Fundamentals oder Charttechnik?

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Drew Bledsoe

Fundamentals oder Charttechnik?

Beitrag von Drew Bledsoe »

"Ziemlich unerklärbar ist es, zumindest mit gesundem Menschenverstand, dass der deutsche Aktienindex zur Zeit so schwere Verluste erleidet. Fundamental ist alles in Ordnung.

Die technische Analyse hat die düsterste Vorhersage. Die Charttechniker sehen bei der DAX-Kursentwicklung jetzt offenbar eine langfristige Trendumkehr. In dieser Woche hat der DAX nämlich die aufwärtsgerichtete Trendlinie, die seit Mitte 2005 gilt, massiv nach unten durchbrochen, und zwar um 200 Punkte.

Auch die 200-Tage-Durchschnittslinie, die sich gegenüber der starren Trendlinie dem Aktienkurs elastisch anpasst, wurde durchbrochen, auch nach unten und um 100 Punkte. Das ist ziemlich schlecht. Schon einmal, Anfang 2000, brach ein intakt geglaubter Aufwärtstrend ab und ging in einen sehr intakten Abwärtstrend über, der erst drei Jahre später seinen Boden erreichte. Bis dahin hatte der DAX drei Viertel seines Wertes verloren.

Zum Glück beschränkt sich der Charttechniker für seine Vorhersage ausschließlich auf den "Chart", die grafisch nachvollzogene Kursentwicklung einer Aktie oder eines Aktienindizes. Sein Credo ist, dass der Aktienkurs immer gewissen Selbstähnlichkeiten folgt, die, solbald sie entdeckt sind, auch die zukünftige Entwicklung vorhersagen können.

Nervösität macht alles nur noch schlimmer
Fundamental ist jedoch vieles in Ordnung. Die Unternehmensbilanzen der DAX-Mitglieder sind gut bis hervorragend, das Investitionsklima in Deutschland hat sich innerhalb eines Jahres deutlich gebessert, und selbst als Investitionsstandort hat sich Deutschland einer aktuellen Studie zufolge den ersten Platz in Europa erobert.

Von einer Blase am Aktienmarkt will niemand so recht sprechen. Die Unternehmen seien im Gegensatz zu manchen US-amerikanischen Konzernen nicht überbewertet, mit einem durchschnittlichen Kurs-Gewinnverhältnis von deutlich unter 15 sind die DAX-Mitglieder sogar noch fast Schnäppchen.

Was die Märkte so volatil macht, ist die Nervosität. Nervosität ein Selbstläufer. Ein nervörser Markt ist sehr volatil, in beide Richtungen. Jede Nachricht, vor allem aus den USA und aus Japan, kann potenzierte Reaktionen an den europäischen Börsen auslösen. Jede Kursentwicklung kann ihrerseits eine Verkaufswelle auslösen.

Am Donnerstag kommt die Ungewissheit hinzu, ob die Europäische Zentralbank ihre Leitzinsen erhöhen wird. Eine Erhöhung um 50 Basispunkte, so wie das einige Beobachter erwarten, dürfte den DAX weiter stark unter Druck setzen; der Aktienindex könne bis auf 5300 Punkte durchsacken, befürchten Analysten.

Ein anderer Grund für die jetzige Kursentwicklung ist die vor knapp einem Jahr begonnene furiose Aufwärtsbewegung beim DAX. Knapp 50 Prozent gewann der deutsche Leitindex seit Mai 2005 hinzu. Für viele ist daher die jetzige heftige Korrektur ein guter Zeitpunkt, mit immer noch guten Gewinnen auszusteigen. "


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schneller euro
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Beitrag von schneller euro »

Drew Bledsoe hat geschrieben: " ... der Aktienindex könne bis auf 5300 Punkte durchsacken, befürchten Analysten. "

Exakt da sind wir jetzt angelangt.

Eine interessante Parallele gibt es auch zum letzten "Zinshysterie-Jahr" 1994 (ich kann mich noch gut erinnern, wie dominant das Thema "steigende Zinsen" seinerzeit in sämtlichen Fachmedien war.)
Auch Anno 94 gab es von Mitte Mai bis Mitte Juno einen scharfen Kurseinbruch beim DAX in fast der gleichen Höhe wie jetzt, in den letzten 4 Wochen, nämlich ca. 13 - 14%:

DAX 1994
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schneller euro
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DWS zu den europ. Aktienmärkten im Juni 2006

Beitrag von schneller euro »

"... Fundamental hat sich auf den europäischen Aktienmärkten nicht viel geändert. Die Inflation bleibt ein Risiko, Zinserhöhungen könnten jedoch für eine gewisse Entspannung sorgen. Zudem sind in Europa derzeit keine Zweitrundeneffekte zu erkennen. Aus unserer Sicht gilt weiterhin, dass die Märkte günstig bewertet sind, sich die Unternehmensgewinne stabil entwickeln, die Konjunktur robust ist und Anlagealternativen rar gesät sind. Kurz: Das Umfeld für Aktien ist unserer Einschätzung nach überwiegend positiv.
..."
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BOERSEN-RAMBO
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Raiffeisen Centrobank: Börsenverluste noch nicht zu Ende !

Beitrag von BOERSEN-RAMBO »

Die Experten der Raiffeisen Centrobank sehen die jüngste Kurskorrektur aufgrund von Liquiditätsängsten nur als eine Unterbrechung :!: , nicht aber als eine Trendwende des Aufwärtstrends :!: . Nichtsdestotrotz erwarte man auch in den Sommer hinein weiterhin fallende Kurse. :!:

Zwischen Panik und gesunder Korrektur
„Auslöser des abrupten Stimmungsumschwungs auf den Märkten waren die Furcht vor einer nachlassenden Liquiditätsversorgung und der reduzierte Risikoappetit der Investoren auf Emerging Marktes“, ist Mag. Birgit Kuras, Chefanalystin der Raiffeisen Centrobank überzeugt. Damit wäre auch deutlich zum Ausdruck gebracht worden, dass internationale Investoren die Wiener Börse eindeutig als Osteuropabörse :!: wahrnehmen. Negativ beeinflusst hätten die Performance des ATX aber auch die Turbulenzen rund um die beabsichtigte Übernahme der Verbund durch die OMV.

Höhere Zinsen
Der erwartete letzte Zinssprung in den USA auf 5,25 Prozent sollte nach Ansicht der RCB-Experten das Liquiditätsargument etwas entschärfen und die Angst vor einer Konjunkturabschwächung in den USA die Märkte vorrangig beeinflussen. Diesen Themenschwenk sieht man aufgrund der stärkeren Fokussierung auf die Märkte Mittel- und Osteuropas für die Wiener Börse eher von Vorteil. Gleichzeitig scheint für Kuras der Weg für weitere Zinserhöhungen auch in der Eurozone um zumindest 50 Basispunkte bis Ende des Jahres vorgegeben. Darüber hinaus deute alles darauf hin, dass auch in Japan erstmals die Leitzinsen im zweiten Halbjahr angehoben werden.

Kurskorrektur noch nicht zu Ende :!:
Sobald die Fokussierung wieder auf die stärker wachsenden Märkte wie Mittel- und Osteuropa gerichtet ist, sollte es, so Kuras, auch für die Wiener Börse wieder aufwärts gehen, da sich die positiven Vorzeichen schließlich nicht geändert hätten. So könne die Korrektur des ATX auch als Entlastung angesehen werden, durch die sich das absolute Bewertungsniveau deutlich verbessert habe. Für das zweite Quartal erwartet Kuras zufrieden stellende Ergebnisse, auch wenn die Gewinndynamik nachlassen werde. Die makroseitige Beeinflussung der Belastungen lasse jedoch annehmen, dass die Kurskorrekturen noch nicht zur Gänze ausgestanden sind. Deshalb vermutet Kuras erst ab dem dritten Quartal wieder einen eindeutig positiven Trend nach oben. (eg)


Quelle: FONDS professionell
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The Ghost of Elvis
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Korrektur in vollem Gange

Beitrag von The Ghost of Elvis »

"Viele Marktteilnehmer sind während der vergangenen fünf Wochen von der Heftigkeit der Kursverluste an den weltweiten Aktienmärkten überrascht worden. Wie so oft glaubte man zuerst an eine kurze Phase der Konsolidierung, die wieder von einer Phase steigender Aktienkursen abgelöst werden sollte. Doch es kam anders. Das Ausmaß der „Gewinnmitnahmen“ lassen uns inzwischen an Zeiten aus 2002 erinnern. Viele Börsen haben Kurseinbrüche im zweistelligen Bereich erfahren. Verluste von mehr als 20 oder gar 30% sind keine Ausnahmen. In erster Linie traf es die Aktienmärkte, die zuvor auch starke Kursgewinne vorweisen konnten: Emerging Markets, Rohstoffe sowie Mid- und Small Caps. Auslöser waren Befürchtungen, dass eine weiter ansteigende Inflation die Konjunktur in den USA stark beeinträchtigen würde; nachlassender Konsum und nachlassende Gewinndynamik der Unternehmen wären die Folge. Da die Gewinnmitnahmen in den Emerging Markets überwiegend in US-Dollar umgewandelt wurden, kamen die Währungen dieser Länder ebenfalls stark unter Druck. Man verlor dort also durch zwei Faktoren Geld: sinkende Aktienkurse sowie sinkende Währungen.
Die Rangliste der Verlierer liest sich folgendermaßen (Zeitraum: 9.5. bis 13.6.2006):
Russland -32%, Goldminenaktien -30%, Indien -28%, Türkei -27%, Osteuropa -26%, Mexiko -23%, Brasilien und Österreich je -22%, TecDAX und Griechenland je -21%, MDAX und Norwegen je -20%, Indonesien, China (H-Shares), Rohstoffaktien sowie Taiwan je -19%, SDAX -18%, Japan und Korea je -17%, SmallCaps Europa -16%, Südafrika und Thailand je -15%, DAX -14%, Frankreich und Singapur je -13%, SmallCaps USA, der EURO STOXX50, die Schweiz sowie Italien je -12%, NASDAQ -11% und Hongkong je -11%, Großbritannien -10%, Australien -9%, S&P500 sowie DOW JONES je -8%. Bester Aktienmarkt: Malaysia; dieser verlor nur 7%.

Man sieht schon aufgrund der obigen Zahlenwerte, dass es sich nicht um eine kleine Konsolidierung handelt. Die meisten Aktienmärkte haben ihre gesamten Gewinne in 2006 wieder abgegeben und befinden sich auf Niveaus von Sommer oder Herbst vergangenen Jahres. Viele Buchgewinne haben sich somit regelrecht wieder in Luft aufgelöst.
...
Ausblick:
Sehr viele Aktienmärkte haben ihre Aufwärtstrends sowie 200-Tage-Linien nach unten durchbrochen und haben noch weiteres Abwärtspotential. Die Korrektur ist somit noch nicht abgeschlossen und kann noch über mehrere Monate andauern. Zwischenzeitlich wird es immer wieder zu Erholungsversuchen kommen. In der Regel kommt es danach jedoch wieder zu erneuten Rückschlägen, die zu noch tieferen Niveaus führen können. Man muss sich daher in Geduld üben, bis die Erholungsphase anläuft, die nicht wieder schnell abverkauft wird, sondern über Monate wieder zu höheren Niveaus führt.

..."


(Von Bernd Greisinger - Chefanalyst,
Quelle = BG GLOBAL)
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