von trutz » 19.04.2014 12:33
Investmentfonds: Noch ist es nicht zu spät, mehr für die Aktie zu tun
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Noch ist es nicht zu spät, mehr für die Aktie zu tun
Um die Aktienkultur ist es schlecht bestellt - Dabei ist ein stärkeres Engagement die Antwort auf eine drängende Zukunftsfrage - Wohlstand im Alter sichern
Börsen-Zeitung, 23.11.2013
Reich wird, wer in Unternehmen investiert, die weniger kosten, als sie wert sind. So macht es Warren Buffett, der wohl bekannteste amerikanische Großinvestor. Und nach gleicher Devise agiert das Gros der amerikanischen Aktienanleger. Sie suchen weltweit nach unterbewerteten Unternehmen - und werden immer öfter am deutschen Aktienmarkt fündig. Vor allem die 30 Dax-Konzerne stehen hoch in der Gunst ausländischer Investoren. Jede fünfte Dax-Aktie ist im Besitz von US-Bürgern. Aber auch Sparer aus anderen Nationen haben deutsche Unternehmenswerte für sich entdeckt. Insgesamt liegen gut 55 % der Dax-Aktien in deren Depots, so eine Studie von Ernst & Young. Das sind 60 % mehr als noch zur Jahrtausendwende. Ein neuer Rekordwert, und gleichzeitig ein Armutszeugnis für die deutsche Aktienkultur.
Deutsche halten Füße still
Denn während sich Investoren aus dem Ausland immer stärker am deutschen Aktienmarkt engagieren, halten die heimischen Anleger lieber die Füße still. Zwar ist die Zahl der deutschen Aktionäre zuletzt nicht nennenswert gefallen. 14,6 % der Bevölkerung investieren nach Aussagen des Deutschen Aktieninstituts in Dividendenpapiere. Aber das Interesse an der Aktienanlage ist auch nicht gestiegen - trotz der wahrlich beeindruckenden Kursentwicklung des deutschen Leitindex.
Dass sich Deutschland auf absehbare Zeit nicht zum Land der Aktiensparer mausern wird, steht außer Frage. Zu tief sitzt bei vielen bis heute die Erinnerung an hohe Kursverluste nach dem Platzen der Dotcom-Blase. Und dass sich ausgerechnet die T-Aktie noch mehrheitlich in den Depots deutscher Anleger findet, macht die Sache nicht besser. Nach den schmerzhaften Kursverlusten ist die jüngste Erholung der einstigen Volksaktie nicht mehr als ein Achtungserfolg. Über die erfolgreichen Gewinner der letzten Jahre freuen sich dagegen andere. Aktien von Bayer, Linde, Munich Re oder Adidas sind bei ausländischen Investoren heiß begehrt.
Nicht ohne Folgen
Ganze 5 % des deutschen Privatvermögens sind heute in Aktien investiert. In den USA liegt die Quote bei etwa 35 %. Das bleibt nicht ohne Folgen. So sind die Deutschen zwar die fleißigeren Sparer. 11 % des verfügbaren Nettoeinkommens legt der Durchschnittsbürger derzeit zur Seite, in den USA beträgt die Quote nur 4 %. Aber trotzdem fallen die Deutschen beim Vermögenszuwachs im internationalen Vergleich zurück. Bei gleichen Anlagebedingungen, aber dank besserer Vermögensaufteilung erarbeiten sich US-Sparer im Schnitt einen Renditevorteil von 1 % pro Jahr.
Nun liegt es in der Verantwortung jedes Einzelnen, wie er seine Vermögensanlage gestaltet. Und offensichtlich fühlen sich die Anleger hierzulande sehr wohl, wenn sie viel in Sicherheit und wenig in Risiko investieren. Für 66 % ist Sicherheit der wichtigste Aspekt bei der Geldanlage, nur für 10 % steht der Gewinn im Vordergrund, so die Ergebnisse einer repräsentativen Anlegerbefragung von Union Investment. Die Frage ist nur, ob sich die Deutschen den damit einhergehenden Verzicht auf Rendite wirklich leisten können.
Fakt ist, dass die Rahmenbedingungen für das Aktiensparen in Deutschland nicht die besten sind. Es fehlt schlicht der Anreiz, beim langfristigen Vermögensaufbau stärker auf die Renditechancen einer Aktienanlage zu setzen. Da ist zum einen das enge regulatorische Korsett, das Aktiensparen für den Privatanleger immer komplizierter macht. Zum anderen sucht man hierzulande vergebens nach steuerlichen Vorteilen für den Aktiensparer. Im Gegenteil: Mit der Einführung der Abgeltungsteuer wurden Aktienanlagen sogar schlechter gestellt als viele andere Anlageformen.
So muss die Versteuerung der Erträge sowohl auf Unternehmens- als auch auf Anlegerseite erfolgen. Außerdem sind die Gewinne beim Verkauf einer Aktie immer zu versteuern - egal wie lange beispielsweise ein Sparvertrag läuft und unabhängig vom Verwendungszweck der Anlage. In der Konsequenz führt dies gar zu einer steuerlichen Diskriminierung von Eigenkapitalinvestoren. Und das höhere Risiko, das mit einer Aktienanlage einhergeht, wird steuerlich auch nicht entlohnt.
Die Früchte ernten andere
Ein Vorstoß zum Abbau der steuerlichen Nachteile ist derzeit nicht in Sicht. Keine der etablierten Parteien macht sich für den privaten Aktienanleger stark. Dabei wäre eine stärkere Beteiligung der Deutschen am Produktivkapital dieses Landes mehr als wünschenswert. Für jeden Einzelnen, weil er über seine Kapitalanlage direkt von der wirtschaftlichen Stärke der hiesigen Unternehmen profitieren könnte. Dass dies ein durchaus lohnendes Geschäft ist, zeigt das zuvor beschriebene große Interesse der ausländischen Investoren an der deutschen Großindustrie. Hierzulande sind wir stolz auf die starke Stellung unserer Konzerne am Weltmarkt. Aber wir schauen unbeteiligt zu, wie andere die Früchte ernten.
Von Vorteil wäre ein stärkeres Aktienengagement des deutschen Anlegers auch für die Unternehmen. Je besser diese sich über den heimischen Kapitalmarkt refinanzieren können, umso stärker können sie ihre Investitionspolitik an den Interessen deutscher Anleger ausrichten. In der Konsequenz ist dies auch für den Standort Deutschland ein klarer Vorteil. Wenn dagegen ausländische Investoren mehr als drei Viertel der Unternehmensanteile halten, wie dies bei der Deutschen Börse oder Adidas der Fall ist, dann rücken auch deren Interessen stärker in den Fokus.
Schließlich wäre ein stärkeres Aktienengagement der Deutschen auch für die Allgemeinheit von großem Vorteil. Denn uns steht eine enorme gesellschaftliche Herausforderung bevor: den Wohlstand im Alter zu sichern. Inzwischen hat bereits jeder zweite Deutsche Angst vor Altersarmut, so eine aktuelle Erhebung des Deutschen Gewerkschaftsbunds. Deshalb sind immer mehr Menschen auch bereit, zusätzlich fürs Alter zu sparen. Die Frage ist nur: Wie kann das gelingen, bei historisch niedrigen Zinsen für sichere Anlagen? Mehr Aktiensparen ist die Antwort. Dazu ist es aber notwendig, das Vorsorgesparen in Aktien in einer breiten gesellschaftlichen Gruppe zu verankern. Andere Länder sind uns auf diesem Weg weit voraus. Beispiel USA: Ein Großteil der Bürger nutzt dort das Aktiensparkonto für die Rente. Weil diese Spardepots staatlich gefördert sind: Aktienkursgewinne und Dividenden bleiben steuerfrei, selbst die Sparbeiträge können steuerlich geltend gemacht werden. Weil das Sparen in Aktien auch vom Arbeitgeber unterstützt wird. Und weil der bürokratische Aufwand vergleichsweise gering ist.
Handlungsdruck wächst
Auch Deutschland stünde es gut zu Gesicht, seinen Bürgern Rahmenbedingungen zu schaffen, mit denen das private Kapital besser für die Wohlstandssicherung der Bevölkerung arbeiten kann. Die Erkenntnis, dass dafür die langfristige Aktienanlage enorm wichtig ist, muss nicht nur bei den Anlegern, sondern auch auf Seiten der Politik offensichtlich noch reifen. Der Handlungsdruck wird wachsen, solange mit klassischen Spar- und Versicherungsanlagen der Vermögenserhalt bei niedrigen Zinsen kaum mehr zu sichern ist. Noch ist es nicht zu spät, mehr für die Aktienkultur in Deutschland zu tun. Profitieren wird davon jeder einzelne Sparer.
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Jens Wilhelm, Vorstandsmitglied von Union Investment
Börsen-Zeitung, 23.11.2013, Autor Jens Wilhelm, Vorstandsmitglied von Union Investment, Nummer 226, Seite B 1, 1004 Worte
Ganz im Gegenteil hierzu,wird von Teilen der SPD nun eine Erhöhung der Abgeltungssteuer in Richtung 32% gefordert.