denen ab und zu auch schon eine Hütte als Schilfmatten – als Besitzanzeiger – stehen. Doch bis auf die großen Hinweisschilder haben die notwendigen Arbeiten für die Wasserkanäle bisher nirgends angefangen.

Die Reise selbst führt uns zunächst bis in die größte südperunanische Stadt Arequipa. Absichtlich wählen wir eine ungewöhnliche Route: Statt auf der Panamericana durch die langweilige Küstenwüste zu fahren, wählen wir den Weg durch die Andenberge. Auf einer teilweise recht abenteuerlichen Piste mit leichten Orientierungsschwierugkeiten an nicht beschilderten Weggabelungen führt uns der Weg durch eine fantastische Gebirgswelt voller bunter Farben und Formen. Schroffe Berghänge in allen möglichen Farben bilden einen wirklich tollen Kontrast zum Grün der wasserführenden Täler. An vielen Stellen scheinen die Berghänge von gewaltigen hellen Sandmassen bedeckt zu sein – in Wirklichkeit handelt es sich um dicke Schichten vulkanischer Asche und vulkanischem grobkörnigem Bimsstein – deutlich sichtbares Zeichen, dass wir uns in einer geologisch höchst instabilen Zone aufhalten. Alles in allem sind wir trotz der fahrtechnisch sehr anstrengenden Piste schwer beeindruckt von dieser Landschaft. Das war eindeutig mal wieder ein Volltreffer bei der Routenplanung. Hinter der stadtarchitektonisch wunderschönen Metropole Arequipa steuern wir schließlich in Form einer Rundtour unser eigentliches Reiseziel an: den Cotahuasi-Canyon, laut Reiseführer eine der tiefsten Schluchten weltweit. Die Fahrt dorthin war eindeutig einer der Hoehepunkte unserer diesjährigen Reise. Die verkehrstechnisch abgeschieden in den Bergen der Anden gelegene Schlucht ist nach wie vor nur auf abenteuerlichen mittelmäßgen bis schlechten Pisten zu erreichen. Und wer eine Reise dorthin vorhat, muß auf eine Übernachtung in Höhenlagen um die 4500 m mental vorbereitet sein. In einem weiten Bogen führt der einzige Zufahrtsweg zum Canyon hautnah um das höchste Vulkanmassiv Perus, den Naevado Corupuna mit 6425m herum. Auf Höhenlagen von bis zu 4900 m bekommt man zeitweise fast hautnahen Kontakt zu den Schnee- und Gletscherfeldern des Vulkans. Da auch das Wetter sich an den entscheidenden zwei Tagen von seiner besten Seite zeigt, werden wir für all die Mühsal mit wahnsinnig schönen Aussichten auf die eisbedeckten 6 Gipfelkuppen des Vulkans vor einem unglaublich blauen Himmel belohnt.
In der Naehe des Vulkans, der natuerlich allein aufgrund seiner Hoehe die gesamte Umgebung dominiert (. Sprich: man sieht ihn weithin ) fuhren wir durch einige Orte, die nur ueber Hunderte von Kilometern schmaler Hoppelpisten errichbar sind, aber quasi industrielle oder bergbauliche Zentren sind und durchaus einen wohlhabenden Eindruck machen: Goldminen!!! Dort sieht man dann Unmengen von riesigen LKWs, Bergbaumaschinen etc. herumfahren, die alle mal ueber diese schmalen Pisten herbeigeschafft worden sein muessen – vielleicht hat man diese Pisten extra fuer die Maschinen erst gebaut? Oder die Benutzung der Pisten hat diese erst zu den Hoppelwegen gemacht ? Wie auch immer – im Vergleich zu den abseits gelegenen Zinnminen in Bolivien, wo wir uns ja auch immer wieder über die langen und schlechten Transportwege für Maschinen bzw. Endprodukte gewundert habe – ist vermutlich das gewonnen Gold leichter und rentabler auch mal mit Flugzeugen aus diesen Hinterwäldler--Minenorten abtransportierbar.

Hier der Link zur Fotoshow:

Fotoshow-Nordchile/Suedperu

Wer will, kann die Fotoshow mit der Musik von "Milder Ore" und "Los Apus del Peru" untermalen:

Milder-Ore
Los-Apus-del-Peru1
Los-Apus-del-Peru2


Trans-Südamerika

Wir können es auch diesmal nicht lassen. Nach 6 Monaten recht abenteuerlichen Reiseabschnitten (paraguayischer Chaco, Transamazonica, bolivianisches Tiefland, Bolivianische Yungas und die Bergwelt der bolivianisch-chilenisch-peruanischen Anden) steht unser Sinn mal wieder nach der Atmosphäre der tropischen Strände Brasiliens. Doch hierzu müssen wir wieder den riesigen Kontinent queren und wir müssen Mr.. Spock vom Raumschiff Enterprise bemühen: „Scotty, beam uns rauf...“. So beginnt mal wieder ein mehrwöchiges Truckerleben, dass uns eingentlich verkehrstechnisch recht gesittet überwiegend auf Asphalt über Nordargentinien, einen Zipfel Südbolivien undParaguay wieder nach Brasilien führt. Naturgemäß bietet ein stinknormales Truckerleben „auf dem Bock“ kaum wirklich berichtenswerte Erlebnisse.

Ich beschränke mich deshalb auf wenige Punkte:

Trans-Chaco: Von Bolivien-nach Paraguay

So ist etwa die Fahrt von Bolivien durch den Chaco nach Paraguay nach wie vor ein kleines Abenteuer, vor allem wenn die Regenzeit eingesetzt hat: Die Hauptstrecke auf bolivianischer Seite ist immer noch nicht fertig asphaltiert, so dass man nach wie vor über etwa 150 km auf einer Buschpiste bewältigen muss. Hat man dann endlich mit Erreichen der paraguayischen Grenze den Asphalt der Trans-Chaco-Straße erreicht, bekommt man ein schönes Beispiel für südamerikanische Ineffizienz in Verbindung mit Korruption präsentiert. Denn nur wenige Jahre nach der Fertigstellung präsentiert sich der Asphalt der Straße auf Teilstrecken bereits wieder in einem so desolaten Zustand, dass man schnell die alte Piste wieder zurückwünscht. Tiefe wassergefüllte Löcher kombiniert mit winzigen Asphaltresten machen das Fahren auf ueber 100 km zu einer üblen Schinderei und strapazieren die Nerven aufs äusserste. Da haben sich wohl etliche am Straßenbau beteiligte Personen mal wieder eine goldene Nase verdient. Und was es bedeutet, in der Regenzeit mit dem Auto zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein, erleben wir ebenfalls – zum Glück allerdings nicht auf einer entlegenen Lehmpiste, sondern auf der Hauptroute. Nur wenige Tage vor uns hat im Chaco nach einer fast zweijährigen Dürre der erste große Regen eingesetzt. Innerhalb kurzen Zeit fielen in Teilregionen des westlichen und zentralen Chaco bis zu 400 mm Regen. Das ist eine unvorstellbare Menge, wenn man bedenkt, dass mit einen solchen Guss mehr als die Hälfte der durchschnittlichen Niederschlagsmenge in Deutschland (750 mm/Jahr) herunterkommt. Klar, dass nach solchen Ereignissen weite Teile des Busches unter Wasser stehen und man mit dem Auto am falschen Ort möglicherweise Tage, wenn nicht Wochen nicht wieder wegkommt.

Ein paar optische Eindrücke hab ich in einem kleinen Filmchen festhehalten (24 MB). Guckst du hier:

Transchaco

Interessanat in Paraguay ist ja uebrigens, dass Paraguay ein Land ist, in dem es quasi 2 Amtssprachen gibt: Neben Spanisch ist dies die uralte Sprache der Indios- Guarani und tatsaechlich sprechen die meisten Paraguayer auch untereinander diese Indiosprache. Sie klingt vom Klang her sehr melodisch und irgendwie auch lustig. Von der paraguayischen Musikgruppe Los Alfonsinos gibt es hierzu ein nettes Sprechmusik-Stueck, in dem die Kommunikation der Leute abends am Lagerfeuer lustig auf die Schippe genommen wird. Ich find das Ganze sehr amuesant und unterhaltsam, auch wenn man absolut nix versteht ausser dem Wort "politico"....

Hier der Link:
Guarani


Brasilien: In der Hauptstadt Brasilia

Wir sind ja schon wieder ein paar Wochen in Brasilien und obwohl es ja schon fast unsere Zweite Heimat ist ( in keinem Land waren wir laenger als in Brasilien), gibt es doch ab und an mal wieder was Neues zu berichten. So führte uns unsere diesjährige Reiseroute nach Norden endlich auch einmal in die Hauptstadt des Landes – Brasilia.Im vierten Jahr unserer Reise durch Suedamerika besuchten wir dann auch die Hauptstadt jenes Staates, in dem wir die meiste Zeit verbracht haben: Brasila.
Viele Geschichten und Mythen ranken sich um diese Retortenstadt, die zudem Unterrichtsinhalt in Stadtgeogaphie an deutschen Schulen ist..
Als Brasilia 1960 feierlich – als dritte Hauptstadt nach Salvador und Rio - eingeweiht wurde, hatte sich fuer Brasilien nicht nur ein nationaler Traum erfuellt, sondern auch eine Vorgabe der Bundesverfassung, die schon 1891 die Schaffung einer neuen Hauptstadt im brasilianischen Binnenland gefordert hatte. Mit der Einweihung begann dann die eigentliche Entwicklung und Inwertsetzung des riesigen Landesinneren, indem z.B. das Straßennetz Zentralbrasiliens konsequent ausgebaut wurde. Das Gebiet von Brasilia selbst, der 5814 Quadratkilometer grosse Distrito Federal, liegt auf dem 900 bis 1170m hohen Planalto, einer flachwelligen Hochebene mit Cerrado-Steppe, und wurde aus dem Bundesland Goias herausgeloest ( wie Washington,DC). Angeblich soll der „plano piloto“ (der eigentliche Regierungsbezirk -s.u.) genau an der Stelle aus dem Boden gestampft worden sein, die dem beruehmten Salesianerpater Don Bosco 1883 im Traum erschienen ist ( warum der aber in Turin von Brasiliens neuer Hauptstadt-Lage träumte ? Außerdem habe ich im Internet nur gefunden, dass Don Bosco von einem Ort der neuen Zivilisation, wo „ Milch und Honig fließen“, zwischen dem 15 und 20 .Breitengrad visionierte – das ist recht ungenau...)
Jedenfalls setzte sich der damalige brasilianische Präsident Jucelino Kubitschek ein gewaltiges Denkmal ( das scheinen ja Praesidenten gerne zu machen, v.a. auch in Frankreich), das dann auch gleich von der UN zum Kulturerbe der Welt erklärt und unter Denkmalschutz gestellt wurde: „In fünf Jahren 50 Jahre ueberspringen“ so lautete der Marschbefehl des Praesidenten und tatsaechlich wurde in ca. 1000Tagen von 1957-1960 in der absoluten Wildnis des Cerrado diese futuristische Hauptstadt, diese „in Beton gegossenen Stadtvision“, aus der roten Erde gestampft.( Fotos von den Bauarbeiten waren mit das Faszinierendste in einer Ausstellung in einem "Memorial" unter dem Platz der 3 Gewalten:).
In den Reiseführern kommt die Stadt durchweg sehr schlecht weg, wie folgende Textauszüge zeigen:
Die Reissbretttäter waren die Schüler des schweizerischen Stararchitekten Le Corbusier, der Paris abreißen wollte zugunsten von einem Dutzend Wolkenkratzern und der nichts mehr hasste, als die mittelalterlich europäische Stadt. Seine Schüler Lucio Costa und Oscar Niemeyer konnten hier ihre kommunistische Utopie einer funktionalen Stadt mit autogerechten "Transportbaendern, Grünzonen und Wohnmaschinen in Stahlbeton gießen“ lassen. Die Entfernungen sind gewaltig und Fußgängerwege waren ursprünglich nicht vorgesehen, alle sollten mit dem Auto fahren – allerdings nennen selbst 50 Jahre nach der Einweihung nicht alle ( eher die wenigsten) Einwohner Brasilias ein KFZ ihr eigen..„Und so wurde die kommunistische Utopie mit L. Costas berühmtem Grundriss eines in die bessere Zukunft startenden Flugzeuges ( der sog. „plano piloto“ auf den Straßen-Hinweisschildern ) auch nicht der erhoffte Ort klassenlosen Zusammenlebens: Nur der plano piloto, die Beamtenstadt, das Regierungszentrum selbst ist vorzeigewürdig, die restlichen 1,7Mil. Einwohner des Distrito Federal hausen in so genannten Satellitenstädten weit draußen. Und diese Siedlungen gleichen eher südafrikanischen Townships als Städten. Die Stadt des Dritten Jahrtausends ist ein bald 50-jaehriges bröckelndes Denkmal der vergangenen Zukunft. Bis auf die rote Erde ist wenig an dieser Stadt brasilianisch, jeder Betonblock hingegen wirkt wie ein Grabstein der Moderne.“
Und: „Von den 2 Mio. Einwohnern sind ueber 10% Beamte und Angestellte. Die Stadt gilt als Agglomeration funktionsloser und korrupter Beamter und unzufriedener Diplomaten, die am Ende der Welt die Stellung halten muessen....Extrem hohe Mieten sorgen heute dafuer, das Brasiliens Oberschicht und Geldadel unter sich bleiben. Arm und Reich leben getrennt, Brasilia ist eine Stadt der Ghettos geworden.“
Nun, wenn man das alles so liest, dann denkt man ja tatsächlich, dass man da eigentlich nicht hinfahren müsse. Allerdings fand Silvia im Nachhinein, dass diese Schilderungen ziemlich einseitig oder übertrieben seien – v.a. als Berliner könne man Brasilia gar nicht so entsetzlich finden, sonst müsse man eigentlich auch den eigenen Wohnsitz veraendern. Ich selbst fand die Stadt tatsächlich so ätzend, wie ich es nach dem Lesen der Reiseführer schon erwartet hatte.
Tatsaechlich hat uns doch so manches an Berlin und nicht nur Ostberlin erinnert!!! So sind z.B. die Wohnblocks der Beamten zwar aus Stahlbeton – aber sie und die Quadras/ Viertel selbst ähneln doch ziemlich stark dem Bild des Hansaviertels in Berlin und das steht m.E. auch unter Denkmalschutz. Wobei die Wohnblocks entsprechend des tropischen Klimas von üppigen Massen an Bäumen und büehenden Büschen eingerahmt sind, was den Beton zu großen Teilen verbirgt. Und zwischen den einzelnen Quadras liegen „Service-Strassen“ mit niedrigen Häusern : Banken, Supermercados, Minimercados (d.s. die Entsprechungen zu unseren Tante Emma oder Onkel Ahmed-Laeden, wie sie in Berlin neuerdings heißen ), Wäschereien, Restaurants und Bars etc. Überall fahren Busse mit günstigen Tarifen.
Der plano piloto, das Regierungsviertel folgt im Grundriss der Kontur eines Flugzeuges: Den langgestreckten Rumpf symbolisiert der „Eixo Monumental“, die überbreite zentrale Straßenachse mit je 6 Fahrbahnen und einem Mittelstreifen so breit wie ein Fußballlplatz ( auf dem z.B. jetzt der Weihnachtsmarkt abgehalten wurde bzw. Konzerte stattfinden, die Leute Baseball oder Fußball spielen oder Drachen steigen lassen) – diese breiten Straßenfluchten kennen wir ja aus Ostberlin. Die Zentralachse wird gequert von der Eixo Rodoviaria, die mit ihren Superquadras und Blocos die Flugzeugflügel nachbildet
Rechts und links aufgereiht an der Zentralachse liegen die „Esplanada dos Ministerios“ genannten Ministerien der Regierung. Sie kann man getrost als die wahrhaft schauderlichen Betonsünden der Stararchitekten bezeichnen: Damit kein Ministerium auf den Gedanken kommen konnte, es sei wichtiger als ein anderes, sitzen die Minister alle in gleich aussehenden wirklich extrem hässlichen Betonblöcken, die uns an die schlimmsten Plattenbaubauten im Ostberliner Zentrum erinnern, verschlimmert noch durch die Auswirkungen eines mit Beton nicht freundlich umgehenden feuchten Klimas inklusive der Vernachlässigung einer Instandhaltung der Gebäude ( wir haben dann natürlich wieder spotten müssen : Die stehen ja alle unter Denkmalschutz – da darf nichts mehr dran gemacht werden....)
Dahinter kommt dann das eigentliche Regierungsviertel mit den Bauten von Niemeyer, mit deren konkaven und konvexen Linien . Auch hier wieder starke Reminiszenzen an das neue Berliner Regierungsviertel in meinem Kopf. Insbesondere auch der - öde - Platz der Drei Gewalten, das Forum, auf dem sich die drei Gewalten – Judikative/Justiz – Legislative/ Parlament und Exekutive/Regierung .- begegnen, erinnerte an ostdeutsche/Ostberliner Plätze. Dabei schwebte Niemeyer ein Marcusplatz vor – aber bis auf die Taubenschwäerme besteht wirklich keinerlei Aehnlichkeit, besonders „schön“ dort auch der haushohe Taubenschlag aus Beton ,der an eine gigantische Wäscheklammer erinnnert...
Generell kann man sagen, dass Brasilia vielleicht insofern zukunftsweisend und damit auch als stadtgeographisch „wertvoll“ anzusehen ist, dass hier Bauten in den Sechzigern entstanden, die in gewissem Sinne Vorbild für viele heutige moderne öffentliche Bauten auf der ganzen Welt wurden. Ob sie „schön“ sind, muss jeder für sich selbst beantworten, Silvia fand es gar nicht so schlimm wie beschrieben, ich schon, da scheiden sich halt die Geister.

Exkurs 1: „Kritische Annäherung an die Hauptstadt“. von Stefan Loose
Brasilia, das ist, als ob man im Hochsommer mit aufgedrehter Heizung die Berliner Avus auf und ab fährt; statt Grunewald rechts und links eine Steppe von Plattenbauten. So kommt man dem Brasilia Gefühl schon nahe. Bis auf den blauen Himmel, den muß man sich denken. An den Wohnblocks, den Superquadras, fahren die Touristenbusse schnell vorbei, es gilt, die Besucher an die Kathedrale zu karren, an den Kongress und auf den Platz der 3 Gewalten. Auf dem Weg dorthin durchquert man einige leere Raumkilometer. Man kann trotzdem die Rollbahnen verlassen und zu Fuß die Stadt durchmessen. Eine gute Kondition, feste Wanderstiefel, Sonnenschutz und Proviant sind vonnöten. Der Mutige wird hoch belohnt. Er wird das entdecken, was Brasilia NICHT ausmacht – das ungeplante Leben. Man stößt auf Bretterbuden mitten in der Stadt, versteckt in mannshohem Elefantengras, entdeckt wilde Müllkippen und Eselskarren, die Aktenstapel aus den entsorgen, scheucht Gürteltiere auf, entdeckt Depots von fliegenden Händlern im Gestrüpp,Wracks geklauter Autos, Camps von Bauarbeitern und Opferschalen mit Reis und Bohnen, die Jünger der Macumba-Religion unter einem Hexenbesenbaum hinterlassen haben. MinisterienDer Pfadfinder wird sogar einen Hundefriedhof finden, gleich neben den Gentechnik-Labors der Forschungsbehörde für Landwirtschaft. Des öfteren wird man die Schnellstraßen hakenschlagend wie ein Hase überqueren müssen – Brasilia ist auf Zweibeiner schlecht vorbereitet. Der Neugierige kann natürlich wie das Heer der Dienstmädchen, Büroboten und Parkwächter einen Omnibus nehmen, bloß braucht man dazu viel Zeit und kommt auch nicht so einfach zu den „Sehenswürdigkeiten“ dieser Stadt, die sich alle an der Zentralachse, der Esplanada dos Ministerios aufreihen. Diese Esplanada ist eine Art Flugfeld, das von gigantischen Streichholzschachteln (den Ministerien) beiderseits begrenzt wird. Aus der Flugzeugperspektive mag Brasilia tatsächlich wie ein Flugzeug auusehen. Wie bei einer Maschine besitzen die einzelnen Teile Brasilias keine Namen, sondern Funktionsbezeichnungen (Bankensektor Süd/Nord, Hotelsektor Süd/Nord, Superquadra 1-16 in den Sektoren 100, 200, 300 und 400, jeweils unterteilt nach Nord und Süd). Keine Angst, wenn man eine Adresse sucht, die z.B. die Bezeichnung SQS 104, Conjunto B, Apt. 506 trägt. Einheimische helfen gerne weiter – soweit sie sich selbst auskennen. Dabei hat das System seine Logik: S steht immer für Sektor, Q ist Quadra oder Block und das letzt S kommt von SUL = Süd. Süden und Norden, das sind die Pole für die Adressen, aber auch Osten =L (Leste) und Westen = W. Die W3 ist die Achse, die von Nord nach Süd am Westrand verläuft.....die L4....na? Die Nummern haben auch eine Bedeutung: Ungerade Nummern befinden sich westlich von der Zentralachse, gerade östlich davon. Und: Je höher die Nummer, desto weiter weg ist sie von dieser Achse. Soweit die Adressen in den Wohnvierteln, die dann och nach „Conjuntos“ und „Blocos“ unterteilt werden. Nun gibt es leider aber noch jeweils 2 Sektoren (Nord/Süd) für Hotels, Banken, Kommerz usw, die alle in separaten Teilen der Stadt gebündelt liegen. Die Abkürzungen dieser vielen Sektoren kennt nur der Briefträger.....Tudo bem? (Alles klar?)

Exkurs 2: Oscar Niemeyer – Schöpfer und Schamane der Moderne

Brasiliens berühmtester Architekt und Schöpfer Brasilias wurde unter demn Namen Oscar Niemeyer Soares Filho 1907 in Rio de Janeiro geboren und trat nach dem Archtikturstudium 1934 in Kontakt mit dem Team von Lucio Costa, dem damaligen Direktor der Kunstakademie und Verfechter der modernen Architektur. Das sich in den 1930er Jahren ausgerechnet in Brasilien der Boden fruchtbar für die Entfaltung des Internationalen Stils erwies, war kein Zufall. Mit Getuliuo Vargas war nämlich ein Caudillo an die Regierungsspitze gekommen, der die „Republik der Großgrundbesitzer“ in einen modernen Industriestaat umkrempeln wollte. „Ordem e Progresso“ – „Ordnung und Fortschritt“, der Wahlspruch in Brasiliens Flagge – das war eine Formel, die durchaus in die berühmte „Charta von Athen“ gepasst hätte, jenem Manifest aus dem Jahr 1933, mit dem unter Führung von Le Corbusier das ideologische Fundament für den modernen Städtebau, die „funktionelle Stadt“ gelegt wurde. Le Corbusier war 1936 mit der „Graf Zeppelin“ nach Rio gekommen; er steuerte Baupläne für ein neues Erziehungsministerium bei, die Oscar Niemeyer begeisterten. Hier zeigte sich die Hand eines Meisters, der sich souverän über alle Konventionen und Traditionen, den „Terror des rechten Winkels“, die „Enge der barocken Stadt“, den „Gang des Esels“ hinwegsetze, der radikal mit „Licht, Luft und Sonne“ experimentierte und seine Bauten als „Maschinen“ pries. Gegen den Widerstand der akademischen Kreise und der Provinzpolitiker setzten Costa und Niemeyer einen Entwurf für das Ministerium durch, der nur geringfügig von der Skizze Le Corbusiers abwich. 1940 bekommt Niemeyer seinen ersten eigenen Bauauftrag. Er errichtet rings um den künstlichen See im Vergnügungspark Pampulha der aufstrebenden Minenmetropole Belo Horizonte eine Kirche, ein Kasino und ein Klubhaus. Niemeiyer geht mit dem neuen Werkstoff Stahlbeton um, als wäre es Knete. 1946 baut er die Banco Boavisa, 1947 ein riesiges Luftwaffen-Ausbildungszentrum und im gleichen Jahr wird er bei der Errichtung des UN-Hauptquariers am East River in New York zu Rate gezogen. ER hat sich in kürzester Zeit einen Namen gemacht als einer, der fast spielerisch sein kühnen Entwürfe in elegante, dynamische Bauten umsetzt. Der Mann, der ihm seinen ersten Auftrag in Belo Horizonte erteilt hatte, Juscelino Kubitschek, wird 1957 zum Präsidenten Brasiliens gewählt. Kubitschek will „0 Jahre in 5 Jahren“ überspringen, er macht Ernst mit dem alten Traum, im Zentrum des menschenleeren Landes eine neue Hauptstadt zu errichten – und Lucio Costa und Oscar Niemeyer werden mit der Herkulesarbeit betraut. Brasilia wird in 1000 Tagen aus dem roten Steppenboden gestampft und am 3.4.1960 als „Metropole des 3. Jahrtausends“ eingeweiht. Niemals zuvor haben zwei Menschen als Stadtplaner (Costa) und Architekt (Niemeyer) so viel freie Hand gehabt, um gewissermaßen Lieber Gott zu spielen und eine Stadt für 300.000 Bewohner bis ins kleinste Detail zu planen. Das Ergebnis ist aus einem Guß, aus der Höhe betrachtet ein Flugzeug, aus der Nähe ein Gesamtkunstwerk, in dem Menschen nur stören. Der Traum der Architekten, eine Utopie in Beton zu gießen, mutierte letztlich zu8m „Terror der reinen Form“. Niemeyer, der kommunistische Misanthrpo: undenkbar, dass er, wie man von Hans Scharoun (Kulturforum Berlin) kolportiert, erst die Toiletten skizziert, um dann das Gebäude zu entwerfen. Nein, sein Credo ist: Je schöner die Form, desto besser die Funktion – nicht umgekehrt. Der Präsidentenpalast, der Palacio Alvorado, dessen geschwungenene trapezförmige Säulen den Flachbau wie ein „Segelschiff“ davon gleiten lassen, ist im Inneren eine kalte Scheune, in der noch kein Präsident längere Zeit wohnen wollte. Bequemlichkeit ist für Niemeyer ein bourgeoiser Begriff. Über 200 große Bauten hat Niemeyer in seinem Leben entworfen (für Sozialwohnungen interessierte sich der Kommunist interessanterweise überhaupt nicht) und ist sich bis zuletzt seiner Formensprache und seinen Überzeugungen treu geblieben. Sein Werkstoff war der Beton und als Betonkopf weigerte er sich bis zuletzt, ästehtische Kompromisse einzugehen oder das Scheitern der kommunistischen Staatsdoktrin einzusehen. Der große alte Mann, der schon seit Jahrzehnten nicht mit sich diskutieren lässt, der in Brasilien als letzte Autorität in Sachen Architektur verehrt wird, hat alle neueren Entwicklungen überlebt. In ganz Brasilien liegen seine Stahlbetonschiffe (etwa 300 Schulen in Serienbauweise) vor Anker: viele Denkmale für einen einzigen Mann, den Schamanen des Modernismus und Musterschüler le Corbusiers.

Hier der Link zu einigen Fotos unseres Besuchs in Brasilia:

Fotoshow-Brasilia


Brasilien auf der Umweltskala


Vor kurzem fiel uns beim Zeitung lesen im Internet eine Nachricht auf, die wir beim besten Willen nicht so ganz nachvollziehen können: Da gibt es wohl eine internationale Rangfolge der Länder und ihrer Bemühungen für den Schutz der Umwelt. Die ersten drei Plätze werden schon mal gar nicht vergeben und Platz 4 hatte wohl immer Deutschland eingenommen. In der aktuellen Liste hat Brasilien diesen Rang übernommen und Deutschland damit überholt.
Das stand in der Zeitung und wir fahren jetzt mit diesem Wissen durch Brasilien und suchen nach Gruenden, WARUM ?

Ganz bestimmt eine gewichtige Rolle spielen dabei die unzaehligen Schilder entlang der Ueberlandstrassen mit den Aufrufen:
"Feuer toetet die wilden Tiere" ( gemeint ist das Anzuenden der trockenen Vegetation, damit frisches Grass spriessen kann)
"Schützt unsere Fauna und Flora", " Fahr vorsichtig ; wilde Tiere überqueren die Strasse"
und das schönste Schild überhaupt: "Schmeiß den Abfall auf den Abfall"

Vielleicht haben auch die Statistiker entdeckt, dass nur noch in wenigen Orten das alte Motorenöl, dass beim Reparieren der Autos und Mopeds austritt, nicht nur einfach im Lehmboden versickert, sondern auch durch ein kleines Loch in der Umgrenzungsmauer der Werkstatt direkt in den Rinnstein geführt wird ?!
Dass es durchaus Bäche und Flüsse und Wasserstellen gibt, die keinen Ölschleier haben...
Dass in vielen Regionen zwar keine Müllabfuhr existiert und daher der Abfall dahin geworfen wird, wo es am günstigsten und bequemsten ist ( also in Nachbars Garten oder gleich auf die Strasse ) und der doofe Wind halt noch zur Weiterverbreitung des Plastiks und Papiers beiträgt - dass aber auf der anderen Seite Plastikflaschen und Dosen gesammelt und wiederverwertet werden und dabei gleichzeitig den Sammlern eine Verdienstmöglichkeit bietet.
Und bestimmt haben auch die Unmengen an Windkraftanlagen zu dem vierten Platz verholfen, die entlang der Kueste des nördlichen Bundesstaats Ceara neuerdings die Landschaft „verschönern...(das ist in der Tat eine sensationelle Revolution für ganz Südamerika, ökologisch sicher sinnvoll, vom ästhetischen Ngesichtspunkt aus betrachtet allerdings eine Katastrophe).
Dafuer stehen auch an immer mehr Stränden große Schilder, dass man bitte nicht mit dem Auto oder Moped auf den Strand fahren solle und manchmal sieht man dann auch tatsächlich keins auf dem Strand.
Oder der Aufruf in einigen Touristenorten entlang der Küste, bitte kein Klopapier ins Klo zu werfen, weil damit die Algenplage verstärkt werde ( weil die Abwasser so ziemlich ungeklärt vom Hotel direkt ins Meer geleitet werden...)
Und die Verschmutzung der Umwelt durch Lärm wird auf lokaler Basis auch schon teilweise bekämpft: In immer mehr Strassenbars hängen Schilder, die das Öffnen der Kofferräume und damit das Freilegen der überdimensionierten Musikanlagen in den Autos der Gäste verbietet. Der laute Musikbrei, den wir bislang so häufig mit Verwunderung ( und schmerzenden Ohren, weil natürlich jeder seine Lieblingsmusik spielt und dazu noch die Musik der Bar selbst...) genossen haben, wird tatsächlich seltener.
Nun - ihr merkt schon: Wir verstehen diesen Rang auf der Statistik für Brasilien nicht wirklich. Bestimmt gibt es inzwischen bessere Gesetze gegen Waldzerstörung, für den Schutz der Umwelt - aber das große Problem in Südamerika ist nun mal die Kontrolle des Einhaltens dieser Gesetze in den riesigen dünnbesiedelten Weiten des Hinterlandes - wo die Polizei und IBAMA ( Umweltbehoerde)-Posten noch dünner gesät und dann vielleicht auch noch der Korruption zugänglich sind.


Hintergrundwissen : Die Entstehung der brasilianischen Gesellschaft

Ich sende mal ein bisschen Hintergrundwissen – für diejenigen, die es interessiert. .
An den langen Abenden, die wir nicht in einer Straßenbar beim Bierchen und Leute-Beobachten, sondern irgendwo in der Gegend oder an einer der Tankstellen und dort dann aufgrund der draußen herumschwirrenden und blutdurstigen Mitbewohnern der Erde in unserer Wohnung verbringen, arbeiten wir uns seit Wochen durch eine kulturanthropologische Studie der Entstehung der amerikanischen Völker von Darcy Ribeiro, der in den Siebzigern Kulturminister im Bundesstaat Rio de Janeiro war: „Amerika und die Zivilisation – die Ursachen der ungleichen Entwicklung der amerikanischen Völker“ . Da das Werk den Zusammenhang zwischen Abhängigkeit und Unterentwicklung erläutert ist es einer der ersten Beiträge (erschienen 1969 ) zur Dependenztheorie, die ja den Ek- und PW-Lehrern eine gute alte Bekannte ist.

Ribeiro unterscheidet zwischen „residualen“ Völkern (das sind jene Völker, in denen die Bevölkerungsmehrheit der heutigen Nation Nachfahren der Azteken, Mayas und Inkas sind und deren marginalste und traditionellsten Sektoren der Bevölkerung noch an den alten Sitten und Werten – zumindestens teilweise – festhalten ), „neuen“ Völkern ( Brasilianer, Chilenen, „Groß-Kolumbier“ und das Volk der Antillen ) und schließlich „verpflanzten“ Völkern ( Anglo-Amerikaner, Völker des La-Plata-Raumes also Argentinien und Uruguay - hier haben die relativ spät aus Europa Eingewanderten durch ihre schiere Zahl die zuvor entstandenen Mischethnien überlagert und verdrängt ) Völkern.
Welche Unterart jeweils entstand war abhängig einerseits von dem Mehrheitsverhältnis zwischen den Eroberern und den Indigenas und andererseits von der Gesellschaftsstruktur innerhalb der ursprünglichen indigenen Bevölkerung.
Nach Ribeiro konnten die hierarchisch geschichteten Gesellschaften wie die der amerikanischen Hochkulturen in Mexico und Peru-Bolivien leichter erobert werden, weil die lokale Führungsschicht durch die siegreichen Conquistadoren als Elite ersetzt wurde und das auch zuvor schon für die und unter Anleitung/Befehl der Oberschicht arbeitende breite Volk nun im Sinne der europäischen Interessen unterdrückt und ausgebeutet werden konnte.
Eine undifferenzierte, nicht-hierarchisch aufgebaute Gesellschaft - d.h. im allgemeinen Verständnis eine „primitive“ - besitzt dagegen weder eine verhandlungsbereite und dann ersetzte herrschende Klasse noch eine beherrschte Klasse, welche die eigene Ausbeutung hinnahm und war dementsprechend schwieriger zu erobern und zu beherrschen.

Ribeiro erläutert am Beispiel Brasiliens, wie die europäische Kolonisierung auf der Basis von Sklaverei und der grundlegenden gesellschaftlichen Institution der Hacienda \ Facenda
als Muster eines kapitalistischen Unternehmens (hier war der Landbesitz mit dem Monopol der Verfügung über die Arbeitskräfte vereinigt, es wurde für den Weltmarkt produziert um Gewinne zu erwirtschaften ) , die neue Ethnie der „Neobrasilianer“ herausbildete.
Nach ihm war die Fazenda\Hacienda während und nach der Sklavenzeit die wichtigste Institution, welche die „neuenVölker“ in Amerika geprägt hat: Wer auf einer Fazenda geboren wurde und lebt, für den ist diese das Vaterland und alle Beziehungen der Fazenda mit der Außenwelt - Geschäftsleben, Gesellschaft, Nation, Religion - fallen allein dem Fazendero zu, denn er vereinigt in sich die Rollen des Arbeitgebers, des Paten, des fürsorglichen Patriarchen, des politischen Führers und des Unternehmers.
Allerdings prägte dieses System nicht nur die Arbeitskräfte, sondern auch die ländlichen und städtischen Oberschichten, die eine autokratisch- paternalistische Einstellung basierend auf ihren Herrschaftsanspüchen entwickelte.

Das Besondere an Brasilien war nun, dass die Portugiesen es fast auf dem gesamten brasilianischen Territorium nur mit einer einzigen indianischen Kultur, den Tupi-Guaranis, zu tun hatte.
Die ersten kulturellen Anfänge, Ribeiro spricht von „Neobrasilianern“, waren also stark durch diese Tupi geprägt und lagen wahrscheinlich in der Mitte des 16.Jh., als die Zuckerrohrplantagen aufgebaut wurden, die Wirtschaft aber noch auf dem Export von Brasilholz basierte und man noch versuchte, die Indios zu versklaven.
Die ersten brasilianischen Siedlungszentren entstanden im Zuge der Vermischung und gegenseitigen Akkulturation zwischen den europäischen Männern und den an der Küste lebenden Indios, genauer Indiofrauen (!), in den ersten jahrzehnten nach der Landung der Portugiesen. Es entstand ein neuer Typ von Menschen, die weder Indios noch Europäer waren - sondern Mestizen -; sie identifizierten sich stärker mit ihren Vätern, sprachen aber besser das Tupi ihrer Mütter, mit denen sie aufwuchsen, so dass sie mehr von der indianischen als von der portugiesischen Kultur ererbten. Diese „Urzellen der brasilianischen Kultur“ entstanden bevor die Afrikaner importiert wurden und prägten das Volk im ganzen Territorium. Auch später bevorzugten die Neobrasilianer Tupis, um mit ihnen zusammen zu leben oder um sie zu versklaven – sie konnten sich problemlos mit ihnen verständigen ( tatsächlich war Tupi in den ersten Jahrhunderten die normale Umgangssprache dort ), sie aßen die gleichen Nahrungsmittel und hatten ähnliche Wertvorstellungen. Noch 100 Jahre nach Beginn der Kolonisation hatten sich die Neobrasilianer nur in solchen Regionen niedergelassen, die zuvor von Tupi beherrscht worden waren.
Bis zu ihrer Ausrottung waren die Indios damit die genetische und kulturelle Grundsubstanz für die Entwicklung der brasilianischen Gesellschaft. Die indianischen Gemeinschaften starben buchstäblich aus, schreibt Ribeiro, und zwar im selben Maße wie die neobrasilianischen Zentren anwuchsen: Wo Daten vorliegen, kann man sehen, dass die Indiodörfer zunächst friedlich neben den neuen Mestizensiedlungen bestanden und dass danach die ersteren eingingen, während die anderen sich ausdehnten, derweil nahm die Indiobevölkerung Jahr für Jahr ab, bis sie ganz ausgestorben waren.

Die Misserfolge bei der Versklavung der Indios auf den Zuckerrohrplantagen führte schließlich zum Import von Afrikanern. Diese mussten sich als kulturell entwurzelte und rechtlose Arbeitskräfte in die neue, entstehende Gesellschaft eingliedern und glichen sich daher dem Lebensstil, den Sitten und Gebräuchen jener neobrasilianischen „Keimzellen“ an. Sie leisteten dabei aufgrund ihrer rechtlichen Stellung und ihrer kulturellen Entwurzelung und Dekulturation nur einen geringen kulturellen, dafür aber einen gewaltigen genetischen Beitrag!
Sie trugen auch dazu bei, dass das Portugiesische das Tupi als Lingua Franca ablöste. Die Schwarzen machten schnell den größten Anteil der ländlichen Bevölkerung aus . Dort wo die Schwarzen stark vertreten waren erfolgte die Europäisierung der übrigen Bevölkerung schneller: Die Sklaven stammten aus verschiedenen Stämmen Afrikas und mussten lernen , sich untereinander und mit den anderen Bevölkerungsgruppen zu verständigen, so dass schließlich alle gezwungen waren, die Sprache ihrer „Herren“ zu erlernen und zu benutzen.
Und schließlich kamen – viel später – große europäische Immigrantengruppen nach Brasilien, die jedoch bestimmte Regionen ,v.a. im Süden, bevorzugten und diesen ein typisches europäisches Gepränge gaben und eine vornehmlich weiße Bevölkerung hervorbrachten. Obwohl ihr rassischer und kultureller Beitrag in diesen Regionen bedeutend war, spielte er gemessen an der brasilianischen Gesamtbevölkerung eine geringe Rolle: Als die große Einwanderung begann war die nationale Bevölkerung bereits so groß und ethnisch gefestigt, dass sie die Einwanderer absorbieren konnte, ohne sich wesentlich zu verändern:
“Es entstand eine nationale Ethnie, die nicht durch regionale, rassische oder kulturelle Spannungen in ihrer Einheit gefährdet ist. Alle leben in der selben Kultur und mit dem selben ausgeprägten Nationalbewusstsein“ ( Ribeiro )
Die Spaltung der brasilianischen Gesellschaft beruht auf sozialen Faktoren, nicht die Rassenunterschiede als solche spielen die entscheidende Rolle, sondern die historischen und sozialen Bedingungen, die dafür verantwortlich sind, dass v.a. die Menschen mit dunklerer Hautfarbe die Unterschicht bilden.
Die am stärksten negroiden Brasilianer verhalten sich – laut Ribeiro – in der Gesellschaft nicht als „Neger“, sondern als Angehörige der ärmsten Schichten.
„Die in Brasilien bestehenden Rassevorurteile tragen mehr zur Integration als zur Segregation bei. Das eigentliche Rassevorurteil aus dem angelsächsischen Kulturkreis trifft jede Person mit einem beliebigen Anteil an „schwarzem Blut“ und führt damit notwendigerweise zu Segregation und Gewalt. Das Vorurteil gegenüber der Hautfarbe der Brasilianer bezieht sich demgegenüber auf deren jeweiligen Helligkeitsgrad und neigt dazu, die hellen Mulatten zu Weißen zu erklären, zugleich drückt es eine Erwartung weiterer Rassemischung aus und wirkt diskriminierend nur insofern, als die Neger nicht so akzeptiert werden, wie sie sind, sondern erst dann, wenn sie sich „aufgehellt“ haben.“

Zur Entspannung:

Nach so viel anstrengendem Lesestoff braucht es zum Abschluss natuerlich auch etwas Unterhaltung:
Da waere zum einen der Silvesterabend zu nennen, den wir mal wieder am Strand der nordbrasilianischen Millionenmetropole Sao Luis verbracht haben. Das diesjaehrige Silvester war leider etwas verregnet, denn puenktlich um 21 Uhr setzte ein Nieselregen ein, der uns durch die Nacht begleitete: Zum Glueck hat es ja auch nachts so um die 27 Grad, so dass die nicht ganz optimalen Begleitumstaende die Laune der Leute kaum beeintraechtigen konnte - man hat ja ohnehin nicht so schrecklich viel an...Hoehepunkt an unserem Standort war ab Mitternacht ein Konzert mit einer Gruppe aus Maranhao (dem hiesigen Bundesstaat). Hier ein paar kurze Impressionen (28 MB):

Silvesterkonzert

Ja und dann ist ja gerade der Carneval sehr zum Leidwesen der Brasilianer schon wieder vorbei. Wir haben ihn wieder in Canavieiras in Bahia verbracht, waren allerdings diesmal nicht so karnevalsverrueckt wie letztes Jahr, wo wir ganze 5 Naechte durchgehalten haben.
Hier gibt es ein paar kurze Eindruecke vom "Carneval Cultural" in Canavieiras (26 MB):

Carneval

Dann haette ich zum Schluss noch etwas ganz zur Entspannung anzubieten, zum einen Musik:
Zunaechst die populaere Country-Variante der brasilianischen Musik: Sertaneja, so richtig voll von Herz (Curacao) und Schmerz:

Sertaneja1
Sertaneja2
Sertaneja3
Sertaneja4

Was bei Sertaneja-Muusik in Brasilien so abgehen kann, kann man sehr schoen in folgendem Youtube-Video studieren. Da kommen 5 Jungs auf die Buehne, die wie der Abklatsch einer westlichen Boygroup aussehen, doch statt Gitarre legt die Gruppe mit Ziehharmonika los und das ueberwiegend jugendliche Publikum geraet voellig aus dem Haeuschen.
Country-Musiker als Popstars - bei uns nur schwer vorstellbar

hier der Link:
Grupo-Tradicao

An Carneval, noch dazu in Bahia, ist dieser Sertaneja natuerlich vor allem beim jungen Publikum nicht unbedingt angesagt. Was in Rio in diesen Carnevalstagen der Samba ist, das ist in Bahia die AXE- Musik (sprich: Asch-e mit Betonung aug auf dem e). Hochburg des Axe ist Salvador de Bahia, hier werden jedes Jahr die neuesten Hits am Fliessband produziert, zumeist laut und laermend, manchmal ganz fetzig, oft auch nur nervend und einfallslos.

Hier ein aktuelles Beispiel von 2010:
Axe2010

Weiterblaettern...!

Verfasst: 20.02.2010 01:24
von tibesti
Fortsetzung......

Und ganz ganz zum Schluss nun noch was fuer die Jungs unter Euch. Wie waere es mit der Verbindung vom brasilianischen Kampfsport Capoeira mit heissen brasilianischen Samba-Rhythmen?

Capoeira-Samba

Und wer jetzt Lust auf einen Einfuehrungskurs in Capoeira bekommen hat, der sei vorgewarnt! Soooo einfach ist das nicht, wie ihr Euch das vorstellt:(uebrigens ein tolles Video!)

Capoeira


Ate logo - bis zum naechsten mal

Verfasst: 28.03.2010 20:56
von tibesti
Hallo aus Suedbrasilien.

Mittlerweile sind wir nun schon wieder ueber 3 Monate in Brasilien unterwegs und haben auf dem bislang fast 4-jaehrigen Suedamerikatrip 1 Jahr allein in diesem 5.groessten Land der Erde verbracht und bis auf das abgelegenen Amapa noedlich des Amazonas alle anderen 26 Bundessaten Brasiliens wenigstens einmal bereist:

Es erscheint mir somit statt der ueblichen Reiseberichterstattung die Zeit reif fuer einen kleinen Jubilaeumsueberblick in Form einer kleinen Landeskunde (bin ja schliesslich u.a. auch diplomierter Geograph). Statt der ueblichen Reiseberichterstattung werde ich deshalb in loser Reihenfolge im folgenden nach und nach mal die einzelnen Bundesstaaten dieses Landes inn Wort und Bild vorstellen.

Bevor ich hiermit loslege, vorab zunaechst ein kurzer allgemeiner Ueberblick:
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Brasilien ist in 26 Bundesstaaten und einen Bundesdistrikt (Distrito Federal) gegliedert. Diese sind statistisch in fünf Regionen aufgeteilt:

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• Norden (Região Norte):
Acre, Amapá, Amazonas, Pará, Rondônia, Roraima, Tocantins
Der Norden macht 45,27% der Fläche Brasiliens aus. Gleichzeitig ist es die Region mit den wenigsten Einwohnern. Der Nordwesten ist industriell vergleichsweise wenig entwickelt und nicht sehr gut erschlossen. Dafür beherbergt er mit dem Amazonasbecken das größte Ökosystem der Erde.

• Nordosten (Região Nordeste):
Alagoas, Bahia, Ceará, Maranhão, Paraíba, Pernambuco, Piauí, Rio Grande do Norte, Sergipe
Knapp ein Drittel der Brasilianer leben im Nordosten. Die Region ist kulturell sehr vielseitig. Sie ist geprägt von der portugiesischen Kolonialherrschaft, von der afrikanischen Kultur der ehemaligen Sklaven und nicht zuletzt von indianischen Einflüssen.

• Mittelwesten (Região Centro-Oeste):
Goiás, Mato Grosso, Mato Grosso do Sul, Distrito Federal Brasília
Die Region verdankt ihre Bedeutung vor allem ihrem Reichtum an Rohstoffen. Dennoch ist der Mittelwesten nicht besonders gut erschlossen. Es werden aber intensive Bemühungen unternommen, die Region zu stärken, u.a durch die Verlegung der Hauptstadt nach Brasília.

• Südosten (Região Sudeste):
Espírito Santo, Minas Gerais, Rio de Janeiro, São Paulo
Im Südosten leben mehr Menschen als in jedem anderen südamerikanischen Land. Mit den Ballungsräumen São Paulo und Rio de Janeiro ist diese Region der wirtschaftliche Motor des Landes.

• Süden (Região Sul):
Paraná, Santa Catarina, Rio Grande do Sul
Der Süden ist die kleinste Region Brasiliens. Die klimatischen Verhältnisse entsprechen etwa denen Südeuropas. Die Region zeigt deutliche kulturelle Einflüsse von deutschen und italienischen Einwanderern, die sich bevorzugt in diesem Gebiet niederließen. Etwa 85% der Bewohner sind Weiße.
Allgemein laesst sich sagen:
Etwa 90 % der Bevölkerung konzentrieren sich auf die Bundesstaaten der Ost- und Südküste Brasiliens, wo es eine Bevölkerungsdichte von 20 bis über 300 Einwohner/km² gibt. Der Rest Brasiliens, mit dem Amazonas und den Bergregionen, hat zwar die weitaus meiste Fläche, aber nur eine Bevölkerungsdichte von unter 5 bis 20 Einwohner/km². Nur der Bundesstaat Distrito Federal do Brasil (da es der Hauptstadtdistrikt ist) und der Bundesstaat Rio de Janeiro haben eine hohe Bevölkerungsdichte von über 300 Einwohner/km².

Denr ersten Bundesstaat, den ich vorstellen, haben wir erst zur kurzem etwas genauer erkundet. Es ist einer der kleinsten Bundesstaaten Brasiliens und zaehlt zur Region Suedost.

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ESPIRITO SANTO


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Die Flagge des Bundesstaates Espírito Santo wurde 1947 entworfen. Das portugiesische Motto „Trabalha e Confia“ bedeutet „Arbeite und vertraue“, ein Wahlspruch der Jesuiten, von denen auch der Name Espírito Santo (deutsch: Heiliger Geist) stammt. Rosa und Blau repräsentieren den Abendhimmel der Region.


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Der Küsten-Bundesstaat Espírito Santo liegt östlich von Minas Gerais, südlich von Bahia und nördlich von Rio de Janeiro. 40% seiner Fläche bestehen aus Tiefländern. Die Küstenlandschaft wird durch Sandbänke, Watts, Buchten, Inseln und viele Seen - vor allem im Bereich der Flussmündung des Rio Doce gelegen – gebildet, während das Gebiet im Landesinneren überwiegend gebirgig ist und mit dem Pico da Bandeira im Nationalpark Serra do Caparaó an der Grenze zu Minas Gerais den mit 2.890m dritthöchsten Berg in Brasiliens besitzt. Espírito Santo ist einer der kleinsten brasilianischen Staaten und mit einer Fläche von etwas mehr als 45.000 km² - etwa so groß wie Dänemark. Das Hinterland ist mit den bewaldeten Bergen, Flusstälern und Granitfelsen ungewöhnlich schön und wird nur selten von Touristen besucht.
Die ungewöhnliche Namensgebung Espirito Santo geht auf den portogiesischen Entdecker Vasco Fernando Coutinho zurück, der 1533 am Tag des Heilig-Geist-Festes in dieser Region an Land ging und der dort gegründeten Siedlung diesen Namen gab, der später für die gesamte Provinz übernommen wurde. Anfangs fand die Besiedlung des Landes nur sehr langsam statt und bestand bis ins 19. Jahrhundert nur aus einigen Dörfern an der Küste. Erst mit Einführung des Kaffeeanbaus mit 19. Jh. wuchs die Bevölkerungszahl und die landwirtschaftliche Inwertsetzung des Hinterlandes. Heute wird der fruchtbare Boden von den Nachfahren italienischer, polnischer, deutscher und russischer Einwanderer bearbeitet .
Obwohl der ganze Bundesstaat Espírito Santo nur 0,5% der Fläche Brasiliens ausmacht, ist er heute ein bedeutender Wirtschaftsfaktor des Landes und besitzt mit dem aus 6 Häfen bestehenden Hafenkomplex Capixaba in Vitoria einen der bedeutendsten Häfen Brasiliens. Von hier aus werden Produkte aus Mato Grosso, Mato Grosso do Sul, Goiás, dem Bundesdistrikt, Minas Gerais, Tocantins, Rondônia und Maranhão verschifft, außerdem ist der Hafen der Hauptexporthafen von brasilianischem Eisenerz. Der Ausbau des Hafenkomplexes im Jahre 1966, die Installierung großer Industriezweige in den 70-iger Jahren, die landwirtschaftliche Modernisierung und die daraus ergebene Veränderung der Arbeitsverhältnisse auf dem Lande, machten die Hauptstadt Vitória zu einem attraktiven Zentrum für Zuwanderer.

Das allgemeine Image dieser Region entspricht der wirtschaftlichen Bedeutung jedoch kaum. Böse Zungen behaupten, die einzige Funktion von Espírito Santo bestehe darin, die Distanz zwischen Rio des Janeiro und den Toristenzentren Bahias zu vergrössern und Touristen streben meist direkt ohne großen Zwischenstop in die Touristenhochburgen Bahias wie Porto Seguro oder Salvador.

Vitória, die Hauptstadt des Bundesstaates, ähnelt in manchem dem 500 km südlich gelegenen Rio de Janeiro. Die Miniaturausgabe der Schwesternstadt liegt ebenfalls eingebettet zwischen Küste und Bergen, hat ebenfalls eine grosse Brücke und die Strand-Avenida mit ihren Appartmenthochhäusern, den täglichen Joggern und Radfahrern erinnert an die Copacabana. Nur ist das Leben in Vitória ruhiger, geregelter, niemand fährt bei Rot über die Ampel, und Kriminalität gibt es hier kaum. Vitória ist eine wohlhabende Stadt mit rund 400.000 Einwohnern, der man nicht anmerkt, dass sie bereits im Jahre 1551 gegründet wurde.
Während einige Touristen, die wir kenngelernt haben über Vitoria angesichts des Hochhausmeeres in der Neustadt nur die Nase rümpften und so schnell wie möglich durchbrausten, fanden wir die Stadt durchaus attraktiv und abwechslungsreich. Man muss in dieser Stadt halt schon zweimal hinschauen, um ihren Reiz zu entdecken, wobei allein die Lage, eingebettet zwischen Granitfelsen, bereits einmalig schön ist.
Die Küstenregion selber fanden wir nur mäßig interessant: Wer von den Traumstränden Bahias kommt, wird dieser südlicher gelegenen Küstenlandschaft nur wenig Reiz abgewinnen können. Dagegen können wir das gebirgige Hinterland einfach nur mit dem Begriff fantastisch umschreiben. Die überall sichtbaren markanten Granitpfeiler und die sehr hügelig-gebirgige Landschaft mit seiner üppigen Vegetation waren für uns eine echte Überraschung. Die europäischen Immigranten haben hier im Verlauf von nur 150 Jahren eine herrliche Kulturlandschaft geschaffen: Wäre das nicht die üppige subtropische Vegetation, der weithin sichtbare Kaffeanbau und die vielen Bananenplantagen, würde man sich fast in eine besonders schöne Alpenregion wähnen. Eine solche Landschaft hatten wir in dieser Form nicht erwartet. Und so erstaunt es schon, dass kaum ein Tourist diese Region kennt, geschweige denn bereist.

Zum Abschluss noch ein paar Fotos zur Veranschaulichung des Geschriebenen:

FOTOS
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Verfasst: 04.10.2010 02:38
von tibesti
Hola - Ein Gruß aus Arequipa/Südperu

Nach einer langen Zeit des Schweigens - ich sag dazu mal Auszeit - hab ich beschlossen, diesen Reisethread doch noch einmal wiederzubeleben.

Um es vorwegzunehmen: Ja wir sind noch auf Reisen und ja, wir sind auch noch in Südamerika unterwegs. Während unseres 3-monatigen Deutschlandaufenthaltes bis Mitte Juli haben wir intensiv über alternative Reisepläne nachgedacht (Afrika, Indien und Himalaya), um uns dann doch nochmal für ein weiteres (das 5.) Jahr in Südamerika zu entscheiden.

Ziel auf dieser neuen Reiseroute soll das Schließen weißer, unbekannter Flecken auf unserer persönlichen Südamerikakarte sein, wobei wir dabei durchaus auch wieder Orte und Regionen ansteuern wollen, wo wir uns besonders wohl gefühlt haben.

So werden wir zum zweiten Mal die große Nordschleife über Peru, Ecuador, Kolumbien, Venezuela und Nordbrasilien in Angriff nehmen, wobei unser eigentliches Ziel letztlich die 3 Guyana-Staaten sein werden (das Guayana, Surinam und Französisch-Guiana). Ob uns das gelingen wird, hängt - vorausgesetzt unser LKW hält technisch durch -im wesentlichen vom Nadelöhr Guyana ab und dort vor allem von 2 Faktoren: Zum einen, ob wir eine Einfuhrgenehmigung für das Fahrzeug bekommen, was nach den wenigen Infos, die wir haben, möglicherweise nicht so einfach sein könnte und zum anderen von der Wetterlage und dem Zustand der Urwaldpiste zwischen der brasilianischen Grenze und der Hauptstadt Georgetown. Denn wir werden frühestens Anfang/Mitte Dezember dort eintreffen und dann hat bereits die kleine Regenzeit begonnen und die günstigste Zeit zum Befahren der Strecke ist somit vorbei. Da so gut wie kaum ein Reisender diese Länder mit em eigenen fahrzeug bereist,gibt es auch praktisch keine verwertbaren neueren Infos über den Zustand der Strecke. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als es einfach zu versuchen.

Demnach wird unsere Reiseroute auf der Karte in etwa so aussehen, wobei die gelbe Linie die bereits absolvierte Strecke markiert und die blauen Punkte die grob geplante Route anzeigen:

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Um mir die Arbeit zu erleichtern, habe ich die Reiseinfos und -berichte zusammen mit jeder Menge Fotos als Word-Dokumente erstellt und zum Runterladen bereitgestellt. Vor allem wegen der eingebauten Fotos sind die Dateien etwas umfangreicher geworden.

Hier sind die Links der bisherigen 3 Berichte der ersten Monate seit Juli:

hier die Links:

Reisebericht2010-1

(10 MB, 23 Seiten)

Reisebericht2010-2

(15,5 MB, 26 seiten)

Reisebericht2010-3

(15,5 MB, 28 seiten)

Und zur Einstimmung gibt es wieder einen jener gefühlslastigen Sertaneja-Songs mit den Ohrwurm-Refrains. Diesmal ein Live-Musikvideo von Hugo Peno e Gabriel:

Brazilsong

(48 MB)

Verfasst: 05.10.2010 13:57
von Sturmspitze
@ tibesti & co

wenn die Sehnsucht nach Ferne gestillt werden muss, dann hänge ich an diesen

Reiseberichten und kann nicht lassen .

In stiller Bewunderung Eurer Abenteuer und den tollen Bildern .

Alles Gute ,Glück und noch viele tolle Erlebnisse.

Euer Fan

Sturmspitze


Ps. vergesst nicht unserer Sucht weiter zu stillen !!!

Verfasst: 24.11.2010 17:52
von tibesti
Hallo

Wir hinken der Berichterstattung etwas sehr hinterher, deshalb hier zunaechst mal etwas verspaetet unsere Reisestory von unserer Fahrt durch Peru.

Wieder als Word-Datei herunterladbar, viele Fotos, deshalb 20 MB)

Reisebericht-Peru