für Laien um die derzeitige Bankenkrise zu verstehen

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martinsgarten
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für Laien um die derzeitige Bankenkrise zu verstehen

Beitrag von martinsgarten »

Eines Tages kam ein amerikanischer Investor in Begleitung seines Assistenten in ein Bergdorf. Er klopfte an die erste Tür und sprach:
"Ich sammle Frösche. Sollten Sie mir einen Frosch bringen, zahle ich dafür 10 EUR."
Der Bauer ging hinters Haus fand einen Frosch und gab ihn dem Investor für 10 EUR und erzählte seinen Nachbarn über das tolle Geschäft.
Am nächsten Tag, kam jeder Bauer zum Investor mit einem Frosch, den er für 10 EUR verkaufte. Ein paar Tage später, sagte der Investor den Bauern: "Ich sehe, das Geschäft läuft. Ab heute zahle ich für jeden Frosch 20 EUR."
Die Bauern machten sich sofort auf die Suche nach weiteren Fröschen und verkauften diese dem Investor für 20 EUR pro Stück. Kurz danach kehrte der amerikanische Investor zurück in die USA um sich seinen dringenden dortigen Geschäften zu widmen. Er ließ jedoch seinen Assistenten im Dorf, damit dieser die Frösche spätestens eine Woche später nachbringen sollte. Vor seiner Abreise, sagte er noch zu den Dorfbewohnern: "Liebe Leute, leider muss ich jetzt in die Staaten zurück, um mich dort um dringende Geschäfte zu kümmern. Bei meiner Rückkehr, verspreche ich euch, die Frösche für 60 EUR pro Stück zu kaufen." Sprach und entschwand unter den Jubelrufen der Dorfbewohner, die ihr Glück kaum fassen konnten.
Am nächsten Tag, versammelte der Assistent die Dorfbewohner und sprach:
"Also Leute, ich habe mir für Euch ein Geschäft überlegt: Mein Chef kommt in zwei Wochen zurück und wird euch je 60 EUR pro Frosch bezahlen. Wenn ihr wollt, verkaufe ich Euch die Frösche die ich jetzt habe, für 35 EUR pro Stück und ihr verkauft die dann für 60 EUR pro Frosch weiter. Da könnt ihr ja einen ganz schönen Profit einsacken. Was meint ihr?"
Die Dorfbewohner setzten sich zusammen, berieten und kamen zum Schluss, so eine günstige Gelegenheit könnten sie sich nicht entgehen lassen. Sie kratzten ihr ganzes Geld zusammen, liehen sich Geld von Bekannten, Banken, wo immer sie es bekommen konnten und kauften die Frösche für 35 EUR pro Stück.
Der Assistent nahm das Geld, kehrte in die USA zurück und ward genau so wie der Investor nie wieder im Dorf gesehen. Die Bauern hatten kein Geld mehr, dafür aber hohe Schulden und keinen Vermögenswert mehr als vor dem Geschäft. Das ist die einfache Geschichte der Subprime-Krise, auch für all diejenigen erklärt, die die große Kunst der Bankgeschäfte nicht bis in alle Einzelheiten nachvollziehen mögen…
„Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert.“
(Albert Einstein, 1879–1955)
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kaalexs
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Beitrag von kaalexs »

Thomas Hoenig, der Präsident der FED von Kansas City hat vor kurzem eine beachtenswerte Rede gehalten, die gar nicht in das Muster der Reden von Ben Bernanke und den einflussreichem Vertreter der New York FED zu passen scheint. Während Bernanke & Co eine Politik der zunehmenden Zentralisierung des US-Bankensystems zu betreiben scheinen, kritisiert gerade Thomas Hoenig dieses Vorgehen.



Es schaffe eben Institute, die too big to fail seien, das heißt die man nicht pleitegehen lassen darf, weil sie eine Gefahr für das gesamte Wirtschafts- und Finanzsystem darstellen würden. Diese im Rahmen der verordneten Aufkäufe und Fusionen insbesondere mit dem Segen der US-Treasury und der New York FED entstandenen Institute sind nach Ansicht von Hoenig noch größer und noch komplexer und deshalb schwieriger zu regulieren und zu überwachen.



Als Beispiel führte er die Immobilien-Finanzierer Fannie Mae und Freddie Mac an, die allein wegen ihrer Größe einen erheblichen Einfluss auf die Politik in Washington ausüben würden. Beide Institute wurden praktisch auf Dekret des demokratischen Präsidenten Roosevelt in den 30er-Jahren geschaffen und zeichnen sich immer noch durch eine starke politische Hinwendung zu der demokratischen Partei des derzeitigen Präsidenten Obamas aus. Selbst der republikanische Finanzminister Hank Paulson traute sich nicht, im Jahr 2008 die Chance zu ergreifen, die bankrotten Finanzierer zu zerschlagen. Statt dessen gibt es inzwischen praktisch unbegrenzte staatliche Garantien und hohe zweistellige Milliarden-Beträge sind in diese Häuser bereits geflossen.



Der lokale FED-Präsident bringt es auf den Punkt: Dadurch, dass die großen Finanz-Konglomerate wie JP Morgan, Goldman Sachs, Bank of America und Citi too big to fail seien, haben sie trotz riskanterer Geschäfte eine höhere Bewertung der Ratinggenturen als andere Institute. Das heißt sie können sich auch günstiger an den Kapitalmärkten refinanzieren. Aus Sicht von Standard & Poors, Moodys und Fitch ist die Kreditwürdigkeit durch diese implizite Staatsgarantie höher zu veranschlagen.



Die derzeitigen Probleme haben ihre Ursache in der Deregulierung des Finanzmarkt-Sektors der 80er und 90er-Jahre, die mit den Gramm-Leach-Bliley Act von 1999 ihren Höhepunkt genommen hat. Dieser Act erlaubte es den Banken, als Geschäftsbank, als Investment Bank, als Händler und als Unterzeichner für Versicherungen unter einem Dach aufzutreten. Das hat der Glass-Steagall Act des Jahres 1933 noch verboten, der 1999 damit endgültig aufgehoben wurde.



Von nun an spekulierte die Investment- und Brokerage-Sparte der Bank mit den Einlagen der Kunden. Das kann zwar hochprofitabel sein, könnte aber wie wir die letzten beiden Jahre erleben durfte auch dazu führen, dass die Spareinlagen der Kunden verzockt werden.



Thomas Hoenig möchte diese Entwicklung genauso wie Paul Volcker wieder rückgängig machen und damit aus den Banken überschaubare Einheiten generieren. Seine dreistufigen Forderungen lauten deshalb:



Erstens muss es wieder ermöglicht werden, dass der Kapitalismus funktioniert. Große Institute, die sich verspekuliert haben, müssen auch in einer geordneten Form wieder pleitegehen können.



Zweitens ist anzustreben, dass die Institute wieder durch einfache und etablierte Regeln besser überwacht und gestärkt werden sollen. Das kann beispielsweise durch eine Reduzierung der eingesetzten Fremdkapital-Hebel erreicht werden.



Als letzten Punkt fordert Hoenig eine Rücknahme der Deregulierungs-Gesetzgebung der 90er-Jahre und setzt sich dabei insbesondere für die konkreten Vorschläge ein, die Paul Volcker vor einigen Monaten gemacht hat.



Inwieweit er sich hiermit gegen den geballten Widerstand dieser die letzten beiden Jahre noch viel mächtiger gewordenen Oligopole durchzusetzen vermag, mag zumindest mit einem großen Fragezeichen versehen werden. Denn eine solche Regulierung würden Viele in der Finanz-Industrie mit einem Verlust der ihnen bereits lieb gewordenen ein- oder zweistelligen Millionen Dollar schweren Boni-Zahlungen pro Jahr bezahlen müssen. Diese praktisch ohne eigene Leistungen und unternehmerisches Geschick erzielten Boni werden diese Damen und Herren jedoch aufs Äußerste zu verteidigen wissen. Sie können ja sonst gar nichts anderes.



quelle, bullionär
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martinsgarten
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Beitrag von martinsgarten »

Der folgende Beitrag erklärt aus meiner Sicht wichtige Zusammmenhänge

ZITAT »"Es" wird sich einfach ereignen, egal, ob das jemand sich wünscht, oder es nicht wünscht. «

froschgrafik: Staatsanleihen und Staatsbankrott nicht nur in Spanien und Griechenlandverfasst von frosch, 12.06.2012, 08:11
(editiert von frosch, 12.06.2012, 08:47)

Um die gegenwärtige Hektik wegen Bankenkrise und Staatsschuldenkrise in der Eurozone, nicht nur in Griechenland und Spanien, zu verstehen, mache ich mal eine Musterrechnung mit einem Euroland, dessen Wirtschaftsleistung (BIP) mit 1000 Mrd. Euro rund halb so groß ist wie Deutschland.
Von den 1000 Mrd. Euro wandert die Hälfte (500 Mrd. Euro) in und durch den Staatshaushalt, auch das ist eine weithin normale Größe.
Außerdem hat unser Euromusterland eine Staatsverschuldung von 80 Prozent des BIP, macht insgesamt 800 Mrd. Euro Staatsschulden. Das ist die für Europa übliche Größenordnung. Soweit die Annahmen.

Was folgt daraus?
Für Staatsanleihen sind regelmäßig Zinsen zu zahlen und nach Ablauf ihrer jeweiligen Frist muss jede Anleihe komplett an die Gläubiger zurückgezahlt werden. Bleibt eine Regierung die Zinsen für Anleihen schuldig, oder ist sie nicht in der Lage, die Anleihen zu 100 Prozent zurück zu zahlen, dann tritt der Staatsbankrott ein. In der Regel werden jedoch fällige Anleihen damit bezahlt, dass neue Anleihen aufgenommen werden. Die Schulden werden rolliert. Das ist deshalb von Interesse, weil die Staatsgläubiger (Großbanken und Finanzunternehmen) bei dieser Gelegenheit höhere Zinsen verlangen können. Je nach Qualität des Schuldners werden da mehr oder weniger Zinsen für neue Schulden verlangt. Wenn Finanzinvestoren von Schuldnern mit geringerer Bonität höhere Zinsen verlangen, dann nicht aus bösem Willen, sondern um ihr Eigentum zu schützen.
Nehmen wir an, unser Euro-Musterland muss für seine 800 Mrd. Euro Staatsschulden 2 % Zinsen zahlen. Das sind 16 Mrd. Euro im Jahr. Diese 16 Milliarden gehen von den Staatseinnahmen ab und wandern direkt in die Taschen der Staatsgläubiger.
Da unsere Staatspolitiker blauäugige Optimisten sind, rechnen sie mit einem jährlichen Wirtschaftszuwachs von 2 Prozent, und – weil der Staatshaushalt 50% der Wirtschaftsleistung erfasst – wandert davon die Hälfte oder ein Prozent der zusätzlichen Wirtschaftsleistung (10 Milliarden) zusätzlich in den Staatshaushalt.

Solange alles „normal“ läuft, dann sind diese zusätzlichen 10 Milliarden das „Kapital“, mit dem die Staatsvertreter Politik machen. Alle anderen Einnahmen des Staates sind über längere oder kürzere Zeiträume fest verplant. Nur was neu und zusätzlich reinkommt, kann neu und zusätzlich verplant werden. Mit diesem einem Prozent staatlichem Einnahmenwachstum plus eventueller neuer Schulden machen Staatsvertreter Politik. Ein Prozent vom Ganzen - das ist ihr politischer Gestaltungsspielraum, kein sehr aufregender Job. Das erklärt, warum bürgerliche Politiker von rechts bis links geborene Schuldenmacher sind. Durch zusätzliche Schulden erkaufen sie sich zusätzliche politische Macht.

Nun läuft nicht immer alles „normal“. Unser Euromusterland wird von einer Wirtschaftskrise erfasst. Damit steigen automatisch die Sozialausgaben, gleichzeitig sinken die Staatseinnahmen. Unsere Staatspolitiker trifft das immer ganz unvorbereitet. Von allen Lohnarbeitern verlangen sie, dass wir trotz knappem Lohn noch Rücklagen für Notzeiten bilden. Kein Staat der Welt hat heute noch nennenswerte Rücklagen. Aus Sicht der Finanzinvestoren sinkt damit die Bonität unseres Musterlandes. Die großen Finanzunternehmen verlangen von unserem Musterland für neue Anleihen höhere Zinsen von erst 4 Prozent, und – wenn sich die Wirtschaft- und Finanzlage nicht bessert, von 6 Prozent.
Der Einfachheit halber nehmen wir an, dass in einem Jahr jeweils 50% aller Anleihen rolliert und erneuert werden müssen und dass keine zusätzlichen Schulden aufgenommen werden. Dann steigt der zu zahlende Zinsbetrag erst auf 3 und im Folgejahr auf 4,5 Prozent. Falls sich die Situation dann noch nicht gebessert hat, werden im dritten Krisenjahr auf alle Anleihen mindestens 6 Prozent Zinsen fällig.
In absoluten Zahlen gerechnet, zahlt unser Euroland für 800 Mrd. Euro Staatsschulden im ersten Krisenjahr statt wie bisher 16 Mrd. 24 Mrd. Zinsen, im zweiten Jahr 36 Mrd. und im dritten Jahr 48 Mrd. Euro Zinsen. Die steigenden Zinszahlungen schmälern zusätzlich das Regierungsbudget. Statt den bisherigen 16 Mrd. fehlen im Budget 24 Mrd., dann 36, dann 48 Mrd.
Nur eine Zahl zum Vergleich: In Deutschland wurden 2010 19,5 Milliarden Arbeitslosengeld II (Hartz IV) ausgezahlt.

Was in unserem Modell als wachsende Zinslast in einem einzigen Land durchgerechnet wurde, trifft tatsächlich die verschiedenen europäischen Länder gleichzeitig, wenn auch jedes Land in unterschiedlichem Ausmaß. Siehe die folgende Grafik:

Ob wir es mögen oder nicht, über die gemeinsame Währung sind alle Staaten der Eurozone gemeinsam verschuldet.
Tatsächlich sind die Staaten von Europa längst bankrott.
All die „Rettungspakete“ und „Rettungsschirme“ haben keinen anderen Zweck als diese Tatsache zu vertuschen
.

Die staatliche Schuldenkrise verwandelt sich schnurstracks in eine politische Krise. Statt ans Wahlvolk kleine Geschenke zu verteilen, kommen die Politiker mit Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen und sammeln unter diesem oder jenem Vorwand mehr Geld.
Sie können aber nicht mehr, wie in der Vergangenheit behaupten, dass sie dieses Geld „zum Wohle des Volkes“ nutzen. Die zusätzlichen Zinsmilliarden füllen die Taschen der Staatsgläubiger.
Was in „normalen“ Zeiten verdeckt bleibt, wird nun offensichtlich:
Der Staat nimmt den Armen und gibt den Reichen.

Was tun?
Ich sehe nur zwei Möglichkeiten. Man kann versuchen, sich irgendwie durchzumogeln: Ein bisschen tricksen hier, ein bisschen Ausgaben kürzen da, ein bisschen Einnahmen erhöhen da.
Das verlängert die Lebensdauer der kapitalistischen Regierung und ihres Schuldensystems. Es ist ein Schrecken ohne Ende.
Ich denke, sobald die Staatsschuldnerei Einschnitte in die Transferzahlungen erfordert, wenn also die Armen bluten müssen, um den reichen Staatsschuldnern die Taschen zu füllen, spätestens dann gibt es nur eine konsequent „soziale“ Forderung zur Schuldenkrise: der Staatsbankrott. Das ist ein Ende mit Schrecken.

Der Staatsbankrott beendet die staatliche Umverteilung von Arm nach Reich und der Staatsbankrott beendet auch die staatliche Schuldenmacherei, denn die Staatsgläubiger verweigern dem säumigen Schuldnerstaat weitere Kredite.
Im ersten Schritt schafft das sicherlich neue Härten, aber es beschleunigt auch die Suche nach neuen Lösungen.
Ein möglicher Lösungsweg besteht darin, alle Daseinsvorsorge zu kommunalisieren und zu demokratisieren.
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„Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert.“
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