Wieder Maßnahmen zum LAUT mitlachen
Barclays-Chefökonom:
„Die EZB manipuliert den Geldmarkt“
Was tun mit hartnäckigen Schuldensündern in der EU?
Der Kauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank (EZB) ist nach Überzeugung des Chefvolkswirts von Barclays Capital Deutschland der völlig falsche Weg. Thorsten Polleit hofft daher auf die Bundesregierung und die Etablierung eine Insolvenzordnung für Staaten. Doch Finanzminister Wolfgang Schäuble hat Anderes im Sinn.
von Dietmar Neuerer
DÜSSELDORF. Der Chefvolkswirt von Barclays Capital Deutschland, Thorsten Polleit, hat scharfe Kritik an der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) geäußert und an die Bundesregierung appelliert, gegenzusteuern. Der Euroraum stehe vor „ungelösten“ Herausforderungen.
So hätten einerseits die Ankündigungen vieler Euroraum-Regierungen, ihre Finanzen in Ordnung bringen zu wollen, die Kapitalmarktakteure nicht überzeugt, sagte Polleit Handelsblatt Online.
Andererseits sorge die EZB für eine Geldschwemme. „Dass die Zinskonditionen für eine wachsende Zahl von Euroraum-Mitgliedsländern nach wie vor relativ niedrig sind, liegt an den Marktmanipulationen durch die Europäischen Zentralbank (EZB): Sie kauft Staatsanleihen und emittiert dadurch neues Geld.“
Polleit äußerte daher die Hoffnung, dass die Bundesregierung verstärkt ihren Einfluss im Euroraum gelten machen könne und eine Politik vorantreibe, die die Staatsdefizite durch Senkung der Ausgaben vermindert.
Zum anderen hoffe er, dass Berlin eine Insolvenzordnung für Staaten etablieren könne. „Das würde verhindern, dass die EZB die Geldmenge immer weiter ausweitet, um die Zahlungsfähigkeit finanziell angeschlagener und reformunwilliger Euroraum-Länder sicherzustellen“, sagte der Ökonom und fügte hinzu:
„Eine solche Insolvenzregelung würde den Weg in die Inflationierung des Euro abwenden.“
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble will indessen mit schärferen Strafen hartnäckige Schuldensünder in der EU zu einer soliden Finanzpolitik zwingen. In einem Brief an den ständigen EU-Ratspräsidenten Herman van Rompuy, an EZB-Präsident Jean-Claude Trichet, den Präsidenten der Euro-Gruppe Jean-Claude Juncker und seine Amtskollegen legt Schäuble konkrete Vorschlägen dazu vor.
„Die Schaffung wirkungsvollerer Anreize zur Abwendung und Korrektur übermäßiger Haushaltsdefizite stellt den absoluten Kern unserer Anstrengungen dar ...“, heißt es in dem Brief, der Reuters am Montag vorlag.
Schäuble hat insbesondere die Länder der Euro-Zone im Blick, aber auch die EU insgesamt. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt müsse „mehr Biss“ erhalten, fordert der Minister.
Er plädiert in seiner Vorschlagsliste für einen Mechanismus, der automatisch vorübergehende und bleibende Strafzahlungen auslösen soll, wenn EU-Länder gegen die Regeln oder die Ratsempfehlungen für eine solide Haushaltspolitik verstoßen. Er spricht sich auch für eine Kopplung von Zahlungen aus den EU-Struktur-, Kohäsionsfonds sowie ländliche Entwicklungsfonds an die Bedingung einer soliden Finanzpolitik aus.
Der Entzug von Stimmrechten im EU-Rat, konkret in wirtschaftspolitischen Angelegenheiten, sind für ihn ebenfalls ein Element der Sanktionen gegen hartnäckige und unbelehrbare Schuldensünder. Zu den Stimmrechten kündigte er an, Deutschland könnte womöglich noch weitere Vorschläge nachschieben, wenn Länder wiederholt die Stabilitätsregeln missachteten und die Europäische Währungsunion gefährdeten. „Diese sollten dann später diskutiert werden.“
Der Brief Schäubles zielt auf die Sitzung der EU-Reformarbeitsgruppe unter Führung van Rompuys am Montagabend ab, an der der Minister teilnimmt. Zudem will die EU-Kommission am Mittwoch konkrete Gesetzesvorschläge vorlegen, die mehr Haushaltsdisziplin in der Union durchsetzen sollen.
In seinem Brief bekennt sich Schäuble auch zu dem Vorschlag, Euro-Ländern eine nicht-verzinsliche Einlage bei der EU von 0,2 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts abzuverlangen, wenn gegen sie ein Verfahren wegen eines übermäßiges Defizit eingeleitet wird.
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Diese Einlage solle in eine bleibende Strafe umgewandelt werden, wenn sich das Land auf Dauer nicht den Empfehlungen zur Korrektur seines Kurses folge.
EZB-Ratsmitglied Ewald Nowotny gab indes zu bedenken, dass Investitionen an den Finanzmärkten auch bei stärkeren Kontrollen mit Risiko verbunden sein dürften. Es wäre eine gefährliche Illusion zu glauben, dass eine intensivere Aufsicht alle Risiken wirklich erfassen könnte, sagte Nowotny. Der Chef der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) erklärte, dass es für die Aufsicht problematisch wäre, sich auf ein „Wettrüsten“ mit den Märkten einzulassen.
Nowotny sagte bei einer Tagung der Finanzmarktaufsicht Österreich (FMA), dass die praktischen Möglichkeiten für eine Kontrolle von Hedgefonds begrenzt seien. Stattdessen sollte von den Hedgefonds mehr Eigenkapitalunterlegung gefordert werden. „Wichtiger scheint es mir, durch höhere Kapitalunterlegung die Finanzierung von Hedgefonds massiv zu erschweren“, sagte er.
Die Kreditvergabe der Banken an Unternehmen und private Haushalte in den 16 Euro-Ländern steig derweil überraschend stark. Wie die Europäische Zentralbank (EZB) am Montag in Frankfurt mitteilte, legte die Summe der ausgereichten Darlehen im August um 1,2 Prozent zu und damit so stark wie seit Juni 2009 nicht mehr. Analysten warnten aber davor, das Plus überzubewerten, da die für die Finanzierung eines nachhaltigen Aufschwungs besonders wichtige Kreditvergabe an Unternehmen weiter unter dem langfristigen Trend liege.
Nach den Daten der EZB fielen die Ausleihungen an Firmen im Vergleich mit dem August 2009 nämlich um 1,1 Prozent, während die Kredite an Privatpersonen vor allem wegen des anziehenden Hypothekengeschäfts um 2,9 Prozent zunahmen. Ken Wattret, Volkswirt bei BNP Paribas sprach von „kleinen Schritten in Richtung Normalität“, während sein Kollege Michael Schubert von der Commerzbank vor Rückschlägen warnt. So sei die Kreditvergabe an Firmen bereits im Februar und Mai dieses Jahres im Monatsvergleich gestiegen und anschließend wieder gefallen. Von Juli auf August legte die Kreditvergabe an Firmen zwar nun abermals um 0,4 Prozent zu. „Wir haben es hier mit starken Schwankungen zu tun. Man kann noch nicht sagen, ob es einen Trend gibt“, sagte Schubert.
Die für die Zinspolitik der EZB wichtige Geldmenge M3 legte im August ebenfalls zu. Das Plus lag bei 1,1 Prozent. Analysten hatten mit plus 0,3 Prozent gerechnet. Im gleitenden Dreimonatsdurchschnitt (Juni bis August) erhöhte sich M3 jedoch nur um 0,5 Prozent.
Die Experten der französischen Bank Societe Generale sprachen dennoch von einem „Lebenszeichen“.
M3 umfasst Bargeld, Einlagen auf Girokonten, kurzfristige Geldmarktpapiere sowie Schuldverschreibungen mit bis zu zwei Jahren Laufzeit
„Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert.“
(Albert Einstein, 1879–1955)