Etwas über HartzIV

Alles was "Off-Topic" ist oder die Märkte ganz allgemein betrifft. Hier findet Ihr Gelegenheit, euch in Form von Grundsatzdiskussionen, Glückwünschen, Streitereien oder Flirts auszutauschen.

Moderator: oegeat

Antworten
lodo
Trader-insider
Beiträge: 126
Registriert: 05.09.2005 13:28
Wohnort: Berlin

Etwas über HartzIV

Beitrag von lodo »

In München gibt's am meisten Geld!
Jeder 5. Bezieher ist Ausländer!
Die Wahrheit über Hartz IV
Von DIRK HOEREN und OLIVER SANTEN
So viel bekommen Hartz-IV-Haushalte in den Bundesländern

Nürnberg – Können Hartz-IV-Empfänger viel mehr vom Staat kassieren, als bisher gedacht?
Eine Studie der Bundesagentur für Arbeit (BA) zeigt: Trotz der niedrigen Regelsätze (345 Euro West, 331 Euro Ost) erhalten Tausende richtig dickes Geld!

Rund 2200 Single-Haushalte bekommen mehr als 2000 Euro im Monat. Der Grund: Viele nutzen einen Trick im Gesetz, trennen sich pro forma vom Partner oder ziehen als volljährige Kinder zu Hause aus. Dann erhalten sie nicht nur die Miete, sondern auch die Kosten für den Umzug und die Ersteinrichtung der Wohnung bezahlt. Den Kinder-Trick will die Große Koalition jetzt aber abschaffen.
Rund 200 000 Arbeitslosen-Haushalte erhalten mehr als 1500 Euro im Monat. Fast 20 000 davon sogar mehr als 2000 Euro im Monat. Ursache: In den meisten Fällen leben viele Kinder mit im Haushalt. Für die gibt es bis zu 276 (Ost 265) Euro im Monat.
Weitere Fakten aus dem Bericht der Bundesagentur über Hartz IV:

Am meisten bekommen Hartz-IV-Haushalte (Bedarfsgemeinschaften) in München: 941 Euro monatlich. Am wenigsten gibt es im Mittleren Erzgebirgskreis (Sachsen): 685 Euro/Monat (siehe Kasten). Grund: die unterschiedlich hohen Mieten.
In Ostdeutschland (15,6 %) gibt es doppelt so viele Hartz-IV-Empfänger wie im Westen (7,4 %). Grund: die höhere Arbeitslosigkeit.
Ausländer bekommen doppelt so häufig Hartz IV wie Deutsche: 16,6 % der erwerbsfähigen Ausländer in Deutschland erhalten Stütze (Deutsche: 8,3 %).
Nur 250 933 von insgesamt 4,9 Millionen erwerbsfähigen Hartz-IV-Empfängern machen einen Ein-Euro-Job.
1,07 Million Hartz-IV-Empfänger sind jünger als 25 Jahre, darunter Schulabbrecher, nicht übernommene Auszubildende, Studenten ohne Arbeitsstelle.
lodo
Trader-insider
Beiträge: 126
Registriert: 05.09.2005 13:28
Wohnort: Berlin

Beitrag von lodo »

und eine etwas andere Sicht.....

Die Hartz-IV-Simulanten

Raus aus dem Elfenbeinturm: Für ein Seminar haben 13 Berliner Studierende einen Monat lang gelebt wie ein Arbeitslosengeld-II-Empfänger.
Von Nicola Holzapfel

Am Ende blieben ihm nur vier Euro übrig. Drei Tage hätte Norman Ludwig davon leben müssen. Das war die Bedingung, um beim Hartz-IV-Selbstversuch mitmachen zu können, für den sich der Student entschieden hatte. Nicht mehr als 345 Euro sollten die Teilnehmer einen Monat lang zum Leben zur Verfügung haben.

Den Versuch hat sich sein Seminarleiter Michael Maschke ausgedacht, Dozent am Institut für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität Berlin. Im Rahmen seines Seminars zur "Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik" will er so seine Studierenden für das Thema Arbeitslosigkeit sensibilisieren. "Durch diese Erfahrung fängt man an, anders wahrzunehmen und andere Fragen zu stellen. Studierende haben sonst einen sehr hohen sozialen Status. Der Selbstversuch hat einigen von ihnen einen Perspektivwechsel ermöglicht", sagt Maschke.

Dafür sollte das Budget der Studenten die finanziellen Möglichkeiten eines Arbeitslosengeld-II-Empfängers nicht übersteigen. Die müssen alle ihre Ausgaben mit der Pauschale von 345 Euro im Monat bestreiten, in Ostdeutschland liegt der Betrag bei 331 Euro. Das Geld muss für Essen, Kleidung, Hausrat, Fahrtkosten und auch eventuelle Sonderausgaben reichen, etwa wenn ein elektrisches Gerät defekt ist. Nur in ganz wenigen Ausnahmefällen gibt es einmalige Leistungen, etwa beim Erstbezug einer Wohnung. Kosten für Unterkunft und Heizung werden von Agenturen übernommen, allerdings nur soweit sie "angemessen" sind.

Mehr Geld haben auch viele Studenten nicht. Ein Viertel der Studierenden in Deutschland muss mit weniger als 600 Euro im Monat auskommen und davon auch noch die Miete zahlen. Nur weil andere deutlich mehr haben, liegt der Durchschnitts-Student bei stolzen 767 Euro im Monat. Egal wie wenig sie haben, Studenten profitieren von vielen Rabatten, die es für Arbeitslose oftmals nicht gibt, etwa im Nahverkehr, beim Mensa-Essen oder bei Zeitungs-Abos. All diese Vergünstigungen mussten die Studierendern der Humbold-Uni bei ihrem Experiment berücksichtigen – und dann sehen, ob sie mit dem Geld zurechtkommen und wie sie sich dabei fühlen.

Für Norman Ludwig war der Versuch "schon eine Umstellung": "Ich bin bewusster mit Geld umgegangen und habe weniger ausgegeben", sagt der Student. Eingekauft hat er nur noch bei Plus und Aldi – oder gar nicht: "Ich bräuchte eigentlich dringend eine neue Hose und einen Pullover für den Winter. Meine Kleider haben teilweise schon Löcher. Aber das konnte ich mir jetzt nicht kaufen. Das ist schon arg". Und trotzdem kommt er mit seinem Budget nicht ganz hin. Eine Versuchs-Bedingung war, dass die Teilnehmer alle Ausgaben dokumentieren. Norman Ludwig hat dabei kurz vor Versuchsende gemerkt, dass das Geld nicht reicht: "Ich bekam einen großen Schrecken. Es gibt eben Ausgaben wie die Telefonrechnung, die man nicht 100 Prozent kalkulieren kann."

Auch Sara Schlote hat eisern gespart. 100 Euro weniger als sonst konnte die Studentin in ihrem Hartz-Monat ausgeben. "Man denkt viel mehr darüber nach, was man sich leisten kann und Vieles fällt einfach weg." Mal ein Brötchen oder was zum Trinken zwischendurch hat sie sich eben verkniffen. Übrig blieben ihr für den letzten Tag 1,20 Euro.

Michael Maschke ist schlechter dran. Der Dozent hat selbst an dem Versuch teilgenommen. Er konnte wohl als einziger annähernd die Fallhöhe vom Leben eines Voll-Berufstätigen zu dem eines Arbeitslosengeld-II-Empfängers nachvollziehen. "Ich musste mich massiv einschränken, weil ich sonst wesentlich mehr Geld zur Verfügung habe. Für mich war das sehr anstrengend", resümiert er seine Erfahrungen. Mit den 345 Euro ist er nicht hingekommen. Wäre sein Versuch Wirklichkeit, müsste er sich schon nach vier Wochen mit 40 Euro verschulden. "Ich habe am Anfang den Fehler gemacht, eine Jacke zu kaufen. Das hat mich total reingerissen." Eine warme Jacke im November – für Hartz-IV-Empfänger ist das offensichtlich nicht drin.

Sein Student Jann Nestlinger ist während des Versuchs abends kaum weggegangen. Er war einmal im Kino, einmal ein Bier trinken – das war’s. "Den einen Monat haben meine Freunde geschmunzelt, wenn ich gesagt habe: 'Ich kann nicht mit, ich habe kein Geld.' Aber wenn man auf Dauer nicht den Lebensstandard seines Umfelds hat, brechen sicher einige soziale Kontakte weg“, sagt der 21-Jährige. Dozent Maschke sieht darin auch eine Gefahr für die Beschäftigungschancen. "Es ist ein Problem, wenn man sein Netzwerk verliert. Das braucht man, um wieder einen Job zu finden", sagt Maschke.

Seinen Studenten hat er im Rahmen des Versuchs auch eine Aufgabe gestellt: Sie sollen überlegen, wie sich die Möglichkeiten, an der Gesellschaft teilzuhaben, unter Hartz-IV-Bedingungen ändert. Doch wie sich Arbeitslose wirklich fühlen, ist bei einem Experiment, das nur auf einen Monat begrenzt, schwierig nachzuvollziehen. Trotz der strengen Versuchsbedingungen, ist die Perspektive und Situation der Teilnehmer eben eine andere. Die Studierenden sind nun mal nicht wirklich arbeitslos. "Es ist schwer, das zu simulieren", sagt Norman Ludwig. "Wir nehmen ja weiter am studentischen Alltag teil". Auch Sara Schlote sieht die Grenzen des Experiments: "Natürlich kann man nicht wirklich nachvollziehen, wie sich jemand fühlt, der auf Dauer mit dem Hartz-IV-Satz leben muss. Wir konnten uns ja immer auf den nächsten Monat freuen, wenn alles vorbei ist."

Für die Studenten der Humboldt-Uni ist am Freitag mit dem Selbstversuch Schluss. Dozent Michael Maschke hofft, dass er durch das Experiment auch die Motivation seiner Seminarteilnehmer steigern konnte, sich mit dem Thema Arbeitslosigkeit an der Uni zu beschäftigten.

Norman Ludwig hält nach seinen Erfahrungen während der letzten Wochen den Hartz-IV-Satz für zu niedrig. "Das Geld ist so knapp bemessen. Man kann seinen Fähigkeiten und Interessen nicht nachgehen. Viele Hobbys und auch eine Weiterbildung an der Volkshochschule sind unbezahlbar. Man kann auch nirgendwo hinfahren. Für Mobilität sind nur 17,91 Euro im Monat vorgesehen. Allein das Sozialticket kostet aber in Berlin 33,50 Euro."

Sara Schlote wünscht sich nach ihren Erfahrungen, "dass es in der Gesellschaft eine Diskussion darüber gibt, wie Arbeitslose besser integriert werden können, anstatt dass sie alleine aufgrund ihrer Arbeitslosigkeit ausgegrenzt und als Sozialschmarotzer abgestempelt werden."

Jann Nestlinger ist froh, dass er an dem Versuch teilgenommen hat. Den Vorwurf, nur im Elfenbeinturm zu sitzen, braucht er nun nicht mehr gelten zu lassen. Er fände es sogar gut, wenn das Experiment von anderen weitergelebt wird: "Jeder, der sich mit Arbeitslosigkeit beschäftigt oder über die Betroffenen entscheidet, sollte einmal von den 345 Euro gelebt haben – damit er weiß, wovon er spricht."

Gefragt, was sie direkt nach dem Ende des Versuchs machen wollen, kommen von den Teilnehmern ganz ähnliche Antworten: Michael Maschke will erst einmal "den Kühlschrank" füllen. Norman Ludwig kann sich "endlich Hose und Pullover kaufen". Und Sara Schlote will "lecker essen gehen" und anfangen Weihnachtsgeschenke zu besorgen.

Das ist eben der bittere Unterschied zwischen Simulation und Wirklichkeit: Echte Arbeitslosengeld-II-Empfänger können ihren Konsum nicht auf später verlagern. Wie sie mit ihrem Budget auf Dauer hinkommen und ihre Situation selbst empfinden, erfahren die Studenten in der nächsten Seminar-Sitzung. Dann sind Langzeitarbeitslose zu Besuch.

http://www.sueddeutsche.de/,tt5m2/jobka ... ticle.html
HansH
Trader-insider
Beiträge: 29
Registriert: 05.08.2005 11:07
Wohnort: Am Rande der Ostsee

Beitrag von HansH »

Na, was soll man denn von DIRK HOEREN und OLIVER SANTENhalten???

Haben sie sich mit dem Satz:
"Trotz der niedrigen Regelsätze (345 Euro West, 331 Euro Ost) erhalten Tausende richtig dickes Geld!“ nicht vielleicht selbst ein
dickes intellektuelles Armutszeugnis ausgestellt?

Armut: da sind wir auch schon beim Thema.
Es entsteht der Eindruck, als ob das Existenzminimum den Autoren noch viel zu hoch ist? :roll:

Oder was wollen sie damit zum Ausdruck bringen, wenn eine Bedarfsgemeinschaft in der auch noch, zum finanziellen Desaster der Gesellschaft, Kinder leben.
Ja, die Kinder treiben die Kosten für Hartz IV in die Höhe.
Und das nennen sie jetzt die „Wahrheit“!? :lol:

Als nächstes werden sie die Behauptung aufstellen, dass die gestiegene Kinderarmut aus dem Armutsbericht der Bundesregierung auf einer Fehlkalkulation beruht,
da ja Bedarfsgemeinschaften so viel Geld bekommen, ist Kinderarmut faktisch nicht existent....?


Zu den Studenten:
Sie haben noch nicht weit genug gedacht!
Denn diese finanziellen Einschränkungen sind „Ungleichheiten“, die sich in andere Lebensbereiche verlängern. Also, wenig Geld verdienen, bedeutet wenig Geld ausgeben können, für Bildung, Kultur, Hobbys usw.
(Man stelle sich einen Arbeitslosen vor, der sich mit schlechter Kleidung und Zahnlücke
bei einem Arbeitgeber vorstellt)
Diese verlängerten Ungleichheiten entwickeln sich zur Chancenungleichheit.
Chancenungleichheit => Ungerechtigkeit !!!

Wir leben zwar in einem Rechtsstaat, das bedeutet aber noch lange nicht, dass er auch Gerecht ist!!! :wink:



MfG
HansH :)
Turon

Beitrag von Turon »

Hallo Hans H.

Du hast natürlich in Deiner Einschätzung recht. Einen Gürtel enger zu schnallen für zwei/drei Monate ist natürlich eine schöne Erfahrung, mehr aber auch nicht. Es ist nämlich noch ganz anders in dem Augenblick,
wo man gezwungen ist, nach diesem Motto 3-4 oder mehr Jahre zu leben.

Was mich aber dennoch wundert - ist übereinstimmend mit einem Imker den ich kenne - die Tatsache, daß Menschen und Bienen eine Sache gemeinsam haben. Fütterst Du Binnen mit Zucker den ganzen Jahr hindurch, ist Deine Honigausbeute absolut gering. Mit den Arbeitslosen ist es leider genauso. Je weniger Mittel sie zur Verfügung haben, desto enger schnallen sie den Gürtel, ohne eine andere Überlebensinitiative überhaupt entwickeln zu wollen.

Es bedeutet schlicht und einfach: ein soziales System in dem den Menschen Wohnung und die Notration bezahlt wird ist absolut asozial sowohl für die Sozialgeldempfänger, wie auch für die Leute die sie faktisch ernähren.

Eine wichtige Sache muß ich noch loswerden: Du erwähnst: der Arbeitgeber orientiert sich insbesondere an dem Aussehen der Bewerber. Ich muß Dir leider sagen, daß ein soziales System in dieser Hinsicht seine andere Schwäche offenbart. In meiner Heimat sind Erwerbslose generell nicht schlechter angezogen als alle anderen. Das typische Erwerbstätigkeitszeichen von Puma, Adidas, oder Espirit ist zwar in dieser Schicht nicht vertreten, die Leute sehen aber durchaus in 75% halbwegs gepflegt aus - nicht von Standard abweichend.

Sie nähen sich ihre Kleidung halt selbst und das durchaus mit Geschmack.
Allerdings reicht es ihnen dann auch schon. Da haben sie einen Fuß in dem Unternehmertum, und sie wollen es nicht.

Die Zahnlücke sagt dem Arbeitgeber gar nichts aus. Den Wert den der Arbeitgeber aber leider wahrnimmt ist die psychische Niederschlagung der Bewerber, was er mit simplen - typischer Sozialhilfeempfänger - quittiert.

Sozial ist eben nicht gleich sozial. Und es läßt sich nicht mit üppigerer Sozialhilfe wegtun. So einfach ist das.

Der Studentenversuch ist wieder mal Verdrehung der Tatsachen. Der Erwerbslose fühlt sich hauptsächlich als Verlierer. Und die Sozialhilfe, die
jedem Ansatz von Bereitschaft zu Aufnahme einer sog. Teilzeittätigkeit
gleich mit Sozialgeldkürzung quittiert verstärkt nur die Tatsache, daß diese Leute keinen Bock haben für 160 zusätzliche Euros eine Stelle anzunehmen
wo sie an 10 Tagen zwar 400 verdienen. Das Sozialamt kürzt dann das Sozialgeld um alles über diesen Freibetrag.

Ich finde die Arbeitslosen tun dann genau das was ihnen mehr bringt.
Sie schmeißen den Job hin. Es hat ihnen keiner erklärt, daß sie zwar weniger Geld bekommen, weil es ungerecht ist Sozialhilfe und Jobgeld zu bekommen, aber das eben diese Prozedur den Sozialgeldempfänger
dennoch belohnt. Um diese Zeit wo er irgendetwas tut, bekommt er kein unverdientes Geld, sprich - derjenige von dem genommen wird - dem Steuerzahler bleibt mehr übrig. Wenn das jeder verstehen würde ließesich in Deutschland sicher auch noch paar Milliarden Euro einsparen, ohne der Notwendigkeit höhere Steuerabgaben einzufpordern, die dann letztendlich alle belasten. Am meisten wieder mal dem Sozialhilfeempfänger der mit 370 Euro zu Recht kommen muß.

Gruß von T.
Antworten