Älteres Artikel dennoch lesenswert wieder mal USA

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Turon

Älteres Artikel dennoch lesenswert wieder mal USA

Beitrag von Turon »

Ich kann mich an die Zeiten erinnern, wo ich damals vielleicht 12 Jahre alt, Informationen aus sog. innofiziellen (im Sozialismus verbotenen Quellen) gehört habe.
Es handelte sich um Sender die in Westeuropa
quasi im Untergrund gesendet wurden.

Diese Artikelreihe stammt in übrigen aus der World Socialist Web Site (also diesmal
linke Organisation) Bild und präsentiert eigentlich nicht weiter als die Stimmung in USA - sollte irgendwie logisch sein, wenn die Menschen nicht kritisch wären gäbe es solche Quellen nicht. Bild Dennoch:entscheidend sind in dieser Artikel Reihe die Kommentare einige US-Volkswirte, Struktur und Veränderung des Realeinkommens,
sowie auch der Ausdruck der psychischer Verfassung der US-Bürger.

Jeder kann der Artikelreihe das herausfinden, was für ihm wichtig ist. Legt bitte vor der Lektüre unbedingt, Klischees mal bei Seite. Wenn der Aufschwung an der US Börsen also von einem Anteil von sagen wir
5% der Bevölkerung getragen worden ist, ist das Szenario der nächster Hype eigentlich
gerade totumgefallen, wenn USA mit einer Rezession, oder gar Depression zu tun bekommt. Und das wird sie.

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Wolken der Rezession verdichten sich über dem Treffen in Davos
Von Nick Beams
2. Februar 2001
aus dem Englischen (30. Januar 2001)
Im letzten Jahr versammelte sich das Weltwirtschaftsforum in Davos unmittelbar nach den Protesten gegen die Konferenz der Welthandelsorganisation (WTO) in Seattle, nachdem diese das Ziel verfehlt hatte, eine neue Welthandelsrunde einzuleiten. Damals wurden zwar einige Bedenken über die Bedeutung dieser Ereignisse geäußert, aber die Stimmung war allgemein optimistisch.

Die Diskussion drehte sich vor allem um die boomende "E-Ökonomie", die Rolle des Internets und der Technologie bei der Stärkung der US-Wirtschaft, sowie über die Möglichkeiten eines globalen Wirtschaftswachstums nach der "asiatischen Finanzkrise".

Bei der diesjährigen Versammlung von zweitausend Wirtschaftsbossen, führenden Politikern, Bankern, Ökonomen und Akademikern war die Atmosphäre ziemlich anders. Der durch Technologie gestützte Aktienmarkt ist kollabiert, die japanische Wirtschaft rutscht nach einigen Zeichen des Aufschwungs wieder in die Rezession zurück und, was das Wichtigste ist: das Wachstum der US-Wirtschaft ist zum Stillstand gekommen und trägt alle Anzeichen einer Rezession noch in der ersten Hälfte dieses Jahres.

Ein Kommentar der Financial Times fasste die Stimmung folgendermaßen zusammen: "Im letzten Jahr war das E-Wort in aller Munde. In diesem Jahr ist es das R-Wort. Rezession beherrscht vor allem anderen die Gedanken der Politiker und Vorstandsvorsitzenden, was sie auch am Weltwirtschaftsforum ganz offen sagen. Das ,neue ökonomische Denken‘ des letzten Jahres, so wichtig für die neue, vom e-Commerce beherrscht Ökonomie, ist völlig verschwunden."

Ursache für diese veränderte Perspektive ist der Wendepunkt der US-Wirtschaft, die laut dem Vorsitzenden der US-Notenbank (Federal Reserve Board), Alan Greenspan, Ende des vergangenen Jahres eine "sehr dramatische Verlangsamung" durchgemacht habe, und deren Wachstum "zu diesem Zeitpunkt möglicherweise annähernd Null" betrage.

Auf den Kontrast zum letztjährigen Treffen bezogen, bemerkte die Financial Times: "Vergangen sind die atemlose Begeisterung über die ,neue‘ US-Wirtschaft und der amerikanische Triumph, der früher die anderen Delegierten bezauberte und auch ärgerte. Die Frage heute ist nicht, wie weit die amerikanische Wirtschaft noch steigen, sondern wie weit sie abrutschen und wie schmerzhaft dieser Fall für die Welt sein wird. Der Konsens unter den Ökonomen in Davos ist, dass eine harte Rezession wohl noch vermieden wird, aber dass die gegenwärtige Verlangsamung auch die Arbeitslosigkeit in den USA steigern, Japans strukturelle Probleme vertiefen und das ostasiatische Wirtschaftswachstum dämpfen wird."

Dem früheren Vizevorsitzenden der US-Notenbank, Alan Blinder, zufolge mag eine Rezession zwar abgewendet werden, aber die Verlangsamung wird ein "starkes Stottern" bewirken und könnte wie "eine Rezession erscheinen".

Was allerdings die Absichten der neuen Bush-Regierung in Bezug auf eine solche Verlangsamung und ihre Auswirkungen auf die Weltwirtschaft sind, konnte keiner in Davos vorhersagen, weil der neue Präsident oder diejenigen, die letztlich seine Politik bestimmen, sich entschieden, keinen Repräsentanten zu schicken. Das ist ein markanter Bruch im Vergleich zur Praxis seines Vorgängers.

Verschiedene wichtige Teilnehmer äußerten Bedenken über den Zustand der USA und infolge dessen auch über die Weltwirtschaft. Der frühere Finanzminister der USA, Larry Summers, sagte über die US-Wirtschaft: "Wenn man sagt, jemand sei vollkommen gesund, dann heißt das nur, dass man nicht weiß, woran er sterben wird."

Obwohl er eher vor einer Verlangsamung als vor einer regelrechten Schrumpfung warnen wollte, setzte Blinder die Chancen für eine Rezession dennoch mit dreißig Prozent an und wies darauf hin, dass dies "das erste Mal seit langem war, dass Rezession eine realistische Perspektive war."

In einem Interview vor der Versammlung warnte der sonst optimistische Generalsekretär der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung), dass "wir uns in einer Periode der Anpassung befinden, einer Marktanpassung, und in einer Periode, in der die Wachstumszahlen korrigiert werden."

Im Verlauf der Konferenz sagte der leitende Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF), dass der IWF seine Prognosen über das Weltwirtschaftswachstum für 2001 auf ca. 3,5 Prozent gegenüber den 4,2 Prozent reduzierte, die er noch im letzten September vorausgesagt hatte. Trotzdem präsentierte er weiterhin optimistische Perspektiven und teilte der Versammlung mit, er erwarte für das zweite Halbjahr diesen Jahres einen Aufschwung in der US-Wirtschaft. Auch mit der Verlangsamung des Wirtschaftswachstums sei man "noch weit von einer globalen Rezession entfernt."

Der Vizevorsitzende von Goldman Sachs Asia , Kenneth Courtis, sagte, die USA und Europa müssten die Führung bei einer finanzpolitischen Reaktion auf die globale Stagnation übernehmen, da Japan zu wenig Spielraum bei der staatlichen Neuverschuldung habe und die dortigen Verbraucher bei den Ausgeben zurückhaltend seien.

Diese Bedenken wurden noch einmal auf dem Höhepunkt der Konferenz beleuchtet, als Zahlen vorgestellt wurden, die zeigen, dass die japanischen Verbraucherpreise im letzten Jahr die stärkste Schrumpfung der letzten dreißig Jahre verzeichneten, was den deflationären Druck auf die gesamte Ökonomie aufzeigt. Außerdem gibt es Zahlen, die den Niedergang der Verbraucherausgaben beleuchten, die im Dezember um 0,9 Prozent gegenüber dem gleichen Monat des Vorjahres gefallen sind. Das ist der 45. monatliche Fall in Folge!

Der japanische Premierminister Yoshi Mori berichtet der Versammlung, dass die neunziger Jahre für Japan ein "verlorenes Jahrzehnt" gewesen seien. Durch das Platzen der finanziellen Seifenblase Ende der achtziger Jahre hätten die japanischen Bürger aufgrund sinkenden Eigenkapitals und fallender Grundstückspreise schätzungsweise 8,55 Billionen US-Dollar verloren. Das ist doppelt so viel wie das japanische Bruttosozialprodukt.

Mori sagte, Japan werde in einen Aufschwung gehen, wenn die Banken und Gesellschaften erst ihre Bilanzen bereinigt hätten. "Der Weg ist solide gelegt. Ich bin bestimmt, diesen Weg zu gehen und die Maßnahmen zu ergreifen, die die Wirtschaft zu einer völligen Wiederherstellung führen", sagte er.

Aber in Erinnerung an ähnliche Versicherungen früherer japanischer Premierminister in den letzten zehn Jahren konnte dies niemanden überzeugen. So bemerkte Kenneth Courtis sarkastisch: "Die einzige Möglichkeit, die japanische Wirtschaft optimistisch zu sehen ist, die Diagramme auf den Kopf zu stellen."

Obwohl Befürchtungen über das Wachstum der Weltwirtschaft vorhanden waren, war man sich doch generell einig, dass sich die US-Wirtschaft trotz einer deutlichen Stagnation in den ersten beiden Quartalen 2001 im zweiten Halbjahr wieder erholen werde.

Diese Vorhersagen mögen gut ausgearbeitet sein - die Funktion der wirtschaftlichen Zyklen ist vielen Faktoren unterworfen. Aber eine Analyse, die an diesem Punkt stehen bleibt, tendiert leicht dazu, tiefere Prozesse in der US-Wirtschaft und ihre langfristigen Auswirkungen zu übersehen.

Die USA haben nun das längste Wirtschaftswachstum ihrer Geschichte erlebt. Aber unabhängig von dem Produktivitätswachstum, das auf technologischer Innovation beruht, war ein Schlüsselfaktor für die hohen Wachstumsraten die Steigerung der Verschuldung, vor allem in den letzten fünf Jahren. Und das wiederum resultiert in einer Reihe struktureller Veränderungen.

Das Wachstum der Verschuldung brachte eine Erhöhung von Forderungen durch Gläubiger mit sich, was wiederum zu einer Ausweitung des Leistungsbilanzdefizits führte. Dieses erreichte nun schätzungsweise 430 Milliarden US-Dollar, was annähernd fünf Prozent des Bruttosozialproduktes entspricht. Wie Greenspan in seinem Bericht vor dem Haushaltsausschuss des Senats am 25. Januar diesen Jahres feststellte: "Dieser Prozess kann nicht unbegrenzt fortgesetzt werden." Und: "Irgendwann muss es etwas geben."

Bisher wurde die steigende Auslandsverschuldung der US-Wirtschaft durch einen Zufluss von Kapital vor allem aus Europa unterstützt. "Wäre dies nicht der Fall", führte Greenspan an, "so wäre der Wechselkurs des Dollar deutlich gesunken."

Die große Frage lautet jedoch, ob dieser Kapitalzufluss auch angesichts einer fallenden US Börse und eines Niedergangs der US Wachstumsrate anhalten wird, und was die daraus folgenden Schwankungen des Dollarwertes für Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben. In diesem Zusammenhang wird das potentielle "Alptraum-Szenario" der Federal Reserve aktuell.

Einerseits würde eine Rezession in den USA eine Kürzung der Zinsraten erfordern, um sowohl die amerikanische als auch die Weltwirtschaft zu stützen. Andererseits würde sie, wenn eine solche Rezession mit dem Abfluss ausländischen Kapitals und einem Sinken des Dollars einherginge, eine Erhöhung der Zinsraten erfordern, um die Finanzposition der Vereinigten Staaten zu sichern.

Die "konventionelle Lehrmeinung" besagt, dass die USA im schlimmsten Fall eine kurze Rezession erleiden werden. Aber die strukturellen Veränderungen in der amerikanischen Ökonomie sind zu bedeutsam, um sie ignorieren zu können. In einem kürzlich erschienenen Artikel in Newsweek wies der Kolumnist Robert J. Samuelson zum Beispiel darauf hin, dass es einige "unheimliche Parallelen" zwischen der Situation in Japan Anfang der neunziger Jahre, unmittelbar nach dessen Boom Ende der achtziger, und den USA heute gebe.

"Die frühen Zeichen einer Verlangsamung (oder einer Rezession) haben nur mäßige Besorgnis hervorgerufen, das Nachlassen des Wirtschaftswachstums könnte mehr sein, als eine vorübergehende Unbequemlichkeit," schrieb er. "Diese Sorglosigkeit könnte sich durchaus als berechtigt herausstellen. Aber Japans Erfahrung lässt auch eine andere Lehre zu: außergewöhnliche Boomperioden enden manchmal in außergewöhnlichen - und unangenehmen - Zusammenbrüchen. Das ist die Flutwelle, die die Bush-Regierung überrollen könnte."

Besorgniserregender als die zunehmenden Anzeichen einer Rezession war für Samuelson die Tatsache, dass "Amerikas längster Boom Erscheinungen hervorgebracht habe, die es so noch nicht gegeben hat."


Die Zunahme der Konsumausgaben hat die Sparrate in der US-Wirtschaft auf Null reduziert.


Der kapitalisierte Wert der amerikanischen Aktien hat 1995 100 Prozent des BIP erreicht (ein Wert der erst einmal, nämlich 1929, erreicht worden war), bevor er Anfang 2000 auf 180 Prozent stieg. Trotz des Marktrückgangs im weiteren Verlauf des Jahres betrug er Ende des Jahres immer noch 150 Prozent des BIP, ungefähr das dreifache des Wertes von 55 Prozent im Jahre 1990.


Seit 1995 ist ein zunehmender Teil der Investitionen der Wirtschaft durch Risikokapital finanziert worden - durch Spekulationskapital und die Ausgabe neuer Aktien - wobei aus diesen Quellen im ersten Halbjahr 2000 350 Milliarden Dollar flossen, im Vergleich zu 86 Milliarden Dollar 1995.


Das amerikanische Handels- und Zahlungsbilanzdefizit hat "bisher unbekannte Höhen" erklommen und ist auf fast 5 Prozent des BIP gestiegen, verglichen mit dem bisherigen Höhepunkt von 3,4 Prozent im Jahre 1987.

Eine weitere Warnung vor den Auswirkungen der langfristigen strukturellen Veränderungen in der amerikanischen Wirtschaft kommt von dem Ökonomen Wynne Godley vom Jerome Levy Economics Institute, der behauptet, dass "die mittelfristigen Aussichten der amerikanischen Wirtschaft wesentlich stärker von Depression geprägt sein könnten, als die meisten Ökonomen heute erwarten."

Godley weist darauf hin, dass die meisten Vorhersagen sich auf die Angebotsseite konzentriert und die Rolle der Nachfrage vernachlässigt hätten, als sie behaupteten, die steigende Produktivität bedeute, das Wachstum der US-Wirtschaft sei inzwischen "strukturell" geworden.

"Aber," stellt Godley fest, "die Gesamtnachfrage ist in den USA gestiegen, und die treibende Kraft dahinter war sowohl einzigartig, wie auch nicht dauerhaft durchzuhalten. In der 45 jährigen Periode von 1952 bis 1997 waren die gesamten privaten Ausgaben fast immer niedriger, als das verfügbare Einkommen. Im dritten Quartal von 2000 überstiegen die Ausgaben das Einkommen um acht Prozent. Dieser Exzess war nur dadurch möglich, dass Vermögen zu Geld gemacht und in zunehmendem Umfang Schulden gemacht wurden; Die Verschuldung des persönlichen Sektors erreichte das 1,1fache des jährlichen verfügbaren Einkommens - ein Rekord - während die Verschuldung des privaten Sektors insgesamt das 1,7fache des verfügbaren Einkommens erreichte - ein weiterer Rekord."

Godley zufolge kann das jüngste Ausgabenniveau "nicht gehalten werden, außer die Kreditaufnahme wird zumindest auf dem heutigen Niveau gehalten, was eine weitere rasche Zunahme der Verschuldung zur Folge hätte. Die erschreckende Schlussfolgerung ist, dass die Gesamtnachfrage fallen wird, wenn das Schuldenwachstum sich auch nur verlangsamt."

Die klaren Anzeichen, dass die Kreditaufnahme des Wirtschaftssektors an ihre Grenze gestoßen ist, sind für Godley eine Parallele zu der Situation Großbritanniens Ende der achtziger Jahre. Der Zusammenbruch von Thatchers schuldengespeistem Boom führte zu einem Rückgang des BIP und einem Anstieg der Arbeitslosigkeit um etwa drei Prozentpunkte.

"Man benötigt kein ökonometrisches Modell, um zu der Schlussfolgerung zu gelangen, dass ein ähnlicher Anstieg der privaten Nettosparrate in den USA in eine Rezession ähnlicher Größenordnung münden könnte; es würde einen Rückgang der gesamten privaten Ausgaben um acht Prozent im Verhältnis zum Einkommen erfordern, sowie einen Umschwung des Haushalts ins Defizit. Die Auswirkungen auf den Rest der Welt wären schwerwiegend."

Diese Warnungen lassen erahnen, dass bei dem nächsten Davoser Gipfel die Veränderungen der Weltwirtschaft, die sich aus den historisch beispiellosen Entwicklungen in den USA ergeben, noch viel weitreichender sein werden, als die, die in den vergangenen zwölf Monaten stattgefunden haben.

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Leider etwas älter:

Das Rekord-Außenhandelsdefizit der USA ist ein Symptom tieferer Wirtschaftsprobleme
Von Nick Beams
31. August 2000
aus dem Englischen (28. August 2000)
Anfang dieses Monats berichtete das Handelsministerium, dass das Außenhandelsdefizit der USA im Juni mit 30,62 Milliarden Dollar eine neue Rekordmarke erreicht hatte.

Die Massenmedien schenkten dieser Meldung wenig Aufmerksamkeit. Sie verlor sich zwischen Berichten über ein beispielloses Wirtschaftswachstum während der Präsidentschaft Clintons und optimistischen Voraussagen, dass die US-Zentralbank unter Alan Greenspan nach einer Reihe von Zinserhöhungen für eine "weiche Landung" der US-Wirtschaft sorgen werde.

Doch das Außenhandelsdefizit ist nicht einfach nur eine dunkle Wolke am ansonsten sonnigen Wirtschaftshimmel. Es ist ein Symptom langfristiger Prozesse, die sehr rasch schwerwiegende Folgen für die amerikanische und die gesamte Weltwirtschaft mit sich bringen könnten. Zu diesen Prozessen zählt u. a. die wachsende Abhängigkeit der US-Wirtschaft von einströmendem internationalen Kapital, die Überbewertung der Aktien, sowie die wachsende Verschuldung sowohl von Privatpersonen als auch von Unternehmen. All dies deutet darauf hin, dass der Wirtschaftsboom der USA womöglich auf tönernen Füßen steht.

Die jüngsten Zahlen aus dem Handelsministerium wurden zwar wenig beachtet, dennoch scheinen sie hinter den Kulissen Besorgnis zu erregen. Ein Artikel des Wall Street Journal vom 14. August unter der Überschrift "Wird das Außenhandelsdefizit den Boom dämpfen?" stellte zum Beispiel die Frage, wann die Investoren zu dem Schluss kommen würden, dass das Defizit zu groß geworden sei, daraufhin ihr Geld abziehen und dem Boom ein Ende bereiten würden.

Er machte darauf aufmerksam, dass in den ersten drei Monaten dieses Jahres "das laufende Defizit - der allgemeinste Maßstab des Handelsungleichgewichts - zum ersten Mal auf mehr als 4 Prozent des Bruttosozialprodukts anstieg", und dass laut Vorhersagen von Merrill Lynch "die Lücke in diesem Jahr 411 Milliarden Dollar betragen wird, 24 Prozent mehr als im Jahr 1999, und mit 4,2 Prozent der Gesamtwirtschaft so viel wie nie zuvor."

In den meisten anderen Ländern würde ein derartiges Außenhandelsdefizit eine Wirtschaftskrise auslösen. Doch die USA nehmen eine einzigartige Stellung ein. Aufgrund der Rolle des Dollars als Weltwährung können sie ihr Außenhandelsdefizit durch das Hereinströmen ausländischer Investitionen ausgleichen. Das bedeutet, dass selbst bei wachsendem Defizit immer noch Geld in die USA hereinströmt, den Dollar gegenüber anderen Währungen nach oben treibt und damit eine noch größere Menge Devisen anzieht. Doch ein solcher Prozess geht irgend wann einmal zu Ende, und zwar wenn ausländische Investoren möglicherweise entscheiden, ihr Geld abzuziehen.

Das Wall Street Journal zitierte den Chef-Volkswirt der Deutschen Bank Norbert Walter, der davor warnte, dass das Vertrauen in die USA in kurzer Zeit einbrechen könne. Es sei nicht ausgeschlossen, dass der Kapitalfluss in die USA austrockne und der Dollar abstürze. Dies werde zu Zinserhöhungen und einer Börsenkrise in Amerika führen.

Das Szenario für eine solche Krise könnte folgendermaßen aussehen: eine plötzliche Änderung der Markterwartungen, ausgelöst vielleicht durch eine unerwartete Zinserhöhungen, veranlasst die Großinvestoren, sich aus dem Dollar zurückzuziehen und auf den Euro oder eine andere Währung umzusatteln. Der Dollar sinkt, so dass weitere Investoren in rascher Folge aus dem US-Markt aussteigen, um ihre Einbußen möglichst gering zu halten. Als Reaktion darauf könnte die amerikanische Zentralbank womöglich die Zinsen anheben, was zu einem starken Rückgang der Dividendenansprüche und zu Problemen auf dem Immobilienmarkt führen würde. Jene Einzelpersonen und Unternehmen, die sich in der Erwartung eines weiter ansteigenden Marktes verschuldet haben, würden in arge Schwierigkeiten geraten.

Das WSJ sah ein solches "Katastrophenszenario" zwar in weiter Ferne, räumte aber ein, dass es mit jedem weiteren Anstieg des Außenhandelsdefizits näher rücke. Auch Alan Greenspan habe sich vergangenen Monat entsprechend geäußert.

"Irgend wann", hatte Greenspan vor dem Repräsentantenhaus erklärt, "muss es zu einer Anpassung kommen, wir wissen aber nicht, wo und wie. Wir wissen nicht, ob es sich über eine sehr lange Zeitspanne hinziehen wird, so dass die Anpassungen normal und ohne Erschütterungen vor sich gehen werden, oder ob sie sich abrupt einstellen werden."

Während Greenspan die Hoffnung verbreitet, dass das US-Handelsdefizit sich langsam auflösen wird, warnen andere Analysten vor abrupten Wendungen. Eine Studie des Ökonomen Wynn Godley, die das James Levy Institute im Juni veröffentlichte, bot eine kalte Dusche für die Anhänger der Auffassung, die sogenannte "New Economy" könne endlos weiter expandieren. Godleys Analyse, die unter der Überschrift "In Schulden ertrinken" erschien, geht davon aus, dass die wachsenden Ausgaben in der US-Wirtschaft sowohl im privaten als auch im unternehmerischen Bereich von einer nie da gewesenen Verschuldung getragen würden.

Er machte darauf aufmerksam, dass über sehr lange Jahre hinweg das Einkommen stets über den Ausgaben gelegen habe und netto rund drei Prozent des Nationaleinkommens auf Sparkonten geflossen seien. Doch ab dem Jahr 1992 habe sich dieses Verhältnis verändert. Die Ausgaben begannen im Verhältnis zum Einkommen zu wachsen. In jüngster Zeit ergab sich eine besonders starke Veränderung.

"Die Netto-Ersparnisse", so Godley, durchbrachen im Jahr 1997 die Null-Linie und sinken seither immer tiefer in den negativen Bereich. Im ersten Quartal dieses Jahres erreichten die Netto-Ersparnisse minus 7 Prozent des Einkommens und lagen damit 9 bis 10 Prozent unter dem früheren Normalniveau. Was immer dieses private Defizit für die Zukunft mit sich bringt, es unterscheidet sich jedenfalls grundlegend von allem, was wir früher hatten - zumindest in den Vereinigten Staaten."

Allgemein herrsche die Ansicht vor, so Godley, dass aufgrund der wachsenden Kapitalerträge auch der private Konsum gestiegen sei, die Zahlen der Zentralbank bewiesen hingegen, dass die gestiegenen Ausgaben auf zusätzliche Kreditaufnahmen zurückzuführen seien. Diese Verschuldung habe es ermöglicht, von Kapitalerträgen zu profitieren, ohne Wertpapiere zu verkaufen, und somit die Veräußerungssteuer zu vermeiden.

Im Jahr 1991 war die Nettokreditvergabe an den privaten, außerhalb des Finanzwesens angesiedelten Sektor eine zu vernachlässigende Größe gewesen, doch im Jahr 1999 war sie auf mehr als 1 Billion Dollar angewachsen. Am Ende des Jahrzehnts stockte die Verschuldung das verfügbare Einkommen um bis zu 15 Prozent auf.

"Die Schlussfolgerung scheint angebracht", schreibt Godley, "...dass das hohe Verschuldungsniveau mittlerweile ein Risiko darstellt; sollten die Aktienkurse stark sinken oder die Zinsraten merklich steigen, so könnten schwache Positionen ins Wanken geraten. Dies wiederum könnte eine Abwärtsspirale erzwungener Verkäufe auslösen."

Er machte darauf aufmerksam, dass die finanzpolitischen Prognosen der Regierungssprecher, die von einem anhaltenden Wirtschaftswachstum und einem steigenden Haushaltsüberschuss ausgingen, von höheren Verbraucherausgaben abhingen. Dies wiederum setze voraus, dass "die privaten Netto-Ersparnisse immer tiefer in den negativen Bereich absinken" - eine Situation, die auf Dauer nicht haltbar ist.

Auf der anderen Seite ist das Wirtschaftswachstum in den USA mittlerweile derart stark von wachsenden Ausgaben abhängig, dass auch die Rückkehr des Sparniveaus auf ein Niveau, wie es früher als normal galt, "fürchterliche Folgen hätte".

"Wenn die privaten Ausgaben im Verhältnis zu den Einkommen um 5 bis 10 Prozent sinken, dann wird es einige Jahre lang fast kein Wachstum mehr geben", schreibt er. Und wenn diese Veränderung schnell einträte, "dann würde es zu einer schweren Rezession kommen, mit ernsten Folgen für den Rest der Welt". Der Haushaltsüberschuss würde verschwinden, und mit einer Rezession oder langen Stagnation käme auch "ein deutlicher Rückgang der Börse, der die Lage noch einmal unermesslich verschlechtern würde".

Die US-Wirtschaft ist nicht nur in eine immer stärkere Abhängigkeit von der Verschuldung geraten, sie musste auch immer stärker auf internationale Quellen zurückgreifen, um das Wachstum zu finanzieren.

Angezogen von den steigenden Aktienkursen und von Investitionen in den starken Dollar, ist selbst dann Kapital in die USA geströmt, als sich die Zahlungsbilanz verschlechterte. Das hereinströmende Kapital hat wiederum die Börse nach oben getrieben, Ausgaben und Wachstum gesteigert sowie den Dollar gestärkt, so dass noch mehr ausländisches Kapital kam. Doch dieser goldene Kreislauf kann sich rasch in einen Teufelskreis verwandeln - wenn das Katastrophenszenario eintritt, das in der Analyse des Wall Street Journal vorgezeichnet wird.

In einer Studie mit dem Titel "Die internationalen Kapitalströme und das amerikanische Kapitalkonto", das die Ökonomin Jane D'Arista im Dezember letzten Jahres für das Financial Markets Centre erstellte, wurde die Abhängigkeit der USA von internationalen Kapitalquellen in allen Einzelheiten aufgezeigt. Laut dieser Analyse bildet das Hereinströmen internationaler Fonds mittlerweile "die Hauptstütze des US-amerikanischen Wohlstands".

"Die Menge des hereinströmenden Kapitals ist enorm, welchen Maßstab man auch anlegt. Die finanzielle Nettoverschuldung Amerikas gegenüber dem Rest der Welt hat ein solches Ausmaß angenommen, dass Zinsen und andere Zahlungen aus US-Finanzanlagen in ausländischem Besitz das Einkommen aus ausländischen Wertpapieren in US-Besitz weit übersteigen (zum Jahresende 1998 ergab dieser Saldo ein Minus von 12 Milliarden Dollar)."

Zur Zeit des Börsenkrachs von 1987, so merkt der Bericht an, war die finanzielle Stellung der USA auf internationaler Ebene noch eben so positiv wie während der gesamten Periode seit dem Ersten Weltkrieg, doch seither habe sie sich rapide in ihr Gegenteil verkehrt.

"Im Jahr 1989 waren die USA zu einem Netto-Schuldnerland geworden, und während der gesamten neunziger Jahre stieg ihre äußere Verschuldung weiter. Zum Ende des Jahres 1996 war die Verschuldung auf den Rekordwert von 548 Milliarden Dollar angestiegen (wenn man den Marktwert der Vermögenswerte zugrunde legt). Ein Jahr später wurde die Schwelle zu 1 Billion Dollar überschritten - das entspricht 13 Prozent des Bruttosozialprodukts -, und Ende des Jahres 1998 wurden 1,5 Billionen Dollar erreicht. Nachdem sich also die Verschuldung gegenüber dem Ausland innerhalb des Zeitraums von 24 Monaten verdreifacht hatte, entsprach sie nunmehr 18 Prozent des BSP."

Diese Analyse kommt zu dem Schluss, dass die US-Wirtschaft anfällig ist gegenüber in- und ausländischen Erschütterungen, die das Vertrauen in den Dollar untergraben könnten.

"Wenn das Vertrauen verloren gehen sollte, dann würden die Verkäufe von US-Finanzanlagen durch ausländische Investoren die inländischen Zinsraten nach oben treiben und den Wechselkurs des Dollars so tief drücken, dass eine weitaus tiefere Rezession ausgelöst werden könnte, als jene, zu der es unter ähnlichen Umständen in den dreißiger Jahren kam."

Die zunehmende Instabilität der US-Wirtschaft, die sich aus der wachsenden Verschuldung und Abhängigkeit von ausländischem Kapital ergibt, lässt sich auch aus einem Vergleich von Clintons Präsidentschaft mit früheren Regierungen ablesen.

Ein Artikel von Robert Pollin in der Mai-Juni-Ausgabe der britischen Zeitschrift New Left Review weist darauf hin, dass "praktisch sämtliche wirtschaftlichen Leistungen der Clinton-Jahre mit dem außergewöhnlichen Höhenflug der Börse zusammenhängen, der gleichzeitig eine höchst fragile Finanzstruktur erzeugte."

Das Wachstum des BSP betrug in den Jahren 1993 bis 1999 durchschnittlich 3,7 Prozent im Jahr und nimmt sich damit gegenüber den Wachstumsraten von 2,7 bzw. 2,9 Prozent während der Amtszeiten von Nixon-Ford und Reagan-Bush günstig aus. Es liegt jedoch nur unwesentlich über der 3,4-prozentigen Wachstumsrate, die während der Periode der Carter-Administration verzeichnet wurde, und deutlich unter den 4,8 Prozent, die während der Regierungszeit von Kennedy und Johnson erreicht wurden.

Dieselbe Tendenz zeigt sich im Produktivitätsanstieg, der 1993 bis 1999 bei 1,8 Prozent lag und damit weit unter der 3,4-Prozent-Rate der Jahre Kennedy-Johnson und nur unwesentlich über der 1,7-Prozent-Rate während der Regierungszeit von Reagan und Bush.

Wenn man sich jedoch die börsenbezogenen Statistiken und das Anwachsen der Verschuldung ansieht, so schlägt die Clinton-Regierung alle ihre Vorgänger. In der Periode 1993 bis 1999 ist der S&P 500-Index durchschnittlich jedes Jahr real um 17,6 Prozent gestiegen, also zwei-einhalb Mal so stark wie unter Reagan und Bush. Zugleich ist das Verhältnis zwischen den gesamten Verbindlichkeiten und dem verfügbaren Einkommen aller Haushalte, das bereits unter Reagan-Bush auf zuvor unvorstellbare 77,8 Prozent gestiegen war, unter Clinton weiter auf den Wert von 94,2 Prozent geklettert.

Wenn Clinton auf seine wirtschaftspolitischen Leistungen hinweist, so muss man anmerken, dass die Lohnerhöhungen unter seiner Regierung geringer waren, als während jeder früheren Wachstumsperiode. In diesem Zusammenhang verweist Pollin auf einige aufschlussreiche Statistiken, die aus einer Ende 1999 erfolgten Umfrage der Zeitschrift Business Week hervorgegangen sind. Sie stellte fest, dass 51 Prozent der amerikanischen Arbeiter "das Gefühl hatten, von ihrem Arbeitgeber betrogen zu werden", und wenn sie nach ihrer Ansicht über den sogenannten "Produktivitätsboom" befragt wurden, so antworteten rund 63 Prozent, dass er nichts zur Erhöhung ihres Einkommens beigetragen habe, und 62 Prozent meinten, ihr Job sei dadurch nicht sicherer geworden.

Wenn man Schlüsse aus dem beinahe vollkommene Schweigen zu den jüngsten Außenhandelszahlen und deren Implikationen ziehen möchte, so lässt sich wohl sagen, dass es während des Präsidentschaftswahlkampfes in den kommenden zwei Monaten so gut wie keine Diskussion oder Analyse über den tatsächlichen Zustand der amerikanischen Wirtschaft geben dürfte. Denn eine solche Auseinandersetzung würde allzu deutlich Prozesse zutage fördern, die eher früher als später eine tiefgreifende Finanzkrise erwarten lassen.
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Anmerkung zum Artikel Nr.3: der Text zeigt was Bush vorhat, und gleichzeitig wird ungefähr die Frage beantwortet, wieviel Einkommen
eine Familie zur Verfügung hat. Aus diesem Artikel geht hervor, daß in USA eine Familie als reich gilt, deren Einkommen 40.000 Dollar beträgt. Bitte aufmerksam lesen.
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Die Arbeiterklasse und die amerikanischen Wahlen 2000
1. Teil: Die gesellschaftlichen Veränderungen hinter der amerikanischen Politik
7. Oktober 2000
aus dem Amerikanischen (3. Oktober 2000)
Zu Beginn ihrer Endphase hat die Präsidentschaftskampagne in den Vereinigten Staaten einmal mehr den tiefen Graben offengelegt, der zwischen dem politischen Zweiparteiensystem und der breiten Mehrheit der amerikanischen Wählerschaft besteht. Ungeachtet Hunderter Millionen Dollars, die in die Werbekampagnen des republikanischen Gouverneurs George W. Bush und des demokratischen Vizepräsidenten Al Gore fließen, kann keiner der zwei Kandidaten ernsthaft behaupten, er genieße breite öffentliche Unterstützung. Die Wähler vertrauen weder den Kandidaten noch ihren Parteien.

Der Wahlkampf ist diesmal mehr als sonst eine Übung in Schönfärberei, Irreführung und offenem Betrug. Bei allem Werben um die Unterstützung der Öffentlichkeit verbergen doch beide Kandidaten nach Möglichkeit die wahren politischen und ökonomischen Interessen, denen ihre Parteien dienen. Weder Gore noch Bush können offen aussprechen, welche politische Realität ihrem Wahlkampf zugrunde liegt. Werden doch nach der Wahl vom 7. November nicht ihre Wahlversprechen die Politik der neuen Regierung bestimmen, sondern die Interessen der Konzerne, welche sowohl die demokratische als auch republikanische Kandidatur finanzieren.

Kurz vor den Wahlen steigen die Anzeichen einer Wirtschaftskrise: steigende Ölpreise, eine Welle von Entlassungen und Hinweise auf eine Verlangsamung des Weltwirtschaftswachstums, die ein Ende jenes Booms ankündigt, der durch massives Investieren von Risikokapital genährt wurde, das aber auf Dauer nicht zu halten ist. Die weitsichtigeren ökonomischen Analysten warnen davor, dass internationale wirtschaftliche Spannungen ein Katalysator für eine ernsthafte Rezession - und sogar Depression - in den USA werden könnten. Trotz des Anscheins von Prosperität, warnte Business Week in seiner Ausgabe vom 2. Oktober, "lauern Risiken hinter jeder Ecke der Weltwirtschaft. ... Die Frage ist jetzt, ob die Weltwirtschaft Belastungen ausgesetzt wird, die sich potentiell zu wirklichen Problemen auswachsen können."

Ob die vielzitierte Prosperität in den unmittelbar auf die Novemberwahlen folgenden Monaten in einen Zusammenbruch mündet oder nicht - es wird bereits allgemein anerkannt, dass die Vorteile des Wirtschaftswachstums der letzten zehn Jahre überwiegend den reichsten fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung zugute gekommen sind. Soziale Gegensätze und Probleme, die sich in zwanzig Jahren politischer Reaktion aufgestaut haben, kommen jetzt zum Ausbruch und verändern die politische Landschaft Amerikas.

Auf die Wahlen wird eine Zeit tiefer sozialer Spannungen und Klassenkonflikte folgen. Ob die nächste Regierung von einem Präsidenten Gore oder einem Präsidenten Bush geführt wird - sie wird versuchen, die ganze Last der Krise auf den Rücken der Arbeiterklasse abzuwälzen.

Aber auch die Wahl eines der Kandidaten der zwei kleinen Parteien wäre keineswegs eine wirkliche Alternative zu den Demokraten oder den Republikanern. Der Kandidat der Reformpartei, Patrick Buchanan, ist ein rechter Nationalist, der versucht, den politischen Boden für eine faschistische Bewegung zu bereiten, ähnlich den rassistischen und einwanderungsfeindlichen Parteien der Rechtsextremen in Europa. Ralph Nader von der Grünen Partei nährt die Illusion, dass die liberale Reformpolitik, die heute von den Demokraten zurückgewiesen wird, wieder zum Leben erweckt werden könnte, würde man nur Druck auf die amerikanischen Konzernspitzen ausüben. Gleichzeitig appelliert er an die gleichen nationalistischen Gefühle, die das A und O von Buchanans Wahlkampf sind.

Alle Kandidaten versuchen, die fundamentale Wahrheit zu verbergen, dass die Ursache der sozialen Kluft zwischen der privilegierten Elite und den breiten Massen der arbeitenden Bevölkerung das Profitsystem selbst ist.

Je näher der Wahltag rückt, desto mehr geraten Arbeiter unter Druck, für "das kleinere Übel" zu stimmen - was laut der Gewerkschaftsbürokratie der Demokrat Gore ist. Die Socialist Equality Party weist diese Perspektive zurück. Die Arbeiterklasse muss in erster Linie damit beginnen, die Lehren aus Jahrzehnten politischer Unterordnung unter die Demokratische Partei zu ziehen.

Die vergangenen acht Jahre demokratischer Präsidentschaft unter Bill Clinton haben die Nutzlosigkeit aller Versuche gezeigt, innerhalb des kapitalistischen Zweiparteiensystems eine progressive Antwort auf soziale Ungleichheit, Militarismus und die Unterhöhlung demokratischer Rechte zu finden.

Die Socialist Equality Party widmet sich dem Aufbau einer tatsächlichen Alternative für die arbeitende Bevölkerung und stützt sich dabei auf ihr internationales Instrument der politischen Analyse, das World Socialist Web Site. Die entscheidende Frage, die sich in den Wahlen 2000 stellt, ist die nach einer unabhängigen politischen Organisation der Arbeiterklasse auf der Grundlage eines egalitären, demokratischen und sozialistischen Programms.

Soziale Spannungen unter der Oberfläche

Bei den US-Wahlen 2000 fällt besonders auf, dass die demokratische und die republikanische Partei offenbar zu ihrer eigenen Überraschung erkannt haben, dass die überwältigende Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung aus Arbeitern und Angestellten besteht, die wenig oder keinen Vorteil aus dem Börsenboom der letzten zehn Jahre gezogen haben.

Nach zwanzig Jahren, in denen beide Parteien eine Politik der Steuersenkungen für die Reichen, Haushaltskürzungen bei Programmen für Arbeiter und Arme und eine generelle Umverteilung des Reichtums von unten nach oben betrieben haben - alles im Namen der Vorherrschaft des kapitalistischen Marktes - , wetteifern der Demokrat Al Gore und der Republikaner George W. Bush darum, sich den Wählern als Vorkämpfer der Interessen des "hart arbeitenden und für alles bezahlenden" kleinen Mannes zu präsentieren.

Stunde für Stunde senden besonders die Medien der großen Bundesstaaten im industriellen Mittelwesten der USA Werbespots, die sowohl die demokratische als auch die republikanische Partei - beide vom Geldadel der amerikanischen Gesellschaft ausgehalten und kontrolliert - als wahre Volkstribune anpreisen.

Vizepräsident Gore liegt den Umfragen zufolge vorne, seitdem er sich auf dem Wahlparteitag der Demokraten in die Pose eines populistischen Gegners der mächtigen Konzerninteressen geworfen hatte. Der demokratische Kandidat geißelte die republikanischen Steuersenkungspläne als Bonanza für die Reichen, während er sich selbst zum Kämpfer für "Arbeiterfamilien" hochstilisierte.

Gore widmete im September eine ganze Woche einer tagtäglichen vernichtenden Kritik an den unpopulärsten Wirtschaftszweigen - der Gesundheitsindustrie, der Pharmaindustrie, der Tabakindustrie - und forderte schließlich die Freigabe von Öl aus der nationalen Ölreserve, um der Preistreiberei der großen Ölgesellschaften zu begegnen.

Bush, der Gouverneur aus Texas, führt seine Kampagne für die republikanische Partei unter dem Slogan eines "mitfühlenden Konservatismus" und versucht den Eindruck zu erwecken, er unterscheide sich von anderen Führern des republikanischen Kongresses dadurch, dass ihm Menschen in Not nicht gleichgültig sind. Mit seinen Vorschlägen für eine bessere Bildung, für Zuschüsse bei Medikamenten für Rentner und Verbesserungen bei der Sozialhilfe wetteifert er mit den Demokraten.

Als er in den Umfragen zurückfiel, modelte Bush seinen Steuerplan um und bezeichnete dieses schamlose Geschenk an die Reichen, als "Hilfsplan für die Mittelklasse". Auf republikanischen Wahlversammlungen und in Werbesendungen werden jetzt regelmäßig Familien mit einem Jahreseinkommen von um die 40.000 Dollar gezeigt, die erzählen, wie sie vom Bush-Plan profitieren werden.

Ähnliche Appelle finden bei den gegenwärtigen Kongressanhörungen zum Reifenkonzern Firestone statt. Einer nach dem anderen - Demokraten und Republikaner - geißeln die Habsucht der Konzerne, obwohl die gleichen Politiker die Deregulierungsmaßnahmen der achtziger und neunziger Jahre unterstützt haben, die das Desaster mit den geplatzten Reifen überhaupt erst verursacht haben.

Im Wettlauf um das Repräsentantenhaus und den Senat mäßigen die Kandidaten beider Parteien ihre übliche Law-and-Order Demagogie, ihr patriotisches Fahnenschwenken und ihre Angriffe auf Sozialhilfeempfänger und präsentieren sich ganz neu als Anwälte einer bezahlbaren Gesundheitsfürsorge und mehr Ausgaben für die Bildung, die Umwelt und eine soziale Infrastruktur.

Das Schauspiel der zwei milliardenschweren Sprösslinge der herrschenden Klasse mutet wie eine Farce an, in der sich beide, der eine Sohn eines Senators, der andere Sohn eines Präsidenten, als Vorkämpfer der Arbeiterklasse präsentieren. Aber es reicht nicht, diese plötzliche Wende im Focus amerikanischer Politik lediglich als zynischen Wahlwerbetrick abzutun.

Die Anstrengungen beider Parteien, sich mit wirtschaftlichen und sozialen Themen an die Arbeiterklasse zu wenden, zeigt eine tiefe Nervosität des politischen Establishments. Beide Parteien des Kapitals reagieren auf eine Änderung in der öffentlichen Stimmungslage, die sich unter der Oberfläche des offiziellen politischen Lebens vollzieht - und die beide fürchten.

Die Rechtswende der vergangenen zwanzig Jahre war so ausgeprägt, dass Liberalismus, die vorherrschende politische Philosophie des bürgerlichen Establishments seit den Tagen des Franklin Roosevelt, in der offiziellen Politik zu einem Schimpfwort wurde, während jede Kritik an der Kluft zwischen Reich und Arm schon beinahe als Verrat galt.

Die populistischen Merkmale der Kampagne 2000 haben eine große objektive Bedeutung. In einem politischen System, das lange Zeit weltweit am weitesten von Klassenfragen entfernt war, wo große Summen für Medienkampagnen ausgegeben wurden, um die öffentliche Meinung zu desorientieren und zu manipulieren, ist es unmöglich geworden, die Diskrepanz zwischen der offiziellen Darstellung des allgemeinen Wohlstands und der Lebensrealität der großen Mehrheit noch länger zu verschweigen.

Als Ergebnis merkt man dem Wahlkampf Anzeichen einer gewissen Spannung, ja Krise an. Die alten rechten Rezepte, die die öffentliche Meinung noch in den achtziger und neunziger Jahren verwirren konnten, haben nicht mehr die gleiche Wirkung. Republikanische Kandidaten und rechte Gastgeber der Talkshows beklagen gleichermaßen, dass sich, wie einer es ausdrückte, "keiner mehr für Steuersenkungen interessiert".

Die soziale Krise vertieft sich

Im politischen Leben Amerikas kommen nun die wahren ökonomischen Gegensätze und Klassenspannungen ans Licht. Unter den großen Industrieländern zeichnen sich die Vereinigten Staaten durch die bei weitem stärkste soziale Polarisierung und den tiefsten Graben zwischen Reich und Arm aus - oder genauer gesagt: zwischen den Reichen und allen andern.

Während des längsten Wirtschaftsbooms der amerikanischen Geschichte hat der Lebensstandard der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung entweder stagniert, oder er ist gefallen. Seit den siebziger Jahren haben die Reallöhne sowohl für Arbeiter wie auch für Angestellte ständig abgenommen, während sich das Wirtschaftswachstum mehr als verdreifacht hat. Die arbeitende Bevölkerung produziert mehr und mehr Wohlstand, aber sie hat immer weniger davon. Für die meisten Familien bedeutet das, dass sie länger arbeiten müssen und gleichzeitig immer tiefer in Schulden versinken, um gerade mal die Rechnungen bezahlen zu können. Für die Schwächsten der Gesellschaft sind die Konsequenzen noch härter: Armut, Obdachlosigkeit, Hunger, faktisches Analphabetentum.

Es ist nicht bloß die Frage eines relativen, oder selbst absoluten Niedergangs des Einkommensniveaus von Millionen amerikanischer Familien. In Wirklichkeit geht es um einen erschreckenden Zerfall der sozialen Infrastruktur und des tagtäglichen Funktionierens der Gesellschaft: Das staatliche Bildungssystem versinkt in der Krise, die medizinische Versorgung wird zusehends abgebaut und überdies ständig teurer, und die Transportsysteme zerfallen - was sich in heruntergekommenen Straßen, explodierenden Autoreifen und einem Luftverkehrswesen äußert, das vor dem Kollaps steht.

Fast täglich dokumentieren neue Berichte von Sozialämtern und privaten Fürsorgestellen die soziale Krise:

- Eine Studie vom 10. September fand heraus, dass im reichsten Land der Welt dreißig Prozent der Kinder von Alleinerziehenden von Hunger bedroht sind.

- Ein Bericht in der New York Times vom 17. September enthüllte, gestützt auf statistische Daten, dass das Durchschnittseinkommen der unteren neunzig Prozent der Bevölkerung in zehn Jahren nur um 1,6 Prozent angestiegen ist, während das oberste ein Prozent einen Zuwachs um 89 Prozent verzeichnen konnte.

- Die Studie eines Mietervereins vom 20. September stellte fest, dass ein Arbeiter mit dem gesetzlichen Mindestlohn sich nirgendwo in den Vereinigten Staaten eine "bescheidene" Dreizimmerwohnung leisten könnte.

- Die Veröffentlichung der Liste des Jahres von Forbes 400 am 22. September, eine Auflistung der reichsten Individuen Amerikas, die meisten von ihnen Milliardäre, unterstreicht den starken Gegensatz zwischen der Anhäufung von Reichtum am oberen Ende und der Verschlechterung der Bedingungen für die breite Mehrheit der Bevölkerung.

Ein Pressebericht über die soziale Spaltung in Amerika führte vor kurzem Daten über Steuerzahlungen auf, um zu demonstrieren, dass "die wachsende Flut der Bits und Bytes die Yachten weit stärker in die Höhe hebt als die Ruderboote". Solche Berichte lassen eine entscheidende Frage aus: Was ist das für ein Wirtschafts-"Boom", der nur eine relativ kleine Gruppe begünstigt und so viele auf der Strecke lässt? In welchem Sinn kann man überhaupt von wirtschaftlichem Fortschritt sprechen, wenn die Arbeiter, die den Reichtum schaffen, immer härter kämpfen müssen, um zu überleben?

Weder Gore noch Bush möchten solche Fragen diskutieren. Beide sind Zeit ihre Lebens glühende Verteidiger des Profitsystems gewesen. Wenn die Frage der sozialen Ungleichheit ins Zentrum der Kampagne 2000 rückt, dann nicht weil die demokratischen und republikanischen Politiker das wollten, sondern weil sich die objektiven Widersprüche in der amerikanischen Gesellschaft zugespitzt haben. Unabhängig davon, welcher Kandidat die Wahlen gewinnt, sind die Weichen für das Aufbrechen explosiver politischer und sozialer Konflikte unter der nächsten Regierung gestellt.

Ein Vierteljahrhundert Angriffe auf Arbeiter

Es gibt einen grundlegenden Widerspruch in der Haltung gespielter Sympathie für Arbeiter, die beide Parteien an den Tag legen. Die Kampagne 2000 findet nach einem Vierteljahrhundert statt, das von harten Angriffen beider Parteien auf die Arbeiterklasse gezeichnet war. Die Demokraten und die Republikaner sprechen über zunehmend schwierige soziale Bedingungen, ohne zu erwähnen, dass diese Bedingungen das Ergebnis einer Politik sind, die sämtliche sich abwechselnden demokratischen und republikanischen Regierungen seit den siebziger Jahren verfolgt haben. Sie scheinen auf eine Art politischen Gedächtnisschwund der amerikanischen Bevölkerung zu rechnen.

Bush beklagt den Zustand des Bildungswesens; aber die republikanische Partei hat die Krise der staatlichen Schulen mit Haushaltskürzungen auf Bundes- und Landesebene und durch ihr Bündnis mit den rechtextremen und fundamentalistischen Gruppen, die das staatliche Bildungssystem überhaupt zerstören wollen, selbst verschärft. Gore beteuert seine Besorgnis über die Millionen, die keine Gesundheitsversorgung erhalten, während er die Bilanz der Clinton-Gore-Regierung außen vor lässt, die eine Zunahme der nicht versicherten Menschen von 38 Millionen auf 44 Millionen verzeichnet.

Die demagogischen Schuldzuweisungen der beiden großen Parteien können ihre gemeinsame Verantwortung für die Lebensbedingungen der arbeitenden Bevölkerung nicht verdecken. Seit der Demokrat Jimmy Carter 1976 zum Präsidenten gewählt wurde, hatten die Demokraten und die Republikaner jeweils zwölf Jahre lang die Kontrolle im Weißen Haus. In achtzehn der letzten zwanzig Jahre hat die eine Partei die Präsidentschaft innegehabt, während die andere eins oder beide Häuser des Kongresses kontrollierte. Trotz aller gegenseitigen Attacken haben die Demokraten und Republikaner ein gemeinsames Programm durchgeführt: Sie haben die reiche Elite, die eine kleine Prozentzahl der Bevölkerung ausmacht, auf Kosten aller anderen bereichert.

Dieser Prozess begann während Carters Präsidentschaft, als die Konzerne versuchten, die Klassenbeziehungen nach den sozialen Explosionen und politischen Wirbelstürmen der sechziger und frühen siebziger Jahre neu zu ordnen. Konfrontiert mit einem verschärften internationalen Wettbewerb forderte das kapitalistische Amerika freie Hand, um die Arbeitswelt umzukrempeln und eine Erhöhung des Arbeitstempos und andere Maßnahmen zur Erhöhung der Produktivität einzuführen. Die hauptsächliche Waffe gegen die Arbeiterklasse war die absichtliche Schaffung von Massenarbeitslosigkeit, um den Widerstand der Arbeiter gegen die verschärfte Ausbeutung zu schwächen.

Carter berief den Wall Street Bankier, Paul Volcker, an die Spitze der Zentralbank Federal Reserve Board, und beauftragte ihn damit, eine straffe Geldpolitik einzuführen, die darin gipfelte, dass die Zinssätze über zwanzig Prozent stiegen. Volckers Maßnahmen brachten die gewünschten Resultate: eine tiefe Rezession und ein scharfes Ansteigen der Arbeitslosigkeit.

Carter überwachte die Rettung von Chrysler, in der zum erstenmal eine große Gewerkschaft, die United Auto Workers, unter der Drohung von Betriebsschließungen und massiven Stellenstreichungen Lohnsenkungen und einer Verschärfung des Arbeitstempos zustimmte. Seine Regierung führte auch die Deregulierung der Flugzeugindustrie ein - an deren Spitze der liberale Demokrat Edward Kennedy stand -, die erste einer Reihe von Maßnahmen, die auf eine Arbeits-"Flexibilisierung" und die Abschaffung konzerneigener Einrichtungen für Gesundheit und Sicherheit, Umwelt- und Konsumentenschutz abzielten.

In den achtziger Jahren kam die Wahl von Ronald Reagan, und es begann ein Frontalangriff auf die Arbeiterklasse sowohl im Inland als auch im Ausland. Reagan setzte die größten Steuersenkungen der Geschichte für Reiche durch, während er eine enorme Aufstockung des Verteidigungshaushalts einführte, die zwei Ziele verfolgte: die Sowjetunion, Washingtons Rivalen im Kalten Krieg, in den Bankrott zu treiben und die Ressourcen der amerikanischen Regierung aufzubrauchen, so dass für ein nennenswertes Niveau an Sozialausgaben keine Mittel mehr übrigblieben

Die Reagan-Regierung brach eine größere Konfrontation mit den Gewerkschaften vom Zaun, indem sie absichtlich einen Streik der Fluglotsengewerkschaft PATCO provozierte, alle Streikenden entließ, die Streikführer verhaftete und die Gewerkschaft finanziell ruinierte. Das Ziel war eine große, sichtbare Niederlage der Arbeiterbewegung, um seitens der Bundesregierung in allen Bereichen der Wirtschaft einen rücksichtslosen Schlag gegen Streikende durch Entlassungen, Verhaftungen und die finanzielle Ruinierung ihrer Organisationen durch Geldstrafen zu legitimieren. PATCO lieferte den Auftakt für eine ganze Reihe von Schlägen gegen die Gewerkschaft und von Lohnsenkungen durch mächtige Konzerne wie Phelps Dodge, Greyhound, Continental Airlines, Hormel und Dutzende anderer, wie es sie seit einem halben Jahrhundert nicht gegeben hatte.

Diese Angriffe wurden von der AFL-CIO sanktioniert, die mit den Unternehmern zusammenarbeitete, um die Arbeiter, die an Streiks oder Aussperrungen beteiligt waren, zu isolieren und ihre Kämpfe zu sabotieren. Es war ihr Ziel, Arbeiter zu demoralisieren und den Einfluss der einfachen Mitglieder in den Gewerkschaften zu schwächen. Während die Mitgliedschaft der Gewerkschaften, die Häufigkeit der Streiks und das Niveau der Reallöhne ständig abnahmen, stieg das Einkommen der Gewerkschaftsbürokratie und festigte sich die Macht der Funktionäre.

Die politische Wende der frühen achtziger Jahre beendete nicht nur den jahrzehntelangen sozialen Konsens gegen das "union-busting", d. h. gegen die Zerschlagung von Gewerkschaften. Sie machte auch mit der Vorstellung Schluss, die Politik der Regierung könne die schlimmsten Auswüchse des Kapitalismus durch eine Kontrolle der Kapitalisten abmildern und wenigstens minimale soziale Hilfe gewähren. Die Reagan-Regierung führte mit der Unterstützung des mehrheitlich demokratischen Kongresses eine Rekordkürzung der Unternehmens- und Einkommenssteuer durch, welche die Reichen stark begünstigte. Sie deregulierte ganze Zweige der amerikanischen Industrie und begann, die Sozialausgaben für die Armen massiv zu beschneiden. Das Ergebnis war ein explosives Anwachsen des Reichtums und Einkommens der obersten amerikanischen Gesellschaftsschicht und eine ständige Verschlechterung der Lebensbedingungen für Millionen der arbeitenden Bevölkerung.

Die Bereicherung der Wohlhabenden auf Kosten der gesamten übrigen amerikanischen Gesellschaft war weder ein Zufall, noch das unbeabsichtigte Resultat globaler Kräfte, die jenseits der Kontrolle der Politiker und Konzernchefs wirkten. Das bewusste Ziel der herrschenden politische Elite war die Beseitigung aller Hindernisse für den Profit der Konzerne und die persönliche Bereicherung. Subjektive Politik kam mit objektiven Prozessen zusammen, vor allem mit einer Umwälzung im Computerwesen und der Telekommunikation, so dass eine wachsende soziale Polarisierung entstand.

Von Reagan zu Clinton

Clintons Wahl 1992 war teilweise eine Reaktion der Bevölkerung auf über zehn Jahre Haushaltskürzungen, Lohnsenkungen und andere Angriffe auf die Arbeiterklasse. Aber die demokratische Partei, die 1992 an die Macht kam, hatte eine ganz andere Beziehung zum kapitalistischen Amerika als die demokratischen Regierungen des New Deal und der Ära der Great Society.

Clinton selbst stützte sich beim Kampf um die Nominierung für die Demokratische Präsidentschaft stark auf das Geld der Wall Street. Er war ein Mitbegründer des Democratic Leadership Council, einer Gruppe von Politikern, deren Aufgabe es war, in der demokratischen Partei ein rechteres Programm durchzusetzen; Versprechen auf bedeutende soziale Reformen und das Ziel einer größeren Gleichheit bei der Wohlstandsverteilung sollten getilgt werden, während die republikanische Demagogie in Fragen des Sozialstaates, der Kriminalität und einer starken Armee imitiert wurde.

Die acht Jahre der Clinton Regierung - sechs davon eine politische Kohabitation mit den Republikanern im Kongress - ermöglichten eine Orgie der Akkumulierung von Reichtum, die das "Jahrzehnt der Habsucht" der achtziger Jahre in den Schatten stellte. Nachdem Clinton seine einzige nennenswerte reformistische Initiative, die allgemeine Krankenversicherung, aufgegeben hatte, wurde seine Regierung durch die Wahl eines republikanischen Kongresses 1994 und die darauf folgende Serie konstruierter Untersuchungen paralysiert.

In einem Politikbereich erwies sich Clinton sogar noch aggressiver als seine Vorgänger. Die Clinton-Regierung eskalierte den Gebrauch militärischer Gewalt zur Unterstützung der wirtschaftlichen und strategischen Interessen des amerikanischen Kapitalismus auf der ganzen Welt. Unter Clinton wurden amerikanische Truppen zu Dutzenden von globalen Brennpunkten geschickt, und es hagelte US-Raketen auf sogenannte Schurkenstaaten vom Irak über Sudan und Afghanistan bis hin zu Jugoslawien. Clinton hat seinem Nachfolger eine Politik des intensiven Militarismus hinterlassen, die durch erhebliche Steigerungen der Militärausgaben in den letzten beiden Haushalten unterstrichen wurde.

Während er rücksichtslos die Interessen des amerikanischen Kapitals im Ausland verfolgte, beugte sich Clinton dem Diktat der herrschenden Schicht in Fragen der Sozialpolitik im Innern. In seiner Rede zur Lage der Union von 1995 erklärte er: "Die Ära der staatlichen Fürsorge ist vorbei". Er unterzeichnete 1996 das Gesetz, das die Sozialhilfe der Bundesregierung für alleinstehende Mütter eliminierte, die grausamste Sozialkürzung der letzten zwanzig Jahre. Sein Schatzkanzler Robert Rubin arbeitete eng mit dem Vorsitzenden der Bundesbank, Alan Greenspan, zusammen, um den Höhenflug der Börse von 1995-99 zu fördern, während dessen die Börsenpreise sich verdreifachten und beinahe über Nacht enorme Vermögen aus dem Boden gestampft wurden.

Weit davon entfernt, die Politik von Reagan und Bush umzudrehen, hat die Clinton-Gore Regierung eine immer extremere Konzentration des Reichtums in der Hand einer finanziellen Elite organisiert. Laut der Haushaltsabteilung des Kongresses, die von der Führung der Republikaner kontrolliert wird und wohl kaum eine Bastion des Egalitarismus darstellt, sind neun Zehntel des Wachstums des nationalen Reichtums in den letzen 25 Jahren dem reichsten einen Prozent der amerikanischen Bevölkerung zugefallen.


2. Teil: Die Sozialstruktur Amerikas im Jahr 2000
10. Oktober 2000
aus dem Amerikanischen (4. Oktober 2000)
Das wesentliche Charakteristikum des heutigen Amerika, das in der Presse und offiziellen Politik nur äußerst zögerlich zugegeben wird, ist das Anwachsen wirtschaftlicher Ungleichheit in nie gekanntem Ausmaß. Ein Abgrund hat sich zwischen einer kleinen und fantastisch reichen Elite und der großen Mehrheit der Bevölkerung aufgetan, die von Lohnabrechnung zu Lohnabrechnung lebt. Keine der beiden Parteien kann sich dieser sozialen Realität ernsthaft stellen, weil sie beide das Wirtschaftssystem und die dafür verantwortliche Politik verteidigen.

Es ist in den Medien und der akademischen Welt Mode geworden, von den Vereinigten Staaten als einer "Gesellschaft von Aktienbesitzern" zu sprechen. Die Mehrheit der Amerikaner ist jetzt im Besitz von Aktien, so lautet das Argument, und darum nützt die Vervierfachung der Börsenkurse im vergangenen Jahrzehnt letzten Endes allen. Aber jede ernsthafte Untersuchung der US-Wirtschaftsstruktur beweist, dass der Finanzboom die soziale Polarisierung in Amerika dramatisch verschärft hat.

Die breite Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung ist ins Proletariat abgesunken. Diese Arbeiterfamilien sind vollkommen von ihren wöchentlichen, vierzehntägigen oder monatlichen Lohnzahlungen abhängig, wobei sie häufig an zwei oder sogar drei Arbeitsstellen schuften müssen. Auch wenn Angestellte und sogar einige Arbeiter ein paar Aktien in einem Renten- oder Versicherungsfond besitzen, sind sie deshalb noch lang nicht den großen Aktienbesitzern und Finanzinstituten vergleichbar, deren An- und Verkäufe die Wall Street bewegt. Für diese Arbeiter bedeutet das vielmehr, dass ihre Renten oder Lebensversicherungen vollkommen von den Unwägbarkeiten der Börse abhängen.

Die Gesellschaftsstruktur, die aus den achtziger und neunziger Jahren entstanden ist, ist ein bei weitem ungleicheres Amerika als die Gesellschaft, die vor 25 Jahren existierte. Die Geldsummen, die erfolgreiche oder auch weniger erfolgreiche Vorstandsmitglieder heute erhalten, wären vor einer Generation noch undenkbar gewesen. Es ist nicht nur das Ausmaß der Vermögen - zehn Milliarden Dollar, sogar fünfzig Milliarden Dollar, Summen, die den Haushalt der meisten amerikanischen Bundesstaaten übersteigen - sondern die Art und Weise, in der sie aufgehäuft werden.

Eine privilegierte Schicht wird immer reicher, während die Bevölkerungsmehrheit verarmt. Der Prozess wird noch durch die ständig intensivere Ausbeutung der Arbeiterklasse beschleunigt, wobei die Arbeitsproduktivität steigt, während die Reallöhne stagnieren. Das Ergebnis ist die wachsende Korruption und der innere Zerfall der ganzen Gesellschaft.

Die Akkumulation des Reichtums wird zunehmend von der aktuellen Warenproduktion und dem Arbeitsprozess abgekoppelt, und wer in der Lage ist, die Börsen und Geldmärkte erfolgreich zu manipulieren, gewinnt den größten Ertrag. Diese Trennung zwischen Profit und Produktion erscheint sogar innerhalb der Konzernstruktur, wo Vorstandsmitglieder ihre Vorzugsaktien dazu nutzen, ein derart gewaltiges persönliches Einkommen zu erreichen, dass sie langfristig zum Niedergang der Konzerne beitragen, in deren Diensten sie stehen.

Eine reiche und privilegierte Elite

An der Spitze der amerikanischen Gesellschaft befindet sich eine besitzende Klasse, die nach Vermögen und Einkommen reicher ist, als irgend eine andere der Geschichte. Das reichste eine Prozent der amerikanischen Haushalte hat ein Vermögen von über zehn Billionen Dollar angehäuft - zehn Millionen Millionen Dollar - das sind über vierzig Prozent des gesamten nationalen Reichtums. Der Nettobesitz dieser Multimillionäre übersteigt zusammen den gesamten Besitz der unteren 95 Prozent der Bevölkerung.

Seit Mitte der siebziger Jahre hat das oberste eine Prozent seinen Anteil am nationalen Wohlstand von unter zwanzig Prozent auf 38,9 Prozent verdoppelt; das ist die höchste Zahl seit 1929, dem Jahr des Börsenkrachs, der in die große Depression mündete. Laut einer weiteren Studie besitzt das reichste eine Prozent der Haushalte die Hälfte aller ausgegebenen Aktien, zwei Drittel aller Wertpapiere und über zwei Drittel der Konzernanteile.

Die Ungleichheit nach Einkommen ist ebenso krass wie die Ungleichheit nach Besitz. 1999 erzielte das reichste eine Prozent der Bevölkerung so viel Einkommen nach Steuern, wie die unteren 38 Prozent zusammen. Das heißt, die 2,7 Millionen Amerikaner mit den größten Einkommen erhielten genau so viel Einkommen nach Steuern wie die hundert Millionen Amerikaner mit den unteren Einkommen. Das durchschnittliche Jahreseinkommen nach Steuern des obersten einen Prozents ist seit 1977 um 370 Prozent angestiegen, von 234.700 Dollar auf 868.000 Dollar.

Knapp unterhalb der Superreichen ist eine etwas weniger reiche, aber immer noch außerordentlich privilegierte Schicht von Wohlhabenden. Diese vier Prozent der Bevölkerung besaßen 1998 21,3 Prozent des privaten Reichtums mit einem Durchschnittswert von 1,4 Millionen Dollar.

In der ganzen Periode von 1983 bis 1995 waren diese zwei Eliteschichten, die Reichen und die Superreichen, die zusammen die obersten fünf Prozent der Bevölkerung ausmachen, die einzigen Haushalte, deren Reichtum einen Nettozuwachs verzeichnen konnten. Diese Statistik ist es wert, noch einmal wiederholt zu werden: Während zwölf Jahren, während der (teilweisen) Amtszeit von Reagan, Bush und Clinton brachte das "Wunder des Marktes" 95 Prozent der amerikanischen Bevölkerung einen Nettoverlust, während nur die obersten fünf Prozent hinzugewonnen haben.

Während der neunziger Jahre ergriff eine wirklich wahnhafte Gier nach nicht erarbeitetem Einkommen die herrschende Klasse, die fühlte, dass sie von jeder wirksamen Einschränkung der Profitakkumulation befreit war. Der nackte Trieb nach persönlicher Bereicherung übersteigt alles, was man von vergangenen "Goldenen Zeitaltern" her kennt. Die Gehälter für Topmanager stiegen während der Clinton-Gore-Regierung um atemberaubende 535 Prozent. Der typische Konzernchef verdient das 475-fache Einkommen eines Durchschnittsarbeiters und das 728-fache Einkommen eines Arbeiters mit Mindestlohn. Wären die Löhne in den neunziger Jahren ebenso schnell gestiegen wie die Gehälter, Bonuszahlungen und Vorzugsaktien der Führungskräfte, dann hätte ein Durchschnittsarbeiter jetzt ein Jahreseinkommen von 114.000 Dollar im Jahr und der Mindestlohn läge bei 24 Dollar die Stunde.

Von Lohnabrechnung zu Lohnabrechnung leben

Am andern Pol der amerikanischen Gesellschaft sind die beinahe hundert Millionen Menschen zu finden, deren Existenz von Lohn oder Gehalt abhängig ist - die Arbeiterklasse, die große Mehrheit der Bevölkerung. Diese Arbeiter produzieren den atemberaubenden Reichtum der amerikanischen Gesellschaft, aber ihre eigenen Existenzbedingungen haben sich immer mehr verschlechtert, weil die Reallöhne ständig sinken und auch die immer längere Arbeitszeit nur noch zum Teil bezahlt wird.

Es gibt natürlich enorme Unterschiede im Lebensstandard, je nach Einkommen, Arbeitsbedingungen, Familienstruktur und Art des Arbeitsverhältnisses (Arbeiter können Vollzeit, Teilzeit, als Aushilfskraft, als Vertragsarbeiter etc. arbeiten), wie auch große Unterschiede im sozialen Bewusstsein. Aber trotz all dieser Verschiedenheiten und trotz der Tatsache, dass viele Arbeiter glauben, sie gehörten zur Mittelschicht, sind die überwältigende Mehrheit der Amerikaner lohnabhängige Arbeiter, die wenig oder kein Einkommen aus Zinserträgen erzielen.

Immer mehr Arbeiter sind buchstäblich ohne Eigentum. Zwischen 1983 und 1995 ist das durchschnittliche Nettovermögen der untersten vierzig Prozent der Haushalte um achtzig Prozent abgesunken, von 4.400 Dollar auf 900 Dollar. Für die untersten zwanzig Prozent liegt dieser Nettowert unter Null: Ihre Schulden übersteigen das, was sie besitzen, selbst wenn sie im eigenen Haus wohnen.

Das Einkommensniveau der ärmsten Schichten der Arbeiterklasse ist so niedrig, dass ihnen echter Mangel nicht nur droht, sondern sie diesen regelmäßig erfahren. Etwa 26 Prozent aller amerikanischen Arbeiter erhalten Löhne an der Armutsgrenze. Das Durchschnittseinkommen der ärmsten zwanzig Prozent der US Familien war im letzten Jahr nur bei 12.19990 Dollar, deutlich unterhalb der offiziellen Armutsgrenze. Die Bedingungen der Armen sind noch dadurch verschärft worden, dass seit 1996 die Sozialhilfe nicht mehr in Geld ausgezahlt wird und die Antragsteller von Lebensmittelmarken und medizinischen und anderen Hilfsleistungen oftmals erniedrigend behandelt werden.

Weitverbreitete Armut verursacht unzählige soziale Probleme in den Stadtzentren und auf dem Land, die sich mehr und mehr auch in den bessergestellten Vorstädten ausbreiten: das Aufbrechen der Familienstrukturen, häusliche Gewalt, Kriminalität, Drogenmissbrauch, Obdachlosigkeit. Eine Zahl straft die Behauptung, Amerika sei eine wohlhabende und gesunde Gesellschaft, mehr als alles andere Lügen: Über zwei Millionen Menschen sind zur Zeit in amerikanischen Gefängnissen eingesperrt, mehr als in jedem anderen industrialisierten Land und dreimal so viele wie vor nur zwanzig Jahren.

Unter den besser gestellten Schichten der Arbeiterklasse stagniert das Einkommen oder es nimmt ab - ein enormer Wechsel seit den Jahrzehnten des Wirtschaftsbooms, der auf den zweiten Weltkrieg folgte. In der Jahren 1947-79 verdoppelte sich das Durchschnittseinkommen jeder Schicht der amerikanischen Bevölkerung, von der ärmsten bis zur reichsten. Von 1979 bis 1998 erlebten die obersten zwanzig Prozent einen Einkommenszuwachs von 38 Prozent (64 Prozent für das oberste eine Prozent), während die untersten zwanzig Prozent einen Rückgang ihres Realeinkommens um fünf Prozent erleben mussten. Die dazwischen liegenden Schichten erfuhren höchstens kleine Zuwächse.

Selbst Familien mit zwei Einkommen, die ein Bruttoeinkommen von über 100.000 Dollar verzeichnen, besitzen oftmals nur ihr Haus, das dazu normalerweise noch mit hohen Hypotheken belastet ist, und haben sehr wenig oder keine Ersparnisse. Laut einer Studie haben die mittleren zwanzig Prozent der Gehaltsempfänger (angeblich Teil der Mittelschicht) gerade genug Er
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