Frauen im Investmentbanking

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lodo
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Frauen im Investmentbanking

Beitrag von lodo »

Investmentbanking

"Man muss sich eine dicke Haut zulegen"

DIE AUTORIN
Die Namen der Investmentbankerin und ihres Arbeitgebers sind der Redaktion bekannt, werden allerdings auf Wunsch der Autorin nicht genannt. Ihr Beitrag erschien zuerst bei manager- magazin.de.


Rüde Sprüche, hoher Druck - Frauen, die als Investmentbankerin Karriere machen wollen, müssen einiges aushalten. Eine deutsche Mitarbeiterin einer großen amerikanischen Bank berichtet in einem Gastbeitrag, wie ihr Alltag aussieht.

Nach der jüngsten Diskriminierungsklage von sechs Frauen im Investmentbanking der Dresdner Kleinwort Wasserstein, einer Tochter der Allianz , wurde ich von einer Freundin gefragt, was denn da los sei. Ich muss es ja wissen. Seit sechs Jahren arbeite ich im Aktien Sales einer amerikanischen Investmentbank - als einzige Frau in einem Team von 15 Männern.

Mir geht es dabei gut. Manchmal denke ich sogar, dass ich mich nur noch schlecht in einem "normalen" Job zurechtfinden würde. Mir ist der raue Ton auf einem Trading Floor lieber als die Intrigen, die andernorts zum Büroalltag gehören.

Ich erinnere mich, dass mich eines Morgens kurz vor sieben ein Kollege mit dem Satz begrüßte: "Mein Gott, siehst du heute beschissen aus!" und ich antwortete: "Das ist doch nichts Neues. Gewöhn' dich daran!" Dann haben wir gelacht. In jedem anderen Job sind solche Sprüche grenzwertig, in unserem gehören sie zum Alltag. Man muss das Ganze sportlich sehen und sich beizeiten eine dicke Haut zulegen.

Das sehen manche Kolleginnen anders. In der Vergangenheit wurde bereits mehrfach in ähnlichen Fällen geklagt. Einige Investmentbanken haben beträchtliche Summen zur Beilegung der Vorwürfe gezahlt. Bei Morgan Stanley flossen 54 Millionen US-Dollar, Merrill Lynch und Smith Barney zahlten 200 Millionen, um sich außergerichtlich zu einigen.

Die Frage, ob es sich hier um eine systemische Benachteiligung und Diskriminierung von Frauen handelt, ist also berechtigt. Pikanterweise handelt es sich im Falle Dresdner um erfolgreiche Managerinnen, die seit vielen Jahren für das Institut tätig sind. Sie fordern jetzt stellvertretend für 500 andere Mitarbeiterinnen Schadenersatz in Höhe von 1,4 Milliarden Dollar.



Bulls
Klagende Mitarbeiterinnen von Dresdner Kleinwort: Das heikle Thema "Umgang"
Worum geht es in der 70-seitigen Klageschrift genau? Zum einen um schlechtere Karrierechancen von weiblichen Mitarbeitern, die im Vergleich zu Männern keine gleichwertigen Aufgaben und Entwicklungschancen haben, und um weniger Geld für die gleiche Arbeit. Zum anderen um das heikle Thema "Umgang". Genauer gesagt, um sexuelle Anspielungen und abschätzige Bemerkungen, um Geschäftsabschlüsse, die in Bordellen gefeiert wurden, wobei die Herren hier lieber unter sich blieben und die Kolleginnen nach Hause schickten.

Dazu kann ich nur sagen - alles schon gesehen. Gut, ich habe noch nicht mitbekommen, dass sich Vorgesetze routinemäßig einen Escortservice bestellen. Doch dass Händler mit Kunden ins Bordell gehen oder schon mittags ein paar Gläser zu viel trinken, ist nichts Ungewöhnliches. Nach Börsenschluss ist der Gang in die Kneipe fast ein Muss. Der Stress ist enorm. Auch für die weiblichen Kollegen. Im Klartext heißt das: Wenn du mit den Jungs spielen willst, gelten etwas andere Regeln. Bei Pokerabenden bist du natürlich nicht dabei, beim Trinken schon. Allerdings ist es den "Jungs" vorbehalten, am nächsten Tag mit zwei Promille und grün im Gesicht erst um neun im Büro anzurocken und Kneipengeschichten vom vergangenen Abend zum Besten zu geben.

Über den Daumen peilen, wer wie am Erfolg beteiligt ist

Etwas schwerer wiegt, dass ich vor einigen Jahren innerhalb eines Jahres dreimal so viel gereist bin, sich meine Kundenliste verdreifacht hat und ich am Jahresende trotzdem nur halb so viel auf meinem Konto verbucht hatte. Da war es nur ein kleiner Trost, dass Jahre, die uns vom Management als "schlechte" verkauft wurden, alle im Team betrafen und uns "kollektiv" verstimmten.

Ein Freund, seit 20 Jahren im Geschäft, erwähnt immer mal wieder, dass ihm noch keine einzige Frau begegnet ist, die finanziell mit ihren männlichen Kollegen mithalten kann. Über Gehälter redet man im Finanzgeschäft nicht, das Bonussystem (wie definiert man Erfolg?) ist wenig transparent. In den meisten Fällen gibt es keine Möglichkeit, nachzuvollziehen, wie viel Umsatz die einzelnen Mitarbeiter bringen.

Anders ausgedrückt, wenn ein Fünfer-Team an einem Deal arbeitet, wird über den Daumen gepeilt, wer für den Geschäftsabschluss verantwortlich ist. Im Aktienbereich ist es ähnlich: Die großen Vermögensverwalter bezahlen die Broker nach internen Ranking-Systemen. Es kann sein, dass man ihnen SAP empfiehlt und sie aber in strukturierten Produkten, Derivaten, bezahlen.

Oder man hat Kunden in verschiedenen Regionen und soll den anderen Offices aushelfen, die nur zu gerne die verbesserten Ergebnisse nehmen, nicht aber die Umsätze teilen wollen. Trotz aller Bemühungen, die Lohnstruktur gerecht und nachvollziehbar zu gestalten, ist sie doch eher subjektiv. Und man muss keine mathematische Leuchte sein, um festzustellen, wer bei dem geringen Frauenanteil die Beurteilungsbögen ausfüllt.


Nach einem Jahr mit halbiertem Bonus habe ich gekündigt und musste mich in dem ungünstigen Alter von 29 auf die Suche nach einem neuen Job machen. Als Frau hat man es da nirgendwo leicht, aber in keinem Bereich ist es so schwierig wie im Investmentbanking.

Politisch korrekt ist die Frage im Bewerbungsgespräch, ob man nicht ans Heiraten und Kinderkriegen denkt, natürlich nicht. Und leider darf man nicht mit einem "Badesalz"-Satz kontern. Andererseits wäre es auch unglaubwürdig zu behaupten, man würde sich für die nächsten fünf, zehn Jahre verpflichten können. Dieser Job lässt sich mit einer Familie kaum vereinbaren. Das weiß auch der Herr, der die Einstellungsgespräche führt, nur zu gut. Man kann es ihm kaum verübeln, dass er sich vor der Situation schützen möchte, eine Mitarbeiterin einzustellen, die nach einem Jahr schwanger wird, in den Mutterschaftsurlaub abschwirrt und kurz vor dessen Ablauf das zweite Kind erwartet.

Muss man sich deswegen ungerecht behandelt fühlen? Oder liegt das Problem woanders? Wer sich nach den Börsenzeiten richten muss, für den klingelt der Wecker jeden Morgen um halb sechs. Im Mergers & Acquisitions Bereich vielleicht später, dafür muss man aber auch oft bis in die frühen Morgenstunden bleiben, wenn eine Präsentation ansteht. Häufige Geschäftsreisen und abendliche Verpflichtungen runden das Ganze ab.

Man bräuchte also einen hingebungsvollen Hausmann oder eine freundliche Nanny - ohne Privatleben. Wenn man es doch mal um 18.30 Uhr nach Hause schaffen sollte, reicht die Energie gerade noch für ein Bofrost-Dinner, bevor man die Kinder ins Bett bringt. Priorität hat immer der Job. Und ob es dabei die Mutter oder der Vater ist, der zum fünften Mal wegen eines Termins nicht zum Elternabend oder Fußballspiel erscheint, ist egal. Fest steht, dass solche Arbeitszeiten einem harmonischen Familienleben wenig förderlich sind. Hier gerät man schon als Paar an seine Grenzen, vor allem dann, wenn der Partner im gleichen Business arbeitet.




Raue Sitten: Handelssaal von Dresdner Kleinwort Wasserstein in London
Was für Konsequenzen haben diese Klagen generell? Gerade in den amerikanischen Investmentbanken wird der ursprüngliche Gedanke, allen die gleichen Chancen zu garantieren, unter anderem durch zahlreiche Initiativen à la "diversity committee" ad absurdum geführt. Auf interne Mitteilungen über deren Aktivitäten folgt ausgelassene Heiterkeit. Dann landen die Memos im Papierkorb. Und mal nebenbei erwähnt, wie viele Klagen gibt es von Männern, die sich übergangen fühlen, weil eine Frau für eine Position eingestellt wurde, die bei identischem Lebenslauf als einzigen Vorteil das richtige Geschlecht vorzuweisen hat?

In meinen Augen bringen sich in diesen Fällen alle Beteiligten in einen Teufelskreis: Vereinfacht ausgedrückt sollten die klagenden Frauen zusehen, dass sie ausreichend Kohle aus der Sache rausholen, um nie mehr arbeiten zu müssen. Eine Karriere im Investmentbanking dürfte schwierig werden. Vielleicht gibt es aber doch mehr Unternehmen, die Mitarbeiter an der Spitze haben wollen, die zukunftsorientiert denken und mehr Frauen in Führungspositionen holen? Bei gleicher Bezahlung, versteht sich. Das wäre zu hoffen.

Laut Douglas Wigdor, Partner bei der Anwaltskanzlei Thompson Wigdor & Gilly LLP, der die sechs Managerinnen vertritt, beträgt der Frauenanteil unter den geschäftsführenden Direktoren der Kapitalmarktabteilung der Dresdner gerade mal zwei, unter den Direktoren 13, unter den Vice Presidents 20 und unter den Verwaltungsangestellten 60 Prozent. Die Dresdner, die immer weit oben in den Umfragen als "arbeitnehmerfreundliches Unternehmen" abgeschnitten hat, könnte jetzt allerdings Schwierigkeiten bekommen, den Anteil weiblicher Mitarbeiter zu erhöhen.

Denn welche Frau will in einem "frauenfeindlichen" Unternehmen arbeiten? Doch der Knackpunkt ist ein anderer: Die Aussagen der Anwälte, dass viele der Klägerinnen unter Angstzuständen, Depressionen und anderen Symptomen leiden wie sie für Stress und Mobbing typisch sind, schürt das Vorurteil, Frauen seien für diesen Beruf nicht belastbar genug. Was auch immer verhandelt wird, wie auch immer die Klage ausgeht, das Ergebnis kann nicht im Sinne der Klägerinnen sein. Denn nicht ihre beruflichen Fähigkeiten stehen im Vordergrund, sondern ihr Geschlecht.
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