Was unterscheidet Frankreich von Deutschland ?

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martinsgarten
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Was unterscheidet Frankreich von Deutschland ?

Beitrag von martinsgarten »

Man kann ihnen nicht mit der Geschichte kommen (1933-1945)
Sie sind nicht so Politikergläubig
Sie haben Nationalstolz - der scheint uns nach 1945 abhanden gekommen zu sein.


Die französische Sichtweise der Souveränität vor dem Hintergrund des Konstruktes der Europäischen Union
von Alain Bournazel

Für Frankreich hat der Begriff der Souveränität eine sehr lange Geschichte. Frankreich ist zweifellos, neben England, das erste Land, das den Begriff der Souveränität aufgegriffen und umgesetzt hat.
Seit Ende des 10. Jahrhunderts, d.h. mit dem Aufkommen der Dynastie der Kapetinger, ist der Begriff der Souveränität für Frankreich von zentraler Bedeutung. Dieser Wille zur Souveränität manifestiert sich in der Geschichte insbesondere in folgenden zwei Begebenheiten:
• Der französische König hat sich stets geweigert, dem deutschen Kaiser die Ehre zu erweisen.
• Ebensowenig hat sich der französische König Philipp IV. der Schöne dem Heiligen Stuhl unterworfen. Er zwang den Papst, Rom zu verlassen und sich am Ufer der Rhone, in Avignon, niederzulassen.
Es war auch die Zeit, in der die Gesetzesschreiber des Königs von Frankreich nicht zögerten, diesen als «Kaiser» seines Reiches zu bezeichnen.
• Die Französische Revolution übernahm die Auffassung der Souveränität, die auch in der Monarchie galt. Später hat General de Gaulle, Gründer der V. Republik, den Begriff der Souveränität erneuert, indem er sich auf einige Grundprinzipien stützte:
• Ein souveränes Land ist ein Land, das seine Selbstbestimmung wahrt; es darf sich niemals einer anderen Macht unterwerfen, unabhängig davon, ob es sich um einen Staat oder eine internationale Organisation handelt.
• Ein souveränes Land kann sehr wohl mit anderen Ländern oder internationalen Instanzen kooperieren, aber es muss jederzeit Herr seiner Entscheidungen bleiben
.
Diese zwei Grundprinzipien haben General de Gaulle dazu bewogen, von seinen Partnern die Einführung von zwei fundamentalen Regeln zu fordern: die eine im Vertrag von Rom und die andere im Rahmen der Nordatlantischen Allianz (Nato).
Was den Vertrag von Rom betrifft, so hat General de Gaulle 1967 den sogenannten Kompromiss von Luxemburg erwirkt.
Auf Grund dieser Regelung kann ein Staat, der mit einer Vorschrift der Euro­päischen Gemeinschaft (EG) nicht einverstanden ist, auf sein Recht pochen, diese Vorschrift nicht umsetzen zu müssen.
Dem Nato-Vertrag ist General de Gaulle immer treu geblieben.
Die französischen Truppen sind jedoch dem Nato-Kommando entzogen worden, um nicht unter amerika­nischer Befehlsgewalt stehen zu müssen.
Valéry Giscard d’Estaing, François Mitterand und Jacques Chirac haben die Prinzipien von General de Gaulle unterlaufen und Frankreich immer mehr in die europäische Organisation integriert.
Aber viele Franzosen trauern der Zeit General de Gaulles immer noch nach.
Nicolas Sarkozy hat im Rahmen seiner Wahlkampagne die nationale Souveränität bewusst ins Zentrum seiner Reden gestellt.
Er vertrat eine Politik der Unabhängigkeit, er kritisierte den Euro, er benutzte Symbole der nationalen Souveränität und bezog sich immer wieder auf die wichtige Persönlichkeit General de Gaulles.
Die Franzosen sind verführt worden.
Sie stellen heute fest, dass sie Opfer eines Betruges geworden sind
.

Frankreich hat keine eigene Wirtschaftspolitik mehr – diese wird von der EU bestimmt.
Frankreich hat keine eigene Aussenpolitik mehr – diese wird von den USA bestimmt.

Heute stehen wir vor einem doppelten Problem, sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene:
• Auf europäischer Ebene kann man feststellen, dass das von der Brüsseler Bürokratie installierte System nicht in der Lage ist, Lösungen für die Probleme Europas zu finden. Das Gebäude der EU ist brüchig geworden und läuft Gefahr zusammenzubrechen.
• Der europäischen Wirtschaft geht es schlecht, die Arbeitslosigkeit steigt, und damit nimmt auch die Armut in allen Staaten zu.
Europa ist am Euro erkrankt.
Die ­Situation Griechenlands ist besorgniserregend, da ohne äussere Hilfe dieses Land zahlungsunfähig wäre.
Aber Griechenland ist nicht alleine in dieser Situation.
Dasselbe gilt für Spanien, Portugal und Italien, vielleicht bald auch für Frankreich und weitere Länder.
Früher oder später werden alle davon betroffen sein.
Dies ist auch nicht verwunderlich.
Es war unsinnig, alle Mitgliedsländer auf die gleiche Wirtschaftspolitik zu verpflichten, und so unterschiedlichen Ländern, wie zum Beispiel Deutschland und Griechenland, die gleiche Währung aufzuzwingen.

Was ich zu Frankreich zu sagen habe, ist einfach.
Die Franzosen haben von Sarkozy genug, sie haben kein Vertrauen mehr in ihn, sie wollen ihn nicht mehr.
Der Präsident hat zwei entscheidende Misserfolge erlitten:
• letztes Jahr bei den Europa-Wahlen und
• dieses Jahr bei den französischen Regionalwahlen.
In diesen beiden Wahlgängen musste die UMP, die Partei des Präsidenten, massive Verluste hinnehmen.
Dies ist in erster Linie auf den Präsidenten selber zurückzuführen, dessen Stil, Methoden und Ziele auf immer grösseren Widerspruch stossen.
Wir befinden uns ohne Zweifel in einer Umbruchperiode.
In der Welt kann es so nicht weitergehen, die EU kann in ihrer heutigen Form nicht bestehen bleiben, die Völker Europas können nicht weiter den USA und den Bürokraten in Brüssel unterworfen bleiben.
Damit muss Schluss gemacht werden, die Völker Europas dürsten nach Freiheit, Gerechtigkeit und Brüderlichkeit.
Wir sagen nein zur Unterwerfung Europas unter eine verantwortungslose Bürokratie, wir sagen nein zur Auflösung der Nationalstaaten im Zuge einer seelenlosen Globalisierung.

Wir sagen hingegen ja zu einer freien Kooperation der Nationen, wir sagen ja zur Freundschaft der Völker.

Ich wünsche, dass Frankreich auf Grund seiner langen Tradition nationaler Souveränität seinen Beitrag dazu leisten kann, dass ein frischer Wind von Freiheit über dem geknechteten Europa weht.
Freiheit, Gerechtigkeit, Brüderlichkeit und auch Nächstenliebe, dies sollten die Ideale sein, die uns in Zukunft vereinen. •

(Übersetzung Zeit-Fragen)
„Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert.“
(Albert Einstein, 1879–1955)
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