Wer wirklich was kann, wird nie Politiker werden.......

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tibesti
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Beitrag von tibesti »

Diesem Mann schenken Löwen ihr Vertrauen

Der König der Tiere trägt ein Hemd, hat zwei Beine und einen südafrikanischen Pass: Tiertrainer und Autor Kevin Richardson lebt seit 13 Jahren mit einem Löwenrudel. Sie nennen ihn den "Löwenflüsterer", "Kevin Löwenherz" oder den "König der Löwen": Der 36-jährige Verhaltensforscher, Tiertrainer und Autor Kevin Richardson arbeitet in einem privaten Wildpark in der Nähe von Johannesburg.

Der Verhaltensforscher und Tiertrainer Kevin Richardson wird von den Löwen im Rudel akzeptiert – ohne Peitsche und Gebrüll
Die 40 Löwen des Parks haben ihn als Chef akzeptiert, er darf in ihrer Mitte schlafen, mit ihnen kämpfen und spielen, sie kraulen und sogar küssen. Es sind auch seltene weiße Löwen dabei. 13 Jahre lang studierte Richardson jeden Charakterzug seiner Tiere. Heute erkennt er am Blick der Raubkatzen, ob sie traurig, aufgeregt oder zufrieden sind. Sein neuer Film erscheint im August. Elke Bodderas sprach mit dem Trainer.

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Welt am Sonntag: Wie haben Sie es geschafft, dass die Löwen in Ihnen kein Frühstück sehen? Gebrüllt? Gejagt? Die Zähne gezeigt?

Kevin Richardson: Menschen glauben immer, dass man sich als Chef aufspielen muss. Bei den Löwen ist das nicht so. Die Männchen spielen ihre Rolle, aber das Sagen haben die Weibchen. Abgesehen davon ist unter Löwen die Position in der Hierarchie nicht so wichtig. Löwen sind stolz, man muss zu ihnen einen guten Draht haben, man braucht ein sicheres Auftreten und muss überzeugend sein, als Platzhirsch angenommen zu werden.

Welt am Sonntag: Was denken die Löwen von Ihnen? Halten sie Sie für einen Löwen?

Richardson: Sie wissen, dass ich keiner bin. Ich sehe anders aus, rieche anders, benehme mich anders als sie. Sie wissen, dass ich eine fremde Kreatur bin. In der Wildnis ist es auch nicht ungewöhnlich, dass sich fremde Arten zusammenschließen.

Welt am Sonntag: Wie verständigen Sie sich mit den Raubtieren? Können Sie knurren und brüllen?

Richardson: Ich kommuniziere genau wie sie – mit all meinen Sinnen. Die Löwen registrieren, wie ich sie berühre, wie ich schmecke, wie ich rieche, wie ich aussehe, wie meine Stimme klingt. Ganz wichtig ist der Geruch, der muss bei einem Löwen einfach stimmen…

Welt am Sontag: Wenn denen Ihr Aftershave nicht gefällt, kann das also tödlich für Sie ausgehen.

Richardson: Ach was. Wenn die Chemie stimmt, ist ihnen das egal. Unter Löwen muss man sich grundsätzlich riechen können – genau wie Liebespaare den Geruch des anderen mögen, unabhängig davon, welches Parfum er gerade aufgelegt hat. Auch draußen sind sie eigensinnig. Katzen bestimmen selbst wo es langgeht.

Welt am Sonntag: Hat Sie ein Löwe schon einmal angegriffen?

Richardson: Ja. Wie mit Menschen gibt’s auch mit Löwen immer mal Ärger. Man ist unterschiedlicher Meinung, das ist völlig normal. Solche Konflikte kann man ignorieren, oder man kann sie austragen. Bei einem Löwen als Gegner sollte man sich das allerdings immer gut überlegen.

Welt am Sonntag: Garfield, Tom oder Felix the Cat sind berühmt dafür, die Krallen auszufahren, wenn sie schlechte Laune haben. Kommt das bei Ihren großen Katzen auch schon mal vor?

Richardson: Löwen sind sehr verschmust und verspielt – und sie sind vor allem sehr viel sozialer und anhänglicher als Hauskatzen. Ein Stubenkater möchte am liebsten für sich sein, er entscheidet, wem er sich nähert und wessen Gesellschaft er akzeptiert. Für Löwen dagegen ist es schrecklich, allein zu sein. Sie lieben Gesellschaft.

Welt am Sonntag: Mit wem kommen Sie besser zurecht? Mit den Männern im Rudel? Oder den vielen Frauen?

Richardson: Kommt drauf an. Löwenmännchen können sehr zärtlich sein, aber auch sehr aggressiv. Sie sind zu 99 Prozent entspannt und zu einem Prozent tödlich. Ihre Aggressivität bricht dann hervor, wenn sie etwas beschützen wollen, Futter zum Beispiel oder ein Weibchen. Weibchen dagegen sind unabhängiger, aber auch launischer. Im Rudel sind sie diejenigen, die zur Jagd gehen und das Futter ranschaffen. Grundsätzlich ist kein Löwe wie der andere. Jeder ist ein Individuum, wie ein Mensch. Der eine ist aufdringlich, der andere schnell genervt und scheu. Der eine will ständig gekrault werden und ist unglaublich anhänglich, der andere will sich auf keinen Fall anfassen lassen. Sie haben extrem unterschiedliche Persönlichkeiten.

Welt am Sonntag: Haben Sie einen besten Kumpel in Ihrem Rudel?

Richardson: Natürlich. Gleich mehrere. Mit einigen möchte ich am liebsten immer zusammen sein, mit anderen werde ich niemals richtig warm werden.

Welt am Sonntag: Mit einer Löwin sind Sie schwimmen gegangen. Wie kam das?

Richardson: Das war mein schönstes Erlebnis mit diesen großen Katzen. Löwen sind eigentlich wasserscheu. Diese Löwin hat sich bei mir so sicher gefühlt, dass sie mir ins Wasser gefolgt ist. Sie hat mich als Anführer akzeptiert und wusste, dass ihr in meiner Nähe nichts Schlimmes passiert. So ist sie mir vertrauensvoll gefolgt und hat das Bad sogar genossen. Es hat ihr Spaß gemacht, sie wollte sich amüsieren.

Welt am Sonntag: Hauskatzen lassen sich nichts vorschreiben. Wie schaffen Sie es, deren große Kollegen zu zähmen?

Richardson: Es ist eigentlich nicht besonders schwer. Ich habe viele Jahre damit verbracht, die Löwen zu beobachten und jeden Charakterzug an ihnen studiert. Heute erkenne ich am Blick eines Tieres, ob es aufgeregt, zufrieden oder traurig ist. Ich habe nie einen Stock oder eine Peitsche benutzt, ich versuche, mich in jedes Tier hineinzuversetzen und ihm meine Aufmerksamkeit zu schenken. Es gibt drei einfache Gesetze, wer die befolgt, hat schon fast gewonnen. Sie lauten: Nerv mich nicht, wenn ich schlafe. Erschreck mich nicht, sonst greife ich an. Bleib weg, wenn ich fresse.

Welt am Sonntag: Wenn Sie Löwen in Zoos sehen, wer leidet mehr: die Löwen oder Sie?

Richardson: Am liebsten sind mir natürlich Löwen in freier Wildbahn. Doch die werden immer seltener. In den letzten 15 Jahren ist die Zahl der wild lebenden Löwen um mehr als die Hälfte auf 30.000 Tiere gesunken. Noch immer können Touristen im südlichen Afrika einen Löwen als Jagdtrophäe schießen, für 40.000 Dollar. Löwen gehören nicht in Zoos. In den klassischen, alten Parks fühlen sie sich auch nicht besonders wohl. Moderne Zoos haben tolle Gehege für Löwen eingerichtet, sie können verschiedene Areale besuchen, umherwandern. Aber gegen das Leben in der Steppe ist das natürlich nichts.

Welt am Sonntag: Ihr Film heißt "Der weiße Löwe", Hauptdarsteller ist ein Tier, das aussieht, als käme es aus der Puderzuckertüte.

Richardson: Der weiße Löwe im Film heißt Letsatsi. Er wurde vom Rudel verstoßen und musste sich allein in der Wildnis zurechtfinden. Weiße Löwen sind wie rothaarige Menschen. Sie haben ein spezielles Gen, das nur sehr selten zutage tritt, eine seltene genetische Variante der braunen Löwen, eine Laune der Natur. Ihnen fehlt der Pigmentstoff der Haut, das Melanin. Diese Löwen sind Sonderlinge, oft Außenseiter. Unter den Buschvölkern gelten weiße Löwen als heilig, und ohne menschliche Hilfe und den Schutz im Reservat wären die Raubtiere wohl völlig hilflos. Die Farbe hat leider ihren Preis. Zu viel Blässe ist gefährlich, denn Melanin schützt die Haut vor Sonnenbrand unter der erbarmungslosen Sonne Afrikas. Außerdem sind die Raubtiere in ihrer steppenbraunen Umgebung so auffällig wie Eisbären in der Wüste. Bei der Jagd hat so ein Sonderling es schwer: Auf noch so leisen Pfoten kann er sich anschleichen – es nützt nichts. Egal, ob im hohen Steppengras, hinter dichten Büschen oder im Dunkel der Nacht: In jedem Hinterhalt verrät ihn sein Fell. Er kann sogar dem Rudel das Jagdglück verderben.

Welt am Sonntag: Sie haben auch viel mit Hyänen zu tun. Wer ist schwieriger? Ein brüllender Löwe oder eine kläffende Hyäne?

Richardson: Keine Frage. Die Hyänen. Sie sind sehr klug – und kompliziert. Sie haben mich öfter gebissen als die Löwen. Mit denen fühle ich mich immer wie unter Freunden. Sie sind zwar größer und viel stärker. Aber mir auch viel vertrauter.

Welt am Sonntag: Packt Sie manchmal die Angst?

Richardson: Natürlich. Das gehört zum Beruf. Meine Kameraleute haben auch oft Angst um mich. Einmal riss mich beim Spielen ein vierjähriges Männchen zu Boden und biss mich in den Hals. Ich habe mich nicht gewehrt, bin einfach nur ruhig geblieben. Da ließ er von mir ab.

Welt am Sonntag: Wie viele Narben haben Sie?

Richardson: Hin und wieder bekomme ich eine Kralle ins Fleisch. Aber so ist das unter Löwen.[/b]
Zuletzt geändert von tibesti am 17.07.2011 18:40, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag von tibesti »

Extremkletterer Steve House
Zu Hause in der Steilwand

Reinhold Messner nennt ihn den besten Höhenbergsteiger der Welt - doch außerhalb der Alpinistenszene ist der Amerikaner Steve House kaum bekannt, weil er auf massentaugliche Vermarktung verzichtet. Wagt er sich doch mal vor Publikum, rühren seine Berichte selbst Profis zu Tränen.

Der Mann kniet im Schnee, die Arme in der aufgeplusterten Daunenjacke hängen schlaff herab, der Blick unter der Sonnenbrille geht zum Himmel. Vor ihm windet sich ein Seil auf einem Haufen Felsbrocken, die Gipfelmarkierung aus Aluminium steckt wie ein Schwert schief im Fels. Der Mann auf dem Foto könnte ein Gläubiger beim Dankesgebet sein, ein Trauernder vor einem Grab, jemand, der die Mächte da oben fragt, warum sie ihm solche Lasten aufbürden. Vielleicht ist er all das, denn Vince Anderson hat gerade die höchste Steilwand der Erde am Nanga Parbat erklommen und den Gipfel erreicht.

Es ist bezeichnend, dass das Lieblingsfoto von Steve House nicht Steve House zeigt, sondern seinen Kletterpartner. Denn House ist im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen in der Welt der Grenzgänger niemand, der sich durch die offensive Vermarktung seiner Leistungen in den Vordergrund drängt. Der laut Reinhold Messner derzeit beste Höhenbergsteiger der Welt ist ein unauffälliger Held, er hat bislang nicht einmal einen deutschsprachigen Wikipedia-Eintrag.

Das Bild ist technisch kein Meisterwerk, es ist schwarzweiß, unscharf und hastig komponiert. Wo ein Wandkalenderfoto eindrucksvolle Bergpanoramen im Hintergrund zeigen würde, ist hier nur nebliger Dunst zu sehen. Doch dem Betrachter vermittelt der Schnappschuss weit mehr über Freud und Leid eines Achttausender-Erfolgs als die übliche Siegerpose mit erhobenem Eispickel, die in keinem Klettermagazin fehlen darf.

Überlebenskampf an der Eiswand

"Als ich dieses Ziel erreicht hatte, hatte ich auf einmal kein Ziel mehr", sagt House über den größten Triumph seiner Extremkletterer-Laufbahn, über die vielleicht unfassbarste alpine Leistung der vergangenen zehn Jahre. Im September 2005 waren House und Anderson die Ersten, die die Rupalwand am 8125 Meter hohen Nanga Parbat im Alpinstil erkletterten.

Die Stimme des 39-jährigen Amerikaners aus Oregon bricht, als ihn vor den etwa 200 Zuschauern seiner Diashow im italienischen Brixen für ein paar Sekunden die Erinnerung an den Erfolg und die Strapazen der 4500-Meter-Felsflanke überwältigt. Für einen Moment spiegeln sich in seinem scharf geschnittenen Gesicht mit den markanten Wangenknochen die Schmerzen wieder, die sechs Tage Überlebenskampf in frostiger Höhenluft an der eisigen Felswand mit sich brachten.

Beim Alpinstil geht es darum, ohne künstlichen Sauerstoff, ohne vorher verlegte Seile oder Leitern auf den Gipfel zu gelangen. Die meisten Achttausender-Pioniere der zwanziger bis siebziger Jahre, die mit Dutzenden Sherpas und riesigen Mengen Material unterwegs waren, hielten das für unmöglich. Erst der Österreicher Hermann Buhl und vor allem der Südtiroler Messner bewiesen, dass man die höchsten Berge der Welt auch mit minimaler Ausrüstung und ohne Lastträger besteigen kann.

Für Messners Erben ist der Alpinstil wie eine Religion. Der Berg soll so zurückgelassen werden, wie er aufgefunden wurde, keine Seile und kein Müll sollen liegenbleiben.

Realitätsschock in Pakistan

Steve House ist erst 19, als ihn im Juli 1990 ein slowenisches Expeditionsteam zum ersten Mal zum Nanga Parbat mitnimmt. Ihn schockiert die Selbstverständlichkeit, mit der die 20 Teilnehmer große Mengen Seile und Haken am Fels zurücklassen. Eine weitere Enttäuschung ist, dass er selbst nicht in Gipfelnähe kommt - seine Aufgabe besteht darin, schwere Rucksäcke von einem Höhenlager zum nächsten zu schleppen und sich dabei an vorher installierten Seilen nach oben zu ziehen. "Ich mochte diese Art des Kletterns nicht, da bekommt man überhaupt kein Gefühl für den Berg", erinnert sich House.

Diese erste Pakistanreise prägt nicht nur Houses Streben nach einem natürlichen Kletterstil. Damals beginnt auch eine persönliche Obsession mit dem Nanga Parbat, dem neunthöchsten Berg der Erde - und einem der schwierigsten Achttausender. House schreibt in sein Tagebuch: "Wenn ich eines Tages die Rupalwand besteigen kann, wäre das das Höchste. Ich kann mir kaum vorstellen, jemals so gut zu werden."

Die nächsten Jahre verbringt er damit, gut genug zu werden. Am Mount McKinley und weiteren Gipfeln der Alaskakette in Nordamerika verfeinert er seine Klettertechnik. Nach dem Bachelorabschluss in Geografie in seinem Heimatstaat Oregon verdient er sein Geld als Bergführer. An freien Tagen kraxelt House mit den Kollegen vom Alpinclub die schwierigsten Kletterrouten Alaskas und der Rocky Mountains hoch.

Tödliche Gefahren in Eis und Fels

"Damals habe ich gelernt, wie wichtig Beharrlichkeit ist", erzählt House und ballt seine Rechte zur Faust. Er hat riesige Hände und Unterarme, die nicht so recht zu seiner schmalen Gestalt passen wollen. Für die Steilwand "Emperor Face" am Mount Robson in Kanada braucht er sieben Versuche in insgesamt elf Jahren. Jedes Jahr verschiebt er seine eigenen Belastungsgrenzen, klettert höhere Schwierigkeitsgrade, wird in der Szene für seine Erstbegehungen gefeiert. Seine Seilpartner sind einige der besten Alpinisten Nordamerikas.

Mit extrem leichtem Gepäck schafft er im ewigen Tageslicht Alaskas Routen in 30 oder 40 schlaflosen Stunden, für die frühere Expeditionen eine Woche brauchten. "Single-Push Climbing" nennt er diese Disziplin, die den willensstärksten Alpinisten seiner Generation neue Temporekorde mit leichtem Gepäck ermöglicht.

Eine noch schwerere Belastung als die täglichen Herausforderungen am Berg werden für House zahlreiche tödliche Unfälle ehemaliger Mitstreiter. Professionelle Fels- und Eiskletterer haben in etwa die Lebenserwartung eines Bergwerkarbeiters im 19. Jahrhundert. Ein falscher Schritt, ein plötzlicher Steinschlag kann in Sekundenschnelle das Ende bedeuteten, dazu kommen die Gefahren durch Höhe und Kälte.

Eine andere Bergsport-Philosophie

"Als ich 29 war, waren alle meine Kletterkameraden entweder tot oder nicht mehr aktiv", schreibt House in seinem Buch "Beyond the Mountain", das im Januar in Deutschland erscheint. Man muss nur einmal in Gedanken eine Stellenausschreibung für den Job als Kletterpartner von Steve House formulieren, um zu realisieren, wie schwer es auf diesem Level sein muss, erneut Gleichgesinnte zu finden.

Viele Kletterkollegen haben zudem eine andere Bergsport-Philosophie. Immer aufwendiger sind die Multivisions-Diashows, mit denen Alpinisten durch die Republik tingeln, spektakuläres Filmmaterial und Tonaufnahmen vom Gipfel sind Standard. Manchen macht diese Selbst-PR sichtlich Spaß, für andere ist sie ein notwendiges Übel, um von ihrer Leidenschaft leben zu können und die Sponsoren zufriedenzustellen.

Die Zeiten, als Erstbesteigungen von Achttausendern weltweite Medienereignisse waren, sind längst vorbei. Heutige Expeditions-Höchstleistungen werden nicht am Mount Everest, am Matterhorn oder an der Eiger-Nordwand erbracht, den Alpinzielen, von denen jeder ein Bild im Kopf hat. Viel schwerer ist es, einem größeren Publikum Erfolge an der Makalu-Westwand oder am K7 näherzubringen. Um solche Touren überhaupt begreifbar zu machen, müssen Bergsteiger durch außergewöhnliche Fotos und Filme auffallen.

Alpinismus statt Hollywood

Diesen Marktgesetzen verweigert sich House. Den meisten Fotos seiner Diashow sieht man an, dass sie einfach Schnappschüsse der erschöpften Beteiligten sind. "Entweder ich gehe klettern, oder ich drehe einen Hollywood-Film" - für House ist ein Alpin-Abenteuer nicht damit vereinbar, dass nebenan ein Kameramann im Seil hängt und bittet, mit dem nächsten Handgriff am Überhang noch eben zu warten, bis die Sonne rauskommt.

Den sechstägigen Eiskletter-Marathon an der Rupalwand hätte vermutlich sowieso kein Filmemacher mitgemacht. Anderson und House verbrachten die Nächte an kaum geschützten Biwakplätzen an der Eiswand, teilten für die wenigen Stunden Schlaf einen Schlafsack, um nicht zu viel Gewicht tragen zu müssen. Schritt für Schritt quälten sich die beiden mit Eisaxt und Steigeisen nach oben, ernährten sich hauptsächlich von hochkonzentrierter Energiepaste und heißem Tee. Sie wussten, dass eine plötzliche Lawine sie mehr als 3000 Höhenmeter tief in den Abgrund reißen würde. House verlor mehr als zehn Kilo Körpergewicht in einer Woche.

Warum tut sich jemand diese Torturen immer wieder an, geht solche Risiken ein? "Klettern kann das volle Spektrum der Höhen und Tiefen eines Lebens in wenige Tage, manchmal wenige Stunden komprimieren", schreibt House in seinem Buch. "Meine glücklichsten Tage waren die, an denen ich alles zurückgelassen habe und mein Verständnis der Dinge neu definiert habe, die wirklich wichtig sind."

Der Diavortrag in Brixen ist Thema des Tages unter den teils von weit angereisten Alpinisten im Publikum. "Das war die beste Diashow, die ich je gesehen habe", sagt der bekannte Schweizer Bergfotograf Robert Bösch. Und zwar deshalb, weil House unglaublich packend erzählen könne, denn "keines seiner Bilder würde es in ein Magazin schaffen."

Reinhold Messner ist so bewegt, dass er später beim bloßen Erwähnen des Nanga-Parbat-Gipfelfotos unter Tränen die Bühne einer Pressekonferenz verlassen muss. "Für den Zuschauer ist das, als wäre man selbst da oben. House beweist, dass solche Erlebnisse teilbar sind", sagt Messner später. "Davon können viele Europäer etwas lernen."

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Biwak auf kleinstem Raum: Bei der sechstägigen Extremtour an der Rupalwand des Nanga Parbat waren sich Steve House und Vince Anderson (Foto) oft tagsüber nicht sicher, ob sie abends überhaupt einen waagrechten Schlafplatz finden würden. Hier schliefen sie gesichert am Seil in voller Klettermontur.

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Rupalflanke des Nanga Parbat: 4500 Meter ist die höchste Felswand der Welt hoch - ihre Besteigung im Alpinstil von Steve House und Vince Anderson war die vielleicht größte alpinistische Leistung der vergangenen zehn Jahre.

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Gipfelfoto vom Nanga Parbat: Das Bild ist technisch kein Meisterwerk, es ist schwarzweiß, unscharf und hastig komponiert. Doch dem Betrachter vermittelt der Schnappschuss weit mehr über Freud und Leid eines Achttausender-Erfolgs als die übliche Siegerpose mit erhobenem Eispickel, die in keinem Klettermagazin fehlen darf.

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House im Karakorum-Gebirge in Pakistan: Ein falscher Schritt, ein plötzlicher Steinschlag kann in Sekundenschnelle das Ende bedeuteten, dazu kommen die Gefahren durch Höhe und Kälte.

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Winzling an der nahezu senkrechten Eiswand: "Single-Push Climbing" heißt die Disziplin, die den willensstärksten Alpinisten neue Temporekorde mit leichtem Gepäck ermöglicht.

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Extremkletterer Steve House: "Als ich 29 war, waren alle meine Kletterkameraden entweder tot oder nicht mehr aktiv", sagt der heute 39-Jährige.
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tibesti
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Beitrag von tibesti »

Ed Stafford

Amazonas-Extremwanderung
6400 Kilometer, 50.000 Mückenstiche, 859 Tage

Er trotzte Anakondas, Kaimanen und aggressiven Ureinwohnern: Der Brite Ed Stafford hat als erster Mensch eine Wanderung von der Quelle bis zur Mündung des Amazonas geschafft. Etwa 6400 Kilometer legte er in zweieinhalb Jahren zurück - einen Tag vor dem Ziel brach er zusammen.


Maruda/Brasilien - Als die Wellen des Atlantiks Ed Staffords Füße umspülten, war es geschafft: Der Brite ist als erster Mensch den gesamten Amazonas entlang gewandert - von der Quelle in den Peruanischen Anden bis zur Mündung im Norden Brasiliens. 859 Tage brauchte er für den rund 6400 Kilometer langen Fußmarsch.

"Es ist unglaublich, hier zu sein", freute sich Stafford bei seiner Ankunft. "Ich habe bewiesen, dass man alles schaffen kann, wenn man es nur stark genug will." Kurz vor seinem Ziel war der 34-Jährige am Straßenrand zusammengebrochen. Doch wenig später sprang er in den Ozean, und wirkte, als habe er alle Energie der Welt. Überglücklich umarmte er seine Zuschauer.
Er sei zwar kein Öko-Aktivist, sagte Stafford. Trotzdem hoffe er, dass seine Tat auf die Zerstörung des Regenwalds aufmerksam mache. Im Grunde sei es eine einzige lange Ausdauerprüfung gewesen. "Ich glaube, wenn es nicht das egoistische Abenteuer eines großen Jungen gewesen wäre, hätte es nicht funktioniert", sagte der ehemalige Hauptmann der britischen Streitkräfte. "Ich mache das nur, weil es noch niemand vor mir gemacht hat." Zwar gab es mindestens sechs Expeditionen, die den Amazonas von der Mündung bis zur Quelle erkundet haben, doch die haben den Fluss mit Booten befahren.

Am 2. April 2008 starteten Stafford und ein Freund aus Großbritannien an der südlichen Pazifikküste Perus. Sein Partner hielt keine drei Monate durch, doch Stafford marschierte immer weiter.

Hunderte Einheimische, die er unterwegs traf, begleiteten ihn auf seinem Weg. Im peruanischen Waldarbeiter Gadiel "Cho" Sanchez Rivera fand er einen neuen Weggefährten, der ihn bis an den Atlantik begleiten wollte.

Unterwegs ernährten sich Stafford und Rivera von Piranhas, die sie aus dem Fluss zogen, Reis und Bohnen sowie Proviant, den sie in den Dörfern entlang ihres Weges einkauften. Mit der Außenwelt blieb Stafford auch im dichtesten Dschungel verbunden. Über ein Satellitenmodem hielt er die Welt mit Einträgen in seinem Blog auf dem Laufenden. Sponsoren sorgten dafür, dass der Brite auf den Kosten für die Reise von rund 100.000 Euro nicht sitzenblieb.

"Wenn der Gringo auftaucht, wird er getötet"

Auf ihrem Weg entgingen der Brite und sein Kamerad so ziemlich allen Gefahren, die im Amazonasbecken lauern: fünfeinhalb Meter lange Kaimane, riesige Anakondas, tropische Krankheiten, Nahrungsmittelknappheit. Etwa 50.000 Mückenstiche habe er erlitten, und einmal habe er in einer einzigen Sitzung 42 Zecken aus seiner Haut gedreht, schrieb er in seinem Blog.

Auch die Indianerstämme auf dem Weg waren Stafford nicht immer wohlgesinnt. Im September 2008 nahm ihn ein Stamm freundlich auf. Über Funk wollten sie das nächste Dorf auf seiner Route informieren und für ihn eine Erlaubnis einholen, ihr Gebiet zu durchqueren. "Die Antwort kam kristallklar zurück. Wenn der Gringo in ihre Siedlung komme, werde er getötet", schrieb Stafford damals in seinem Blog.

Er versuchte zwar das Dorf zu umgehen, wurde dabei aber von einem anderen Stamm gefangengenommen und den Stammesoberhäuptern vorgeführt. Stafford und Rivera mussten sich nackt ausziehen, jedes Gepäckstück wurde untersucht. Am Ende wurde eine Machete von den Indianern konfisziert. Erst nachdem sie mehrmals erklärt hatten, was sie eigentlich machten, gewannen sie die Zuneigung der Indianer. Sie erlaubten ihnen, über ihr Land weiter zu wandern - allerdings mussten sie Führer aus dem Dorf anheuern.
Von Staffords Optimismus zeugen seine neuen Pläne: Im September 2011 will er auf die nächste Expedition gehen und etwas unternehmen, was noch kein Mensch vor ihm geschafft hat. Was das sein wird, will er noch nicht verraten, damit ihm niemand zuvorkommt. Bis dahin will er sich erst einmal ausruhen.

"Diese Expedition war unser Leben. Zweieinhalb Jahre lang haben wir nichts anderes gemacht als laufen, laufen, laufen. Am Morgen danach aufzuwachen und zu wissen, dass wir es geschafft haben, wird eine große Veränderung sein", sagte Stafford. "Ich glaube aber, wir werden uns daran gewöhnen.

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Extremtour durch schwierigstes Gelände: Der Brite Ed Stafford wanderte als erster Mensch den gesamten Amazonas entlang.

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Auf ihrem Weg entgingen der 34-jährige Brite und sein 31-jähriger Kamerad so ziemlich allen Gefahren, die im Amazonasbecken lauern können: fünfeinhalb Meter langen Kaimanen, riesigen Anakondas, tropischen Krankheiten, Nahrungsmittelknappheit und natürlich dem Ertrinken.

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...von einem Skorpion gebissen und musste schon mal in einer einzigen Sitzung 42 Zecken aus seiner Haut entfernen.

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Brasilianischer Amazonasbewohner: Viele der Einheimischen sagten dem Briten voraus, dass er diese Tour niemals schaffen würde - oder erklärten ihn direkt für verrückt.

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Abenteuer Regenwald: Staffords Route hatte vorher noch niemand zu Fuß geschafft. Der Brite brauchte etwa zweieinhalb Jahre für die 6400 Kilometer.
Kato
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Beitrag von Kato »

Kilian Jornet


Für Laufinteressierte und für Menschen, die wirkliche Leistungen anerkennen können:


Es gibt bewunderswerte Menschen,
mein absolutes Vorbild in Bezug auf Trailrunning (mein Hobby, laufe ca. 50 Km/Woche) ist Kilian Jornet, der wohl weltbeste Trailläufer der Welt.
Für mich ein abs. Phänomen, die letze Meile des Western States Laufes ueber 161 KM nach 15 h erzählt er vom Spaß am Laufen, und, dass er den Lauf genossen hat, unfassbar !!!!!!!!!!

weitere Infos unter:

http://www.bjoerngrass-laufreisen.de/20 ... an-jornet/

Portraits
Kilian Jornet Burgada stammt aus den spanischen Pyrenäen und zählt zu den weltweit besten Trailläufern.

Vor wenigen Tagen gewann Kilian Jornet, als jüngster Sieger überhaupt, den "Western States 100", den bekanntesten 100 Meilenlauf der Welt.

Der Spanier, wenn auch erst 23 Jahre alt, hat bereits eine lange und erfolgreiche Karriere hinter sich.

Schon als kleines Kind tobte er sich an den Bergen der Pyrenäen aus, die er dann bereits mit 10 Jahren zu Fuß durchquerte.

Auf Skier stand er schon im Alter von 2 Jahren.

1999 (mit 12) begann Kilian Jornet mit Skibergsteigen, 2000 bestritt er seinen ersten Wettkampf und seit 2003 ist er Mitglied der spanischen Nationalmannschaft im Skibergsteigen.

2008 sowie 2009 gewann Jornet den renommierten „Ultra Trail Du Montblanc UTMB“ und 2010 wurde er Weltmeister im Sky Running. Zudem hält er die Speedrekorde u.a. für eine Überquerung der Pyrenäen, die Besteigung des Kilimanjaro und – seit ein paar Wochen – des Mount Olympus in Griechenland.








http://www.amersports.com/midcom-servea ... hq_iii.pdf

seite 27-29

Ausschnitte:

In June Kilian Jornet ran 696 kilometers over the Pyrenees easily and
naturally like a breath of fresh air.

As the years passed, Kilian’s ever more challenging
excursions became legendary. At the age of 10 he decided
to cycle from Lles de Cerdanya west through La Seu
d’Urgell, north through Andorra, and back through
France’s Puymorens pass. A 150-kilometer circuit, the
legendary “Three Nations” tour. “It was normal”, explains
Kilian. “I had always wanted to do it and I just took off.”

Unique physical profile
A champion mountain skier as well as trail runner, Kilian’s
physical profile is astounding: 171 cm, 56 kg, body fat 8%,
VO2 Max 88 to 92 ml/kg/min, lung capacity 5.3 liters, maximum
heart frequency 205 ppm, frequency in repose 34
ppm, anaerobic threshold 190 ppm.
Other statistics are even more surprising: 2’45” flat
kilometer, 12km/h on a 22% grade, ability to sustain
180ppm for 3 or 4 hours, red blood cell count of nearly
47%. Diet: fish and eggs, little meat; sleeps 7 to 8 hours
a night, spends some 300 days a year at an altitude of over
1,500 meters above sea level.

Kilian
agrees: “You don’t have to dominate the mountain, it is
much more powerful than we are. You have to try to
understand it, to learn to love it, and run with it, letting it
help you." Kilian, like the Tarahumara runners in Born to
Run, runs for his people, and for his Pyrenees. In a greater
sense, he runs for the environment, for life and for love.
No wonder it looks easy.



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Beitrag von tibesti »

Hier mal eine Geschichte abseits von spektakulären "Heldentaten"

Rais Bhuiyan

Für das Leben meines Feindes


Rais Bhuiyan kämpft gegen die Todesstrafe - und für das Leben des Mannes, der ihn beinahe umbrachte. Der Texaner Mark Stroman tötete zwei Männer, verletzte Bhuiyan lebensgefährlich, jetzt soll er hingerichtet werden. Wie wurde das Opfer zum größten Fürsprecher des Täters?


Berlin - Wenn sich Rais Bhuiyan, 37, an den Tag erinnert, an dem er getötet werden sollte, ist er ganz ruhig. Der Mann mit den akkurat gescheitelten, schwarzen Haaren und dem blauen Nadelstreifenhemd hat seine Geschichte in den vergangenen Tagen oft erzählt. Noch immer stecken 35 Schrotkugeln in seiner rechten Gesichtshälfte, doch seine Haut ist glatt und ohne Narben. Die Chirurgen haben gute Arbeit geleistet. Seine seelischen Wunden sind nicht so gut verheilt. Bhuiyan ist auf Werbetour für seine Sache. Er braucht Unterstützer, denn er will, dass der Mann, der ihm das Augenlicht nahm und das Gesicht zerschoss, sein Leben behalten darf . Das ist seine Mission.

Derzeit sieht es schlecht aus für Mark Stroman. An diesem Mittwoch soll er in einem texanischen Gefängnis durch die Giftspritze sterben. Stroman war durchgedreht, als er am 11. September 2001 im Fernsehen den Anschlag auf das World Trade Center sah. Seine Schwester starb in einem der Türme. Stroman sann auf Rache, nahm seine Schrotflinte und griff drei arabisch aussehende Männer an. Er tötete einen Tankstellenbesitzer aus Indien und einen Verkäufer aus Pakistan. Bhuiyan, geboren in Bangladesch, überlebte schwer verletzt. Inzwischen ist das Opfer von damals der umtriebigste Fürsprecher des Täters.
Bhuiyan ist Muslim. Seine Eltern - beide Islamlehrer - haben ihn streng gläubig erzogen. Sie haben ihm beigebracht: Alles kommt von Gott. Und alles hat einen Grund.

Noch im Krankenhaus vergibt Bhuiyan seinem Peiniger: "Ich habe ihm angesehen, dass er nicht unterscheiden konnte zwischen richtig und falsch. Dieser Hass war in ihm. Eine Hinrichtung macht das nicht besser."

Die Hinrichtung rückt näher - dann kommt Hilfe aus Deutschland

Bhuiyans Leben ist nach dem Mordversuch völlig aus den Fugen geraten. Seine Beziehung zerbricht, seinen Job an der Tankstelle muss er aufgeben. Neun Jahre dauert es, bis er Stromans Überfall als Chance begreift. "Ich habe endlich etwas gefunden, was mein Leben zusammenhält: den Kampf für sein Leben."

Er nimmt Kontakt zu den Familien der anderen Opfer auf, redet langsam und konzentriert auf sie ein. Er wählt seine Worte exakt, will vertrauensvoll wirken, glaubhaft. Seine Botschaft ist simpel, doch sie überzeugt: "Indem wir sein Leben retten, werden wir etwas besser machen. Wir geben vielen anderen Menschen die Möglichkeit, aus dieser Spirale der Gewalt auszubrechen."

Zusammen mit dem Menschenrechtsaktivisten Rick Halperin versucht er von nun an, Stromans Leben zu retten. Sie protestieren, versuchen vor Gericht das Verfahren neu aufzurollen, schreiben an den Gouverneur von Texas. Alles hilft nichts. Der Hinrichtungstermin rückt immer näher. Doch dann kommt unerwartet Hilfe aus Deutschland.

Bei der Menschenrechtsorganisation Reprieve in London geht ein Schreiben von einer Frau aus dem Saarland ein. Sie ist Stromans Brieffreundin , beschreibt seinen Fall. Sie berichtet von einem herzensguten, lieben Menschen, der ihr aus einer schweren Lebenskrise geholfen habe. Der bereue, was er getan habe und der es nicht verdient habe zu sterben. (Lesen Sie hier die Geschichte der Freundschaft der beiden.)

Bhuiyan geht auf Promotiontour - für den Mann, der ihn beinahe tötete

Und sie erzählt von einem "german link", von einer Verbindung von Stroman nach Deutschland. Sein leiblicher Vater Eddie, den Mark nie kennengelernt hat, soll aus Niedersachsen stammen und früher einmal Strömann geheißen haben.

Die Menschenrechtler bei Reprieve werden hellhörig. Sollte sich das beweisen lassen, könnten sie zwei mächtige Fürsprecher für Stromans Leben gewinnen: die Bundesrepublik und die Europäische Union.

Maya Foa plant die Kampagne bei Reprieve. Sie nimmt Kontakt zu Bhuiyan auf, denn sie glaubt: Wenn es jemanden gibt, der für Mark sprechen kann, dann sein Opfer. Einen besseren Anwalt kann sich Stroman kaum wünschen.

Zwei Wochen vor der Hinrichtung reist Bhuiyan auf Kosten der Organisation nach Europa. Es gibt Gespräche mit dem Pharmakonzern in Dänemark, der das Nervengift für die US-Todeskandidaten herstellt. Foa und Bhuiyan fahren nach Straßburg, um Abgeordneten des Europäischen Parlaments den Fall zu schildern. Ihr wichtigstes Treffen jedoch haben sie in Berlin mit Markus Löning, dem Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung. Lässt sich Löning überzeugen, würde es sich der Gouverneur in Texas vielleicht noch einmal überlegen, so die Kalkulation.

Ihre Euphorie ist groß, als sie in Berlin ankommen. Bei Treffen im Bundestag seien sie auf großes Interesse der Abgeordneten gestoßen, berichtet Bhuiyan. Am Nachmittag dann kommt die große Enttäuschung: Löning muss das Treffen absagen. Ein Ersatztermin kann nicht gefunden werden, zu eng ist Bhuiyans Zeitplan.

"Es geht schließlich um die Menschenrechte"

Am Telefon versichert Löning jedoch, er werde im Namen der Bundesregierung an den Gouverneur schreiben und sich für die Umwandlung der Todesstrafe in eine Haftstrafe einsetzen. Die Bundesregierung lehne die Todesstrafe grundsätzlich ab. Bestätigen, dass Stroman deutsche Wurzeln habe, könne er jedoch nicht. Dafür gebe es keine belastbaren Beweise, heißt es aus dem Auswärtigen Amt.

Ein mäßiger Erfolg. Vielleicht, so Bhuiyans Hoffnung, zeigen die Briefe aus Deutschland dennoch Wirkung. Daran glauben will er jedoch nicht so recht. Inzwischen gehe es sowieso nicht mehr um den Einzelfall, sondern um die große Sache: "Ob die Mission erfolgreich ist oder nicht, sollte nicht daran gemessen werden, ob Mark stirbt. Wir hören dann nicht auf. Es geht schließlich um die Menschenrechte, nicht um eine Lokalposse in Texas."
Eine andere Möglichkeit hat Bhuiyan wohl auch nicht. Der Kampf gibt seinem Leben eine Aufgabe. Für ihn ist es Gottes Wille.

Immerhin: Einen ersten Erfolg hat seine Werbetour bereits erbracht. Der Nervengiftproduzent aus Dänemark hat angekündigt, künftig keine Todesspritzen mehr in die USA zu liefern.

Quelle: Spiegel 19.7.11
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