Grüner sieht es völlig anders
Zwischenbilanz Kernthesen Jahresprognose 2016
Sie können die ursprüngliche Prognose 2016 hier nachlesen:
https://www.gruener-fisher.de/files/sit ... e-2016.pdf
Unsere Kernthesen
1. Der von uns bereits öfter gezogene Vergleich mit der Entwicklung in der zweiten
Hälfte der 90er-Jahre ist intakt. Wir befinden uns inmitten der „Goldilocks
Economy“: Moderates, globales Wachstum und wenig Inflation. Weitestgehend frei
von schädlichen politischen Einflüssen, keine Euphorie in Sicht. Das Sentiment ist
immer noch skeptisch genug, um eine „Mauer der Angst“ zu erzeugen. Unser
Primärszenario lautet deshalb: Trotz des schwachen Jahresstarts an den
Aktienmärkten ein per Saldo typisches Jahr im reifen Bullenmarkt. Wie hoch das
Aufwärtspotential an den globalen Aktienmärkten letztendlich ausfallen kann, hängt
vor allem von einer Verbesserung der aktuell sehr skeptischen Erwartungshaltung
ab. Letztendlich sind wir für 2016 moderat positiv. Ein per Saldo heftiges
Abwärtsszenario halten wir für die unwahrscheinlichste Variante. Die Risiken dürfen
jedoch nicht unterschätzt werden. Scharfe Korrekturen und eine im Vergleich zu
2015 nochmals gesteigerte Volatilität müssen einkalkuliert werden. Regionale
Schwächephasen müssen durch eine globale Aufstellung ausbalanciert werden.
Bisherige Entwicklung: Wir befinden uns weiterhin im nahezu „idealen
Umfeld“. Wenig Inflation, moderates Wachstum und eine expansive
Notenbankpolitik. Parallel dazu bleibt die Skepsis - inmitten zahlreicher
Korrekturen - hoch. In den 90er-Jahren war dies nicht anders. Diese
heutige „Goldilocks Economy“ wird übersehen. Ein überragend positiver
Faktor!
2. Unsere moderat positive Erwartungshaltung gilt gleichermaßen bezüglich der
Aktienmärkte in Europa und den USA. Die niedrige Erwartungshaltung inmitten des
Bärenmarktes der Emerging Markets (auch China) könnte dort im Jahresverlauf
eine positive Trendwende begünstigen.
Bisherige Entwicklung: Die Erwartungshaltung vieler Anleger ist immer
noch skeptisch bis nur moderat positiv. Sollte sich die Stimmung im Laufe
des zweiten Halbjahres nur geringfügig verbessern, kann dies gewaltiges
Kurspotential auslösen. Die Emerging Markets inklusive China haben sich
bereits deutlich von ihren Tiefstständen lösen können.
3. Für den US-Dollar nehmen wir ebenfalls eine nur noch moderat positive Haltung
ein. Die positive Erwartungshaltung hinsichtlich einem starken US-Dollar erscheint
uns bereits weitgehend eingepreist zu sein. Die Diskussionen hinsichtlich der Carry
Trades und einer sich ausweitenden Zinsdifferenz zu Gunsten des US-Dollar lassen
uns hier vorsichtiger werden.
Bisherige Entwicklung: Der US-Dollar konnte sich in 2016 bisher nicht stark
zeigen. Lediglich gegenüber dem schwachen Britischen Pfund legte der
„Greenback“ zu. Der Euro war im ersten Halbjahr 2016 stärker als der USDollar.
Das Sentiment ist dabei weiterhin „Anti-Euro“ geblieben. Dies steht
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einem deutlichen Verfall des Euro tendenziell entgegen. Der Kursrutsch
beim Britischen Pfund war im Bereich der Währungen die zentrale
Überraschung des Jahres 2016.
4. Der Bärenmarkt im Rohstoff- und Ölsektor tritt in seine Spätphase ein. Tendenzen
zur Bodenbildung sollten im Jahresverlauf erkennbar werden. Die Stimmung hat
bereits ein hohes Maß an Skepsis erreicht. Weitere Übertreibungen nach unten
müssen zwar einkalkuliert werden, übergroßer Pessimismus erscheint uns auf den
aktuellen Kursniveaus jedoch nicht mehr angebracht.
Bisherige Entwicklung: Der Rohstoff- und Ölsektor startete nochmals
extrem schwach in das Börsenjahr 2016. Anschließend setzte eine rasante
Erholung ein. Eine Bodenbildung erscheint erfolgt. Ein für Wendepunkte
typischer, panikartiger Ausverkauf hat stattgefunden. Parallel dazu haben
viele Banken ihre Prognosen - nahe der Tiefpunkte - drastisch korrigiert
und haben damit die gesehene Wende verpasst.
5. In diesen Tagen wird verstärkt ein Vergleich der aktuellen Situation mit 2007 und
2008 gezogen. Diese negative Vorlage hinkt jedoch gewaltig. Grundlegender
Unterschied ist das aktuelle Niedrigzinsniveau. Die deutsche Umlaufrendite lag
beispielsweise Anfang 2008 bei 4,34 Prozent. Heute bei 0,37 Prozent! Zusätzlich
gibt es heute keine inverse Zinsstrukturkurve. Die Notenbanken befinden sich auch
Anfang des Jahres 2016 noch immer im Krisenmodus. Ende 2007 war die
Sorglosigkeit wesentlich größer. Auch damals gab es warnende Stimmen - die gibt
es aber immer. Vor allem der Optimismus gegenüber Finanzwerten war damals sehr
groß. Tiefe KGVs, hohe Dividenden, empfohlen vor allem von Value-Investoren. Die
heutige Situation stellt sich fast gegenteilig dar. Finanzwerte gelten weiterhin als
riskant.
Bisherige Entwicklung: Der Vergleich zu 2008 hat sich - wie von uns
erwartet - nicht bewahrheitet. Die von uns skizzierten Unterschiede zu
2008 haben sich bisher durchsetzen können. Die Zinsstrukturkurve ist
nicht invers geworden. Von angeblicher Sorglosigkeit ist weiterhin nichts
zu spüren. Im Umfeld neuer Rekordkurse in den US-Indizes haben die
warnenden Stimmen sogar zugenommen. Gut so im Sinne eines
Kontraindikators!
6. Der globale Terror bleibt ein großes Thema. Leider werden auch Länder wie
Deutschland fast zwangsweise nicht verschont bleiben. Die Flüchtlingsproblematik
und die damit verbundenen gesellschaftspolitischen Probleme erhöhen massiv den
Druck auf Bundeskanzlerin Merkel. Die Ergebnisse der diversen Landtagswahlen im
Jahresverlauf werden wichtige Stimmungstests darstellen. Obwohl deren
nachhaltiger Einfluss auf die Aktienmärkte begrenzt sein sollte, werden die Wahlen
und gesellschaftspolitischen Diskussionen für eine höhere Volatilität sorgen.
Bisherige Entwicklung: Gerade die Entwicklungen in den letzten Tagen
haben unsere Befürchtungen leider auf tragische Art und Weise bestätigt.
Gerne hätten wir uns geirrt. In den nächsten Monaten sollten deutliche
Reaktionen der Politik auf die globale Terrorbedrohung erfolgen. Die
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jüngsten Anschläge und Amokläufe werden ganz neue Sicherheitskonzepte
erforderlich machen.
7. Bereits im letzten Jahr empfahlen wir, sich nicht am Kalenderjahr sondern am
übergeordneten Zyklus an den Finanzmärkten zu orientieren. Die zufällige
Komponente einer Jahresprognose zeigt sich vor allem darin, dass bereits
geringfügige „Verschiebungen“ des Kalenders um wenige Wochen - nach vorne oder
hinten - die Ergebnisse maßgeblich verändern können. Am 31. Dezember wird in
diesem Sinne eine „Stichprobe“ zu einem zufällig ausgewählten Zeitpunkt
entnommen. Ob diese Wasserstandsmeldung ein relativ gutes oder relativ
schlechtes Ergebnis liefert, sagt unter Umständen wenig über die übergeordnete
Bewegung der jeweiligen Anlageklasse aus.
Bisherige Entwicklung: Es hat sich wieder einmal gelohnt, nicht auf das
kurzfristige Zeitfenster zu achten. Der vermeintliche Bärenmarkt in Europa
hat sich letztendlich als nicht nachhaltig bestätigt. Die US-Indizes haben
sogar neue Höchststände verzeichnen können. Es bleibt dabei:
Jahresvergleiche verzerren oft das Bild.
8. Wir erwarten weiterhin ein „positives Gesamtpaket“: Die hohen
Bewertungsunterschiede zwischen den Rentenmärkten (im Nullzinsbereich
gefangen) und den attraktiven Bewertungen - in Kombination mit ordentlichen
Dividendenrenditen - im Aktienbereich sollten sich sukzessive angleichen. 2014 und
2015 waren isoliert betrachtet für die Aktienmärkte nur moderat positiv.
Grundsätzlich hilft die relative Attraktivität den Aktienmärkten gegenüber
alternativen Anlageklassen, wenn der Anpassungseffekt auch noch einige Jahre
beanspruchen könnte. Die KGV-Schere zwischen Aktien und Anleihen ist immer
noch historisch außerordentlich groß. Auch diese Konstellation macht einen
einsetzenden Bärenmarkt unwahrscheinlich. Die Zinsänderungsrisiken erscheinen
uns bei Anleihen mit langen Laufzeiten wesentlich höher.
Bisherige Entwicklung: Die KGV-Schere zwischen Anleihen und Aktien hat
sich sogar noch weiter vergrößert. Die relative Bewertung der
Aktienmärkte hat sich dabei nochmals verbessert und ist rational nicht
mehr sinnvoll zu erklären. Der „Angst-Discount“ der Aktienmärkte bleibt
gewaltig und sollte sich tendenziell auflösen. Das positive
Überraschungspotential bleibt aus unserer Sicht dabei weiter erheblich.
9. Die FED hat eine lange Historie, sich in Wahljahren tendenziell zurückzuhalten. 2016
wird der neue US-Präsident gewählt. Dies macht eine aggressive Vorgehensweise
bei den Zinserhöhungen tendenziell unwahrscheinlich. Die EZB wird weiterhin eine
expansive Geldpolitik im großen Stil betreiben. QE wird nach wie vor als der große
Heilsbringer für die Märkte angesehen. Allerdings werden die Banken durch die
damit flachere Zinsstrukturkurve nicht zur Kreditvergabe animiert. Ebenso wird die
Kreditaufnahmebereitschaft der vermögenden Bevölkerung nicht stärker. Kredite
sind zwar billig, aber die Verzinsung auf dem Festgeld ist eben nahe Null. Ein
schönes und oft erlebtes Beispiel dafür: Immobilienkäufe werden deshalb nicht
fremdfinanziert, sondern mangels lohnenden Anlagemöglichkeiten im defensiven
Bereich „Cash“ bezahlt. Auch alternative Investments wie Oldtimer, Kunst oder
Ferienimmobilien zeigen irrationale Preissprünge.
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Bisherige Entwicklung: Die FED hat sich deutlich zurückgehalten. Die
Ängste rund um den Brexit haben die Notenbanker dabei zusätzlich
vorsichtig agieren lassen. Weiterhin nutzen nur wenige Anleger die
günstigen Kredite und diverse neue aufsichtsrechtliche Regelungen
erschweren das Kreditgeschäft der Banken zusätzlich. Die von uns bereits
häufig als kontraproduktiv kritisierte und nur vermeintlich expansive
Geldpolitik der Notenbanken verfehlt dabei ihr Ziel. Die Zinsstrukturkurven
werden am langen Ende durch die Anleihekäufe der Notenbanken
gedrückt, die Zinsmarge der Banken wird kleiner und folglich sinkt die
Motivation zur Kreditvergabe. Parallel dazu verhindert auch die hohe
Risikoaversion der Anleger eine Kreditaufnahme. Trotz rekordtiefer
Kreditzinsen werden Immobilienkäufe oft durch Eigenkapital finanziert.
Die Tendenz zu irrationalen Preissprüngen im Bereich der
Ferienimmobilien, Oldtimern und Kunst hat sich dabei im ersten Halbjahr
2016 nochmals rasant beschleunigt. Eine Blase hat sich gebildet.
10. Mega Caps sollten weiterhin bevorzugt werden. Viele Anleger sehen es derzeit als
Risiko, dass der Markt selektiver geworden ist und nicht mehr in der vollen Breite
steigt. Das ist allerdings ein typisches Muster im reifen Bullenmarkt. Es heißt nicht
mehr „die Flut hebt alle Boote“, sondern der Mega Cap-Effekt setzt sich durch. Der
Markt wird zunehmend schwieriger und differenzierter.
Bisherige Entwicklung: Die Tendenz hin zu Mega-Caps setzt sich weiterhin
nur allmählich durch. Für uns ein weiterer Aspekt, dass der Bullenmarkt
noch deutlich Luft und Potential nach oben aufweist. Die Märkte werden
dabei zunehmend selektiver.
11. Die Bankenregulierung verschärft einige Probleme. Banken verabschieden sich
zunehmend aus dem Eigenhandel und fallen als große Käufer- und Verkäufergruppe
aus. Als großes Risiko wird „Algo-Trading“ identifiziert - umgekehrt ist es allerdings
ein eher größeres Risiko, wenn die Liquidität an den Märkten kleiner wird, da
gewichtige Marktteilnehmer wegfallen.
Bisherige Entwicklung: Die anhaltende Bankenregulierung halten wir
weiterhin für einen der größten und oftmals unterschätzten
Risikofaktoren. Auch wir halten viele Praktiken der Banken für nicht
kundenorientiert. Viele neue Regeln und Vorgaben dienen jedoch nur in
sehr geringem Ausmaß dem Anlegerschutz und faireren Dienstleistungen,
sondern sorgen für unnötige Bürokratie und zusätzliche Kosten. Der
expansiven Geldpolitik steht diese Entwicklung weiterhin als großes
Hemmnis entgegen. Im Nullzinsumfeld mit schwachen Margen fallen die
Banken als wirtschaftlicher Faktor weitgehend aus, der Hang zur
Risikovermeidung wird tendenziell weiter erhöht. Für die
Gesamtwirtschaft eine zunehmende Bedrohung. Politisch bleibt diese
fortgesetzte Bankenregulierung jedoch weiterhin favorisiert, in der
Bevölkerung weitestgehend akzeptiert und sollte uns daher als
Belastungsfaktor erhalten bleiben.