Nachrichten und Berichtenswertes aus Südamerika

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tibesti
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Nachrichten und Berichtenswertes aus Südamerika

Beitrag von tibesti »

Neben dem offiziellen Reiseblog über unsere 7-jährige Reise durch Südamerika , den ich vorläufig auf Eis gelegt habe, wage ich an dieser Stelle mal ein Experiment und versuche von Zeit zu Zeit, interessante Dinge, die sich in Südamerika aktuell ereignen oder auf die wir auf unserer langen Reise gestoßen sind, zu sammeln und in einem Blog zusammenzufassen.

Neben News aus Politik und Wirtschaft soll es dabei auch um persönliche Erlebnisse und Begegnungen gehen, die über die Berichterstaatung in einem Reiseblog hinausgehen und deshalb dort auch nichts verloren haben.

Wer sich für Südamerika allgemein interssiert, kann ja von Zeit zu Zeit hier mal reinschauen...............
Zuletzt geändert von tibesti am 02.05.2013 23:46, insgesamt 1-mal geändert.
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tibesti
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Beitrag von tibesti »

ARGENTINIEN


Die "Erlebte" Inflation



Während in Deutschland landauf- landab über die Folgen der lockeren Geldpolitik diskutiert wird, die nach Expertenmeinung irgendwann in naher Zukunft zu einer rapiden Inflation, Goldpreisexplosion und den totalen Zusammenbruch des Vertrauens in die Papierwährungen führen soll, ohne dass eins von den beschriebenen Szenarien bisher tatsächlich auch eingetreten ist, können wir auf unserer Südamerikareise am Beispiel Argentiniens zur Zeit die dramatischen Folgen einer verfehlten Wirtschaftspolitik und des völligen Vertrauensverlustes in die einheimische Währung "live" miterleben.

Argentinien ist seit seinem ersten Staatsbankrott 2001 ja bereits der Zugang zum internationalen Geldmarkt verwehrt. Hinzu kommt, das Argentinien seit etwa 2 Jahren eine zutiefst protektionistische Wirtschaftspolitik verfolgt (alle Güter sollen nach Möglichkeit im eigenen Land hergestellt werden) mit der Folge, dass der Zugang ausländischer Firmen zum argentinischen Markt extrem erschwert wurde. Nach Einer Aussage von argentinischen Bekannten ist eine unangenehme Folge etwa im Gesundswesen die, dass wichtige Medikamente kaum noch zu bekommen sind und die Leute z.B. aus Buenos Aires extra nach Uruguay hinüberfahren müssen, um sich dort die nötigen Medikamente zu beschaffen. Aber auch in vielen anderen Güterbereichen heißt es derzeit, Nichts geht mehr oder aber mit extrem langen Verzögerungen durch die Blockade des Zolls.

Infolge der chronischen Devisenknappheit des argentinischen Staates wurde zudem die Möglichkeit der Bevölkerung eingeschränkt, an ausländische Devisen zu gelangen.

Argentinien führt Devisenkontrollen ein

Dollars verzweifelt gesucht

Argentinien auf dem Weg in die Planwirtschaft

Die Folge von all dessen:
Eine starke Inflation im Land, wobei die Regierung die Zahlen mit ca. 11% offiziell schönrechnet, während die tatsächliche Inflationsrate nach Schätzungen derzeit bei ca. 26% im Jahr liegt. Dieser enorme Geldwertverlust in Verbindung mit der faktischen Unmöglichkeit, offiziell über Banken an Devisen zu gelangen, hat zu einem Devisenschwarzmarkt geführt, wobei die Kurse der wichtigsten Währungen Dollar und Euro seit geraumer Zeit anfangen in die Senkrechte überzugehen (siehe Abbildung unten).

Wie haben wir das praktisch erlebt ? Um nicht auf der Strasse in Argentinien schwarz tauschen zu müssen (und dabei das Risiko zu haben, falsche Peso-Scheine untergejubelt zu bekommen) haben wir bisher zweimal in den Nachbarländern Chile und Uruguay in offiziellen Wechselstube Dollar gegen argentinische Peso getauscht.
Beim ersten Tausch Anfang März 2013 in Nordchile bekamen wir für den Dollar 7 Peso (während der offizielle Pesokurs in Argentinien bei 5,0 notierte.
Vor 3 Wochen dann tauschten wir in Uruguay vorsichtshalber (da wir nicht wussten auf welcher Route wir nach Argentinien zurückfahren werden) erneute Dollar gegen Peso. Jetzt stand der offizielle Wechselkurs bei 5,1 Peso und wir bekamen in der Wechselstube 7,9 Peso für einen Dollar.

Heute nun schaue ich mir die Wechselkurse erneut an (es gibt eine Seite mit den täglich aktualisierten offiziellen und schwarzen Wechselkursen).

Netzseite mit den täglichen Wechselkursen

Unglaublich: Dollar und Euro gehen gegen den Peso in den totalen Steigflug über. Während der offizielle Dollarkurs bei 5,15 Peso liegt, bekommt man inoffiziell 9,05 Peso. Das sind seit unserem ersten Tausch im März in Chile 30%!! Wertverlust in 2 Monaten.

Jeder in Argentinien, der es sich leisten kann, versucht derzeit, in irgendeiner Form an ausländische Devisen heranzukommen. Die Geldwechsler, die in der "Florida", der Einkaufsmeile von Buenos Aires ganz offen, "Cambio, Cambio" rufen, sind nur die Vermittler der Tauschgeschäfte. Sie führen einen in ein angrenzendes Geschäft, wo ein an Devisen interessierter Argentinier den Tausch dann vornimmt.
Zudem findet in Argentinien auf der Flucht nach Geldwertstabilität eine Flucht nach Gold statt. Aber auch der Kauf von Gold durch Privatleute wird von Regierungsseite stark eingeschränkt: Nur eine einzige Bank darf in Argentinien Gold an Privatpersonen verkaufen und dass auch nur zu einem Reiheitsgrad von 99,96%, da der Verkauf von Gold mit dem Reinheitsgrad 99,99% verboten ist.

Die Folgen für die argentinische Bevölkerung sind natürlich enorm, aber auch im benachbarten Uruguay, dassen Wirtschaft sehr stark vom Tourismus abhängt - und hier in erster Linie natürlich von den Touristen aus dem benachbarten Argentinien, ist ziemlich besorgt über die dramatische Lage im Nachbarland und die Auswirkungen auf die einheimische Tourismusbranche. Wunderten wir uns in der Osterwoche, die in Uruguay traditionell mit der Semana de Turismo, der Tourismuswoche eine Ferienwoche in Uruguay ist und in dieser Zeit auch sehr stark von Argentiniern zu einem Kurztrip in Nachbarland genutzt wird, noch darüber, dass in diesem Jahr die Küstenorte Punta del Este und Piriapolis deutlich leerer waren als sonst, so bestätigte uns ein paar Tage später ein Einheimischer im Gespräch, dass tatsächlich viele Argentinier zur Zeit nicht mehr kämen, weil sie sich die Reise angesichts der miserablen Wechselkurse nicht mehr leisten könnten. Deshalb subventioniert jetzt die Regierung Uruguays den Tourismus durch Argentinier sogar dadurch, dass Geldabhebungen von Argentiniern an Geldautomatren in Uruguay bezuschusst werden: Liegt aktuell der offizielle Wechselkurs Dollar-Peso bei 5,15 (gilt nur in Argentinien) und der inoffizielle bei 9,0, so bekommen Argentinier bei Geldtausch am Automaten statt des Kurses 1:9 einen Kurs von 1:6,4 berechnet. Der Zuschuss (Erstattung des Differenzbetrages) durch die Regierung fließt dabei direkt an die auszahlenden Banken.

Hier einige Links:

"Argentinien versagt bei der Bekämpfung der Inflation – also lügen sie"

Inflation befeuert Goldboom in Argerntinien

Hunderttausende demonstrien in Argentinien

Erneut Massenproteste gegen die Regierung

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tibesti
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Beitrag von tibesti »

Argentinien

Aktualisierung

Nachdem die argentinische Regierung Anfang des Jahres angesichts der starken Inflation die Preise in den Supermärkten bis zum 1. April eingefroren hat,

Regierung friert die Preise ein

brechen seit April nun offenbar alle Dämme, was den Außenwert der Währung angeht. In den 3 Tagen seit meinem letzten Posting ist der Wert des Peso gegen Dollar und Euro erneut massiv eingebrochen:
Statt 9,00 Peso müssen nun 9,48 Peso aufgewendet werden (der offizielle Kurs im Land beträgt 5,18 nach zuvor 5,14), der Euro notiert bei 12,43 nach zuvor 11,4 Peso für einen Euro (Offiziell 6,79).

Ich bin gespannt, was mich erwartet, wenn ich in 3 Wochen wieder nach Argentinien einreise und wie die Stimmung bei meinen argentinischen Freunden ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Regierung angesichts des Wirtschaftdesasters das Land auf Dauer stabil halten kann. Nach der angehängten Reuters-Meldung hält der argentinische Vizepräsident das Thema des rapiden Wertverlust des Peso am "Blue-Markt" allerdings für "marginal" und beherrschbar, und Argentinien habe die notwendigen Mittel, um die Turbulenzen rund um die Währung zu beherrschen und in den Griff zu bekommen (sinngemäß übersetzt).

Reuters-Meldung vom 3.5.13 (auf spanisch): Das Verhältnis Peso-Dollar kratzt an der psychologischen Marke von 1:10. Seit 6 Wochen anhaltende Flucht aus dem Peso


Ironie an!:
Ich schlage der argentinischen Regierung vor, einfach mal wieder die nationale Karte auszuspielen, um von den eigentlichen Problemen im Land abzulenken. Das der letzte Versuch in dieser Hinsicht mit der Besetzung der Falklandinseln kläglich scheiterte, muss ja nicht das letzte Wort gewesen sein. Seit dem verlorenen Falklandkrieg wird die Bevölkerung überall im Land ja sowieso schon seit Jahren mit Schildern bombadiert, auf denen die Losung unmissverständlich geschrieben steht: LOS MALVINAS (Falklandinseln) SO ARGENTINOS. Und wenn es um nationale Belange der argentinischen "Identität" geht kennen die Argentinier nämlich keinen Spaß.
Man denke nur an den nationalen Freudentaumel überall im Land, als ausgerchnet ein argentinischer Kardinal jüngst zum Papst gewählt wurde und auch ein so simples Vergnügen wie eine Fußball-Weltmeisterschaft gerät schnell zu einer sehr ernsten nationalen Identitätsfrage: Als bei der letzten Fußball-WM etwa Deutschland in einem legendären Spiel die Argentinier mit einem demütigenden 0:4 nach Hause schickte, war die nationale Depression riesengroß und meine simple Nachfrage gegenüber einem Taxifahrer bei meiner Rückkehr nach Buenos Aires nur wenige Wochen später, was denn da bloß los gewesen sei mit dem argentinischen Team, bekam dieser Taxifahrrer prompt in die falsche Kehle und wurde recht gereizt. da verstand er keinen Spaß!
Also: Wenn gar nichts mehr geht in der Wirtschaft, dann einfach mal wieder durch einen schönen Außenkonflikt von den eigentlichen Problemen und der eigenen Unfähigkeit ablenken, dann wird das schon, gell??

Ironie aus!
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einer der vielen Gedenktafel an den "heroischen" Kampf der argentinischen Marine um die Falkland-Inseln
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Beitrag von tibesti »

ARGENTINIEN

Ein neuer Korruptionsskandal auf höchster Ebene beschäftigt derzeit die Öffentlichkeit in Argentinien, wie das deutschsprachige "Argentinische Tageblatt" in seiner Ausgabe vom 27.4.2013 schreibt. Ob die ganze wirtschaftliche Misere und all die Korruptionsskandale allerdings tatsächlich Auswirkungen auf die anstehende Wahl im Herbst 2013 haben werden, ist fraglich:

"...Korruptionsskandale unterhalten zwar die Öffentlichkeit, pflegen aber kaum
Wirkung auf die Wahlergebnisse zu haben. Die meisten Argentinier gehen
davon aus, dass Politiker grundsätzlich korrupt sind und Staatsgelder in die
eigene Tasche ableiten....".

Argentinisches Tageblatt 123. Jahrgang Nr. 31.925 Sonnabend, 27. April 2013

Korruptionsskandale
Während der zehnjährigen Amtszeit des Ehepaars Kirchner seit 2003 sind mehrmals Korruptionsskandale aufgetaucht, gelegentlich auch vor Gericht. Indessen hatte kein Skandal zuvor eine solche Publikumswirksamkeit wie der jüngste Fall der Geldwäsche des Unternehmers Lázaro Báez. Aufgedeckt wurde der Skandal am Sonntagabend der Vorwoche durch den Journalisten Jorge Lanata, der schon im Vorjahr durch seine Sendungen Sonntagabends nach 22 Uhr im Fernsehkanal des oppositionellen Medienkanals „Clarín“ Aufsehen erregt und hohe Einschaltquoten bewirkt hatte. Lanata kehrte am Sonntagabend der Vorwoche mit seiner Sendung zurück. In seinem Monolog zählte er die zahlreichen Korruptionsskandale auf, die er als Journalist, anfangs als Gründer und Leiter der Zeitung „Página 12“ und später als unabhängiger Journalist aufgedeckt hatte. In Bezug auf Untersuchungen seiner Mitarbeiter erzählte er die Geschichte des Bauunternehmers Lázaro Báez, der als bescheidener Bankangestellter begann und dank großzügiger Zuschläge der Provinzregierung zum Baumonopolisten aufstieg. Die Überpreise der Bauten finanzierten die Korruption. In seiner zweiten Sendung am vergangenen Sonntagabend deckte Lanata die Partnerschaft von Báez mit Expräsident Néstor Kirchner auf. Die Geldwäsche hatte Lanata eine Woche zuvor denunziert, als ein Mitarbeiter von Báez erzählte, wie Säcke mit 500-Euroscheinen in privaten Flugzeugen von Río Gallegos nach dem Flughafen von San Fernando nördlich der Bundeshauptstadt transportiert und von dort nach Uruguay verschifft wurden, um dann in Steuerparadiesen von Panama und Belize zu landen und am Ende auf ein Konto der Schweizer Finanzgesellschaft Lombard Odier deponiert wurden. Außer Geldwäsche geht es um Steuerhinterziehung, Verletzung der Devisengesetze und unrechtmäßige Zuteilung öffentlicher Bauaufträge. Leonardo Fariña, ein bescheidener Buchhalter, der sich dabei selber bereicherte und mit zwei Luxusautos der Marke Ferrari seinen persönlichen Wohlstand zur Schau stellte, dementierte zwar seine Erklärungen im Fernsehen als Fiktion, konnte aber nicht verhindern, dass ihm eine Rolle als Geldwäsche-Kurier zufiel. Andere Personen, darunter seine inzwischen geschiedene Gattin, die dem Milieu bekannter Fernsehpersonen entstammt, auf Spanisch „farandulería“ genannt, sorgten für massive Publikumswirkung der Affäre. Zwei Richter, bei denen der Skandal von Politikern angezeigt worden war, versuchten zuerst, den Fall dem anderen Richter zuzuweisen, bis die Berufungskammer entschied, wer von beiden sich damit befassen müsse. Dass Báez und Kirchner Partner waren und die Geldwäsche dieses Geschäfts offensichtlich war, verschlimmerte die Wirkung für das Image der Regierung, deren Präsidentin Erbe ihres Gatten nach dessen plötzlichem Tod 2010 ist und somit ebenfalls Partnerin des Unternehmers Lázaro Báez. Korruptionsskandale unterhalten zwar die Öffentlichkeit, pflegen aber kaum Wirkung auf die Wahlergebnisse zu haben. Die meisten Argentinier gehen davon aus, dass Politiker grundsätzlich korrupt sind und Staatsgelder in die eigene Tasche ableiten, was für einige Politiker sicherlich stimmt, aber keinesfalls für alle. Der Fall Lázaro Báez und die Geldwäsche in Euroscheinen dürfte eine stärkere politische Wirkung auf die Meinung der wahlberechtigten Bürger/innen haben und den Wahlkampf bis Oktober 2013 beeinflussen. Das Image der Präsidentin soll laut Umfragen bereits gelitten haben. Sie steht zwar im Oktober nicht zur Wahl, wohl aber ihre Parteigänger in allen Parlamentswahlen der Nation, der Gliedstaaten und der Gemeinden. Für Regierungskandidaten dürfte es sich als peinlich herausstellen, wenn sie darüber gefragt werden. Lázaro Báez war es bisher gelungen, die Öffentlichkeit zu ignorieren, obwohl längst bekannt war, dass er fast alle Ausschreibungen der Provinz für Staatsbauten und Erdöllizenzen gewann. Außerdem hatte er mehrere Estancias in Santa Cruz erworben, die nahe bei den geplanten Wasserkraftwerken liegen und überflutet werden müssen, sondass die Eigentümer der betreffenden Ländereien entschädigt werden müssen. Die Objekte sind zwar ausgeschrieben worden, aber es hapert an der Milliardenfinanzierung. Báez stellt den Skandal als eine Verunglimpfung seines Freundes Néstor Kirchner dar, dessen Mausoleum in Río Gallegos er selber finanziert hat. Die Justiz befasst sich jetzt mit dem Skandal, dürfte aber kaum vor den Wahlen zu einem Urteil gelangen. Unterdessen unterrichtet die Presse nahezu täglich über den Skandal.
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Beitrag von tibesti »

Argentinien/Uruguay

Die armen Uruguyaer können einem leid tun. Jahrelang lag das kleine Land am Rio de la Plata im Dauerzwist mit seinem großen Nachbarn Argentinien, dass sich maßlos ärgerte, dass die Uruguayer den Argentinos den Auftrag für den Bau von 2 Zellstoff-Fabriken wegschnappte.

Hintergrund des inzwischen beendeten Konflikts infolge vollendeter Tatsachen:

http://uruguay-magazin.com/Politik/Jahr ... uguay.html

Nun müssen die Uruguayer zur Stützung ihres Tourismussektors, der sehr stark vom Besuch argentinischer Touristen abhängt, die Geldabbebungen vom Bankautomaten durch Argentinier aufgrund des rapiden Verfalls des Außenwertes des argentinischen Peso bezuschussen.

Und schließlich tappt auch noch der uruguayische Präsident Anfang April laut Latina-Press in ein unbeabsichtigtes peinliches Fettnäfchen, was den Beziehungen zum argentinischen Kirchner-Clan auch nicht gerade förderlich sein dürfte:

Uruguay – Argentinien: José “Pepe” Mujica sorgt für Eklat!
Offenbar in politisches Fettnäpfchen getreten. Uruguays Präsident José “Pepe” Mujica ist offenbar in ein politisches Fettnäpfchen getreten und hat dadurch für einen Eklat gesorgt. Während einer Pressekonferenz in der Stadt Sarandí Grande (Bundesstaat Florida) sprach das Staatsoberhaupt über seine Beziehungen zu den Regierungen von Argentinien und Brasilien. Dabei war sich Mujica offenbar nicht bewusst, dass die Mikrofone offen waren. “Die Kirchner ist schlimmer als der alte Einäugige (Nestor Kirchner)”, soll “Pepe” laut einem Bericht der Tageszeitung “El Observador” ausgeplaudert haben. Argentiniens Außenminister Hector Timerman hat am Donnerstagnachmittag dem Botschafter von Uruguay, Guillermo Pomi, eine formelle Protestnote überreicht. “Das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten weist darauf hin, dass wir diese abfällige Bemerkung nicht hinnehmen. Der verstorbene Nestor Kirchner und sein Andenken wurde durch die Äußerungen von Herrn José Mujica beleidigt/beschmutzt”, lautete der Text aus Buenos Aires. Mehrere uruguayische Medien berichteten über den angeblichen Fauxpass von Mujica und veröffentlichten einen Mitschnitt von der Pressekonferenz, auf der eine Person diese Äußerung von sich gibt. “Ich sprach über Lula und Brasilien und nicht öffentlich über Argentinien. Deshalb habe ich auch keinen Grund, mich für irgend etwas zu entschuldigen”, so Mujica. “El Observador” ordnet diesen Satz allerdings weiterhin dem Staatsoberhaupt zu und weist darauf hin, dass es keinen Raum für eine Doppel-Interpretierung gebe.

Und für die Börsianer hier an Bord:

Was nimmt die Börse hier vorweg? Rapider Verfall des Außenwertes der argentinischen Währung, hohe Inflation im Land, Dauerkonflikt mit Hedgefonds vor US-Gericht wegen Anleihen-Umschuldung....Die negativen News sind massiv und was macht die argentinische Leitbörse MERVAL? Sie schießt nach oben, ohne dass sich hierfür fundamentale Gründe anführen ließen....
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MERVAL
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Beitrag von tibesti »

Venezuela


Nahrungsmittelknappheit in Venezuela: 1,5 Kilometer lange Warteschlange

Es ist schon bemerkenswert, was wir da jetzt lesen müssen. Zweimal waren wir in den letzten 7 Jahren in Venezuela und jedes Mal fiel uns das extrem dürftige Warenangebot in den Supermärkten auf. So schrieben wir bereits 2007 in unserem Reisebericht: "....Denn Venezuela, das ist die verkehrte Welt der Preise: Autofahren gibt’s zum Nulltarif, aber das normale Leben, etwa Lebensmittel wie Fleisch, Wurst und Käse sind zum Teil sehr teuer. Insgesamt macht das Warenangebot, was den Bereich Lebensmittel angeht, für unseren Geschmack sowieso einen mehr als dürftigen Eindruck und was an Obst und Gemüse angeboten wird, ist einfach nur trostlos...."

Hugo Chavez "Sozialismus des 21. Jahrhunderts beeindruckte uns schon damals durch die langen, leeren Regalreihen der großen Supermärkte und selbst die Autofahrer mussten in Grenznähe aufgrund des Treibstoffschmuggels in die Nachbarländer zum Teil in Kilometerlangen Schlangen um das praktisch kostenlose Benzin anstehen.

Bild
Schlange-Stehen für Benzin im Erdölland Venezuela



Jetzt ist Hugo Chavez gestorben und allmählich wird das ganze Ausmaß der katastrophalen Versorgungslage der Bevölkerung deutlich, wie Latina-Press in einer Meldung vom 8.5.2013 meldet:

Nahrungsmittelknappheit in Venezuela -1,5 Kkilometer lange Warteschlange

Inzwischen hat die venezulanische Regierung am 9.5.2013 sogar offiziell um Hilfe beim reichen Nachbarn Brasilien gebeten:

"...Das erdölreichste Land der Welt hat es über ein Jahrzehnt versäumt, eine eigene Nahrungsmittelproduktion aufzubauen und investierte seine Erdöleinnahmen lieber in Waffenkäufe", schreibt Latina-Press in einem weiteren Artikel. "...“Es gibt Probleme mit der Lieferung von Produkten (Lebensmittel) und Brasilien kann uns sehr kurzfristig helfen”, so Maduro in einer Erklärung an die Presse. “Wir haben Brasilien um mehr Unterstützung für die Agrar-Revolution in Venezuela gebeten. Wir werden mit Hilfe von Brasilien neue Produktionstechniken testen und von der Erfahrung unseres Nachbarlandes lernen”, fügte er hinzu. Brasilianische Medien fügten ironisch an, dass Maduro in jedem zweiten Satz den verstorbenen Hugo Chávez erwähnte. “Nach der Entdeckung von Öl hat Venezuela die produktive Kultur im Land amputiert. Meine Regierung will dies ändern”, gab der 50-jährige Ex-Busfahrer das Ziel vor und überreichte Rousseff ein Porträt des verstorbenen bolivarischen Führers.."

Und weiter heißt es bei Latina-Press:
"...Der Kampf um die täglichen Lebensmittel ist in Venezuela fester Bestandteil des täglichen Lebens geworden. Das morgendliche Szenario ist stets das gleiche und bereits vor Öffnung der Supermärkte bilden sich lange Warteschlangen von ungeduldigen Kunden. Nachdem dies in der Vergangenheit von der Regierung und einigen Regierungs-Propaganda abspulenden Gazetten stets geleugnet wurde, hat Ernährungsminister Félix Osorio diese Tatsache nun eingeräumt und versprochen, eine Lösung zu finden...."
Zuletzt geändert von tibesti am 22.06.2013 08:36, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag von tibesti »

Die Entwicklung der südamerikanischen Währungen im Verhältnis zum Euro

Ich habe mal in unseren Aufzeichnungen der letzten Jahre nachgeschaut, um folgende Frage zu beantworten:

Wie haben sich eigentlich die Währungen der wichtigsten südamerikanischen Länder in den 7 Jahren unserer Reise zum Euro entwickelt ?

Wechselkursentwicklung 1 Euro : lokale Währung, 2006/2007 - Stand Mai 2013

Paraguay - Guarani:............ 6900, jetzt 5200,..... -25%
Peru - Soles:........................... 4,2, jetzt 3,3,.........-21%
Uruguay - Peso:................... 30,0, jetzt 24,.......... -20%
Kolumbien - Peso:................3000, Jetzt 2400,..... -16%
Bolivien -Boliviano:............. 10,1, jetzt 8,9,......... -12%
Chile - Peso:....................... 700,0 jetzt 616,........ -12%
Brasilien - Real:..................... 2,8, jetzt 2,6,...........-7%

Argentinischen - Peso:.......... 3,8, jetzt 6,7...........+78% (offizieller Kurs), 10,9 (Schwarzmarkt-Mercado libre) +186%


Ergebnis:

Mit Ausnahme von Argentinien hat der Euro gegenüber den wichtigsten Südamerikanischen Währungen deutlich abgewertet. Bei Ländern wie Paraguay oder Bolivien läßt sich das kaum mit der "Stärke" der jeweiligen Wirtschaft erklären, wohingegen der Kursverlust des Euro gegenüber Ländern mit einem Wirtschaftsboom infolge der starken Rohstoffnachfrage in den vergangegen Jahren (Chile, Peru, Brasilien) noch am ehesten nachvollziehbar ist. Auffallend die moderate Bewegung bei Brasilien: Hier zeigt sich, dass in dem vermeintlichen "Boomland" zur Zeit trotz anstehender Fußball-WM (2014) und Olympischen Spielen (2016) bei weitem nicht alles so glänzt, wie der westliche Medien-Mainstream immer vermutet.
Argentinien bleibt der Ausnahmefall in Südamerika und die Währungsentwicklung zeigt drastisch, wie es um die argentinische Wirtschaft tatsächlich bestellt ist. Jährliche Inflationsraten von über 20% signalisieren, dass der derzeitige inoffizielle Kurs am Mercado Libre die tatsächliche wirtschaftliche Lage eher widerspiegelt als der "offizielle" Wechselkurs.

Generell gilt jedoch:
Noch vor der berühmten La-Plata-Krise um 2000 galten gerade die La-Plata-Staaten wie Argentinien und Uruguay für europäische Reisende als extrem teuer. Das war danach erst einmal anders und noch 2006/07 profitierten wir als deutsche Reisende von den schwachen Währungen.
Jetzt hat sich das Bild wieder gedreht:
Uruguay etwa ist vom Einkaufsparadies 2006 inzwischen buchstäblich wieder in den Status "schweineteuer" mutiert, denn zu dem Währungsverlust des Euro gegenüber dem Peso von 20% gibt es natürlich auch hier eine beträchtliche Inflation der Preise. Und das gilt mehr oder minder für alle südamerikanischen Staaten.

Wer wie wir seit 7 Jahren durch Südamerika fährt, spürt diese Entwicklung (schwacher Euro + inflationäre Preise in den Ländern) deutlich in der Reisekasse. Die Kalkulation der Kosten für eine längere Südamerikareise wird für einen Reisenden aus der EU heute deutlich ungünstiger ausfallen als noch vor 7 Jahren.

Eine sehr gute Möglichkeit, sich über die aktuellen Wechselkurse zu informieren, bietet übrigens OANDA.COM.

Guckst du hier:

Wechselkurse bdei OANDA

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Beitrag von tibesti »

Nachtrag: Die Entwicklung der südamerikanischen Währungen im Verhältnis zum Euro

So schnell kann es gehen: Aufgrund der extremen Unsicherheit an den Finanzmärkten über die weitere Politik der Notenbanken, vollzieht sich seit wenigen Wochen eine starke Flucht von Anlagegeldern raus aus den Emerging Markets. Heute steht ein informativer Artikel hierzu in der Zeitung "Die Welt":

Amerikas Husten lässt die Währungen einbrechen


Seit meinem letzten Posting im Mai 2013 hat sich das wie folgt auf die südamerikanischen Währungen ausgewirkt:

Wechselkursentwicklung 1 Euro : lokale Währung, Stand Mai 2013 -12. Juni 2013

Paraguay - Guarani:............ 5200, jetzt 5678,............+9,2%
Peru - Soles:.............................3,3 jetzt 3,5..............+6,0%
Uruguay - Peso:.....................24, jetzt 26,5,..............+10%
Kolumbien - Peso:................2400, jetzt 2526...........+5,2%
Bolivien -Boliviano:............. 8,9, jetzt 9,08...............+2,0%
Chile - Peso:....................... 616 jetzt 667................+10,0%
Brasilien - Real:..................... 2,6, jetzt 2,85.............+9,6%

Argentinischen - Peso:.......... 6,7, jetzt 7,03...........+4,93% (offizieller Kurs), 10,9 (Schwarzmarkt-Mercado libre) unverändert

Das kann man wohl mit Fug und Recht VOLATILITÄT nennen!

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Beitrag von tibesti »

Brasilien

In der Reiseliteratur gibt es vom Reise-KnowHow-Verlag eine schöne Buchreihe zu diverseven exotischen Reiseländern unter dem Sammelbegriff "Kulturschock".

Unter diesem Begriff werden in der Wissenschaft mehrere Modelle diskutiert, u.a. das U-MODELL, so genannt, weil es in seinen verschiedenen Phasen einen U-förmigen Verlauf nimmt.

--------------------
U-Modell:

In diesem Modell wird nicht der punktuelle Schock beschrieben, sondern der länger anhaltende (gelegentlich über mehrere Monate). Dabei verläuft die Zeit auf der horizontalen Achse, das Wohlbefinden wird auf der vertikalen Achse eingetragen. Mit "U" ist die graphische Form beschrieben, die die Kurve annehmen kann.

Honeymoon-Phase
Während dieser Zeit werden die Unterschiede zwischen der alten und der neuen Kultur in einem romantischen Licht gesehen – wunderbar und neu. Zieht jemand zum Beispiel in ein anderes Land, so genießt die Person das fremde Essen, die andersartige Architektur und wie die Menschen leben. In den ersten Wochen sind die meisten Menschen von der neuen Kultur fasziniert. Eine Phase der Beobachtung, die voll von neuen Entdeckungen ist.

Krise
Es fällt einem auf, was alles nicht so ideal ist in der "neuen" Kultur und man tritt häufig in Fettnäpfchen. Typisch ist der Gedanke "zu Hause wird das besser gemacht". Sprachliche Barrieren und mangelnde Kenntnis spielen dabei häufig eine Rolle.

Erholung
Man entwickelt Verständnis für die Handlungsweisen, die von der Heimatkultur abweichen und versucht sie zu verstehen.

Anpassung
Die Person hat sich in die neue Kultur integriert, sie versteht die Kultur und übernimmt teilweise sogar Verhaltensmerkmale der Fremdkultur
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Dieses "Kulturschock-Phänomen haben wir nicht zuletzt aufgrund unserer langen Aufenthalte an uns selbst besonders in Brasilien erfahren. Wer die Reiseberichte mitverfolgt hat, wird sich bestimmt noch an die z.T. sehr euphorischen Berichte erinnern, die uns Brasilien als Insel der Glückseligen haben erscheinen lassen. Doch je länger man sich dann im Land aufhält, je mehr Kontakte man zu Einheimischen bekommt und je mehr man sich auch mit der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Situation des Landes beschäftigt, umso mehr fängt man langsam, aber sicher an, vieles zu relativieren und kritisch zu hinterfragen und man muss sogar aufpasen, dass man mit seinen Einschätzungen nicht ins andere Extrem verfällt. Schließlich pendelt sich allmählich ein Gleichgewichtszustand ein: Die Liebe zu diesem Land bleibt, aber die Sinne sind geschärft für die immensen Probleme und schreienden Ungerechtigkeiten, die dieses Land vor sich her schiebt.

Allein zu Brasilien könnte ich einen ganzen Blog eröffnen und käme vor lauter Schreiben gar nicht mehr dazu, mich mit anderen Dingen im Leben zu beschäftigen.

Aus aktuellem Anlass möchte ich an dieser Stelle mal mit diesem Thema beginnen und hoffe, dass ich genug Zeit und Lust aufbringe, ab und an mal ein paar interessante Aspekte zu erörtern.

Aus Anlaß der bevorstehenden Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien hat die "Welt" heute einen interessanten Artikel geschrieben zum Thema:


Brasilien baut das absurdeste WM-Stadion der Welt

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Brasilien

gute Zusammenfassung über die Hintergründe der aktuellen Proteste in Brasilien

Die Wütenden von Rio
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Wir brauchen keine Stadien, sondern Gesundheit, Sicherheit, Bildung! Bild
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Wir wollen Schulen und Krankenhäuser in FIFA-Qualität!
Bild


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