Die größten Fehler beim Verhandeln

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martinsgarten
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Die größten Fehler beim Verhandeln

Beitrag von martinsgarten »

Die größten Fehler beim Verhandeln
Manager finden sich ständig in Verhandlungssituationen wieder - mit Kunden, Lieferanten, Partnern, dem Aufsichtsrat

von Jochen Deister

Fehler 1: Der Mythos vom ersten Angebot

Fast schon eine Glaubensfrage ist das erste Angebot - keine der Parteien will sich als erste offenbaren. Dabei hat das erste Angebot erhebliche psychologische Wirkung. Denn solange es nicht Extreme annimmt, wird damit der erste wesentliche Pflock eingeschlagen. Die andere Partei muss sich dann von dieser Position wegarbeiten, was naturgemäß schwieriger ist. Wer also ausreichend Informationen hat, um die ungefähre Verhandlungszone einzuschätzen, sollte als erster den Mund öffnen. Bei Verträgen ist es zudem wesentlich, einen eigenen Entwurf zu übermitteln.

Fehler 2: Stille als unangenehm empfinden

Im westlichen Kulturkreis wird Stille meist als unangenehm empfunden. Man versucht unbewusst, die Leere zu füllen und sich des Wohlwollens des Verhandlungspartners zu versichern. In einer solchen Situation verschenken viele Manager dann kleine Konzessionen, sozusagen als kleine Aufmerksamkeit, um das Gespräch wieder in Gang zu bekommen. Gerade asiatische Verhandlungspartner wissen dies auszunutzen und blicken dem westlichen Verhandler einfach in die Augen, bis der sämtliche eigenen Positionen aufgegeben oder intime Details über seine Verhandlungsstrategie offenbart hat. Besser fährt man, wenn man sich in einer solchen Situation zurücklehnt und entspannt zurücklächelt. Wem das nicht liegt, der kann sich auch mit der Bitte um eine kurze Pause retten.

Fehler 3: Unnötig verhandeln

Überall und mit jedem wird verhandelt - und das häufig unreflektiert. Manager beanspruchen so die wertvolle Ressource Zeit, ohne sich über ihren effizienten Einsatz Gedanken zu machen. Sie sollten sich aber bewusst nur auf die strategisch wichtigen und kommerziell relevanten Verhandlungen konzentrieren. Die anderen Gespräche können sie Mitarbeitern übertragen. Wichtig ist daher, sich bewusst zu machen, dass es fünf grundlegende Verhandlungsstrategien gibt: kollaborativ, kooperativ, kompetitiv, entgegenkommend und ausweichend. Und für jede existieren spezifische Anwendungsszenarien, die man beachten sollte.

Fehler 4: Nur bestehende Kuchen verteilen

Viele gehen davon aus, dass man bei erfolgreichen Verhandlungen einen für beide Seiten annehmbaren Kompromiss erreichen muss. Bildlich gesprochen geht es um die Verteilung eines bestehenden Kuchens. Dieser Verteilungsansatz trifft auch zu, wenn sich die Diskussionen nur um den Preis drehen: Was der eine weniger zahlt, erhält der andere weniger und umgekehrt. Dieser Ansatz lässt aber das Potenzial einer gut vorbereiteten Verhandlung außer Acht. Wenn sich die Parteien nicht nur über den Preis, sondern auch über andere, auf den ersten Blick vielleicht ferner liegende Punkte unterhalten, kann der Kuchen noch mit Zuckerguss und Kerzen angereichert werden. Diese Kreativität erfordert, dass sich beide Parteien im Vorfeld überlegen, wie sie in ihrer Zusammenarbeit noch besser voneinander profitieren können - und das wiederum funktioniert nur, wenn man Zeit hat, sich auf diese Punkte zu konzentrieren.

Fehler 5: "Keine Ursache"

Auch nach Abschluss eines Vertrags finden Verhandlungen statt - nach dem Vertrag ist vor dem Vertrag. Bei der Ausführung interagieren die Parteien oft informell und bereiten den Boden für die Verlängerung oder Erweiterung eines Projekts. Man kann dabei sehr formalistisch vorgehen und jede Änderung des ursprünglichen Vertrages schriftlich festhalten. Ob dann aber wirklich ein Folgeauftrag kommt, ist fraglich. Geschickter ist es daher, gezielt "Gefallen" zu tun und das eine oder andere unbürokratisch zu lösen.

Die Gefahr besteht dabei allerdings, dass diese Gefallen in Vergessenheit geraten. Aussagen wie "Keine Ursache. Das war doch gar nichts" sind oft Grund dafür, dass sich die andere Seite später nicht mehr an das Entgegenkommen erinnern kann. Deshalb muss die Antwort auf das "Danke" des Vertragspartners lauten: "Gern geschehen. Ich weiß, dass Sie mir auch einen solchen Gefallen getan hätten" - auch wenn es schwerfällt. Dann haftet diese Episode eher dauerhaft im Gedächtnis des Gegenübers.

Fehler 6: Keine Fragen stellen

Von Managern werden Entscheidungen verlangt, permanent und schnell sollen sie fallen. Dies schlägt sich auch in Verhandlungen nieder: Die eigene Position wird erläutert und verteidigt. Dabei sollen doch Verhandlungen Gespräche sein, die dem Austausch der gegenseitigen Interessen dienen. Fragen sind daher Grundpfeiler einer vertrauensvollen Verhandlung. Dadurch muss man aber nicht das Heft des Handelns aus der Hand geben. Denn: Wer fragt führt. Ernsthaft eingesetzt vertiefen Fragen außerdem das Vertrauen zwischen den Partnern. Kommt der Befragte zu dem Schluss: "Da interessiert sich einer wirklich für mich und meine Interessen", ist dies ein großer Schritt in Richtung auf einen erfolgreichen Abschluss. Gerade Juristen, bei denen oft eine egoistische Verfolgung der Mandanteninteressen vermutet wird, können mit Fragen Barrieren niederreißen.

Fehler 7: Nicht wissen, wohin man will

Oft gehen Manager in Verhandlungen, ohne auch nur annähernd zu wissen, wohin sie wollen und wann sie gehen müssen. Gerade weil dann oft keine Alternative vorliegt, enden Verhandlungen mit einem nicht vorteilhaften Ergebnis.

Fehler 8: Man sieht sich nur einmal

Wenn man eine starke Position hat - etwa einen scheinbar problemlos durchsetzbaren Anspruch -, tendieren Juristen dazu, ihrem Mandanten zu einer sehr harten Linie zu raten. Für den Moment scheint diese Strategie auch Erfolg zu versprechen. Langfristig wird dabei aber das wertvollste Gut eines dauerhaft erfolgreichen Verhandlers zerstört: Vertrauen. Denn schon morgen kann man auf der anderen Seite stehen, und der "harte Hund" wird dann schnell windelweich geprügelt. Vertrauen aufzubauen braucht viel Zeit und ein gutes Maß an Fairness, zerstört werden kann es nachhaltig in nur wenigen Minuten.

Fazit: Verhandeln ist keine angeborene Fähigkeit, sondern ein Prozess, der immer nach ähnlichen Spielregeln abläuft. Der erfolgreiche Manager macht sich dies stets bewusst und richtet sein Handeln danach aus. Und für Vergessliche mag es eine Lösung sein, vorab auf die zweite Seite des Notizblocks zu schreiben: Wie wäre es jetzt mal mit einer Frage?

Der Autor, Jochen Deister, ist Professor für deutsches und internationales Wirtschaftsrecht an der German Graduate School of Management and Law in Heilbronn.

Quelle
„Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert.“
(Albert Einstein, 1879–1955)
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