Crack up Boom – Wenn Geld nicht mehr zählt (Teil 1)
von Frank Meyer
An den Finanzmärkten und in der Wirtschaft scheint man sich einig zu sein, dass die sogenannte Krise vorbei ist – bis zur Wiederauflage.
Probleme wurden nicht gelöst, dafür in die Zukunft verschoben.
Von einem Boom ist mancherorts schon die Rede.
Ist es ein sogenannter Crack up Boom?
Darüber sprach ich mit Ralf Flierl, dem Chefredakteur vom „Smart Investor“...
Die Worte hört man wohl. Wie aber sieht es mit dem Glauben aus? Wie trügerisch ist das Bild?
Wenn ich es kurzfristig oder auch mittelfristig sehe, stimmt die Aussage, dass wir jetzt einen Aufschwung bekommen, dass auch die Börse weiter steigt.
Wenn ich es längerfristig sehe und mir das Finanzsystem sehe, würde ich sagen, dass wir nur in einer Zwischenerholung sind und das System weiter seinen Weg geht - in Richtung Abgrund.
Meinen Sie, wir haben es im Moment mit einer Scheinblüte zu tun?
Ja, so würde ich es sehen. Ich gehe davon aus, dass wir jetzt schon eine hohe Inflation haben und zukünftig eine noch viel größere bekommen werden, die zum Schluss vielleicht sogar hyperinflationäre Züge tragen kann.
Eine Inflation an sich ist ja nichts anderes, als dass sich Schein und Sein auseinander entwickeln. Das heißt: Das Sein ist unser reales Leben, unsere reale Kaufkraft. Und die (Hyper)inflation verschleiert das im Prinzip.
Wir sehen steigende Aktienmärkte und nach oben preschende Rohstoffpreise.
Gleichzeitig erzählen aber die Experten und solche, die sich dafür halten, es bestünde eine Gefahr der Deflation – vor allem in Amerika. Wie passt das überhaupt zusammen?
Es ist in der Tat so, dass es deflationäre Tendenzen gibt.
Das kann gar keiner leugnen.
Die Frage ist aber, was ist der Nettoeffekt von allen Tendenzen.
Da würde ich sagen, dass dieser eindeutig inflationär ist.
Es kommt immer darauf an, wo man hinschaut: Wenn ich mir nur weiße Ware oder Elektronik anschaue, dann kann ich definitiv einen deflationären Effekt erkennen.
Schauer ich mir aber Bereiche an, wo kein so starker Wettbewerb vorherrscht, wo vor allem der Staat seine Finger im Spiel hat, gehen die Preise sowieso nach oben. Das eine ist also, wo man hinschaut.
Das andere ist, ob den offiziellen Zahlen überhaupt zu glauben ist.
Bleiben wir noch einen Moment beim Thema Inflation/ Deflation. Die Voraussetzung für eine Deflation wäre doch auch, dass sich die Leute zwar verschulden würden, sie aber nicht mehr in der Lage dazu sind. Muss man dann nicht vor allem in den sogenannten entwickelten Industrienationen nicht eher mit Deflation rechnen statt mit Inflation?
In einem Papiergeldsystem wie in unserem, ist es notwendig, dass die Verschuldungsmenge und respektive auch die Geldmenge steigt.
Vor dem Hintergrund könnte man vor dem Hintergrund der schrumpfenden oder allenfalls stagnierenden Geldmengen in der westlichen Welt davon ausgehen, dass wir deflationäre Entwicklungen haben bzw. Deflationspotential.
Zugleich muss man auch sehen, dass die potentiellen Schuldner sich nicht mehr weiter verschulden können. (Private und Unternehmen)
Aber es springt ja ein gigantisch großer Schuldner ein, nämlich der Staat.
Er übernimmt im Prinzip die Schulden derer, die nicht mehr können oder auch die Verbindlichkeiten derer, die pleite zu gehen drohen, indem er zum Beispiel Hilfspakete auflegt. All diese Pakete sind Auffangnetze für gestrauchelte Privatunternehmen oder andere Staaten wie Griechenland und diese sind quasi Geld.
Es würde sofort abgerufen werden, wenn eine Pleite droht.
Das alles kann der Staat natürlich niemals aus der Portokasse bezahlen, sondern er müsste sich wieder neu verschulden.
Der Staat springt quasi in die Bresche für die, die sich nicht mehr verschulden können – was keine gesunde Entwicklung ist.
Sie vertreten seit geraumer Zeit die Meinung, angelehnt an die Schulde der österreichischen Nationalökonomie, dass wir einen Crack Up Boom sehen werden. Was ist das genau?
Das erste Mal erwähnt wurde dieser sogenannte Crack Up Boom von Ludwig von Mises. Er ist der wohl herausragendste Kopf innerhalb der Österreichischen Schule.
Er hat diese Crack up Boom These unter dem Eindruck der hyperinflationären Zeit in Deutschland (1920-1924) herausgearbeitet.
Die damalige Zeit ist nicht hundertprozentig mit der jetzigen zu vergleichen, aber in vielen Punkten schon.
Er hat gesehen, dass durch das ewige Gelddrucken und das ewige Befeuern der Wirtschaft durch den Staat bei relativ niedrigen Zinsen es dazu kommen musste.
Der Staat musste damals wild Geld drucken, weil Deutschland unter der Last der Reparationszahlungen aus dem 1. Weltkrieg zu zerbrechen drohte. Wir vermuten, dass uns zumindest vom Prinzip her etwas Ähnliches bevorsteht – und zwar nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa und in den USA
Was werden die Zentralbanken tun?
Sie könnten die Zinsen anheben, wäre die landläufige Meinung.
Geht das überhaupt (noch)?
Das ist natürlich die Vorstellung der Mainstream-Ökonomen, dass man das jetzt offensichtlich zu viele Geld, welches man in die Märkte gepumpt hat, um sie vor dem Zusammenbruch zu retten (Bankenkrise, Griechenlandkrise), wieder abziehen bzw. neutralisieren könnte.
Da ist man sich übrigens auch einig, dass es zuviel Geld im System gibt.
Wo man sich aber streitet ist, wie man das Geld wieder rausholen kann, ohne dass man der Wirtschaft schadet.
Ich behaupte, man kann es nicht mehr – nur phasenweise.
Es ist aus meiner Sicht schwierig, denn man müsste das auch über steigende Zinsen machen.
Zudem muss man wissen, dass sich die Wirtschaft in zwei Hälften geteilt hat. Der einen Hälfte geht es gut. Ich nenne hier mal exemplarisch die Firma Nestlé, die gut dasteht, die Nahrungsmittel produziert, die jeder braucht. Und Nestlé ist relativ unbetroffen von irgendwelchen Maßnahmen des Staates.
Es gibt aber viele kleine Firmen, vor allem mittelständische Unternehmen, die würden sehr stark unter Druck kommen, wenn eine restriktivere Geldpolitik gefahren werden würde.
Oder denken wir an die vielen amerikanischen Hausbauer, denen das Wasser bis zum Hals steht.
Wenn die Zinsen nachhaltig und dramatisch steigen würden, würde es dort Zwangsliquidierungen in millionenfacher Höhe geben.
Und ich glaube, das kann man sich in Amerika nicht leisten – und auch hier bei uns nicht – weil bei uns der Mittelstand im Prinzip in der gleichen Rolle ist wie der amerikanische Immobilienbesitzer.
…und wieso soll es dann Ihrer Meinung nach bald auch hierzulande zu einem Crack up Boom kommen?
Die zwei Hauptzeichen sind, dass man einmal ein gigantisches Inflationspotential geschaffen, indem ich die Märkte mit Geld geflutet hat. Genau das ist passiert in den letzten zwei Jahren.
Zudem haben wir noch gigantische Garantien ausgegeben, die eine weitere Flutung in den nächsten Jahren schon festlegen. Da führt meines Erachtens gar kein Weg mehr daran vorbei.
Ich denke hier an dieses unsägliche 750 Milliarden Euro große Rettungspaket für Europa.
Das sind Pakete, die sind noch nicht abgerufen, bis auf den Fall Griechenland. Der ganze Zug rollt ja noch weiter, auch in Amerika.
Wir haben also ein gigantisches Inflationspotential aus Geld und Geldäquivalenten geschaffen.
Das andere ist, dass man dieses Geld nicht mehr neutralisieren kann aufgrund der niedrigen Zinsen und der oben beschrieben zweigeteilten Wirtschaft.
Und das ist der Punkt, an dem wir sagen:
Wenn man Inflationspotential hat, was man nicht mehr eindämmen kann, dann muss alles, was als Ausgleich dieser Inflation steigen kann, auch wirklich steigen. Und das sind die Preise für Sachwerte.
Was müsste passieren, dass Sie Unrecht haben?
… dann müssten die Staaten diese Sparmaßnahmen, die sie jetzt beschlossen haben und umsetzen wollen in noch stärkerem Maße umsetzen.
Daran zweifle ich.
In Griechenland, Spanien und England fängt man zu Sparen an.
Das fällt ihnen übrigens recht früh ein.
Und es ist auch kein Sparen, sondern ein nicht ganz so viel ausgeben wie man ohnehin ausgeben wollte... Sich nicht mehr ganz so viel verschulden. Wenn dieser Drang und Zwang zum sich reduzieren fortgesetzt würde, dann wäre die Crack-Up-Boom-Theorie falsch.
Ich kann es mir aber nicht vorstellen.
Warum?
Bevor wirklich elementare Auswirkungen in der Wirtschaft stattfinden, würde die untere Schicht in der Bevölkerung auf die Straße gehen.
Da braucht man nur nach Griechenland schauen.
Ich prophezeie, dass wir demnächst nicht nur Streiks, sondern richtige Unruhen bekommen. Aufgrund des Drucks von der Straße wird man diese ganzen geplanten Sparmaßnahmen wieder rückgängig machen.
Ich muss noch eines hinzufügen: Aus den USA kommt ja auch Druck.
Die Amerikaner werfen die ganze Zeit Europa und insbesondere Deutschland vor, viel zu sehr auf der Bremse zu stehen und fordern uns auf, Gas zu geben, also eine aggressivere Geld- und Fiskalpolitik zu fahren.
Unsere Nachbarländer in Europa machen den gleichen Druck.
Die sagen ja auch, die Deutschen sollten viel aggressivere Politik betreiben und mehr ausgeben.
Wir kriegen sozusagen von unten Druck und gleichzeitig auch von unseren Nachbarn und den USA.
Ich glaube, dass die Politik letztendlich umfallen wird.
Worauf sollte man in erster Linie das Augenmerk richten, um rechtzeitig die Zeichen richtig deuten zu können?
Man sieht die Zeichen schon heute.
Diese stehen auf Inflationierung, auf ein Hinausschieben der Katastrophe, die ohnehin schon angestanden hätte (Lehman, Griechenland).
Man hat die Katastrophe, die fällig gewesen wäre, nur auf der Zeitachse nach hinten verlagert.
Ich bin überzeugt, dass noch weitere Katastrophen passieren werden.
Spanien und Großbritannien stehen dafür schon in der Warteschleife.
Auch die europäischen Banken haben Probleme, denn der Stresstest war nur Makulatur. Man hat ja versucht, eher etwas zu vertuschen statt offen zu legen.
Die Zeichen sind schon länger zu sehen.
Die Frage ist, wie stellt man sich darauf ein?
Wir beim Smart Investor sind schon jetzt dabei, uns darauf einzustellen.
Das heißt: Raus aus Geldwert – rein in Sachwert.
Im zweiten Teil des Interviews geht es vorrangig um Gold, die Diskussion um ein mögliches Goldverbot und das, was während eines Crack Up Booms alles passieren kann – und das danach.
Vielen Dank an dieser Stelle an Ralf Flierl für seine Zeit und seine Ausführungen.
„Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert.“
(Albert Einstein, 1879–1955)