SDK: Massive Missstände bei Zertifikaten

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schneller euro
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SDK: Massive Missstände bei Zertifikaten

Beitrag von schneller euro »

Unfaire Methoden auf dem Anlagemarkt

Massive Missstände beim boomenden Handel mit Zertifikaten.


"München - Der Kapitalmarkt ist von seinem Wesen her riskantes Gelände. Er hat zudem ausgesprochene Schattenseiten, die die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) in ihrem Schwarzbuch Börse jedes Jahr beleuchtet. Für 2005 haben SdK-Vorstand Klaus Schneider und Kollegen den hierzulande boomenden Handel mit Zertifikaten unter die Lupe genommen und dabei massive Missstände entdeckt, die nur noch mit denen des nicht mehr existierenden Neuen Markts vergleichbar sind. Anleger würden hier vielfach mit unfairen Methoden abgezockt. „Nur die Bank gewinnt immer“, sagt SdK- Experte Markus Straub.
Zertifikate sind ein Sammelbegriff für von Banken verbriefte Rechte zum Bezug von Finanzprodukten aller Art. Das können Aktien oder Rohstoffe sein, wobei solche Zertifikate oft auch mehrere Einzeltitel bündeln. Das macht die Sache kompliziert. Der SdK ist aber vor allem ein Dorn im Auge, dass der Zertifikate-Markt ungeregelt ist und es kaum Rechte gibt, auf die sich Anleger im Zweifelsfall berufen können. „Hier ist viel Wildwuchs entstanden“, rügt Schneider. Gestoßen ist die SdK auf die beim Zertifikate-Handel grassierenden Praktiken mehr durch Zufall, räumt sein Kollege Straub ein. Ausgangspunkt sei ein Zertifikat der Deutschen Bank zum Edelmetall Gold gewesen. Je Bezugsschein habe der Branchenprimus in einem Verkaufsprospekt dafür eine Unze Gold geboten. Dann sei das Bezugsverhältnis in einer „Nacht-und-Nebel-Aktion“ sechs Wochen später nachträglich auf eine Zehntel Unze gesenkt worden. Rein rechtlich geht das, weil es für Zertifikate praktisch keine festen Regeln gibt, bedauert Straub. In der Folge seien immer mehr unfaire Gepflogenheiten in diesem Anlagebereich entdeckt worden. Falsche Abrechnungen und überhöhte Preise seien an der Tagesordnung - quer durch die ganze Finanzwelt. Wie bei keinem anderen Finanzprodukt sei es Banken sogar möglich, Zertifikatgeschäfte nachträglich zu stornieren, wenn es für sie wirklich einmal unrentabel zu werden droht.
Der Markt für Zertifikate sei in Deutschland in den letzten Jahren förmlich explodiert, sagt Schneider. Banken würden inzwischen rund 80 000 verschiedene Produkte anbieten und hätten so 200 Milliarden Euro eingesammelt. Damit sei der heimische Zertifikatemarkt global in jeder Hinsicht einzigartig.
Die SdK hat auch mit einem Insider der fragwürdigen Boombranche gesprochen, der bei einem führenden Emissionshaus tätig war und seinen Namen nicht nennen will. „Zu teuer sind zu Laufzeitbeginn fast alle Produkte“, bekennt dieser. Es gebe Abweichungen bei vergleichbaren Zertifikaten von 100 Prozent und mehr. Produkte absichtlich verkomplizieren, um Vergleiche zu erschweren. Im Gegensatz zu vielen anderen Anlageprodukten würde der Preis eines Zertifikats auch nicht von Angebot und Nachfrage geregelt, sondern monopolistisch von der emittierenden Bank. „Bei Zertifikaten können Banken alles machen“, fasst Straub zusammen. Sie seien eine Spielwiese, auf der die Institute derzeit viele Millionen Euro abzocken. Gesetze, die dem Wildwuchs Grenzen setzen, seien nicht in Sicht. Wer ein Zertifikat-Produkt nicht genau verstehe, sollte die Finger davon lassen."
Quelle: KStA



Spontan fällt mir diesbezgl. ein gutes Beispiel ein:
ABN28P, ein Bonuszertifikat auf den Rohstoffindex "RICI":
- 3,5% Kosten p.a. für die Währungssicherung
- weitere mehr als 3% Kosten p.a. entstehen dadurch, dass sich dieses Zertifikat auf den "Excess Return" und nicht auf den "Total Return" Index bezieht
- beachtliche interne (Management)gebühren
- Kosten und Gebühren für An- und Verkauf über die Börse
Wenn man sich dies betrachtet, dann müssen die Rohstoff-Kurse schon tatsächlich fast explodieren, damit der Anleger erst einmal sämtliche Verluste durch Kosten und Gebühren wieder aufholt!
Ernesto Chevantonn

Beitrag von Ernesto Chevantonn »

Oder die Verflecht. zwischen dem ZJ und div. Zertis, an denen Sie beteiligt sind und bestimmt auch gut verdienen!
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maximale
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Beitrag von maximale »

Heute u. in Zukunft die Masse füllt deren Kasse.

Die meisten durchblicken das Anbot nicht richtig, geschweige denn die Spesenstruktur, die erkennt nicht mal ein informierter Halbprofi.

Aber sie glauben gerne die Werbesprüche u. meinen das sie eine realistische Chance auf xx% haben.
Fast alle werden nach jahrelangen Laufzeiten feststellen, daß sie nur einen starken Tagesgeldzinssatz p.a. realisiert haben.

Dafür haben sie vielleicht noch ein paar Hedgefonds u. Hedgezertis zum Ausgleich. :lol:
Damit werden sie schon seit Jahren genauso genepft.

Habe auch 34% meines Kapitals in Zertis angelegt.
Aber nur in Discount u. Bonuszertis die ich hinsichtlich des eintretens der in sie gesetzten Erwartung abschätzen kann.
Ich gehe aber bei allen davon aus, daß im Endeffekt nicht mehr als der garantierte Bonus rausschaut.
Ist für mich die Hedgekomponente im Depot u. läßt sich mit sehr großen u. manchen kleinen deutschen Wert so spielen.

z.B. mit Erfolg schon seit dem Spätherbst mit Pfizer angewandt, ein ausgebombter Wert auf 25 Jahrestief u. gerade keine Modebranche das ist ein Fressen für einen Contrarian. Ein Bonuszerti mit ordentlich Abstand zur Schwelle gibt Sicherheit falls man doch etwas zu früh dran wäre.
Damit bis heute bereits 2x10% gemacht. Erst heute wieder nach gestrigen Kursanstieg um 5,7% verkauft.

Bei den restl. Werten kaufe ich die Aktie, eben wenn keinerlei risikoschonendes faires Zerti greifbar ist.

mfg
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BOERSEN-RAMBO
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Ob Long, ob Short - ein Teil vom Geld ist immer fort !!

Beitrag von BOERSEN-RAMBO »

:D
Netter Artikel aus der guten alten Faz:

"07. Februar 2006 Deutschland ist einmalig. Zumindest in einem Punkt, im Markt für verbriefte Derivate. Damit sind Anlagezertifikate, Aktienanleihen, Hebelprodukte, Optionsscheine und andere gemeint. Dieser Markt zeigt seit Jahren ein gewaltiges, anhaltendes Wachstum.


Die Anzahl der von den gut zwei Dutzend Emissionshäusern emittierten und quotierten Produkte unterschiedlichster Art und Ausprägung beläuft sich derzeit auf über 80.000 Titel. Im Gegensatz dazu hört sich die Zahl der rund 1.000 börsennotierten Unternehmen eher bescheiden an.

Emissionswut - kein Zeichen für hohen Anlegernutzen

Ob diese Emissionswut dem Anleger nutzt, kann langsam bezweifelt werden. Denn selbst Profis haben angesichts der Produktvielfalt der teils aberwitzig komplizierten Konstruktionen längst den Überblick verloren. Vielfach läßt sich nicht erkennen, ob ein Produkt überhaupt sinnvoll und ob der Preis fair ist.

„Die Annahme liegt nahe, daß der hiesige Markt mit über 80.000 oft identischen Produkten verschiedener Anbieter nicht so aufgebläht wäre, wenn es für die emittierenden Institute nicht ein glänzendes Geschäft wäre”, schreibt denn auch Markus Straub in der jüngsten Ausgabe des „Schwarzbuch Börse” unverblümt. Nicht nur die Konstruktionen an sich und die Preisstellung bei der Emission gebe zu denken, sondern auch im Handel.

So würden die Preise von verbrieften Derivaten ausschließlich von einem monopolistischen Market-Maker, das ist in der Regel die Emissionsbank, festgelegt. Selbst an Börsen wie der EUWAX dürften laut Regelwerk keine Geschäfte außerhalb der vom Market-Maker oder Emittenten gestellten Geld- Brief-Spanne abgewickelt werden. Gleichzeitig seien Leerverkäufe und damit preiskorrigierende Arbitragegeschäfte zu gut wie unmöglich. Anleger befänden sich vom Kauf bis zum Verkauf in der Abhängigkeit eines einzigen Marktteilnehmers. Anleger sollten aus diesem Grund nicht von effizienten Preisen ausgehen.

Die Emittenten verdienten vor allem am meist nur für Profis zu durchschauenden Aufschlag auf den fairen Wert. Grundsätzlich gelte, daß die Emittenten den Aufpreis eines verbrieften Derivats zu Beginn seiner Laufzeit am höchsten hielten, da dann von den Anlegern naturgemäß überwiegend gekauft werde. Zum Ende der Laufzeit würden die meisten Anleger eher verkaufen, weshalb dann der Aufschlag zum fairen Wert deutlich reduziert, wenn nicht ganz abgebaut werde.

„Überraschend enttäuschende” Preisbewegungen nicht ausgeschlossen

Ein gutes Beispiel für eine Reduktion des Aufschlags habe die Commerzbank am 06. September 2005 mit ihrem BMW Call mit der WKN CB1DF9 geliefert. Die Emittentin hatte besagten Optionsschein lange Zeit circa 50 Prozent über den Kursen identischer Produkte konkurrierender Emissionsbanken quotiert und wie die Börsenumsätze belegen, auch verkauft. Dann, am 06. September 2005 um 18:19 Uhr, hat sie schlagartig den Preis ihres Produkts von 0,62 auf 0,41 Euro reduziert, obwohl die zugrunde liegende Aktie sich nicht verändert hat. Diese brachiale Reduktion des Aufpreises auf den fairen Wert sei leider kein Einzelfall und führe besonders deutlich vor Augen, wie gefährlich es sein könne, sich auf die Fairness der Emissionsbank bei der Kursstellung ihrer Produkte zu verlassen.

Bei Anlagezertifikaten seien die prozentualen Aufschläge auf den fairen Wert niedriger, lägen aber auch oft im zweistelligen Bereich. Bei vielen aufwendig konstruierten Produkten sei es Usu, eine verdeckte, für den Kunden nicht sichtbare Vertriebsprovision, meist um die drei Prozent, zu zahlen. Aus Sicht des Anlegers sind alle erwähnten Bestandteile verlorenes Kapital. Die sich daraus ergebende Kostenbelastung sei meist deutlich höher als bei den unter Kostengesichtspunkten auch nicht gerade als günstig geltenden Investmentfonds und beeinträchtigt bei vielen Produkten das Chance-Risiko-Verhältnis ganz erheblich. Auch die Höhe des Spreads könne für Überraschungen sorgen.

Vorsicht bei selbst erstellten Underlyings

Bei einigen Zertifikaten ist ferner zu beachten, daß neben dem Kurs des Derivats auch der Wert des zugrunde liegenden Underlyings allein vom emittierenden Institut festgestellt wird. Es existiere keinerlei externe, unabhängige Kontrolle, ob die Höhe des Underlyings überhaupt korrekt ermittelt werde. Oft könne der Anleger nicht einmal bei Fälligkeit ermitteln, ob der vom Emissionshaus gezahlte Einlösungsbetrag korrekt sei.

Anleger sollten aus diesem Grund originäre Terminmärkte vorziehen. Denn sie sind die Basis für die Konstruktion der ganzen strukturierten Produkte. Oft sind dieselben Effekte, die von den Zertifikateanbietern als der „allerletzte Schrei” angeboten werden, auch selbst erzielbar. Allerdings zu günstigeren Bedingungen und mit mehr Transparenz. Sollten sie trotzdem auf Zertifikate setzen, dürften einfache, transparente und mit anderen vergleichbare Produkte ratsam sein. "
Ernesto Chevantonn

Gier frisst Hirn –Verspielt Zertif.-Branche ihren guten Ruf?

Beitrag von Ernesto Chevantonn »

Gier frisst Hirn – Verspielt die Zertifikate-Branche ihren guten Ruf?

" Die Zertifikate-Branche boomt, keine Frage. Immer mehr Anleger interessieren sich für strukturierte Produkte und kaufen diese Papiere als Alternative zu Aktien, Anleihen, Fonds oder auch normalen Spareinlagen. Mit Abstand am beliebtesten sind dabei weiterhin Garantie-Produkte, die zum einen das Bedürfnis vieler Anleger nach hoher Sicherheit befriedigen, zum anderen aber auch mit voller Kraft von den Banken in den Markt „gedrückt“ werden. Ob der Kunde damit auf Dauer wirklich zufrieden ist oder ob die oft sehr undurchsichtigen Produkte wegen einer am Ende vielleicht eher mauen Rendite zu herben Enttäuschungen führen, werden Emittenten und Anleger erst in ein paar Jahren wissen, wenn die Produkte zurückgezahlt werden.

Aber nicht nur hier drohen Gefahren für den Zertifikate-Boom. Immer mehr Anleger nutzen nämlich das Vehikel der gepufferten Investments wie Express- oder Bonus-Zertifikate, die in den vergangenen Jahren (dank der boomenden Aktienmärkte!) tolle Ergebnisse lieferten. Dementsprechend leicht fällt es den Bank- und Vermögensberatern auch, solche Produkte an den Mann (seltner an die Frau) zu bringen. Ohne Zweifel sind diese Puffer-Varianten eine mehr als interessante Anlageform – wenn sie richtig eingesetzt werden. Und genau hier liegt der Knackpunkt. Denn dummerweise haben sich durch die Rallye an den Aktienmärkten die Rahmenbedingungen für diese Produkte tendenziell verschlechtert. Die durch den Kursanstieg gesunkene Dividendenrendite und die niedrige Volatilität sind ein Mix, der es Emittenten schwer macht, die bisherigen Konditionen auch bei neuen Produkten darzustellen. Doch weil sich hohe Renditechancen nun mal besser verkaufen lassen und immer mehr Anleger leider auch wieder stärker auf die Chancen als auf die Risiken achten, greifen die Banken jetzt verstärkt in die Trickkiste.

So war es zum Beispiel „früher“ üblich, bei Express-Zertifikaten den Zeitraum bis zum ersten Bewertungstag mit einem Jahr (auf Grund der Steuerfrist meist ein paar Tage länger) anzusetzen. Heutzutage wird diese Zeitspanne immer weiter ausgedehnt, so dass Anleger zum Teil bis zu 18 Monate auf die mögliche vorzeitige Rückzahlung warten müssen. Aber ein Kupon von 10 oder 12 Prozent ist marketingtechnisch natürlich deutlich wertvoller als vielleicht 7 oder 8 Prozent Renditechance, die es je nach Ausgestaltung auf Jahressicht zu verdienen gibt. Dass die p.a.-Rendite in beiden Fällen nahezu identisch ist, steht halt – wenn überhaupt - erst im „Kleingedruckten“. Aber die Verlängerung des ersten Zeitraums ist nicht der einzige Punkt, der sauer aufstößt. Fast noch schlimmer ist die Reduzierung des Sicherheitspuffers am Ende der Laufzeit. Gerade jetzt, wo die Märkte so stark gestiegen sind, kann es durchaus mal zu größeren und auch länger anhaltenden Korrekturen kommen. Und wenn, wie bei den neuesten Express-Varianten zu beobachten, der Puffer dann auch noch während der gesamten Laufzeit und nicht nur zum Ende aktiv ist, dann wird es zum einen richtig kompliziert (weil Vergleiche zwischen den Produkten immer schwerer werden) und zum anderen auch riskant. Das gilt genauso für Bonus-Zertifikate, bei denen der Abstand zur Kursschwelle von einigen Emittenten auch immer enger gesetzt wird, damit die Bonusrenditen möglichst attraktiv klingen. Doch was ist ein Puffer von 20 oder 30 Prozent bei einer Laufzeit von 4 Jahren oder länger noch wert?

Diese „Tricksereien sind genau der falsche Ansatz und das, was die Branche nicht braucht. „Gier frisst Hirn“ ist eine Weisheit, die sich auch an der Börse leider immer wieder bestätigt. Anleger sollten sich also von den zuletzt fast nur gestiegenen Aktienkursen nicht blenden lassen und gerade jetzt antizyklisch auf mehr Sicherheit setzen. Die Tendenz zu weltweit langsam aber sicher wieder steigenden Zinsen ist ein Gefahrenherd, der nicht zu unterschätzen ist. Gerade den weniger versierten Investoren, die von der Rallye angelockt, erst jetzt wieder an die Börse zurückkehren, dürften gut beraten sein, lieber einen etwas größeren Puffer zu wählen und dafür – etwa bei Bonus-Zertifikaten - auf ein bisschen Seitwärtsrendite zu verzichten.

Zertifikate, und das darf bei aller Euphorie nicht vergessen werden, sind Produkte, mit denen sich das Chance/Risiko-Profil eines Portfolios deutlich optimieren lässt. Doch dafür müssen sie auch sinnvoll und ausgewogen strukturiert und eingesetzt werden! Ansonsten kann der Boom schneller vorbei sein, als manche glauben. "

Aus: Finanztreff
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