Was ist von Greenspan zu halten?

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Turon

Was ist von Greenspan zu halten?

Beitrag von Turon »

Joseph Salerno, Mitarbeiter des Ludwig von Mises Instituts und Lehrer für Ökonomie an der Pace Universität, hat auf der Website des Ludwig von Mises Instituts einen hervorragenden Artikel über Greenspans Verständnis von Wirtschaft und seine Geldpolitik veröffentlicht. Dieser Artikel ist ein MUSS für all jene die verstehen wollen, was da an Substanz hinter dem Chairman des Feds steckt. Aber erschrecken Sie nicht, wenn es.....


Die Übersetzung ist von Christoph Fehr

Greenspan's leeres Gerede
Am 1. Februar 2001, dem Tag nachdem das Fed den Zielsatz für die Fed Funds um 50 Basispunkte gesenkt hatte, hat das Wall Street Journal unter dem Titel "Psychologie-Test: Die jüngste Zinssenkung des Feds bekämpft die Ansteckungsgefahr des "Sinkenden Vertrauens"" publiziert. Der erste Satz lautet wie folgt: "Mit dem gestrigen Zinsschritt hofft der Vorsitzende des Feds Alan Greenspan die Stimmung der Nation zu heben, bevor diese die Nation in eine Rezession herabzieht." Im Artikel steht auch, dass das Fed in dem den Zinsentscheid begleitenden Kommentar auf die "weiter sinkende" "Stimmung bei den Unternehmern und Konsumenten" verwiesen habe.

Im Artikel wird festgehalten, dass "mehr als sonst scheint der Chef des Fed's in einem Psychologie-Spiel engagiert zu sein, er kämpft weniger darum, eine zum Scheitern verurteilte Wirtschaft zu wiederbeleben, als darum das Vertrauen der Konsumenten und Unternehmer der Nation wieder herzustellen. Er bleibt davon überzeugt, dass die "Neue Ökonomie" eine Realität ist und sie in den kommenden Jahren verspricht, überdurchschnittliche Wachstumsraten zu generieren. Aber die jüngsten Umfragen zeigen, dass der Glaube daran verloren gegangen ist."

Im Artikel wird mit einer ernsten Warnung fortgefahren: "Die Angst vor einer Rezession kann rasch tatsächlich eine solche auslösen. 'Animal spirits' so habe der britische Ökonom John Maynard Keynes geschrieben, können der Schlüssel zu wichtigen wirtschaftlichen Grössen wie Investitionen der Unternehmer sein." Im Artikel werden auch einige Eminenzen der Wall Street und der Welt der Akademie zitiert, welche den letzten Schachzug des Feds aus ähnlich gelagerten Überlegungen heraus gutheißen. Willia m Dudley, Chef der volkswirtschaftlichen Abteilung bei Goldman Sachs in New York argumentiert "dass das Aufrecht erhalten des Vertrauens der Schlüssel dazu sei,um zu verhindern, dass eine temporäre Abkühlung der Wirtschaft sich in eine ernsthaftere Rezession auswachse."

Der ehemalige Vizepräsident des Feds und führende Keynsianischer Ökonom Alan Blinder gibt uns folgenden Grund an, weshalb Greenspan so aggressiv vorgegangen sei: "...die Märkte sind besser darin geworden, zu antizipieren, was das Fed tum wird. Das Resultat ist, dass die seine frühere Sorge - dass wenn man die Zinsen zu viel auf einen Schlag senkt, die Märkte in Aufruhr versetzt - keine Sorge mehr ist." Im letzten Absatz lässt der Artikel die Leser darüber rätseln, ob das Fed sein Ziel, die kollektive Angst der Unternehmer und der Konsumenten zu mildern, erreicht. "Ob die Aktionen des Feds, ausreichen um die sinkende Stimmung der Wirtschaft wiederzubeleben ausreicht, muss sich noch weisen." Der Artikel schliesst jedoch mit einem "Schuss" Optimismus, wenn er den Präsidenten der Nationalen Vereinigung der Einkäufer, Jerry Jasinowski" mit folgenden Worten zitiert: "Das raffinierte Timing der letzten zwei Zinssenkungen des Fed's ... hat wahrscheinlich verhindert, dass es zu einer die gesamte Wirtschaft erfassenden Rezession kommt."

Dieser Artikel illustriert wie weitgehend Greenspan in seiner Amtszeit als Vorsitzender des Feds erfolgreich war, nahezu jeden, viele Wirtschaftsjournalisten und professionelle Ökonomen eingeschlossen, in die Irre zu führen indem er sie dazu gebracht hat, eine eigene, bizarre Sichtweise des Konjunkturzyklus zu akzeptieren. Während seiner gesamten Karriere als Vorsitztender des Feds hat Greenspan unablässig die Sichtweise propagiert, dass der Konjunkturzyklus eine mysteriöse Angelegenheit sei, das Resultat unberechenbarer Kräfte, welche tief in der Marktwirtschaft am Wirken und für die menschliche Vernunft nicht begreifbar wären.

Folglich sind für Greenspan Konjunkturzyklen eher eine Quelle der Verwunderung, als das Objekt rigoroser logischer Analyse: "Es gibt immer etwas verschiedenes, etwas, das nicht so ist wie in all den vorangegangen [Zyklen; Anm. C. Fehr]. Es gibt nie etwas Identisches und es ist immer verwirrend." (Greenspan zitiert in "Maestro: Greenspan's Fed and the American Boom" von Bob Woodward; S. 35-36; künftig "Maestro"). Die Implikationen dieser Sicht sind für Greenspan's Rolle als Vorsitzender des Federal Reserve Systems durchaus angenehm. Das Fed kann sich als beweglicher und nicht mehr weg zu denkender Beschützer der Marktwirtschaft aufspielen und stets die bösen Geister der Inflation und Rezession, welche aus den dunklen Winkeln der Wirtschaft hervorkriechen bekämpfen. Weiter geben die Mysterien, die, so glaubt Greenspan, die Mechanismen der Wirtschaft umgeben, einen probaten Vorwand um das Fed von aller Schuld freizusprechen, falls die Wirtschaft trotz aller Anstrengung des Fed's, sie im Zaum zu halten schwach wird und ein Konjunkturzyklus über die Wirtschaft hereinbricht.

Es drängt sich sofort eine beunruhigende Frage auf: Wenn es tatsächlich so ist, dass sich der Konjunkturzyklus jeglicher rationalen Analyse entzieht, wie könne wir uns dann auf das Fed verlassen, wenn es darum geht, die Wirtschaft zu kontrollieren oder das wirtschaftliche Auf und Ab zu lindern? Die Antwort gemäss Greenspan: Man soll die Wirtschaftstheorie vollständig ignorieren, und über Daten, die auf täglicher, ja stündlicher Basis erhoben werden brüten. Dann vertraue man auf die eigene Intuition um die künftigen Bewegungen der Wirtschaft durch die Signale, welche aus diesem endlosen Strom von Daten herauskommen zu erkennen.

In seinem sehr aufschlussreichen Buch "Maestro: Greenspan's Fed and the American Boom" beschreibt Bob Woodward was er als die "nahezu Besessenheit Greenspan's von Wirtschaftsdaten" (a.a.O. S. 54) bezeichnet. So hat Greenspan an einem ruhigen Tag 50 unterschiedliche Real Time Charts auf seinem Computer jede halbe Stunde durchgesehen. (a.a.O. S. 102)

Ich denke ich brauche nicht zu erwähnen,
was ich von Greenspan halte, oder?
Ein kleiner mieser Gauner nichts weiter?
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