nächster offener Immo mit deutlicher Abwertung
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10. Februar 2010, 12:00 Uhr
Rekordabwertung lässt Anleger zittern
Von Christoph Rottwilm
Um noch nie da gewesene 21 Prozent verloren die Anteile des "Degi Global Business" von Aberdeen von heute auf morgen an Wert. Die Investoren auch anderer Immobilienfonds sind geschockt - und reagieren mit Flucht. Was steht den Fonds und ihren Anlegern noch bevor?
Hamburg - "Wir fühlen uns in Sippenhaft genommen", echauffiert sich Klaus Trescher. "Es ist mir völlig unverständlich, wie ein turnusmäßig bewertetes Portefeuille derart schlagartig implodieren kann."
Der Aufsichtsratschef des Immobilienfondsanbieters TMW Pramerica Property Investment hat allen Grund sich aufzuregen. Anfang der Woche musste Pramerica erneut seinen Fonds, den "TMW Immobilien Weltfonds", schließen. "Außergewöhnlich hohe Wertberichtigungen im Portfolio eines Wettbewerbers" hätten institutionelle Anleger dazu veranlasst, massiv Mittel aus dem Fonds abzuziehen, teilte die Gesellschaft mit.
Mangels ausreichender Liquidität sah sich TMW gezwungen, die Ausgangstore des Fonds dichtzumachen. Schon einmal, zwischen Oktober 2008 und Dezember 2009, kamen die Anleger nicht an ihr Geld. Und nun also das Déjà-vu.
Was war passiert? Der "Wettbewerber", dem TMW die Schuld zuweist, und gegen den sich auch die Erregung von TMW-Oberaufseher Trescher richtet, ist der Fondsanbieter Aberdeen. Der hatte unmittelbar zuvor mit der stärksten Abwertung eines Immobilienportfolios geschockt, die die Märkte bislang gesehen haben.
Um fast 14 Prozent verlor der Immobilienbestand des Aberdeen-Fonds "Degi Global Business" schlagartig an Wert. Wegen der Fremdfinanzierung im Fonds ging es mit den Anteilscheinen daraufhin sogar etwa 21 Prozent abwärts.
Nicht nur bei TMW lösten diese Zahlen Verwunderung aus. Auch die Anleger anderer Fonds wurden nervös. An der Zweitmarktbörse in Hamburg etwa gerieten die Kurse mehrerer offener Immobilienfonds schlagartig unter Druck. Viele Fragen drängen sich auf: Was kommt da noch an schlechten Nachrichten? Müssen auch andere Fonds in dem Maße abwerten? Werden weitere Produkte geschlossen? Was genau steckt eigentlich hinter dem massiven Wertverlust bei Aberdeen?
"Wir befinden uns in einer Sondersituation", erläutert Hartmut Leser, Vorstand Aberdeen Asset Management Deutschland, im Gespräch mit manager magazin. "Wir mussten unseren Fonds bereits im November 2009 schließen, weil zu viele Investoren ihre Anteile zurückgeben wollten."
Anschließend, so Leser, habe die routinemäßige Bewertung von drei der 13 im Portfolio befindlichen Objekten erhebliche Wertverluste zutage gefördert. Das Management habe daraufhin - in Abstimmung mit der Finanzaufsicht Bafin - beschlossen, die Bewertung von sieben weiteren Objekten, die im Laufe dieses Jahres ohnehin angestanden hätte, vorzuziehen.
Das Ergebnis liegt seit vergangenem Freitag vor: "Im Durchschnitt ergab sich jene Abwertung von 14 Prozent beziehungsweise 21 Prozent auf Ebene der Investoren", sagt Leser. "Es sind vor allem einzelne Gebäude in Osteuropa, die diesen starken Wertverlust herbeigeführt haben."
Ein Beispiel: Der Wert eines Shoppingcenters in Zagreb musste um rund 30 Prozent nach unten korrigiert werden. Bei einem Bürogebäude in Bukarest waren es sogar knapp 50 Prozent."
"Letztlich sind dem Fonds drei Dinge zum Verhängnis geworden", sagt Leser. "Vor allem die starke Konzentration auf Osteuropa, wo im Zuge der heftigen Wirtschaftskrise die Immobilienmärkte zuletzt besonders stark eingebrochen sind, und wo etwa 30 Prozent der Fondsgelder investiert wurden, wirkte sich fatal aus." Ein weiteres Problem ist nach Angaben des Vorstands die Tatsache, dass ein Großteil des Portfolios in den Jahren 2006 und 2007, auf dem Höhepunkt des Immobilienbooms also, eingekauft wurde. Und: Viele Mietverträge im Fonds haben nur noch geringe Laufzeiten. "Auch die dort absehbaren Mietreduzierungen bei Neuabschlüssen mussten jetzt bereits einkalkuliert werden", so Leser.
Die gute Nachricht: Nach Ansicht des Managers befinden sich nun keine Bewertungsrisiken mehr im Fonds. Mit weiteren unangenehmen Überraschungen sei daher nicht zu rechnen.
40 Prozent des Eigenkapitals steht vor der Tür
Die Botschaft richtet sich an die Investoren des Fonds. Betroffen sind vornehmlich institutionelle Anleger, die mindestens 75.000 Euro eingezahlt haben. Aber auch Privatleute sind über Dachfonds in dem Produkt engagiert.
Etwa 40 Prozent des Eigenkapitals "steht vor der Tür und will raus", so Leser. "Bleiben die Anleger bei dieser Haltung, so müssen wir in den kommenden knapp zwei Jahren sukzessive das Portfolio veräußern und den Fonds liquidieren", sagt er. Ob bei den anstehenden Verkäufen die in der Bewertung angenommenen Preise auch tatsächlich erzielt werden können, sei angesichts weiterhin schwieriger Märkte unsicher. "Wenn die Investoren aber ihre Ansicht ändern, so können wir den Fonds weiterführen", sagt der Vorstand. "Wir rechnen im laufenden Jahr mit einer Rendite 4 bis 5 Prozent." Erste Anlegerstimmen deuten nach Angaben des Vorstandes bereits darauf hin, dass Investoren die Fortführung des Fonds mittragen und "Verkaufsabsichten durchaus wieder zurücknehmen" wollen.
Ob sich die Investoren wirklich beruhigen lassen? Seit mehr als einem Jahr nun schon wird die Geduld der Anleger mit dem Produkt "offene Immobilienfonds" auf eine harte Probe gestellt. Von der Wirtschaftskrise wurden die Fonds gleich in mehrfacher Hinsicht auf dem falschen Fuß erwischt. Die Rezession setzte die Immobilienmärkte unter Druck. Weltweit gingen Preise und Mieten zurück.
Auf der anderen Seite bereitete den Fondsmanagern das Tohuwabohu an den Kapitalanlagemärkten Schwierigkeiten. Auf dem Höhepunkt der Krise, kurz nach der Lehman-Pleite im Herbst 2008, zogen vor allem institutionelle Anleger massiv Mittel aus offenen Immobilienfonds ab. Mehrere Anbieter sahen sich im Herbst 2008 wie Pramerica gezwungen, ihre Produkte vorübergehend zu schließen. Bis heute kommen die Investoren bei rund einem halben Dutzend Publikumsfonds nicht an ihr Geld.
Und auch in Sachen Abwertung gab es schon andere unangenehme Überraschungen. Das vor Aberdeen krasseste Beispiels lieferte Morgan Stanley, dessen Fonds "P2 Value" vor Monaten um fast 14 Prozent an Wert verlor. Allerdings handelt es sich auch bei diesem Produkt um einen Speziallfall. Der Fonds ist mehr als andere auf den volatilen asiatischen Markt fokussiert. Er ist - ähnlich wie der "Degi Global Business" - nicht sehr groß, und auch Morgan Stanley kaufte einen Großteil des Portfolios ein, als sich die Immobilienpreise auf sehr hohem Niveau befanden.
Kein Wunder also, dass die Fondsanbieter, werden sie auf weitere anstehende Abwertungen angesprochen, gerne beschwichtigen. Der Branchenverband BVI etwa verweist auf die Statistik der Mietvertragsrestlaufzeiten. Die Überlegung: Der Wert einer Immobilie und damit auch der eines ganzen Objektportfolios hängt zum Großteil von den absehbaren Mieteinnahmen ab. Verfügt ein Gebäude über lang laufende Mietverträge, so der Verband, so sei es von aktuellen Schwankungen an den Märkten praktisch nicht betroffen.
Ein Blick auf die Zahlen zeigt: Im Durchschnitt aller Fonds haben gut die Hälfte der Mietverträge laut BVI noch eine Laufzeit bis 2014 oder länger. Etwa ein Viertel der Verträge endet demnach in diesem oder dem kommenden Jahr.
Das klingt beruhigend. Aber: Ein Restrisiko bleibt. "Weitere Abwertungen kann man nicht ausschließen", bestätigt Analystin Sonja Knorr von der Agentur Scope. "Die Immobilienmärkte mit sinkenden Mieten, Flächenabbau und Mieterinsolvenzen sind weiterhin schwierig." Zwar haben die meisten Anbieter ihre Anteilspreise laut Knorr bereits gemäß der generellen Marktbaisse abgewertet. Das habe dazu geführt, dass die Renditen von früher 4 bis 5 Prozent auf gegenwärtig unter 2 Prozent gesunken seien. Es besteht laut Knorr aber noch das Risiko einzelner Mietausfälle. "Sollte ein Mietvertrag plan- oder außerplanmäßig enden", so die Expertin, "ist ein Neuabschluss auf geringerem Niveau wahrscheinlich."
"Die Branche steht generell unter dem Verdacht, der Krise noch nicht ausreichend Rechnung getragen zu haben", sagt auch Stefan Thomas-Barein, Dachfondsmanager bei der Shedlin Capital Group. "Weitere Abwertungen sind durchaus möglich." Entscheidend ist laut Thomas-Barein, wann ein Portfolio aufgebaut wurde. "Wer seine Immobilien in den Jahren 2006 bis 2008 gekauft hat, hat das größte Risiko", sagt der Fachmann. "Denn da waren auch die Preise am höchsten."
Bleibt die Frage, ob demnächst noch weitere Fonds eingefroren werden. Klar ist, dass künftige Schließungen kaum vorhersagbar sind. Zu viele Faktoren spielen dabei eine Rolle - den wichtigsten, die Mittelzu- und -abflüsse, können die Investoren selbst beeinflussen.
Klar ist aber auch, dass die derzeit geschlossenen Fonds das Vertrauen ihrer Anleger auf eine harte Probe stellen. Ein Blick auf den Zweitmarkt belegt das. Dort werden die Immobilienfonds, deren Anteile zurzeit vom Anbieter nicht zurückgenommen werden, regelmäßig mit Preisabschlägen gehandelt.
Bei einigen Fonds wie dem "Axa Immoselect" handelt es sich dabei nach Einschätzung von Experten lediglich um einen gewöhnlichen Liquiditätsabschlag, eine Strafgebühr quasi von beispielsweise 5 Prozent für die eingeschränkte Handelbarkeit und möglicherweise bevorstehende Abwertungen.
Für andere Produkte aber zahlen Anleger noch deutlich weniger. Der "P2 Value" etwa von Morgan Stanley notierte zuletzt etwa 20 Prozent unter seinem nominalen Ausgabepreis. Beim "Kanam US-Grundinvest" waren es sogar mehr als 25 Prozent. "Hier kommt zum Liquiditätsabschlag ein Liquidierungsabschlag hinzu", sagt Experte Thomas-Barein. "Einige Anleger gehen offenbar davon aus, dass die Anbieter dieser Fonds, sobald sie ihre Produkte wieder öffnen müssen, gehörig unter Druck geraten werden und Objekte verkaufen müssen." Solche Notverkäufe, so der Manager, sind in der Regel jedoch lediglich mit erheblichen Preisabschlägen möglich.
Ob es so weit kommt, wird sich spätestens im Oktober dieses Jahres zeigen. Denn dann sind die meisten Fonds zwei Jahre geschlossen - länger ist laut Regelwerk nicht erlaubt.
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