4% Geldentwertung- IWF-Experten fordern höhere Inflation

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martinsgarten
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4% Geldentwertung- IWF-Experten fordern höhere Inflation

Beitrag von martinsgarten »

IWF-Experten fordern deutlich höhere Inflation

Bei diesem Vorschlag dürfte den meisten Deutschen ganz anders werden: Ausgerechnet der Internationale Währungsfonds, traditioneller Verfechter einer stabilen Geldpolitik, fordert die Notenbanken auf, künftig vier Prozent Inflation anzustreben. Bisher peilt die EZB zwei Prozent an.

Hamburg - Der Vorschlag kommt einer Sensation gleich:
Der Internationale Währungsfonds (IWF), seit langem prominentester Vorkämpfer für eine niedrige Inflationsrate, will in den kommenden Jahren eine deutlich höhere Geldentwertung zulassen.
IFW-Chefvolkswirt Olivier Blanchard schlug den Notenbanken in einem Beitrag vor, ihr Inflationsziel von zwei auf vier Prozent zu verdoppeln.


An dem Arbeitspapier mit dem Titel "Makroökonomische Politik neu denken", das am 12. Februar auf der Internetseite des Währungsfonds veröffentlicht wurde und aus dem die "Süddeutsche Zeitung" am Dienstag zitiert, haben zwei weitere IWF-Ökonomen mitgeschrieben. Zwar heißt es auf Seite zwei des Beitrags, dieser gebe nur die Meinungen der Autoren wieder und solle deshalb nicht als offizielle Position des IWF angesehen werden.
Doch es ist kaum vorstellbar, dass IWF-Präsident Dominique Strauss-Kahn die Meinung der Autoren nicht teilt.

Mit seinem Vorschlag einer Verdopplung der Inflation greift der IWF in eine der derzeit brisantesten Debatten ein, die weltweit geführt wird - aber fast nirgendwo so emotional wie in Deutschland. Geht es hierzulande um das Thema Inflation, ist schnell vom kollektiven Gedächtnis der Nation die Rede, in das sich die schlimme Erfahrung der Geldentwertung eingegraben habe.

Richtig ist, dass ein beträchtlicher Teil der Deutschen im vergangenen Jahrhundert zweimal nahezu seine gesamten Ersparnisse verloren hat: zunächst während der Hyperinflation im Jahr 1923 und dann im Rahmen der Währungsreform 1948.
Wahr ist aber auch, dass die Inflationsrate seit Gründung der Bundesrepublik zumeist um die zwei Prozent pendelte - von Ausreißern in den siebziger und zu Beginn der achtziger Jahre einmal abgesehen.

Ökonomen sehen Gefahr einer Deflation

Entsprechend entwickelte sich die Bundesbank, die sich im Verlauf der Jahre immer mehr als Hüterin einer stabilen D-Mark sah, zu einer Art Notenbank-Mythos, an dem sich später sogar die Federal Reserve Bank der USA orientierte. Das Inflationsziel von maximal zwei Prozent, das mit der Zeit zum Konsens einer stabilen Geldpolitik wurde, setzte sich später dann auch die Europäische Zentralbank (EZB) für die gemeinsame Geldpolitik in der Eurozone.

Doch wenn es schlecht kommt, dann sind die Zeiten niedriger Inflationsraten vorbei. Denn die Regierungen überall auf der Welt haben Hunderte Milliarden Euro zur Rettung der Banken und für die Ankurbelung der Konjunktur investiert. Noch ist völlig offen, wie sich die Inflation entwickelt, wenn die Wirtschaft wieder anspringt und die Nachfrage nach Krediten entsprechend steigt. Auch ist unklar, wie die Unmengen an Geld dem Finanzkreislauf wieder entzogen werden sollen.

Genauso fraglich ist, ob die Staaten jemals ihre enorme Verschuldung abbauen können. Eine hohe Inflationsrate könnte den meisten Regierungen deshalb durchaus gelegen kommen. So glaubt der Harvard-Ökonom Kenneth Rogloff, dass die Steuern in den USA um 30 bis 50 Prozent steigen müssten, um den Staatshaushalt zu sanieren. Ein solches Szenario ist politisch aber kaum durchsetzbar. Entsprechend könnten die Regierungen in Washington und auch in Berlin darauf setzen, die Defizite durch eine hohe Inflation peu à peu zu entwerten.

Mit höherer Inflation flexiblere Reaktion auf Schocks

Dass die IWF-Ökonomen um Blanchard angesichts dieser Rahmenbedingungen eine Verdopplung der Inflationsrate fordern, hat jedoch noch einen anderen Hintergrund: Sie fürchten sinkende Preise, die sogenannte Deflation.

Konkret geht es den Experten um den Sicherheitsabstand zwischen Inflation und Deflation. Hinter der Vorgabe, dass zwei Prozent Inflation besser sind als null Prozent, steckt folgende Überlegung: Würde das Preisniveau in konjunkturell guten Zeiten nicht steigen, würde es in schlechteren Perioden wahrscheinlich sinken. Dann würden alle Akteure jedoch davon ausgehen, dass die Preise weiter fallen, und es entstünde eine deflationäre Spirale. Was Deflation und wirtschaftliche Stagnation bedeuten, lässt sich in Japan, der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt, seit Beginn der neunziger Jahre beobachten, als die Immobilienblase platzte.

Blanchard und seine Kollegen ziehen nun aus der Finanzkrise den Schluss, dass ein zweiprozentiger Sicherheitspuffer zur Deflation, wie er lange Zeit als sinnvoll betrachtet wurde, angesichts der jüngeren Erfahrungen nicht mehr ausreichend ist.
Die Ökonomen schreiben, dass die Notenbanken künftig in normalen Zeiten ein höheres Inflationsziel anstreben sollten, "um den Raum für die Geldpolitik im Falle von Schocks zu erhöhen".
Dieses Inflationsziel sollen die besagten vier statt der bisherigen zwei Prozent sein.

Kurz und knapp geht die Begründung für den Vorschlag so:
Ist die Teuerungsrate hoch, sind auch die Leitzinsen der Notenbanken hoch.
Damit haben die Währungshüter ausreichend Spielraum, auf Schocks zu reagieren und die Zinsen etwa zur Ankurbelung der Wirtschaft zu senken.

Genau dies könnte künftig immer wieder notwendig sein:
"Die Krise hat gezeigt, dass negative Schocks möglich sind.
In dieser Krise kamen sie vom Finanzsektor, aber sie könnten in Zukunft auch woanders herkommen - von den Auswirkungen einer Pandemie auf den Tourismus oder den Folgen eines Terroranschlags auf ein wichtiges Wirtschaftszentrum."

Quelle
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(Albert Einstein, 1879–1955)
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martinsgarten
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Beitrag von martinsgarten »

Noch etwas Theater - man wird sich daran gewöhnen.
Das ist doch nur soetwas wie die schleichende Enteignung der Vermögen.
Das hat doch was, 4% Inflation bei sinkenden oder "STABILEN" Löhnen. :wink:


Vier-Prozent-Ziel
Bundesbank erzürnt über Inflationswunsch des IWF
(57)Von Anja Ettel und Martin Greive 26. Februar 2010, 07:47 Uhr
Konjunkturprogramme sind gut für das Wachstum, allerdings werden sie meist mit Krediten finanziert.
So steigt die Verschuldung der Staaten weiter.
Warum nicht mit einer höheren Inflation die Schulden abtragen?
Eine Idee, die Bundesbank-Chef Axel Weber Schweißperlen auf die Stirn treibt.

Es kommt selten vor, dass Notenbanker ihrem Ärger in der Öffentlichkeit so freien Lauf lassen. Aber diesmal hielt sich Bundesbankchef Axel Weber nicht zurück. Als "grob fahrlässig und schädlich" kanzelte er den Vorschlag des Internationalen Währungsfonds (IWF) ab, künftig statt 2 Prozent eine Inflationsrate von 4 Prozent zuzulassen.

Dabei kam der Vorschlag des IWF-Chefökonomen Olivier Blanchard so harmlos daher. "Wirtschaftspolitik neu denken" hatte er seine jüngste Studie überschrieben. Darin ging es ihm vor allem darum, den Währungshütern in Zeiten der Krise mehr Spielraum zu schaffen. Doch die geforderte Verdoppelung der bisherigen Inflationsziele wäre nichts weniger als eine Revolution.

Bisher galt das Erbe der Bundesbank, stabile Preise zu garantieren und die Teuerung zu bekämpfen, als unantastbar. Es war der Grundstein für den Erfolg der D-Mark und das Fundament für den Euro. Doch seit die Staaten unter wachsenden Schulden leiden, droht dieses Erbe in Vergessenheit zu geraten.

Schätzungsweise 4,5 Billionen Dollar werden die Regierungen der Industriestaaten in diesem Jahr neu aufnehmen müssen, dreimal mehr als im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre.
Allein die Vereinigten Staaten haben ihren Schuldenberg seit 2006 um 50 Prozent gesteigert, ganz zu schweigen von der Schuldenspirale, die derzeit gleich mehrere Euro-Länder erfasst hat.
Grund für die rasante Neuverschuldung ist die im Jahr 2008 ausgebrochene weltweite Finanz- und Bankenkrise, die von den Regierungen mit immensen Konjunkturprogrammen bekämpft wurde.
Doch nun sind es nicht mehr die Banken, sondern die Staaten selbst, die angesichts der erdrückenden Schuldenlast vor dem Bankrott stehen.

Eine höhere Inflation, wie von Blanchard gefordert, käme da gerade recht. Denn in Zeiten einer höheren Geldentwertung sinkt der reelle Wert der Schulden. Wie das funktionieren kann, haben die USA nach dem Zweiten Weltkrieg vorgemacht.
Mit Inflationsraten um die sechs Prozent senkten sie ihre Schulden, gemessen an der Wirtschaftsleistung, binnen weniger Jahre um 20 Prozentpunkte.
So eine hohe Inflationsrate wäre laut der Bank Morgan Stanley diesmal notwendig, um die Verschuldung der USA von derzeit etwa 60 Prozent überhaupt zu stabilisieren.

Die Alternative wäre ein harter Sparkurs oder ein deutlich höheres Wachstum, doch beides ist derzeit nicht in Sicht.
"Die Welt muss sich in den nächsten zwei Jahren auf wachsende Schulden einstellen", sagt Spyros Andreopoulos von Morgan Stanley.
Hohe Staatsschulden haben bislang fast immer zu höheren Preissteigerungsraten geführt.

Insbesondere in Deutschland ist daher die Angst vor einer Rückkehr der Inflation groß. Die Bilder des Jahres 1923, als das Land unter einer Hyperinflation litt, haben sich in das Gedächtnis der Deutschen eingebrannt. Damals entwertete die hohe Inflation sämtliche Ersparnisse der Bürger. Zum Teil verlief die Geldentwertung so rasant, dass die Menschen ihre Geldscheine verfeuerten, weil das günstiger war, als Briketts zu kaufen.
Großer Gewinner war der Staat, der seine riesigen Schulden besser bedienen konnte.

Noch zeigt sich die neue Inflationsgefahr nicht in den Daten.
Die Teuerung in den Industriestaaten liegt derzeit bei unter zwei Prozent, und auch die Inflationserwartungen fallen bisher verhalten aus. Dennoch halten Ökonomen aufgrund der hohen Verschuldung und der überbordenden Liquidität die Inflation für den wahrscheinlichsten Ausweg aus dem weltweiten Schulden-Schlamassel.

Für die Regierungen wäre das zunächst recht bequem, kämen sie doch um harte Sparmaßnahmen herum. Allerdings ginge das auf Kosten des Wirtschaftswachstums. Die Verbraucher und damit der Konsum würden unter den steigenden Preisen leiden, höhere Lohnforderungen wären die Folge. Einmal entfesselt, ist es daher schwer, diese Spirale im Griff zu behalten. Letztlich bliebe den Notenbanken nichts anderes übrig, als die Leitzinsen auf ein schmerzhaft hohes Niveau anzuheben.

"Die langfristigen Folgen einer höheren Inflation sind eine höhere Arbeitslosigkeit und ein geringeres Wirtschaftswachstum", sagt Ansgar Belke vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).
Zu Hochzeiten der Inflation in den 70er-Jahren musste die Bundesbank ihren Leitzins auf sieben Prozent hochschrauben.
In den USA war die Federal Reserve Anfang der Achtziger Jahre sogar gezwungen, den Leitzins auf über 16 Prozent zu erhöhen.
In der Folge verloren Millionen von Menschen ihren Job, die Wirtschaft legte eine Vollbremsung hin.

Über genau so ein Szenario macht sich Bundesbankchef Weber Sorgen, wenn die Notenbanken nun ein höheres Inflationsziel zuließen. "Der IWF spielt mit dem Feuer", warnt er in einem Beitrag in der "Financial Times Deutschland".
"Er riskiert, die über Jahrzehnte mühsam gewonnene Glaubwürdigkeit der Geldpolitik zu opfern."

Welche Glaubwürdigkeit besteht den so im allgemeinen ? :lol:

Quelle+Lesermeinungen
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(Albert Einstein, 1879–1955)
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