Greenspan - so alt schon und auch langsam erwachsen?

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Turon

Greenspan - so alt schon und auch langsam erwachsen?

Beitrag von Turon »

US-Notenbankchef Alan Greenspan fordert eine bessere Datenbasis.

Deutliche Zweifel an den derzeitigen Berechnungsmethoden zum Wirtschaftswachstum hat gestern US-Notenbankchef Alan Greenspan geäußert. Die herrschenden statistischen Methoden, um Wachstum und Produktivität zu messen, kämen mit dem schnellen technologischen Wandel immer weniger mit, sagte Greenspan in einer Rede vor der Vereinigung der Unternehmensvolkswirte NABE in Washington. Dies betreffe vor allem die Daten zur Entwicklung der Hochtechnologiebranchen.

Greenspans Ausführungen könnten die Vermutung einiger Experten bestärken, dass das Wirtschaftswachstum in den USA während der vergangenen Jahre möglicherweise überschätzt wurde. Dies würde auch zu einer Revision der Einschätzungen zur New Economy führen.


Als Kernproblem nannte Greenspan die Methodik zur Preisbereinigung des Bruttoinlandsprodukts. Die in den USA verwendeten "hedonischen Indizes" seien "kein Allheilmittel", sagte Greenspan. Bei dieser Methode werden Qualitätsverbesserungen eines Produkts vollständig als Preisrückgang bewertet. Ein solcher Preisrückgang führt statistisch dann zu einem Anstieg der realen Produktionsdaten.


Preisvergleiche immer schwieriger

Zunehmend kämen aber neue Produkte mit immer kürzerer Lebensdauer auf den Märkt, die keine Vorgänger haben, mit denen sie zu vergleichen seien, so Greenspan. Daher sei in diesen Fällen ein Preisvergleich zunehmend schwierig. Die Probleme betreffen laut Greenspan den Hochtechnologiesektor, dessen Dynamik das US-Wirtschaftswachstum in den vergangenen Jahren entscheidend getragen hat. Dieser Sektor leide darunter, dass Qualitätsverbesserungen nur schwierig gemessen und vom reinen Preisanstieg unterschieden werden können, so Greenspan. Die US-Methodik der Preisbereinigung führt hier grundsätzlich zu höheren Wachstumszahlen als etwa die deutsche, wie die Bundesbank vor einigen Monaten bereits betont hatte.


"Hochtechnologiegüter, also Halbleiter, Computer und Netzwerkausrüstungen machen derzeit weniger als acht Prozent der Produktion des Verarbeitenden Gewerbes in den USA aus. Allerdings stieg ihre Produktion in realen Größen, so wie wir sie messen, seit Mitte der 90er Jahre mit einer jährlichen Rate von 50 Prozent", sagte Greenspan.


Trotz erheblicher Fortschritte, die die statistischen Ämter in den USA, aber auch die Federal Reserve selbst auf diesem Gebiet in den letzten Jahren geleistet habe, müssten die Methoden verbessert werden.


Ein ständig steigender Anteil des Sozialproduktes werde durch die Produktion von Ideen erwirtschaftet, sagte Greenspan. Diese seien erheblich schwieriger zu messen als die traditionelle Produktion von Industriegütern. "Offensichtlich ist ein Anstieg des Preises für eine bestimmte medizinische Behandlung im längeren Zeitverlauf nicht lediglich ein Preisanstieg", so Greenspan. Dass in der US-Statistik die Produktivität des Gesundheitssektors in realen Größen gemessen zwischen 1990 und 1999 gesunken sei, sei "unplausibel" und werfe Fragen auf über die Art und Weise, wie auch im Gesundheitssektor zwischen Preisanstieg und Qualitätsverbesserung unterschieden werde.

© 2001 Financial Times Deutschland
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