Das unterschied zwieschen eine Möchtegernspekulant und Profi

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Moderator: oegeat

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sed

Das unterschied zwieschen eine Möchtegernspekulant und Profi

Beitrag von sed »

Gewinne laufen lassen, Verluste begrenzen oder:
die traurige Wahrheit vom Sieg der menschlichen Psyche über die Vernunft

Angst und Hoffnung umkreisen die menschliche Psyche, oder sind sie gar deren Kernstück? An der Börse allerdings zählt man aufgrund dieser menschlichen Psyche erwiesenermaßen zu den Börsenverlierern, denn Angst und Hoffnung wirken hier vermögensvernichtend. Die Angst, Börsengewinne wiederum zu verlieren. führt zur kurzfristigen Gewinnrealisation, man trennt sich sozusagen frühzeitig von den Rennern und beschneidet seine Gewinne. "Das Heu in die Scheune einfahren" sowie "
an Gewinnmitnahmen ist noch keiner gestorben" sind Verlierer - Börsensprüche. Umgekehrt, bei Verlusten, hält man in der Hoffnung, auf Besserung, oftmals bis zumTotalverlust durch, blockiert sein Kapital, versäumt anderweitige Gewinne. Verlierertrost: das Engagement war ohnehin als Langfristinvestition geplant.

Kaufpreis irrelevant

"Die Erkenntnisse der herrschenden Lehre reichen für die Börse nicht aus", so Nobelpreisträger Reinhard Selten und begründet: "Die Anleger werden sehr stark von dem Preis beeinflußt, zu dem sie eingestiegen sind. Diesen Preis, also den Einstandskurs, wollen sie auf jeden Fall wiederhaben. Deshalb neigen sie dazu, ihre Papiere
zu lange zu halten, wenn der Kurs unter den Kaufkurs fällt. Das bezeichnen wir als eingeschränkt rationale Verhaltensweise, denn der Kaufpreis ist völlig irrelevant. Mit diesem Phänomen kommt die herrschende, auf Rationalität aufbauende Theorie nicht zurecht."

Der "geborene" Börsenverlierer

Kann ein "System" bei einem Gewinn- und Verlustverhältnis von 50:50 - wie es z.B. an der Börse der Fall ist (jedem Gewinner steht letztlich ein Verlierer gegenüber) zuzüglich Fixkosten (z.B. Orderspesen) überhaupt profitabel sein? Natürlich kann es das, die einzige Voraussetzung ist, daß die Gewinntransaktionen größer als die Verlustengagements sind. Dies geht nur über die Börsenerkenntnis "Verluste begrenzen, Gewinne laufen lassen"! Doch selbst intelligente und ansonsten erfolgreiche Menschen zählen trotz Kenntnis dieser "Börsenregel zu den Opfern der "menschlichen Psyche" und damit zu den Börsenverlierern. Dies hat Professor A. Tversky von der Stanford University in einem Testverfahren verdeutlicht. Hierzu Lothar Albert, Mitherausgeber des technischen Börsenbriefes "The Technical Trader":

"Sie bekommen von jemandem Geld geschenkt. Nun können Sie jedoch wählen, ob Sie mit Sicherheit 85.000 US-Dollar geschenkt bekommen oder mit einer 85prozentigen Wahrscheinlichkeit 100.000 US-Dollar. Vermutlich werden Sie nun sagen, Sie nehmen die 85.000 US-Dollar. Warum auch nicht. So verhielt sich auch die Mehrheit der von Tversky befragten Testpersonen. Dann wurde der Spieß umgedreht. Wie entscheiden Sie sich, wenn Sie einen Schaden zu begleichen haben, der Sie entweder mit Sicherheit 85.000 US-Dollar kostet, oder mit einer Wahrscheinlichkeit von 85 Prozent 100.000 US-Dollar. Sie werden sich vermutlich für letztere Variante entscheiden, da Ihnen eine 15prozentige Chance bleibt, gar nichts zahlen zu müssen. So hat zumindest die überwiegende Mehrheit von Tverskys Testkandidaten entschieden. Übersetzt für Börsianer heißt dies, daß die menschliche Psyche den Anleger beinahe zwingt, Gewinne möglichst früh zu realisieren, wohingegen Verlusten der Freiraum gegeben wird, sich zu noch etwas größeren Verlusten zu entwickeln - schließlich besteht der Hoffnungsschimmer, man könne noch mit Plus/Minus-Null oder gar einem Gewinn aus dem Engagement kommen. Die nackte Wahrheit jedoch lautet, daß die Mehrzahl der Börsianer Gewinne kurz hält und Verluste laufen läßt. Vor diesem Hintergrund wird klar, daß es vielen Anlegern nicht gelingen kann, sich über längere Zeit an der Börse zu halten. Wußten Sie, daß von 100 Konten, die heute bei einem Broker eröffnet werden, in einem Jahr nur noch 20 vorhanden sind und daß nach einem weiteren Jahr von den verbliebenen 20 Konten noch zehn übrigbleiben? Diese Konten werden nicht etwa geschlossen, weil der Inhaber keine Lust mehr zum Spekulieren hat, sondern weil das Geld weg ist. Das ist eine erschreckende Zahl, aber leider die Realität.

Verlustbegrenzung

Was den Börsenerfolg anbetrifft, gibt es nur eine Regel: Für den Börsenerfolg gibt es keine Regel ! Allerdings gibt es Weisheiten, wie z.B. "Um an der Börse Gewinne zu machen, muß der Anleger nur unten einsteigen und oben aussteigen". Während leider der Möchtegernspekulant" auf seiner Einschätzung von unten und oben beharrt und oftmals - im Irrglauben eine Aktie auf Tiefstniveau erworben zu haben sein Aktienengagement bis zum Totalverlust durchhält, nutzt der "Profispekulant" die gewinnträchtige Börsenerfahrung "Gewinne laufen lassen, Verluste begrenzen". Konsequent liquidiert der "Profispekulant" Positionen, die sich statt nach oben nach unten entwickeln. So beträgt der Höchstverlust eines Profis im allgemeinen nur 20 Prozent, während die Gewinne hingegen im Laufe der Monate und Jahre das Einstandskapital verdoppeln oder gar vervielfachen können. Der "Möchtegernspekulant" verliert Haus und Hof, der "Profispekulant" wird von einem "Geldsegen erdrückt". Beide haben anfangs die "gleichen Aktien, lediglich die Anlagestrategie entscheidet über Gewinn bzw. Verlust. Der "Profispekulant" arbeitet zur Verlustbegrenzung bzw. Gewinnabsicherung mit stop-loss, d.h. er stellt seine Positionen beim Unterschreiten gewisser - oftmals charttechnisch markanten - Kurse glatt. Was dabei herauskommen kann, belegt die nachstehende Grafik:




Anfängliche Gemeinsamkeit zwischen
"Möchtegern"- und "Profispekulant":
Beide erwerben zunächst die gleichen Aktien
mit dem jeweils gleichen Anlagebetrag.




Kaufpreis Aktienwertveränderung
in % nach 1 Jahr Möchtegernspekulant -
stellt bereits nach
+20% Gewinn glatt (hieraus Erlös) hält hingegen Verluste durch Profispekulant- läßt Gewinne laufen, stellt Verluste nach -20% glatt (hieraus Erlös)
A-Aktien: DM 10.000,- +100% DM 12.000,- DM 20.000,-
B-Aktien: DM 10.000,- unverändert DM 10.000,- DM 10.000,-
C-Aktien: DM 10.000,- Totalverlust DM 0,- DM 8.000,-
D-Aktien: DM 10.000,- Totalverlust DM 0,- DM 8.000,-
Gesamteinsatz: DM 40.000,- DM 22.000,- DM 46.000,-
Verlust DM 18.000,- Gewinn DM 6.000,-
bzw. -45% bzw. +15%


Die Beispiel-Grafik zeigt: Bei den Pleiten ist der Profi nicht dabei; der einzige Börsenrenner bringt sein Gesamtdepot in die Gewinnzone. Grund: die Anlagestrategie "Gewinne laufen lassen, Verluste begrenzen". Deutlich wird hierbei die Wichtigkeit einer Verlustbegrenzung. Während der "Möchtegernspekulant" seine Verlustpositionen bis zumTotalverlust durchhält, um letztlich insgesamt einen dicken Vermögensverlust zu erzielen, setzt der "Profispekulant" dem Vermögensverzehr durch die konsequente Trennung der Verlustaktien ein Ende. Obwohl sich der .,Profispekulant" zunächst ebenfalls für zwei Pleitewerte und eine "Schläferaktie" entschied, konnte er letztlich noch eine überdurchschnittliche Rendite erzielen. Es ist allerdings anzunehmen, daß der "Profispekulant" mit der Liquidität aus dem Verkauf seiner Verlustaktien weitere Aktien erworben hat und möglicherweise die B-Aktien nachgekauft bzw. die A-Aktien pyramidiert hat (Folge: Gewinnerhöhung). Beim "Möchtegernspekulanten" ist hingegen nicht ausgeschlossen, daß er seine Liquidität aus dein Verkauf der A-Aktien zur Einstandsverbilligung der C- und D-Aktien eingesetzt hat (Folge: Verlusterhöhung)

Zwischen Gewinn und Vermögensvernichtung

Der "Profispekulant" hingegen macht mit den gleichen Aktien den "Reibach seines Lebens". Der Unterschied zwischen Gewinn und Verlust ergibt sich also aus der Anlagestrategie. Während der "Profispekulant" das Erfolgsgeheimnis "Gewinne laufen lassen, Verluste begrenzen" beherzigt, handelt der "Möchtegernspekulant" (ca. 80 Prozent der Börsianer) bedingt durch die "menschliche Psyche" - nach der umgekehrten Strategie. Er schreitet schnell zu Gewinnmitnahmen, aus Angst davor, die Gewinne wieder zu verlieren. Zudem erhält er ständig neue Tips, die er unbedingt mitmachen will (Börsenverlierer sind mehrheitlich Tipkonsumenten), weshalb er sich durch den Verkauf der Gewinneraktien die nötige Liquidität beschafft. Hingegen kann er es nicht fassen, daß gerade seine Aktie fällt. Zumal er doch so viel Gutes oder gar Sensationelles über seine Aktie erfahren hat.

In der Annahme, daß die rückläufigen Kurse in einem lnformationsdefizit dieser Aktie begründet sind, nimmt der "Möchtegernspekulant" keine Verkäufe vor, vielmehr kauft er zur Einstandsverbilligung nach. Schon der Gedanke, durch den Verkauf einen effektiven Verlust zu erleiden, schmerzt ihn so sehr, daß er eine Verkaufsempfehlung ohnehin nicht befolgen würde. Zu spät merkt der "Möchtegernspekulant", daß sein Kauf dieser Verliereraktie eine Fehlentscheidung war.

Auf diese Psyche des "Möchtegernspekulanten" haben sich eine Vielzahl von Börsenberatern eingestellt, die mit ständigen Durchhalteparolen ihre Leserschaft bei Laune halten und damit oftmals sogar noch die Börsenbriefauflage vergrößern. Schließlich möchte der Börsenverlierer auch weiterhin über seine Aktie informiert werden. Das "Motto" des "Möchtegernspekulanten" scheint zu lauten: Statt einen kleinen effektiven Verlust lieber einen dicken Buchverlust und das Engagement als Langfristinvestment betrachten.

Der "ewige Verlierer"



Die untenstehende Grafik zeigt deutlich: Obwohl der "Möchtegernspekulant" anfangs in künftige Börsenrenner investierte, schließt der "Möchtegernspekulant" sein Gesamtengagement aufgrund seiner Gewinnbeschneidung und seines Durchhaltens der Verliereraktie im Minus ab. Die "menschliche Psyche" führt zur Börsentragödie, wenn der "Möchtegernspekulant" seine Liquidität aus dein Verkauf der Gewinneraktien gar noch in die Verlustaktie (Einstandsverbilligung) gesteckt hat.

Boersenmathematik für Verlierer




Um erlittene Verluste auszugleichen, sind weit höhere Gewinne nötig; es wird z.B. ein 100-Prozent-Gewinn benötigt, um einen 50-Prozent Verlust auszubügeln. 100-Prozent Renner zu entdecken, ist gar nicht so einfach, oder? Wer tatsächlich in einem engagiert ist, schmeißt sich als Börsenverlierer durch schnelle Gewinnrealisierung (vielleicht schon bei 20 Prozent plus) aus dem Rennen, womit er zum Verlustausgleich bereits mehrere Börsenrenner im Depot benötigen würde. Aber wer findet schon lauter Renner? Der Tabelle auf der folgenden Seite ist zu entnehmen, welche Gewinnsteigerungen (y) man

Gesamteinsatz
DM 40.000,- Kaufpreis je DM 10.000,- Aktienwertveränderung
in % nach 1 Jahr Möchtegernspekulant
nimmt jeweils hocher-
freut +20% Gewinn mit; kann sich andererseits nicht von seiner Ver- lustaktie trennen (hieraus Erlös) Profispekulant - läßt Gewinne laufen, hin- gegen trennt er sich konsequent von seiner Verlustaktie (hieraus Erlös)
A-Aktien: DM 10.000,- +100% DM 12.000,- DM 20.000,-
B-Aktien: DM 10.000,- +200% DM 12.000,- DM 30.000,-
C-Aktien: DM 10.000,- +300% DM 12.000,- DM 40.000,-
D-Aktien: DM 10.000,- Totalverlust DM 0,- DM 8.000,-
Gesamteinsatz: DM 40.000,- DM 36.000,- DM 98.000,-
Verlust DM 4.000,- Gewinn DM 58.000,-
bzw. -10% bzw. +145%

benötigt, um einen Verlust (x) wieder wettzumachen.

wenn die Anlage um X fällt ... .. muß sie um Y steigen, um den Einstandspreis wieder zu erreichen.
10% 11%
20% 25%
30% 42%
50% 100%
75% 300%
90% 900%
99% 9.900%

Selbst Profis haben Schwierigkeiten, 1000-Prozent-Renner ausfindig zu machen, um einen Totalverlust (gleicher Kapitaleinsatz vorausgesetzt) auszugleichen.
Die Möglichkeit, hohe Verluste wettzumachen, besteht in der Kapitalzuführung. Doch wer hat schon beständig Mittel, um Verluste auszugleichen? Der Börsenverlierer (der die menschliche Psyche nicht besiegt, sondern sich ihr vielmehr ver-mögensvernichtend unterwirft jedenfalls verliert schon bald seinen letzten Groschen. Die Börse ist der Ort, an dem der Bettler mit Köpfchen reich wird, der vertrauensselige Reiche hingegen ohne Anlagestrategie bettelarm wird.

Gefühle unterdrücken: Wer sich über Kursverluste ärgert, dessen Gedanken kreisen zu sehr um das Verlustpapier, verbunden mit der Hoffnung, es möge wieder steigen. Hoffnung entspringt, ebenso wie Geiz oder Habgier. den Gefühlen. Stellen Sie sich lieber die Frage: Würde ich dieses Papier, wenn ich es nicht hätte, jetzt kaufen ? Wenn nicht: verkaufen !
Keine Schieflagen verbilligen: Schieflage heißt Fehlspekulation, und deren Ursache, ist meistens eine falsche oder gar keine gedankliche Kombination. Auf der Basis geistiger Kurzschlüsse immer höhere Aktienbestände aufzubauen, ist tabu.

In der Checkliste "Die 10 Börsenverbote" hält: Christian J. Baha (Austria Broker Service) u.a. eine Kaufentscheidung ausschließlich aus fundamentalen Berichten (ohne dabei die Markttechnik zu beachten) sowie die Mißachtung von charttechnischen Verkaufssignalen (stop-loss) für verlustträchtig. Versteht sich von selbst, daß auch er davon warnt zu früh aus einer Gewinnposition auszusteigen, da dadurch immer kleine Gewinne realisiert werden, aber nie grosse.
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