Schröder bei den Heuschrecken

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lodo
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Schröder bei den Heuschrecken

Beitrag von lodo »

SPIEGEL ONLINE - 09. März 2006, 10:32
URL: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0 ... 68,00.html
Altkanzler feiert Hedgefonds

Schröder bei den Heuschrecken

Von Sebastian Fischer, Wien

Das nennt man wohl Mitnahmeeffekt: Als Bundeskanzler attackierte Schröder noch skrupellose ausländische Spekulanten und forderte schärfere Kontrollen. Als Altkanzler hielt er jetzt in Wien für gutes Geld eine Festrede bei einem umstrittenen Hedgefonds-Anbieter.

Wien - Ein Investmentcenter wie ein Handyladen. Im Schaufenster leuchten den Passanten die Angebote entgegen: "25 Prozent Jubiläumsrabatt", steht da auf grün verpackten und mit Schleifen drapierten Kisten, weil "10 Jahre Superfund". Auf einem Plasmabildschirm die Lockangebote: Ab "100 Euro mtl." kann der Vorbeispazierende einsteigen - oder sich einfach zum nächsten "Informationsabend am 16.03.06" anmelden: "Mehr als 20 Prozent Durchschnittsertrag pro Jahr" seien drin.




DPA
Schröder mit Österreichs Bundespräsident Heinz Fischer (l.): Altkanzler auf Stippvisite in Wien
Drinnen im Wiener Superfund-Investmentcenter sind sie aber jetzt erstmal richtig nervös. Die Damen in tief ausgeschnittenen Kleidern, die Herren in feinem Stoff. Dann fährt er vor. Wie er da frisch frisiert aus dem Wagen federt, wie er nach den Händen greift und sein Lächeln aufsetzt, wirkt Gerhard Schröder gar nicht wie der Altbundeskanzler, da ist nicht das Behäbig-Dröge von Helmut Kohl, nicht das Bedächtig-Intellektuelle von Helmut Schmidt. Schröder ist einfach noch immer das, was er die vergangenen sieben Jahre war: der Kanzler, der Macher, der Gerd.

Genau das wollen sie bei Superfund, so einen wie Schröder brauchen sie beim zehnjährigen Firmenjubiläum. Im Internet kann man den Ex-Kanzler buchen, bei der US-Agentur Harry Walker. Schröder wird dort als Aufsteiger gepriesen, als Kind von ganz unten ("born into a struggling working class family"), das es bis ganz nach oben geschafft hat.

Neben dem Altkanzler sitzen und strahlen

Christian Baha hat sich diesen 8. März 2006 eine Stange Geld kosten lassen. Er hat Gerhard Schröder eingekauft. Für einen Abend, an dem Schröder das Superfund-Center besucht und anschließend eine Festrede in der Wiener Hofburg hält; für einen Abend, den Baha neben dem Kanzler a. D. sitzen und für die Kameras strahlen darf. Christian Baha ist der Gründer von Superfund. Und Superfund ist das, was landläufig als Hedgefonds-Anbieter bezeichnet wird - auch mal mit dem in Schröders SPD beliebten Wort von der "Heuschrecke" bedacht.

Superfund aber zerschlägt keine Unternehmen, es spekuliert mit sogenannten "Managed Futures", setzt auf fallende oder steigende Trends, zum Beispiel bei Gold, Weizen oder Rindviehchern. Kurz: Es macht Termingeschäfte. Weil Baha - für Hedgefonds untypisch - Kleinanleger lockt ("ab 100 Euro mtl.") und mit die höchsten Gebühren für die riskanten und undurchsichtigen Spekulationen einzieht, steht er allerorten in der Kritik. In der Finanzbranche gilt der 37-jährige ehemalige Wiener Streifenpolizist als dubios und umtriebig, manch geladener Gast ist zum Superfund-Geburtstag erst gar nicht erschienen.

Schröder: Bahas Fonds gehören nicht zu den Heuschrecken

Und ausgerechnet dort tritt ein sozialdemokratischer Ex-Kanzler auf, der sich in seiner Amtszeit den Anlegerschutz in die Regierungserklärungen schrieb und im Wahlkampf unter dem Oberkommando von Ex-SPD-Chef Franz Müntefering gegen Hedgefonds wetterte. Vor den 900 Superfund-Gästen im Festsaal der Hofburg hört sich das dann so an: Die Entwicklung des Hedge-Marktes sei für stabile Finanzmärkte "ein wichtiges Thema". Er sei überzeugt, so Schröder, "dass der ein oder andere hier extra deshalb aus Deutschland angereist ist", weil die Medien seinen Auftritt in Wien im Vorfeld kritisiert hätten. Ein Lachen geht durchs Publikum. Schröder grinst sein Kanzler-Grinsen.

Er habe immer Kritik an jenen geübt, die Unternehmen aufkaufen, um sie dann zu zerschlagen: "Diese Kritik hat Wirkung gehabt, weil es jetzt ein selbstkritisches Hinterfragen gibt", so Schröder. Und Bahas Fonds, die gehörten nun wirklich nicht zu den Heuschrecken. In diesem Moment weiß Christian Baha in der ersten Reihe wohl, dass sich seine Rhetorik-Investition gelohnt hat. Hedgefonds dürfe man als Branche nicht unterschätzen, sie machten in Deutschland 4,6 Prozent des Bruttoinlandprodukts aus, sagt Schröder, "die gesamte Landwirtschaft trägt nur zwei Prozent bei".

Das war's dann auch schon mit den Hedgefonds. Ansonsten sagt Schröder ganz viel Allgemeines zur Globalisierung an sich - und einiges Interessantes zur Außenpolitik: Dass man mit der demokratisch gewählten Hamas im Nahen Osten reden solle, dass Iran ein Recht auf friedliche Nutzung der Kernenergie habe und dass Russland, China, Indien ganz wichtige Partner für Europa seien. Punkt. Der Applaus ist eher zurückhaltend, Baha aber ist beglückt. Verstrahlt lächelnd betritt er die Bühne: "Danke, vielen Dank, Danke, Herr Bundeskanzler." Baha weiß nicht so recht, wohin mit seinen Händen. Schröder und der junge Mann, sie wirken jetzt wie Vater und Sohn: "Ich hoffe, Sie bleiben noch bei der Party", fragt der Christian ganz vorsichtig. Und der Gerd breitet die Arme weit aus: "Aber klar doch, klar!" Kanzlerlächeln - und ab.

Mischung aus Überheblichkeit und sentimentaler Selbstkritik

Bevor die Party dann aber losgeht, beherzigt Baha Schröders Worte von der Selbstkritik: "Ich danke denen, die uns ihr Vertrauen geschenkt haben, in guten und in nicht so guten Tagen." Im vergangenen Jahr ging es abwärts mit den Superfund-Renditen. Andererseits hatte Baha beim Auftakt in der Hofburg verkündet, Superfund solle mal solch eine Marke werden "wie Coca-Cola oder American Express". Es ist diese Mischung aus Überheblichkeit und sentimentaler Selbstkritik, mit der er um Vertrauen buhlt.

Gerhard Schröder kann das egal sein. Er hat eine Rede voller Allgemeinplätze heruntergespult, damit einerseits schön Geld verdient, sich aber andererseits nicht in die Nesseln gesetzt: Niemand in Deutschland kann ihm was Böses wollen, den Heuschrecken-Radikalinski hat er nun wirklich nicht gegeben. Das Publikum in Österreich fand ihn "a bisserl fad", er habe "nicht wirklich was gesagt", heißt es auf den Fluren. Vor allem wird über Schröders Gage spekuliert. Die aber bleibt geheim.

Der Altkanzler, der so nicht genannt werden möchte, fühlt sich sichtlich wohl: Er bleibt tatsächlich noch ein Weilchen, klatscht rhythmisch zur Musik in die Hände. Mag sein, dass er Christian Baha als Aufsteiger sieht, so wie sich selbst einst: Vom Abendabiturienten zum Kanzler, vom Polizisten zum Hedgefonds-Manager. Für Wirtschaftsgrößen hatte Schröder schon immer was übrig, hat sie immer bewundert. Vielleicht ist ihm das jetzt alles aber auch herzlich egal und er macht einfach eine gut bezahlte tour d'honneur. In wenigen Stunden schon geht's weiter. Nach Neu-Delhi, Indien.


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Beitrag von oegeat »

da ich bei der Veranstaltung war ......... und oben ein paar aussagen für mich wichtig sind habe ich mir erlaubt diese im Text hervorzuheben
Der Gewinn liegt im Einkauf. Alles wird besser, man muss nur warten können !

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