Idee Regulierte Marktwirtschaft

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Azrael_74
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Idee Regulierte Marktwirtschaft

Beitrag von Azrael_74 »

Ich möchte euch nachstehende eine Idee von mir zu einer regulierten Marktwirtschaft vorstellen. Ich bitte um eure Meinugen dazu besonders von Volkswirtschaftlern, ob die von mir vorgestellten Kriterien inkl. der Regulatoren sinnvoll und umsetzbar wären.

Essay Regulierte Marktwirtschaft

1. Die Idee

Wenn man sich gewisse Ideologien der vergangenen Jahrhunderte anschaut, wird man feststellen, dass viele Grundideen des Liberalismus, der römischen Republik usw. mittlerweile fest in unserer Gesellschaftsstruktur verankert sind. So sind die Gewaltentrennung, die Rechtsstaatlichkeit, das Recht auf freie Meinungsäußerung oder auch die Unantastbarkeit gewisser Persönlichkeitsrechte unveränderbar in unser Verfassung enthalten. Das Resultat ist eine weitgehend gewaltfreie Gesellschaft, in der wir in Europa aufgewachsen sind und die bei weitem keine Selbstverständlichkeit ist, wenn man in andere Teile der Welt schaut.

Andererseits enthält unsere Verfassung keine Kriterien, die eine funktionierende Wirtschaft garantieren. Dies liegt auch daran, dass die wichtigsten wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnisse aus dem 20 Jahrhundert stammen und daher relativ jung sind. Die Basis für die wirtschaftswissenschaftliche Forschung sind oft statistische Auswertung bzw. komplexe Gleichungen, sodass intensive Forschung auf diesem Gebiet erst nach Erfindung des Computers möglich war.
Der Liberalismus und der Sozialismus waren sich in der Hinsicht einig, dass ein glückliches und freies Leben ohne eine gewisse materielle Sicherheit unmöglich ist. Dieser Artikel versucht verfassungsmäßige Gesetze zu erstellen, die als Resultat eine wirtschaftlich stabile Volkswirtschaft garantieren sollen.

2. Regeln für eine im Gleichgewicht befindliche Volkswirtschaft

Die nachfolgend Kriterien/Kennzahlen können als relevant für eine Volkswirtschaft, die sich in einem wirtschaftlich stabilen Gleichgewicht befindet.

- eine ausgeglichene Außenhandelsbilanz
- eine hohe Verteilungsgerechtigkeit
- eine niedrige Arbeitslosigkeit
- ein angemessene Steuerquote und Staatsverschuldung

a. Außenhandelsbilanz
Eine möglichst ausgeglichene Handelsbilanz ist langfristig für eine stabile Wirtschaft unerlässlich. Wichtigster Einflussfaktor auf die Handelsbilanz sind die Wettbewerbsfähigkeit und die Arbeitsproduktivität.

Der Vorschlag wäre daher, dass in der Verfassung verankert wird, dass die Außenhandelsbilanz im 5 jährigen Durchschnitt nicht mehr als +- 5% des BIPs betragen darf und das Nettoauslandsvermögen bzw. die Nettoauslandsschulden nicht mehr als 20% des Bips betragen dürfen. Als Maßnahme zur Erhöhung bzw. Senkung der Arbeitsproduktivität kann die Regierung verpflichtend einen Maximalwert für die jährliche Lohnerhöhung festsetzen bzw. eine minimale Lohnerhöhung vorschreiben, an die sich alle Arbeitgeber zu halten haben.

b. Verteilungsgerechtigkeit
Die Verteilungsgerechtigkeit für das Vermögen und das Einkommen kann durch den Gin-Koeffizienten gemessen werden.

In der Verfassung sollte daher für den Ginikoeffizient für Vermögen und Einkommen ein minimal und ein Maximalwert definiert werden. Der Vorschlag wäre 20 als Minimal- und 25 als Maximalwert.
Der Staat kann ist verpflichtet zur Erreichung der vorgeschriebenen Gini-Verteilung die Sozialausgaben, Vermögenssteuern bzw. den Anstieg der Steuerkurve regelmäßig anzupassen und kann auch für die Gehaltsstrukturen in Firmen einen Bereich für die Gini-Verteilung vorgeben, an die sich die Unternehmen zu halten haben.

c. Arbeitslosigkeit
In einer funktionierenden Gesellschaft entspricht der die Nachfrage nach Arbeit im wesentlichen dem Arbeitsangebot

Die Regierung sollte verfassungsmäßig dazu verpflichtet werden durch Anpassung der Wochenarbeitszeit bzw. des Pensionsalters dafür zu sorgen, dass das Angebot an Arbeit stets der Nachfrage entspricht und die Arbeitslosigkeit im 5 - jährigen Durchschnitt unter 5% bleibt.

d. Staatsverschuldung und Steuerquote bzw. Abgabenquote
Die Regierung sollte verfassungsmäßig verpflichtet werden, dass sich die Staatsverschuldung und die Steuerquote in einem gewissen Bereich befindet, der im 5 jährigen Durchschnitt nicht verlassen werden darf. Als Vorschlag scheint eine Abgabenquote zwischen 35% und 45% und eine Staatsverschuldung zwischen 40% und 60% des Bips angemessen.

3. Fazit und Überlegungen

- Das Ziel des Sozialismus war es eine hohe Verteilungsgerechtigkeit für die im Staat vorhandenen Ressourcen zu schaffen. Aus der Praxis wissen wir aber, das Effizienzprobleme staatlicher Firmen und das totalitäre Staatswesen, das zur Aufrechterhaltung eines kommunistischen Staates notwendig waren, zum Scheitern der kommunistischen Marktwirtschaften geführt haben.
Die hier vorgestellten Verfassungsgesetze versuchen diesen erstrebenswerten Grundgedanken in einem demokratischen System umzusetzen. Das Ergebnis wäre eine regulierte Marktwirtschaft, die sowohl die Politik als auch die Wirtschaft verpflichtet, Regeln einzuhalten, die unter anderem für eine hohe Verteilungsgerechtigkeit sorgen, ohne den freien Wettbewerb unangemessen einzuschränken oder eine Regierung mit zu viel Macht auszustatten.

- Ein Problem des Kapitalismus ist der Konflikt zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Um die Position der Arbeitnehmer zu stärken wurden hier die Gewerkschaften geschaffen. Die Erfahrungen zeigen aber, dass die Macht der Gewerkschaften durch reflexive Prozesse mit dem Anstieg der Arbeitslosigkeit eher ab- als zunimmt und die Gewerkschaften daher in Ländern mit hoher Arbeitslosigkeit zu schwach sind um die Politik zu den erforderlichen Maßnahmen zu zwingen bzw. in Phasen niedriger Arbeitslosigkeit teilweise zu viel Macht haben und die Firmen zu unangemessenen Zugeständnissen zwingen.
Das hier vorgestellte System nimmt die Regierung in die Pflicht für einen Ausgleich von Angebot und Nachfrage nach Arbeit zu sorgen bzw. schreibt vor welche Maßnahmen dafür zu ergreifen sind.

- Ein weiteres Problem unserer Zeit ist, dass die Politik oft eigene Interessen verfolgt anstatt die Interessen der Wähler. Die hier vorgestellten Verfassungsgesetze schränken den wirtschaftspolitischen Handlungsspielraum auf angemessene Weise ein. Ein zusätzlicher Vorschlag wäre hier, dass jedes der vorgestellten Verfassungsgesetze bzw. die Grenzwerte nur durch eine Volksabstimmung geändert werden dürfen. Zusätzlich sorgt eine höhere Verteilungsgerechtigkeit für einen Rückgang der Korruption. Wenn eine Regierung die hier vorgestellten verfassungsmäßigen Pflichten nicht erfüllt, müsste dies entsprechend sanktioniert werden zumindest mit Neuwahlen evtl. aber auch mit persönlichen Strafen für hohe Regierungsvertreter.

- Zuletzt möchte ich erwähnen, dass meines Wissens keines der hier vorgestellten Verfassungsgesetze bestehende Gesetze verletzt. Die Vorschläge sind also als Evolution und nicht als Revolution der bestehenden Wirtschaftsordnung zu sehen. Natürlich müsste für gewisse Werte wie die Giniverteilung oder die Staatsverschuldung eine anfängliche Übergangsphase definiert werden.
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