Guy Wagner:
Finanzmärkte: Der Weg ins Ungewisse
Posted: 05 Oct 2012 06:39 AM PDT
...wenngleich diese Schritte der Notenbanken dies- und jenseits des Atlantiks für einen Kursanstieg an der Börse sorgten, lösen sie keineswegs die fundamentalen Probleme der Industrieländer. Die Volkswirtschaften dieser Staaten sind immer noch nicht auf den Weg einer nachhaltigen Erholung zurückgekehrt. Im Gegenteil: Indem der Preis für Geld künstlich niedrig gehalten wird, werden notwendige Anpassungen verhindert. Dies führt zu einer falschen Kapitalmittelzuweisung, lässt die Rohstoffpreise in die Höhe schnellen und zwingt Sparer auf der Suche nach Rendite dazu, erhebliche Risiken einzugehen. Deshalb erstaunt es kaum, dass die bisherigen Lockerungsmaßnahmen nicht zu einer nachhaltigen Konjunkturverbesserung führten...
. Ohne nachhaltige Gewinnsteigerung kann auch der Börsenanstieg nicht von Dauer sein; es sei denn, Anleger sind überzeugt, dass das anormal niedrige Zinsniveau sowie die massive Liquiditätsflut einen Anstieg der Bewertungskennzahlen auf deutlich höhere Levels rechtfertigen. Dies ist die implizite Argumentation all derjenigen, die in Erwartung der von der Federal Reserve angekündigten Maßnahmen in Aktien investierten.
Wir sind selbstredend nicht dieser Meinung.
Angenommen, es bestünde eine positive Korrelation zwischen den außerordentlich niedrigen Zinsen und den hohen Börsenkursen – warum liegt Japans Börse dann heute knapp 75% unter ihrem Niveau von Ende der 1980er-Jahre? Ein Blick zurück in die Börsengeschichte zeigt, dass die Bewertung von Aktien in Phasen negativer realer Zinsen, wie wir es aktuell erleben, stets am niedrigsten war. Da negative reale Zinsen in den seltensten Fällen eine gesunde Wirtschaftssituation widerspiegeln dürften, erscheint diese Beobachtung logisch. ...
Wir befinden uns aktuell in einem wirklich außergewöhnlichen Umfeld. Normalerweise lassen sich aus der Wirtschaftsgeschichte zumindest einige Hinweise auf die zu erwartende Entwicklung ablesen.
Derzeit bewegen sich jedoch eine ganze Reihe Parameter auf einem Niveau, das in den vergangenen 200 Jahren nicht gesehen wurde.
Unter anderem sind an dieser Stelle die Staatsverschuldung sowie die Haushaltsdefizite der wichtigsten Industrieländer zu nennen (und das genau zu einem Zeitpunkt, wo der demografische Wandel die öffentlichen Finanzen schwer zu belasten droht), aber auch die Explosion der Zentralbankbilanzen dieser Staaten (absolut und als prozentualer Anteil am Bruttoinlandsprodukt) und die kurz- und langfristigen Zinsen.
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Zusammengefasst beruht unsere Anlagestrategie auf zehn Erkenntnissen:
Die Anleihemärkte stellen insgesamt keine besonders attraktive Anlagemöglichkeit dar. Weder die spekulativen Renditen der Randländer, noch die geringe Verzinsung der solidesten Länder der Eurozone oder der großen internationalen Wirtschaftsmächte eröffnen unter Chance/Risiko-Aspekten akzeptable Anlagechancen.
Aufgrund der geringen Attraktivität festverzinslicher Wertpapiere werden Aktien zur Standard-Anlageform. Dies gilt umso mehr, weil sie – anders als Geld- oder Rentenmarktanlagen – reale Vermögenswerte darstellen.
Aufgrund der Notenbank-Maßnahmen ist mit zunehmender Volatilität zu rechnen. Parallel dazu wechseln sich Phasen mit hoher und niedriger Risikoaversion ab.
Bis auf Weiteres wird der Dollar von den Phasen steigender Risikoaversion profitieren, während Aktien in diesem Szenario das Nachsehen haben. Die US-Währung bietet derzeit eine Art Absicherung gegen das Aktienrisiko.
Innerhalb des Börsenuniversums sollte sich der Fokus auf Aktien von Qualitätsunternehmen richten, die regelmäßige Dividenden ausschütten.
In vielerlei Hinsicht befinden sich die Schwellenländer heute in einer besseren Wirtschaftslage als die Industrieländer. Dies spricht für eine stärkere Gewichtung dieser Region innerhalb des Portfolios.
Makro- und Mikroanalyse, d.h. das gesamtwirtschaftliche Bild und die Situation der einzelnen Unternehmen, sind unbedingt zu unterscheiden. In Europa gibt es trotz der Krise eine ganze Reihe qualitativ hochwertiger Firmen, die sich aufgrund ihrer guten Positionierung weiterhin positiv entwickeln können.
Gleiches gilt für US-Unternehmen.
Die aktuelle Geldpolitik könnte mittelfristig zu einem größeren Inflationsproblem führen. Diese Tatsache spricht für Anlagen in Gold bzw. in Goldminen. Außerdem dürfte sich das Edelmetall auch aufgrund des potenziell explosionsartigen Anstiegs des Angebots an Euro, Dollar, Pfund, Yen, Schweizer Franken und der geringen Zunahme des Goldangebots gegenüber den vorgenannten Währungen aufwerten.
In puncto Währungsallokation erscheint eine Diversifizierung in Währungen von Ländern mit besseren Fundamentaldaten sehr sinnvoll. Derzeit trifft dies auf den Singapur-Dollar, den kanadischen Dollar sowie die skandinavischen Währungen zu.